Widerfahrnis: Eine Novelle
Wenn man Skakespeare obendrüber schreibt, ist es nicht automatisch gut!
Atmosphäre entwickelt Gerhard Roth mit seinem Roman, „Die Hölle ist leer, die Teufel sind alle hier“, dessen Titel ein Zitat aus Shakespeares Theaterstück „Der Sturm“ ist, überreichlich. Die Lagune von Venedig mit ihren einsamen Inselchen und Wasserwegen, bildet die Bühne Gerhard Roths. Darauf tummelt sich zahlreiches Personal, zahlreiche Theaterschauspieler treten auf und ab, die meisten haben lediglich eine Pseudofunktion.
In die Lagune von Venedig hat sich Roths gescheiterter Held Emil Lanz, ein Sprachengenie und Übersetzer klassischer Werke, also verkrochen. Seine Ehe hat er in den Sand gesetzt, weil ihm mehrere Dutzend Zimmer voller Bücher wichtiger waren als seine Ehefrau und als sie unerwartet stirbt, taugt ihr Besitz immerhin noch dazu, ihm eine kleine Villa auf dem Lido zu ermöglichen.
Dummerweise ist der Held ein wenig depressiv, er hat zwei Pistolen mitgenommen, und dass er sich gedanklich damit beschäftigt, dass das Leben dunkle Materie ist, hilft ihm nicht gerade, sein Leben zu genießen. Auch nicht sein Alkoholkonsum. Jeder weiß, dass Rotwein und Depression und Pistols sich nicht gut vertragen. Als er beschließt, sich umzubringen, geraten die Dinge außer Kontrolle. Eine Dantesche Hölle entwickelt sich.
Die Kritik, die eine ausschließlich persönliche ist:
Eine Zeitlang hat es mir durchaus Spaß gemacht, dem Helden in allerhand wirre und konfuse Handlungsstränge hinein zu folgen. Morde, Lieben, Helfer, Feinde, ein totes Mitgrantenmädchen, Verfolgungen (wobei nicht immer klar ist, wer wen verfolgt), Mäzene, der Luftgeist Ariel und ganz viel Hin– und Her. In Venedig und Umgebung. Viele Inselchen, die ich gar nicht kannte.
Aber nach Dreiviertel des Romans wird mir klar, dass schöne Worte alleine nicht reichen, mögen sie noch so schön und eloquent vorgebracht werden, es muss ein Minimum an Sinn vorhanden sein, damit ich einen Roman schätzen kann. Hätte Roth mir doch wenigstens einen einigermaßen rationalen Schluss gegönnt. Dann wären wir vielleicht noch Freunde geworden. Sind wir nicht Herr Roth, sind wir nicht.
Zu schreiben „um sich von Wort zu Wort zu bewegen“, denn genau so schildert der Held, nach seinem Beruf befragt, seine Tätigkeit, mag dem Schriftsteller ausreichen und ihm einen Höllenspaß machen, der germanistikunstudierten Leserin war es zu wenig. Die Handlung führt ins Leere. Von daher hätte der Roman genau so gut ungeschrieben bleiben können. Er war eine Zeitverschwendung. Die Myriaden von Anspielungen auf Shakespeare und andere Schriftsteller und Maler, sind, so in die Luft gestellt, gerade mal ausreichend für ein lahmes „Aha“. Wenn man Shakespeare obendrüber schreibt, ist es dann automatisch toll? „Shakespeare ist tot, wann versteht das die Welt?“ (Bonmot - mit Erlaubnis - geklaut).
Fazit: Gepflegte Langeweile in der Lagune von Venedig. Bildungsbügertätschelei.
Drei Punkte gibt es dennoch wegen der Sprachkunst.
Kategorie: Anspruchsvoller Roman
Auf der Longlist des österreichischen Buchpreises, 2019
Verlag: S. Fischer, 2019
Ein Urlaub in Jesolo ist genau das Richtige, schon seit Jahren. Man muss nicht fliegen, die drei Stunden sind schnell geschafft. Andi und Georg kennen die Gegend und die Hotels. Zwar ist es nach der langen Zeit schon etwas abgegriffen, aber doch immer wieder schön. Georg aber möchte, dass sich ihre Beziehung weiterentwickelt. Mit Mitte dreißig sollte man doch erwachsen werden. Andi hat jedoch ganz andere Dinge im Kopf. Allerdings nichts bestimmtes, sie möchte das Leben auf sich zukommen lassen, sich nicht festlegen. Ihre Beziehung mit Georg gehört eigentlich auf den Prüfstand.
