Kalmann
Setting im hohen Norden Islands, eine ungewöhnliche Geschichte, die sich als Kriminalfall oder als Milieustudie eines abgeschiedenen Ortes einordnen läßt und e Ungewöhnliches in ungewöhnlicher Protagonist - der Sonderling Kalmann, zeichnen den neuen Roman des Schweizer Autors Joachim B. Schmidt aus. Man liest das Buch mit großem Vergnügen, egal ob als Krimi oder Sittenbild.
Kalmann hat alles, was er zum Leben und Überleben im kalten Norden Islands braucht. Er lebt vom Jagen von Polarfüchsen und macht nach seinem Großvater den besten Gammelhai auf ganz Island. Weil er schon als Kind langsamer als andere war, gab er oft Anstoß zum Gelächter, und Kalmann lachte immer mit, um nicht der einzige zu sein, der nicht lachte. Sein Großvater glaubte an ihn und brachte ihm bei, wie man beim Jagen mit einem Gewehr umgeht und wie man Gammelhai - ein Nationalgericht Islands - herstellt. Der Großvater sitzt mit schwindendem Geist im Pflegeheim, und ist dennoch das einzige wichtige für Kalmann.
Das Kaff Raufarhöfn droht im weißen Nichts zu verschwinden, nachdem durch Fangquotenspekulationen der früher von der Fischerei belebte Ort nunmehr unbedeutend geworden ist. Der windige Geschäftsmann Robert McKenzie wartet mit dem Steinkreisprojekt Arctic Henge und einem Hotel für den Tourismus auf. Dann verschwindet er spurlos, und Kalmann findet eine Blutlache im Schnee. Es ist zu viel Blut für ein Tier, und die Fußabdrücke hinunter zum Dorf sind auffällig. Kalmann erzählt im Ort davon, und sein sonst geregeltes Leben gerät aus der Bahn. Polizei taucht im Ort auf, und als eine Faß mit Rauschgift aus dem Meer gefischt wird, ist es mit der beschaulichen Ruhe endgültig vorbei. Die verantwortliche Ermittlerin glaubt Kalmann zwar, weil sie spürt, dass er nicht lügen kann, aber Kalmann ist vergesslich. Besonders wenn er mit seinem kleinen Boot allein auf dem Meer zu seinen Haifisch-Angeln fährt, leert sich sein Geist und schiebt schreckliche Dinge einfach beiseite.
Das Buch ist kein reiner Krimi, auch wenn man es so lesen kann. Es ist eher eine Hommage für einen Sonderling, einen Zurückgebliebenen, an einen Dorftrottel. Er funktioniert einfach anders als die Menschen um ihn herum, aber er hat seinen Platz im Dorf Raufarhövn gefunden. Er trägt Cowboyhut und Sheriffstern, seine Montur, und eine Pistole von seinem Vater. Er darf nicht Auto fahren, doch es findet sich immer jemand, der ihn zu seinem Großvater ins Pflegeheim fährt. Mit all seiner Schrulligkeit ist Kalmann ein ungewöhnlicher und sehr lebendiger Charakter, aus dessen Perspektive Joachim B. Schmidt die Geschichte aufrollt. Mit seiner liebevollen Figurenzeichnung, der Detailliebe und einer guten Portion hintersinnigen und weisen Humor bereitet das Buch ein ganz besonderes Lesevergnügen. Dass man dem Erzähler bis zum Schluss nicht trauen kann ist noch ein besonderes Bonbon.
Diese lakonisch erzählte Geschichte des isländischen Originals mit Sheriffstern voller Verwicklungen und Überraschungen reicht von witzig bis herrlich verquer, hat Tiefsinn und hohen literarischen Unterhaltungswert - was will man mehr.
Im isländischen Raufarhöfn lebt Kalmann Óðinsson. Er ist etwas anders, schon seit seiner Geburt. Vermutlich laufen die Räder in seinem Kopf rückwärts, sagt er von sich selbst. Aber er kommt zurecht in seinem Haus, in der Dorfgemeinschaft. Von seinem Großvater hat er alles gelernt, was für das Leben am nördlichsten Zipfel Islands nötig ist. So wurde aus ihm ein Haifischjäger und Kalmanns Gammelhai wird fast so gut wie der seines Großvaters. Auch wenn er wie berufen ist für das Jagen und Schießen, begegnet Kalmann den Tieren an Land und zu Wasser mit Respekt, tötet nicht aus Vergnügen. Jetzt ist sein Großvater selbst pflegebedürftig und es gehört zu Kalmanns wöchentlicher Routine, den alten Mann im Heim zu besuchen. Routine ist ihm wichtig und das Einhalten von Abmachungen.
Viel passiert nicht in dem abgeschiedenen Fischerdorf. „Am Ende der Welt links abbiegen!“, sagt Kalmanns Mutter über den Ort. Seit dem Deal mit den Fischereiquoten ist es still im Hafen, die Schule besteht nur mehr aus einer einzigen Klasse. Der Touristenstrom, für die der „Quotenkönig“ Róbert McKenzie ein Hotel und das Arctic Henge Monument errichten ließ, blieb aus. Doch dann ist eines Tages Róbert verschwunden und Kalmann findet eine große Blutlache im Schnee.
„Denn Schnee ist Schnee, und Blut ist Blut. Und wenn einer spurlos verschwindet, ist das vor allem sein Problem.“
Hätte er nur über seine Entdeckung geschwiegen, überlegt Kalmann, denn damit fingen die Probleme an.
Der Schweizer Schriftsteller Joachim B. Schmidt lebt schon seit etlichen Jahren mit seiner Familie in Island und hat seinen Roman „Kalmann“ auch dort angesiedelt. Der Kriminalfall Róbert McKenzie – denn dass der Hotelbesitzer wohl tot ist, wird schnell vermutet - ist der äußere Rahmen eines besonderen Romans. Schmidt lässt seinem Ich-Erzähler Kalmann sehr viel Gelegenheit über das Leben in Raufarhöfn zu berichten. Da gibt es diesen Mikrokosmos der Ortsgemeinschaft, in der Kalmann trotz seiner Besonderheit sehr gut zu Rande kommt. Als Kind hatte er es vielleicht etwas schwerer, lachte mit, wenn alle (über ihn) lachten, um nicht der einzige zu sein, der nicht lacht. Mit dem Lernen, dem Lesen und Rechnen da haperte es. Aber beim Lesen von Karten ist er unschlagbar. So kommt es auch dass er heute als selbsternannter Sheriff von Raufarhöfn durch den Ort patrouilliert, alle Ecken und Enden kennt, kleine Aufgaben übernimmt und sich wichtig fühlt. Auch mit seinem Boot auf dem Meer kennt er sich aus.
Allein, er ist vergesslich: „…Und das ist eine meiner Schwächen. Ich kann wichtige Sachen einfach so vergessen. Vor allem, wenn ich aufs Meer fahre. Als würde das Meer alle Erinnerungen schlucken…“
Meiner Ansicht nach braucht Kalmann auch den Vergleich nicht zu Forrest Gump, der immer wieder ins Gespräch geführt, von Schmidt sogar selbst initiiert und von Kalmann zurückgewiesen wird.
„Ich kann nicht schnell laufen und auch nicht Pingpong spielen und früher wusste ich nicht mal, was ein IQ ist.“
Für Schmidt war es wichtig, dass der Behinderung seines Protagonisten nicht allzu viel Bedeutung zu kommen soll. Wenn Kalmann nach außen auftritt wirkt er in seiner Denkweise oft wie ein Kind. Bei seinen inneren Monologen ist er reflektiert und klugEs braucht keine Schublade, in die Kalmann zu stecken ist. Genauso wenig braucht der Roman eine Schublade der Genrezuteilung. Wer diesen Roman gerne als Krimi lesen möchte, steht nicht allein da. Schließlich findet man das Buch auf so mancher Krimibestenliste wieder.
Ob Krimi oder nicht - so wie Kalmann immer zu sagen pflegt: „Kein Grund zur Sorge!“ Der unzuverlässige Erzähler Kalmann sorgt tatsächlich für genug spannende Momente. Seine besondere Sicht auf die Dinge aber auch seine Auslassungen - den Kalmann erzählt uns lange nicht alles, was ich im Übrigen für zutiefst menschlich und normal ansehen würde – erstaunen immer wieder aufs Neue.
Mein Eindruck zu "Kalmann":
Kalmann wohnt in einem kleinen Dorf im hohen Norden von Island, in Raufarhöfn, am nördlichsten Zipfel Islands. Die Geschichte beginnt mit seinem Großvater, an dem er sehr hängt.
„Ich wünschte Großvater wäre hier.“ (S. 9)
Wie sein Großvater ist er Jäger und Haifischfänger. Sein Großvater hat ihm alles beigebracht. Er jagt Polarfüchse, er verarbeitet Haie zu Gammelhai und als Dorf-Sheriff hat er viel zu tun.
Doch Kalmann ist anders. Er hat eine geistige Behinderung und seine Mutter ist Vormund. Doch das ist für Kalmann alles unerheblich. Seine kindliche Naivität spornt ihn an und er will alles unter Kontrolle bekommen. Das führt bei ihm allerdings auch ab und zu zur Aggressivität.
Und dann entdeckt er einen Blutfleck im Schnee und Kalmann muss das klären. Der Hotelbesitzer des Dorfes wird seit einigen Tagen vermisst und schnell wird gemunkelt, dass es das Blut des Verschwundenen ist. Plötzlich ist das Leben im Dorf nicht mehr so beschaulich, denn Polizisten und Journalisten kommen ins Dorf und sogar die litauische Mafia ist dabei. Mittendrin steckt Kalmann im Geschehen, was ihm gar nicht so gefällt.
Sprache
„Unter einem Eisbären kann es sehr dunkel sein.“(S.326)
Der Roman wird aus der Ich Perspektive Kalmanns erzählt. Kurze Sätze, Parataxen, wechseln mit langen Sätzen ab. Die Wörtliche Rede dazu machen den Roman abwechslungsreich. Die Sprache vermittelt dem Leser die Sichtweise Kalmanns. Sein Denken wird sichtbar. Mal naiv, mal erstaunlich gut durchdacht und auch manchmal sehr aufbrausend. Wie ein roter Faden werden immer wieder die Erinnerungen an seinem Großvater aufgenommen, der für Kalmann richtungsweisend ist.
Mein Fazit
Bei Kalmanns Klärung lernt der Leser nicht nur den Protagonisten näher kennen, sondern erfährt auch viel über das Leben, Natur, Flora und Fauna Islands. Das Cover ist sehr gut gewählt die karge Landschaft, das einsame Haus auf dem schroffen, rötlichen Felsen am Meer und dahinter der schneebedeckte Berg im leichten Dunst, zeigen das raue Island, wo Eis und Feuer aufeinander treffen.
Der Roman ist nur am Rande eine Kriminalfall. Im Vordergrund steht die Hauptfigur Kalmann.
Kalmann ist alles andere als ein perfekter Held. Er sieht seine Welt aus seiner Perspektive und trotzdem hat er damit den Leser schnell in seinen Bann gezogen.
„Ich nickte. Ich liebte Süßigkeiten. Darum musste ich jedes Jahr zum Zahnarzt, um Löcher zu bohren. Das liebte ich aber gar nicht.“ (S. 147)
Kalmann, der isländische "Forrest Gump".
Eine wunderbare Lektüre, die mir vergnügliche und unterhaltsame Lesestunden beschert hat. Ein Lesevergnügen, für das ich sehr gerne 5 Sterne vergebe.