Sie will nicht zusammenziehen, sie will kein Kind, sie will sich nicht festlegen, sie will, dass es so unverbindlich bleibt wie es ist. Nach dem letzten Urlaub ist Andi kurz davor, sich zu trennen. Es wird ihr einfach zu viel. Doch dann die Nachricht: sie ist schwanger. Der erste Impuls, ist der Gedanke an eine Abtreibung. Schnell aber ändert sich dies, Andi behält das Kind und sie behält es erstmal für sich. Immer noch unsicher, ob sie sich einfach in die ihr zugedachte Mutterrolle fügen soll oder ob sie sich auflehnen soll. Nach einem heftigen Streit, erinnert sie sich wieder an die guten Zeiten.
Nicht jede Frau sieht es als Lebensziel, Ehefrau und Mutter zu werden. So auch Andrea genannt Andi. Sie lässt sich treiben im Leben, hat ihre Arbeit und einen Freund. Eigentlich reicht ihr das. Mit 35 verspürt sie den Wunsch nach Veränderung, allerdings geht dieser Wunsch wohl eher Richtung Trennung. Die Schwangerschaft kommt dann unerwartet. Doch Andi stellt sich der neuen Situation. Allerdings wirkt sie nicht glücklich. Freund und Schwiegereltern sind es, die vor Glück strahlen. Immer wieder stellt sich Andi alternative Situationen vor und sie scheint unsicher, was sie sich wünschen soll. Es gibt keinen wohligen Schwangerschaftskokon für Andrea.
Eine ehrliche Schilderung über Beziehung und Schwangerschaft, die doch sehr ernüchtert. Es müssen Kompromisse gemacht werden, die wohl nur der einen Hälfte der Familie gefallen. Vielleicht ist es ein Buch, auf das man gewartet hat. Gut, zu erfahren, dass nicht immer Friede, Freude, Eierkuchen herrschen. Bei aller Ehrlichkeit jedoch, bleibt in den neun Schwangerschaftsmonaten offen, ob Andrea schließlich zufrieden ist mit ihren Kompromissen der Einengung oder ob sie nicht doch noch ein Hintertürchen findet, das ihr eine gewisse Freiheit bedeutet.
Georg und Andrea sind Mitte dreißig und schon seit der Jugendzeit ein Paar. Jedes Jahr fahren sie nach Italien, genauer gesagt nach Jesolo, immer ins gleiche Hotel. Da hat sich eine Menge Routine zwischen den beiden eingeschlichen, glücklich geht anders. Allerdings erfahren wir nur die Gedanken von Andrea, es sind aber auch ihre innersten Gedanken, Gefühle und Innensichten.
„Seit ich denken kann, gibt es immer nur uns. Immer nur mich zusammen mit dir. Wenn du nicht da bist, fragen mich die anderen zuerst, wo du bist, und erst dann, wie es mir geht.“ (S. 36)
Es gibt viele kleine Ungereimtheiten und Differenzen in diesem Urlaub. Die Ursache des Übels scheint aber die Tatsache zu sein, dass Georg gerne ein Kind möchte, Andrea sich vor dieser Entscheidung jedoch scheut.
Ein paar Wochen nach dem Urlaub stellt Andrea fest, dass sie schwanger ist. Ungewollt. Bezeichnenderweise beginnt das Buch erst jetzt mit Kapitel 1, der vorhergehende Urlaub fand im Kapitel 0 statt. Das Buch hat nachfolgend noch insgesamt 9 Kapitel, für jeden Schwangerschaftsmonat eins.