Der Kriminalfall ist in meinen Augen zwar der Aufhänger der Geschichte, der Roman brilliert indes vor allem in der Darstellung seines Helden und dessen Umfelds. Ich mag Geschichten, die eigentlich Psychogramme von kleinen Städten oder isolierten Orten sind – da zeigt sich die menschliche Natur glasklar.⠀
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„Wir wissen überhaupt sehr wenig. Und ich finde das ganz tröstlich, denn ich weiß ja auch nicht viel über die Welt, und wer so tut, als hätte er auf alle Fragen eine Antwort, hat einen Schaden und mehr nicht.“⠀
(Zitat)⠀
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Dass Kalmann eine geistige Behinderung hat, scheint offensichtlich, wirkt er doch wie ein kleiner Junge im Körper eines Erwachsenen. Der Autor steckt ihn jedoch nie in Schubladen oder beschönigt, welche Schwierigkeiten sich im Umgang mit ihm ergeben: wenn der Frust zu groß wird und Kalmann sich nicht mehr zu helfen weiß, explodiert er.⠀
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Aber da er niemandem schaden will, schlägt und boxt er sich selbst, zertrümmert seine eigenen Habseligkeiten – nur rausrausRAUS mit der Wut. Im Umgang mit anderen Menschen ist er normalerweise friedlich und freundlich.⠀
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Als Leser:in schüttelt man vielleicht mit dem Kopf, weil diesem ewigen Kind erlaubt wird, mit einer geladenen Waffe herumzulaufen und die schwere Arbeit eines Haifängers zu verrichten, aber das ist das Leben, das Kalmann sich wünscht. Hier erfährt er Anerkennung – er verdient gutes Geld mit seinem Gammelhai! –, hier beherrscht er Dinge besser als alle anderen. In einem Heim oder einer Behindertenwerkstatt würde er hingegen möglicherweise verkümmern.⠀
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Die Menschen von Raufarhövn wissen ihren ‘Sheriff’ zu nehmen; es gibt wohl niemandem im Ort, der ihn nicht kennt und als Faktotum ansieht. Natürlich gibt es vereinzelt Vorurteile und Ablehnung, aber seine Marotten und Eigenheiten werden von den meisten Mitbürgern einfach akzeptiert. Deswegen klappt das, deswegen kann Kalmann alleine leben und sein eigenes Geld verdienen.⠀
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Wie sagt man so schön? Um ein Kind aufzuziehen, braucht es ein ganzes Dorf – und um einem Kalmann ein weithin selbstbstimmtes Leben zu ermöglichen, auch.⠀
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Besonders die Beziehung zwischen Kalmann und seinem dementen Großvater wird sehr rührend beschrieben. Der forderte Kalmann von Anfang an, wollte gar nichts davon hören, der ‘beschränkte’ Junge könne dieses oder jenes nicht. Er brachte seinem Enkel alles bei, was man als Haifänger beherrschen muss.⠀
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Kalmann begreift auf intellektueller Ebene vielleicht nicht vollends, was mit seinem Großvater nicht stimmt, aber er macht das auf emotionaler Ebene locker wett. Er gibt sich alle Mühe, mit ihm zu sprechen und seine Wünsche zu erraten, und wenn alles nicht mehr hilft, packt Kalmann den von seinem Opa geliebten Gammelhai aus – natürlich selbst gefangen und gepökelt. Der Gestank der ekligen Delikatesse reißt den alten Mann ohne Fehl für ein Weilchen aus seinem geistigen Nebel.⠀
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Kalmanns bester Freund Nói ist ein 19-jähriger Junge, den er im Internet kennengelernt hat, und der im Livestrem immer sein Gesicht verbirgt. Als Leser:in kann man aus einem Nebensatz schließen, dass Nóis Gesicht möglicherweise entstellt ist, was aber nicht aufgeklärt wird.⠀
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Nói ist alles, was Kalmann nicht ist: sarkastisch, hochintelligent, mit einem bösen Humor ausgestattet. Aber er hat auch Vorurteile, die Kalmann unbehaglich im Kopf hin- und herwälzt.⠀
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Kalmanns Art und Weise, Dinge zu beschreiben, ist sehr erfrischend: seine Gedanken sind einfach, er trifft den Nagel aber oft genau auf den Kopf! Trotz seiner intellektuellen Behinderung denkt er nach über die Dinge, die er hört und sieht, und zieht daraus seine eigenen Schlüsse. Da geht es durchaus auch um Themen wie Überfischung, Klimawandel und Rassismus! Das ist überwiegend glaubhaft geschrieben, da kann man sich dann richtig einfühlen in seine Gedankenwelt – aber nicht immer.⠀
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Seine Gedanken sind meist kindlich und schlicht, dann denkt man sich: ja, so ist er, der Kalmann. Und dann gibt es wieder Passagen, in denen er sich meiner Meinung nach sprachlich zu gewählt ausdrückt oder inhaltlich zu komplex. Er kann in Gedanken ganze Unterhaltungen Wort für Wort noch mal abspulen, auch wenn er sie höchstwahrscheinlich nicht hundertprozentig verstanden hat.⠀
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Zum Teil merkt er sogar ausdrücklich an, dass er nicht verstanden hat, was er gerade erzählt! In manchen Szenen überspannt das den Bogen. Beim Lesen gelang es mir dann nicht mehr, die Geschichte einfach als wahr anzunehmen, obwohl sie unwahrscheinlich klang – aber sie hat mir dennoch immer noch gut gefallen.⠀
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Der Humor ist bei Büchern wie diesem eine heikle Sache – er wäre allzu einfach und billig, über Kallmann zu lachen, weil er Dinge nicht versteht oder sich anders verhält, als es der Norm entspricht. Aber dem Autor gelingt es gut, dem Leser das Gefühl zu geben, *mit* Kalmann zu lachen und nicht *über* ihn, und ich musste einige Male schmunzeln.⠀
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Der Humor funktioniert hier auch deshalb so gut, weil der Autor die Balance beherrscht. Die Geschichte durchläuft die volle Bandbreite: Spannung, Melancholie, Freude, Trauer, Hoffnung, auch Gesellschaftskritik…⠀
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Auch wenn die zwischenmenschlichen Beziehungen in Raufarhövn für mich interessanter sind als der Kriminalfall, möchte ich damit nicht behaupten, der sei nicht spannend! Es gibt mehrere Wendungen, die nicht nur für Kalmann rätselhaft sind, und mehr als eine Person muss ihr Leben lassen…⠀
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Kalmann denkt vielleicht nicht so schnell wie andere, aber er ist der selbsternannte Sheriff des kleinen Örtchens Raufarhöfn und außerdem der beste Haifänger. Als er eine Blutlache im Schnee findet, ist es mit der Beschaulichkeit vorbei und Kalmann muss feststellen, dass es unter einem Eisbären sehr dunkel sein kann.⠀
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Für den Leser sind Kalmanns intellektuelle Defizite offensichtlich, er wächst einem gerade wegen seiner einfachen Art ans Herz. Der Autor nennt diese Defizite nie beim Wort, beschreibt seinen Helden jedoch sehr sensibel. Er malt das berührende Porträt eines Leben mit Behinderung, das auf ungewöhnliche Art und Weise ‘funktioniert’.⠀
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Über lange Passagen ist Kalmanns Perspektive glaubhaft, in manchen Szenen drückt er sich meines Erachtens jedoch zu gewählt oder zu kompliziert aus, um noch schlüssig zu wirken. Das kleine Manko gibt Abzüge in der B-Note, davon abgesehen gefiel mir das Buch sehr gut – ein Drama mit viel Humor und originellen Spannungselementen.⠀
Island ist nicht nur für seine Natur berühmt, sondern auch für seine ausgefallenen kulinarischen Köstlichkeiten. Eine davon ist das sehr spezielle Fischgericht "Hàkarl", auch bekannt als "Gammelhai". Das Grundrezept und die Zubereitung sind denkbar einfach, man benötigt nur ein bisschen Zeit und Geduld: Man nehme einen handelsüblichen Grönlandhai - tot sollte er sein - und vergräbt ihn am Strand. Wenn kein Strand vorhanden sein sollte, kann man sicherlich auch den Garten nehmen. Doch besser empfiehlt sich eine Tonne, die sich luftdicht verschließen lässt. Dann muss man warten, je länger desto besser. Der Hai gammelt also vor sich hin. Nach ein paar Wochen sollte der Gammelprozess (biologisch: Fermentierung) abgeschlossen sein. Danach das verweste Fleisch wieder ausbuddeln, in kleine Stücke schneiden und genießen. Die Frage nach dem Mindesthaltbarkeitsdatum stellt sich vermutlich nicht mehr. Als Getränk zum Gammelhai empfiehlt der Isländer Schnaps. Wer es stilecht mag, genießt daher seinen Gammelhai mit einem Brennivín.
Ein Spezialist auf dem Gebiet der Hai-Verwesung ist Kalmann, Protgonist des gleichnamigen Romans von Joachim B. Schmidt.
"Man vermutet, dass die Räder in meinem Kopf rückwärtslaufen. Kam vor. Ist doch mir egal. Oder dass in meinem Kopf bloß Fischsuppe sei. Oder dass meine Leitungen falsch verbunden seien. Oder dass ich den IQ eines Schafes habe. Dabei können Schafe gar keinen IQ-Test machen."
Kalmann ist ein ganz besonderer Mensch, mit dem Herz auf dem rechten Fleck. Er lebt in Raufarhövn, einem kleinen Ort irgendwo an der Küste Islands, kurz vor dem Nordpol (Luftlinie ca. 2.619 km). Hier ist er aufgewachsen, mittlerweile ist er 33 Jahre alt und lebt allein. Seine Tage verbringt er als Jäger, Fischer und Dorfsheriff. Letzteres nimmt er besonders ernst. Denn er fühlt sich verantwortlich für das Dorf. Die Bewohner haben sich an Kalmanns Anblick mit Sheriffstern, Cowboyhut und Knarre gewöhnt. Dies ist nicht das typische Outfit eines isländischen Polizeibeamten. Doch Kalmann ist auch kein Polizeibeamter. Er ist einfach Kalmann. Und Kalmanns Gedankenwelt ist herzerfrischend einfach. Das liegt daran, dass seine geistige Entwicklung irgendwo kurz vor der Pubertät stehen geblieben ist. Daher betrachtet er die Welt aus der Sicht eines Kindes, was in manchen Situationen nicht die schlechteste der Sichtweisen ist. Leider hat er Schwierigkeiten, seine Gedanken in Worte zu fassen. Denn seine Gedanken wollen schneller ausgesprochen werden, als Kalmann dazu in der Lage ist. Daher steht er auch nicht gern im Mittelpunkt.
Am wohlsten fühlt sich Kalmann, wenn sein Leben in geregelten Bahnen verläuft. Er ist ein Gewohnheitsmensch, wobei ihm seine Gewohnheiten den nötigen Halt geben, um mit seinen kindlichen Denkstrukturen in einer komplizierten Welt bestehen zu können.
Sobald er in Situationen gerät, mit denen er nicht umgehen kann, wird er wütend. Diese Wut hat er leider nicht immer unter Kontrolle.
Die Menschen in Raufarhövn akzeptieren ihn jedoch so, wie er ist. Er ist ein fester Bestandteil der Dorfgemeinschaft.
Und eines Tages passiert genau das, was nicht passieren darf. Ein wichtiges Mitglied der Dorfgemeinschaft wird vermisst. Die Blutlache, über die Kalmann stolpert, ist zunächst die einzige Spur, die es gibt. Und damit wird das Leben von Kalmann auf den Kopf gestellt.
"Wenn man die Person ist, die eine Leiche oder deren Überreste findet, und sei es auch nur eine Pfütze Blut, hat man etwas mit der Sache zu tun."
Der Roman "Kalmann" scheint ein Krimi mit einem ganz besonderen Ermittler zu sein. Zumindest deutet Kalmanns Funktion als Dorfsheriff darauf hin. Tatsächlich spielt unser Held eine untergeordnete Rolle bei der polizeilichen Ermittlungsarbeit. Er ist nur derjenige, der ungewollt in den Mittelpunkt des Interesses von Polizei und Medien rückt. Die Suche nach dem Vermissten ist auch nur ein Aspekt dieses Buches, der zugegebenermaßen für Spannung sorgt, aber nicht den Reiz dieses Romans ausmacht.
Denn der Reiz dieses Buches liegt in dem Schauplatz der Handlung. Der Roman vermittelt ein großes Stück Landeskunde über Island, einem Land, das irgendwo am nördlichen Rand von Europa liegt, aber genauso gut das Ende der Welt darstellen könnte (geografisch betrachtet!). In Island scheinen die Uhren anders zu schlagen als für den Rest der Welt. Der Autor Joachim B. Schmidt, ein gebürtiger Schweizer, ist vor vielen Jahren nach Island ausgewandert. In "Kalmann" bringt er seine Erfahrungen und Eindrücke über dieses Land in geballter Form unter. Dabei entwickelt sich dieser Roman zu einem Quell unerschöpflichen Wissens, was isländische Landeskunde angeht. Dieses Wissen vermittelt der Autor auf sehr unterhaltsame und humorvolle Weise. Seine Schilderungen der isländischen Eigenheiten verursachen Staunen und machen definitiv neugierig auf dieses Land. Man wundert sich, was für ein besonderes Völkchen die Isländer sind, was sich sicherlich nicht nur an den eigenartigen Essgewohnheiten (s. Gammelhai) festmachen lässt.