Andrea hadert von Anfang an mit dem Schwangersein, mit der Mutterrolle, den anstehenden Veränderungen, mit den Erwartungen, die die Umwelt an sie stellt. Diese Gewissenskonflikte werden sehr glaubwürdig und authentisch transportiert. In kurzen, klaren Sätzen. In Dialogen ohne Anführungsstriche und ohne Schnörkel. Andrea erkennt die Bemühungen Georgs an und versucht, sich selbst zu überzeugen:
„Es ist ein Wunder. Das größte Wunder der Natur. Ein besonderer Moment. Eine Meisterleistung. Ein Spektakel. Das emotionalste Erlebnis im Leben einer Frau.“ (S. 63)
Die vielen widersinnigen Ratschläge, die man als Schwangere bekommt, kennt jeder, sie sind fast ein wenig lächerlich: „Ich soll nicht fasten. Ich soll für Zwei essen. Mehr Eiweiß. Mehr Vitamine, Eisen, Magnesium. Auf keinen Fall Zigaretten und Alkohol. (…) Kein Hochleistungssport. Kein Tennis, Reiten, Tauchen. Laufen und Radfahren sind unbedenklich.“ (S. 91)
Was Andreas Lage zusätzlich erschwert, ist die Tatsache, dass sie von ihrer Mutter verlassen wurde, als sie noch ein Grundschulkind war. Das schwebt als unverarbeitetes Trauma im Hintergrund. Auch mit ihrem Vater hat sie seit Jahren keinen Kontakt. Im Gegensatz dazu sind die Schwiegereltern (über-)fürsorglich. Insbesondere Erika will helfen und unterstützen, schießt aber gern übers Ziel hinaus. Allerdings lässt Andi auch zu gerne alles geschehen. Sie wehrt sich nicht, ist passiv, sagt niemals „nein“…
Auf diese Art und Weise wird sie in Georgs Vorstellungen und Pläne hineingedrängt, die eigentlich so gar nicht ihre eigenen sind:
„Dieses Schwangersein., dieses Kindhaben, dieses Hausbauen. Ich habe bald dieses Leben: eine eigene Wohnung, ein Kind, einen Mann, der mich liebt. Die Familie ist die Erfüllung. Eine wohlige Seifenblase, die niemals platzt.“ (S. 131)
Dieses Buch hat mich mit seiner poetischen Sprache und seinen ausdrucksstarken Bildern völlig begeistert. Die Autorin hat es aber auch inhaltlich mit ihrem Debut geschafft, dass ich als Fünfzigerin (die sich früher tierisch auf ihre Kinder gefreut hat und der die Gefühle der Protagonistin aus eigenem Erfahren heraus völlig fremd sind) alles sehr gut nachfühlen konnte. Zu keinem Zeitpunkt habe ich gedacht: „Was ist die überspannt, die spinnt doch…“. Damit ist dieser Roman aus meiner Sicht für alle Altersklassen eine Bereicherung. Er zeigt sensibel auf, wie eine Frau von einer vermeintlich natürlichen Situation überfordert sein kann. Tanja Raich entführt in die Welt einer Frau, die Probleme mit ihrer neuen Rolle hat, aber dennoch versucht, sich ihr zu stellen. Es sind alles ehrliche Gefühle, die wir da lesen, man ist ganz nah dran.
Das hat mich wirklich beeindruckt und dafür vergebe ich mit 5 Sternen meine volle Lese-Empfehlung!
Kaum von ihrer Kreuzfahrt heimgekehrt, wenden die V.I.E.R. sich schon ihrem nächsten Abenteuer zu; dieses Mal reisen sie quer durch Europa. Der zweite Band der Krimireihe aus der Feder von Elisabeth Frank und Christian Homma, „Nie zu alt für Heavy Metal. V.I E.R. rocken Europa“, ist im Juli 2019 bei Grafit erschienen und umfasst 272 Seiten.
Die V.I.E.R., das sind Gero Valerius, Ina-Marie, Eleonora und Rüdiger. Als Professor Ledoux‘ Doktorand, Viktor Jenko, spurlos mit wichtigen Unterlagen des Rezeptes für das alte Allheilmittel Theriak verschwindet, bittet dieser die vier Freunde um Hilfe. Doch der Fall entpuppt sich als komplexer und brisanter, als anfangs angenommen. Die Ermittlungen führen die V.I.E.R. quer durch Europa, wo es dann schließlich auf dem Heavy Metal-Festival in Wacken zu einem fulminanten Finale kommt.
In Manchem ähnelt dieses Buch dem ersten Teil der Reihe, doch keine Angst: Man kann dem Geschehen auch sehr gut folgen, ohne den ersten Band zu kennen, denn es gelingt dem Autorenduo sehr gut, alle wichtigen Informationen in den aktuellen Roman einzuarbeiten. Außerdem gibt es zu Beginn des Buches ein Verzeichnis, in dem die Protagonist/innen noch einmal vorgestellt werden. Man hat beim Lesen das Gefühl, liebgewonnene Freunde, die man schon lange kennt, auf ihrer Reise zu begleiten, was nicht zuletzt auch darauf zurückzuführen ist, dass Frank und Homma immer wieder Begebenheiten aus der Kindheit und Jugend der nun Erwachsenen einfügen. Liebevoll haben die Autor/innen ihre Figuren gestaltet, jede von ihnen hat ihre teils skurrilen Eigenheiten, es kommt auch immer wieder zu Animositäten, wenn Gero bspw. seine Alleingänge startet, aber letztlich ist es die Kombination, die das Team zu ihrem Ziel führt. Was man daraus lernen kann: Streiten ist gut, Vertragen ist besser, doch das gemeinsame Ziehen an einem Strang ist von nichts zu übertreffen.