Am Ende des Romans wird der Vermisstenfall übrigens aufgeklärt. Keine Frage, dass Kalmann einen großen Anteil an der Lösung des Falls hat. Unser Held, mit der Seele eines Kindes, wächst am Ende über sich hinaus und überrascht alle. Ein schöneres Ende eines Romans kann man sich kaum vorstellen.
Mein Fazit:
Der Roman hat mich verzaubert. Durch den besonderen Helden Kalmann und den Schauplatz Island habe ich eine Geschichte gelesen, die sich schwer mit anderen Krimis, Heldengeschichten oder was auch immer vergleichen lässt. "Kalmann" ist einzigartig - sowohl der Held als auch der Roman.
Leseempfehlung!
© Renie
Kalmann ist eine Erzählung mit kriminalistischem roten Faden oder ein Krimi mit starkem Erzähler – was auch immer: Jedenfalls ist es ein besonderes Buch und eines meiner Highlights in diesem Jahr.
Die Geschichte spielt im Dorf Raufarhövn in Island. Das Dörfchen ist fast ausgestorben, nachdem die Fischfangquoten fast alle andernorts verkauft worden und viele Einwohner wegen fehlender Perspektiven weggezogen sind. Der einzige verbliebene Geschäftsmann und Arbeitgeber ist Robert McKenzie. Er hat die letzte Fangquote, betreibt (erfolglos) ein Hotel und setzt sich für den Bau der Arctic Henge (einen in der Realität existierenden Steinkreis) ein, um Touristen anzuziehen. Robert McKenzie verschwindet allerdings von heute auf morgen. Zurück bleibt nur eine riesige Lache seines Blutes.
An dieser Stelle begegnet der Leser das erste Mal Kalmann. Er ist einer der wenigen verbliebenen Einwohner von Raufarhövn und verdient sich seinen Lebensunterhalt mit dem Fang von Haien, die er zu Gammelhai verarbeitet. Er selbst sieht sich als Jäger - im Dorf hat er den Status des liebenswerten Dorftrottels und "Sheriffs" von Raufarhövn. Tatsächlich war er in der Schule nicht gut, aber er versteht sich auf alles, was mit der Jagd zu tun hat. Richtig ist auch, dass er die Welt aus anderen Augen sieht als der Durchschnitt, aber gerade das macht das Buch zu etwas Besonderem. Denn der Leser erfährt aus der Perspektive von Kalmann, was er mit der Blutlache zu tun hat und wohin Robert McKenzie verschwunden ist. Außerdem gewährt Kalmann einen ausgiebigen Einblick in sein Leben, das der Einwohner von Raufarhövn und Island. Kalmann berichtet mit seinen einfachen wie wahren Worten von der Liebe zu seinem Großvater, der an Demenz leidet und in einem Altersheim lebt, von seiner Mutter, die sich liebevoll um ihn kümmert, von seinem Internetfreund, der spurlos verschwindet, sowie von seinem Wunsch nach einer Partnerin.
Eine gewisse Ähnlichkeit mit Forrest Gump ist nicht zu verleugnen. Die Perspektiven sind tatsäch¬lich ähnlich. Der Gegenstand der Beobachtungen ist dann aber doch wieder völlig anders. Mir hat es sehr gut gefallen. Mit den Worten Kalmanns: "Korrektomundo"! Das macht fünf Sterne.
Kalmann, alles andere als ein Dorftrottel
Joachim B. Schmidt hat mit seinem Roman Kalmann einen ganz besonderen Charakter geschaffen.
Kalmann wohnt im isländischen Raufarhövn, ein nur wenige Einwohner großes Dörfchen. Kalmann ist erwachsen, dennoch fungiert seine Mutter als Betreuerin, da er ein paar Probleme hat. Er hat auf einigen Gebieten einen großen Wissenschatz, allerdings beschränken diese sich auf das lesen von Landkarten, alles was mit Tieren zusammenhängt und der Herstellung von Gammelfleisch. Eine isländische Spezialität, dessen Herstellung er von seinem Großvater gelernt hat. In anderen Dingen braucht er Hilfe und ist manchmal sehr naiv. Hat er Stress kann es auch mal zu seltenen aber gewaltsamen Ausbrüchen kommen. Trotz allem trägt er sein Herz am rechten Fleck und ist ein hilfsbereiter junger Mann.
Mittlerweile wohnt er allein in dem kleinen Häuschen, da sein Großvater im Heim ist, und die Mutter woanders hingezogen ist, aber regelmäßig zu ihm fährt um zu helfen.
Sein Großvater war es auch, der Kalmann immer schon so akzeptiert hat wie er ist. Kalmanns Mutter dachte damals über ein Heim nach, doch dank des Großvaters konnte er in Raufarhövn bleiben. Die anderen Einwohner nehmen Rücksicht, sind an seine Eigenarten gewöhnt. Niemand stört sich daran, wenn er mit Cowboyhut, Sheriffstern und der Mauser seines Vaters, den er nur einmal kurz gesehen hat, ausstaffiert herumläuft und den Sheriff gibt.
Das besondere des Romans ist, dass uns Kalmann alles aus seiner Sicht erzählt. Sein einfach gestrickter Erzählstil passt gut zu diesem Charakter, dennoch wundert man sich, was manchmal für Dinge geschehen in diesem kleinen Fleckchen. Auf der Jagd nach einem Polarfuchs entdeckt Kalmann nämlich eine Blutlache. Da der Besitzer des einzigen Hotels vermisst wird, liegt der Verdacht nahe, dass ihm etwas schreckliches zugestoßen ist. Die Polizei ermittelt, eine gewagte Eisbärtheorie wird aufgestellt, das beschauliche Leben von allen wird auf den Kopf gestellt.
Eine Verstrickung, der Kalmann allerdings nicht hilflos ausgeliefert ist wie man vermuten könnte, nein, er fühlt sich sogar berufen alles zu richten.
Kalmann ist ein Roman, der mich wirklich gepackt hat. Die Art und Weise wie der Leser von diesem Charakter gefangen genommen wird ist einzigartig. Die Kriminalgeschichte die sich auftut spült sich eher im Hintergrund ab. Das Ende hat mich dann umgehauen, da ich mit dieser Enthüllung im Leben nicht gerechnet hätte. Ein stimmiges Ende, und leider auch das Ende der Geschichte des Sheriffs von Raufarhövn. Ich werde ihn vermissen, und hoffen, dass Joachim B. Schmidt vielleicht bald mal wieder einen Fall ersinnt, der Kalmanns Unterstützung bedarf.
Raufarhövn ist ein abgeschiedener Ort in Island. Viel gibt es nicht, seit die Fischfabriken geschlossen haben. Dort lebt Kalmann Óðinnsson und produziert die isländische Spezialität Gammelhai. Er macht den besten Gammelhai der Welt, seit sein Großvater in einem Pflegeheim immer weiter ins Vergessen eintaucht. Er war Kalmanns Stütze und Lehrer, denn er ist schon immer ein wenig anders gewesen. Sein Denken funktioniert nicht wie bei anderen Leuten und manchmal bekommt er eine große Wut und weiß selbst nicht warum
Aber Raufarhövn ist seine Heimat und er selbst sieht sich als selbsternannter Sheriff, einen Sheriffstern und einen Hut und eine alte Pistole hat er. Das sind die einzigen Erinnerungsstücke an seinen Vater, der als Soldat kurz in Island stationiert war.
Doch dann findet er auf der Fuchsjagd eine große Blutlache und von da an geraten die Ereignisse außer Kontrolle und die Gedanken in Kalmanns Kopf spielen verrückt.
Der Island-Roman von Joachim B. Schmidt ist eine Liebeserklärung an Island mit einem Helden, bei dem sich der Vergleich mit Forrest Gump aufdrängt. Kalmann hat eine kindliche Sicht auf die Welt. Lügen oder Ironie sind ihm fremd, wenn ihn etwas überfordert, ignoriert er es einfach. Seine Schlussfolgerungen zu all den Ereignissen haben mir Spaß gemacht, im Gegensatz zur ermittelnden Beamtin, die mit Kalmann an ihre Grenzen stößt. Und was als Kriminalroman begann, wird allmählich zu einem Buch über einen ganz besonderen Menschen.
Der Schreibstil ist besonders, denn der Leser folgt ja den Gedankengängen Kalmanns, die ganz seiner eigenen Logik folgen und ich konnte mich sehr gut darauf einlassen.
Ganz besonders gefiel mir die Landschaftsbeschreibung, Island ist ein wunderbarer Hintergrund, rau und einsam am Rand Europas, mit faszinierender und gewaltiger Natur. Dazu passen die Menschen in diesem Buch, ebenso einzigartig und von ihrer Umgebung geprägt.
Eine warmherzige und wie ich finde, auch ganz besondere Geschichte.
Joachim B. Schmidt, gebürtiger Graubündner, lebt seit 2007 mit seiner Familie in Island. Hier spielt auch sein vierter Roman, in einem kleinen Dorf namens Raufarhövn, im Nordosten des Landes. Der Ort hat schon bessere Tage gesehen. Doch nachdem die Fischbestände im Meer schwinden und in der Folge eine Fangquote eingeführt wurde, verlor das Dorf seine Existenzgrundlage. Viele zogen weg, mittlerweile leben hier nur noch um die 170 Menschen.
Einer von ihnen ist Kalmann, der Ich- Erzähler des Romans. Er, ein Mann Anfang Dreißig, ist etwas einfach im Kopf. Seinen Lebensunterhalt verdient er mit dem Haifischfang und der Herstellung von Gammelhai, eine etwas gewöhnungsbedürftige Spezialität des Landes. Alles Wesentliche hat ihm sein Großvater beigebracht, nicht nur das Handwerkliche, sondern auch die Sicht auf das Leben. Dass der Großvater nun dement im Altersheim vor sich hindämmert, macht Kalmann traurig.
Gerade jetzt könnte er seinen Rat gebrauchen. Denn auf der Jagd nach einem Fuchs stößt Kalmann auf eine riesige Blutlache. Gleichzeitig wird auch der Hotelbesitzer Robert McKenzie, der Boss und Quotenkönig von Raufarhövn, vermisst. Die Kriminalpolizei schaltet sich ein, Kalmann ist der wichtigste Zeuge. Nun beginnt die Suche nach dem Vermissten, leider erfolglos.
Doch dann fängt Kalmann einen Grönlandhai und im Magen des Tiers befindet sich ein grausiger Fund: eine menschliche Hand.
Der Kriminalfall ist nur der treibende Motor der Geschichte; die Fragen nach der Todesursache, dem Motiv und dem Täter sorgen für durchgehende Spannung.
Aber das Besondere an dem Roman ist der ungewöhnliche Protagonist, ein spezieller Vertreter des „ unzuverlässigen Erzählers“.
Kalmann ist zwar geistig auf dem Stand eines Kindes, hat aber gerade deshalb einen eigenen Blick auf die Dinge. Er weiß, dass er anders ist, sieht sich selbst manchmal in der Rolle des „ Dorftrottels“. In der Schule hatte er Schwierigkeiten mit dem Lernen; die Mitschüler machten sehr oft Witze auf seine Kosten. „ Ich lachte mit, denn es ist besser, mit anderen zu lachen, als der Einzige zu sein, der nicht lacht. Sonst ist man einsam.“
Doch die Liebe und Fürsorge seines Großvaters gaben ihm Selbstvertrauen. „Ich war einfach anders. Aber Großvater hatte mir einmal gesagt, dass jeder in gewisser Weise anders sei, und darum sei ich ganz normal.“
Auch seine Mutter schaut immer wieder nach dem Rechten bei ihm. Und inzwischen wird er akzeptiert von den Bewohnern des Dorfes „ ... und es sind immer die Leute aus Raufarhövn, die mich verteidigen, denn hier kennt man mich, hier bin ich wer.“
Auch wenn er mit Cowboyhut, Sheriffstern und der alten Mauser, Erbstück seines amerikanischen Vaters, loszieht.
Nur manchmal, wenn die Dinge nicht so ablaufen wie gewohnt, rastet er aus. Meistens richten sich seine Aggressionen aber gegen sich selbst.
Doch draußen auf dem Meer kommt er zur Ruhe. Hier in der Natur fühlt er sich wohl.
Dabei gelingen dem Autor immer wieder beeindruckende Landschafts- und Naturbeschreibungen, die im Leser die Sehnsucht nach Island wecken.
Das Buch wartet mit vielen komischen Dialogen und filmreifen Szenen auf, so z. B. ein Fernsehinterview, in dem Reporter und Kalmann aneinander verzweifeln ( Loriot lässt grüßen).