Wie schon im ersten Teil, so begleiten Leserinnen und Leser die Helden auch hier auf einer Reise, dieses Mal eine durch Europa, genauer führt die V.I.E.R. ihr Weg von München über Celje in Slowenien, Venedig, London bis hin nach Wacken, wo es zu einem actionreichen Showdown kommt. In Gotland schließlich beenden sie ihre Reise und begießen erneut ihre Freundschaft. Dass die Autor/innen mit Herzblut bei der Sache sind, merkt man an der guten Recherche. Die einzelnen Stationen sind nicht nur mit Spannung, mehr oder weniger Action und Humor gespickt, nein, man erfährt als Leser/in auch viel über Land und Leute sowie Besonderheiten der jeweiligen Region. Mit Slowenien z.B. habe ich mich noch nie beschäftigt und habe beim Lesen gedacht: Dorthin lohnt sich eine Reise bestimmt auch. Aber auch die Szenen rund um ein venezianisches Kostümfest sind sehr ansprechend und machen Lust auf den „Karneval in Venedig“. Lediglich die Exkursion nach London hat m.E. den ansonsten bestehenden Spannungsbogen doch sehr unterbrochen. Ausruhen können Lesende und Protagonist/innen immer wieder bei den Zwischenstationen in München, wo gemeinsam das Erlebte resümiert wird – für die Leser/innen eine willkommene Möglichkeit, sich vom Trubel zu erholen und die eigenen Gehirnzellen einzuschalten: Zum Mitraten lohnt sich dieser Krimi nämlich allemal.
Interessante Informationen erhalten Interessierte zudem über den im Mittelalter als Wundermittel gepriesene „Theriak“ sowie die Möglichkeiten der Astronomie - auch hier habe ich viel Wissenswertes erfahren.
Die Szene in Wacken zu lesen, bringt Heavy Metal-Freunde auf ihre Kosten, hat man doch fast das Gefühl, dabei zu sein. Insbesondere Rüdiger ist hier voll in seinem Element und man kann nicht anders, als sich mit ihm mitzufreuen oder mitzustöhnen, wenn Elli z.B. vergisst, mit der „Pommesgabel“ zu grüßen oder Gero es bei seinem Versuch, authentisch zu wirken, dann doch übertreibt.
Auch wenn im Klappentext von „Menschenopfern“ die Rede ist, brauchen zartbesaitete Krimileser/innen dieses Buch nicht zu scheuen: Es ist absolut unblutig, es dominieren eine angenehme Spannung in Kombination mit feinem Humor.
Insgesamt hat mir diese Kombination aus Spannung, Reiseführer und Humor wieder sehr gut gefallen, und ich kann allen Freund/innen humorvoller Kriminalliteratur nur empfehlen, in diese Reihe einmal hineinzuschnuppern.
Strandspaziergang
Gerne geht er am Strand spazieren und folgt den Menschen, die ihm interessant erscheinen. Im Haus geht er hauptsächlich seiner Arbeit als Übersetzer nach. Nachdem seine Frau, die ihn eigentlich verlassen wollte, gestorben ist, konnte er sich ein Haus am Lido in Venedig leisten. Ein Haus für seine Bücher, von denen täglich mehr einziehen. Das Leben von Emil Lanz verläuft eher ziellos und wenig aufregend. Er beschließt eines Tages, dem ein Ende zu setzen. Doch bevor er sein Vorhaben ausführen kann, betrinkt er sich und schläft ein. Noch im Aufwachen beobachtet er einen Mord und mit der Langeweile ist es vorbei.
Verfolgt und andere verfolgend zieht Emil Lanz durch die Stadt. Dabei trifft er die geheimnisvolle Fotografin Julia Ellis, die offensichtlich in die Geschichte involviert ist. Eine schnelle Affäre und ein ungelöstes Rätsel. Diese Frau offenbart sich nicht. Immer mehr Personen betreten die Bühne der Story.
Wenn man Venedig noch nicht besucht hat, fällt es etwas schwer, sich die geschilderten Örtlichkeiten vorzustellen. Eigentlich schon zu ausufernd sind die Beschreibungen, so dass man das Gefühl hat, die Stimmung der Orte geht in der Ausführlichkeit verloren. Leichter hat man es da mit einer Art Kriminalfall. Zwar fragt man sich auch hier während der gesamten Lektüre, was wirklich geschieht und was sich nur in der Vorstellungswelt des literarisch äußerst gebildeten Übersetzers abspielt. Doch unabhängig davon baut sich Spannung und Neugier auf. Man will wissen, was weiter geschieht, wer welche Taten begeht und warum. So ganz zufrieden gestellt wird man zwar auch hier nicht und man fragt sich, ob nicht sämtliche Fäden von der eigentlich unmöglichen Person des Egon Blanc gezogen werden oder ob spielt sich alles nur auf dem schmalen Grat zwischen Leben und Tot ab. Dazu allerdings erscheint der Schluss allzu süßlich, wobei vielleicht ist gerade das das helle Licht.
Bei dem Titel des Buches handelt es sich im Übrigen um ein Zitat aus Shakespeares „Der Sturm“.
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