Zum Schluss kommt es zu einer überraschenden Auflösung. Das Zitat „ Unter einem Eisbären kann es sehr dunkel sein“ wird in einer tollen Szene illustriert. Auch das positive Ende für unseren Helden, inklusive der ersehnten Frau, gönnt man ihm.
„ Kalmann“ ist ein amüsanter, spannender Roman, gespickt mit einigen Lebenswahrheiten und Informationen über Land und Leute, mit einem außergewöhnlichen und sympathischen Protagonisten. Ich habe die Lektüre sehr genossen und wünsche dem Buch viele Leser.
Der Anfang hat mir schon so gut gefallen, dass ich unbedingt weiterlesen wollte. Joachim B. Schmidt ist hier ein ganz wunderbarer Krimi gelungen, der eigentlich weit über die Kriminalgeschichte hinausgeht. Mich hat von Beginn an der Ich-Erzähler Kalmann mit seiner Art für sich eingenommen, dass neutral betrachtet selbst die eher verhaltene Spannung zu keiner Zeit für Langeweile geführt hat. Als Leser war ich einfach gespannt, was Kalman durch seine ganz eigene Sicht als nächstes hervorbringt. Manchmal ist es rührend, teils auch sehr humorvoll, vielleicht sogar skurril. Ganz wie das echte Leben. Als großer Island-Fan habe ich mich natürlich über das besondere Flair und die Naturbeschreibungen gefreut. Man sollte keine wilde Achterbahnfahrt erwarten, auch wenn es gegen Ende natürlich überraschend wird, wie sich das gehört. Aber das Herz, das in diesem Buch steckt, macht es in meinen Augen wirklich einmalig. Eine super Leseempfehlung, die ich hiermit mit voller Überzeugung weitergebe.
"Denn es war noch nie richtig vorwärtsgegangen mit mir. Man vermutete, dass die Räder in meinem Kopf rückwärtslaufen. Kam vor. Oder dass ich auf der Stufe eines Erstklässlers stehengeblieben sei. […] "Run, Forrest, run!", riefen sie früher im Sportunterricht und lachten sich krumm."(S. 11)
Kalmann Óðinnsson ist anders. „Ärztepfusch“ sagt die Mutter, aber dank ihrer und vor allem des Großvaters rührender Fürsorge kann Kalmann heute fast selbständig leben:
"Großvater übernahm das Denken für mich – wenigstens, als er noch hier in Raufarhöfn [sprich: Reuwarhöbb] lebte. Er passte auf mich auf." (S. 13)
Ein ungewöhnlicher Protagonist
Nun lebt der demente Großvater im Pflegeheim und der 33-jährige Kalmann bewohnt das Holzhäuschen im äußersten Nordosten Islands alleine. Er ist Jäger, letzter Haifischfänger und stellt den typisch isländischen Gammelhai nach dem Rezept des Großvaters her. Auf Unterbrechungen seiner gewohnten Routine reagiert er mit Unsicherheit, Wut und Aggression. Doch selten gibt es dazu Anlass, denn alle in seinem kleinen Heimatort kennen ihn, akzeptieren sein Anderssein, seine Direktheit, bisweilen Taktlosigkeit, und sein Sheriff-Outfit mit Cowboyhut, Stern und Mauser, Geschenke seines amerikanischen Vaters bei ihrer einzigen Begegnung. Alle wissen um seine Gutmütigkeit, aber auch um seine Lenkbarkeit und seine Art, alles wörtlich zu nehmen. Man schenkt ihm Geborgenheit, passt auf ihn auf und nur eine Freundin fehlt zu seinem Glück.
Doch die Ruhe endet schlagartig, als Kalmann bei der Verfolgung einer Polarfuchsspur eine Blutlache entdeckt. Zur gleichen Zeit verschwindet der „Quotenkönig“ und Hotelbesitzer Róbert McKenzie spurlos und im Dorf wimmelt es plötzlich von Suchtrupps, Polizei und Journalisten. Kalmann steht im Mittelpunkt des Geschehens und vermisst seinen Großvater mehr denn je:
"Ich wünschte, Großvater wäre bei mir gewesen. Er wusste immer, was zu tun war. Ich stolperte über die endlose Ebene Melrakkaslétta, hungrig, erschöpft, blutverschmiert, und fragte mich, was Großvater getan hätte." (S. 9)
Krimi oder Roman?
Der Diogenes Verlag bezeichnet Kalmann als Roman, obwohl die Krimihandlung sich von der ersten bis fast zur allerletzten Seite zieht. Allerdings steht der Protagonist mit seiner unnachahmlichen Erzählweise so eindeutig im Vordergrund, dass die Entscheidung nachvollziehbar ist. Kalmann ist ein doppelt unzuverlässiger Berichterstatter, der einerseits nicht alles erzählt, was er weiß, andererseits ganz anders denkt, als wir es normalerweise erwarten. Mit kindlicher Naivität geht er manch überraschend philosophischer Überlegung nach und bastelt sich erstaunliche Erklärungen. Hat tatsächlich ein Eisbär den Verschwundenen auf dem Gewissen? In Kalmanns Worten erfahren wir aber auch von der Überfischung der Meere, den Auswirkungen von Fangquoten auf das Dorf, dem Klimawandel, dem verzweifelten Bemühen um Touristen, der Antipathie gegen Zuwanderer und der litauischen Drogenmafia, alles Themen, die der Großvater Kalmann erklärt hat, oder über die er mit erfrischend unverstelltem Blick nachsinnt.
Obwohl der Kriminalfalls nicht im Mittelpunkt steht und der seit 13 Jahren in Island lebende Schweizer Joachim B. Schmidt auf die polizeilichen Ermittlungen weniger Sorgfalt legt, empfand ich den Roman als spannend und sehr gut lesbar. Besonders gut gefallen haben mir die Szenen mit Komik à la Loriot, die wundervollen Landschaftsschilderungen, die Informationen über Island und die spürbare Zuneigung des Autors für seinen Antihelden. Nur die Auflösung hat mir zugesetzt und ich werde sie vermutlich nicht so schnell verdauen.
Island – schroffe Landschaften, Geysire, (unaussprechliche) Vulkane, die zu weltweitem „Ruhm“ gelangen; das reicht, um die Insel für mich so interessant zu machen, dass ich dort gerne mal verweilen würde. Allerdings würde ich auf die vielen kulinarischen „Leckerbissen“ doch eher verzichten *g*. Zu diesen Leckerbissen gehört auch der sog. „Gammelhai“, der durch Fermentierung genießbar werden soll. Hier scheiden sich wohl – wie in vielen Bereichen – die Geister.
Wie dem auch sei: Gammelhai ist das „Spezialgebiet“ von Kalmann – dem Hauptprotagonisten und Titelhelden von Joachim B. Schmidt´s neuem Roman. Der Schweizer Autor, der seit 13 Jahren auf Island lebt und dort u. a. als Touristenführer arbeitet, erzählt in dem im Anhang des Buches abgedruckten Interview, dass Kalmann eigentlich „[…] nur der Dorftrottel“ (S. 353) hätte sein sollen. „Doch schon nach wenigen Seiten ist er ins Rampenlicht gelatscht und dann dortgeblieben.“ (S. 353) Gut so *g*.
Kalmann ist in dem kleinen Fischerdorf Raufarhövn der selbsternannte Sheriff – mit Cowboyhut, Sheriffstern und Mauser-Pistole; eine Hinterlassenschaft seines amerikanischen Vaters. Er jagt Polarfüchse, fährt (wie schon sein Großvater, den er regelmäßig im Heim besucht) auf See, um den Grönlandhai zu fangen, um daraus die schon erwähnte „Delikatesse“ herzustellen. Hier philosophiert er, lässt sich fallen, darf ganz „er selbst sein“. Äußerst berührend und empathisch geschrieben; ein wenig hat mich das immer an „Der alte Mann und das Meer“ von Ernest Hemingway erinnert.
Als Kalmann eines Tages in der Nähe von Raufarhövn am sog. „Arctic Henge“ eine Blutlache findet, beginnt eine fatale Tour de Force durch die Gedanken und Erinnerungen von Kalmann…
Joachim B. Schmidt zeichnet mit viel Fingerspitzengefühl und Empathie seine Figuren; wertet nicht deren Handlungen, sondern überlässt es den Leserinnen und Lesern, zu hinterfragen, die kritischen Zwischentöne zu entdecken, die sich um das Leben der Inseleinwohner drehen, deren Probleme sich beim genaueren Betrachten nicht großartig von denen auf dem Festland unterscheiden. Dramatisch wird es in Dörfern wie Raufarhövn, die vom Fischfang leben, wenn Fangquoten „verkauft“ werden – die Arbeitslosigkeit und somit die Unzufriedenheit steigt…Die Folgen kann sich jede*r ausrechnen.
Es gibt zwar actionreiche Szenen in dem Buch, die man mit „Kalmann goes James Bond“ betiteln kann; der überwiegende Teil jedoch besteht aus Kalmann´s teils philosophischen, teils komischen Ansichten über die Welt, die Frauen, die Natur – das macht es schwer, den Roman in eine bestimmte Kategorie einzuordnen. Doch brauchen wir Schubladen, um ein Buch gut zu finden? Nein, „Kalmann“ sollte man einfach genießen, wie es bzw. er ist.
Für mich ganz klar 5* wert und eine absolute Leseempfehlung!
©kingofmusic
"Ich wünschte, Großvater wäre bei mir gewesen. Er wusste immer, was zu tun war. Vielleicht hätte er eine Pfeife gestopft und die Blutlache einfach zuschneien lassen." (Buchauszug)
Der 34-jährige Kalmann, der Sohn einer Isländerin und eines Amerikaners, wächst bei seinem Großvater in Raufarhöfn auf. Hätte es ihn nicht gegeben, wäre er wahrscheinlich in einem Behindertenheim gelandet. Doch trotzdem der Großvater nun im Altenheim in Húsavík lebt, kann sich Kalmann ganz gut alleine durchs Leben schlagen. Wie vom Großvater gelernt, geht er weiterhin fischen und stellt Gammelhai her. Zudem ist er der selbsternannte Sheriff von Raufarhöfn, doch lieber jagt er Polarfüchse und geht auf die Stille des Meeres hinaus. Dann findet er eines Tages beim Arctic Henge eine riesige Blutlache im Schnee und alles verändert sein Leben.
Meine Meinung:
Das einsame Haus an der Küste auf dem Cover stellt ein wenig die Einöde Raufarhöfn dar, wo Kalmann lebt. Der Schreibstil ist unterhaltsam, locker und recht plastisch, sodass ich mir gleich den Charakter Kalmann und die Gegebenheiten Islands gut vorstellen konnte.Besonders lustig fand ich Kalmanns Aussage wie diese: "Die Frauenauswahl war hier etwa so üppig wie die Gemüsekiste im Dorfladen. Bis auf Karotten, Kartoffeln, zwei schrumpeligen Paprika und braunen Salat gab´s da nichts." Hier spürt man sofort, dass der Autor gut recherchiert hat und er selbst Touristen über die Insel führt. Raufarhöfn ist ein Ort mit ca. 188 Einwohnern, Tendenz sinkend, dieses Dorf lebt vom Fischfang. Doch die Fangquoten haben den Fischern geschadet, so das sie nun versuchen, Touristen in ihr Dorf zu bekommen. Anziehungspunkt sollte das Arctic Henge werden, ein Bauwerk aus sechs mächtigen Felstoren, das bisher nicht zu Ende gebaut wurde. Genau dort ereignet sich das eigentliche Verbrechen in unserer Geschichte. Man vermutet, dass der Hoteldirektor Róbert McKenzie dort ermordet wurde. Kalmann entdeckt an dem Platz eine riesige Blutlache. In seiner Naivität verkündet er, dass es vielleicht ein Eisbär war, der von Grönland nach Island geschwommen ist und damit war die Sache für ihn erledigt. Kalmann geht weiter seiner Arbeit nach und ein Ereignis auf das Nächste folgt, in dem er selbst immer wieder verstrickt wird. Dabei beschreibt der Autor Kalmanns Eindrücke von der Stille des Meeres, der Herstellung des Gammelhais, seine Erlebnisse auf der Jagd, seine Sehnsüchte nach Liebe und Geborgenheit und einer Frau, die ihn in den Arm nimmt. Einerseits kann einem Kalmann leidtun, den er scheint doch recht einsam zu sein, bis auf seinen imaginären Freund Noi aus dem Internet hat er niemanden zum Reden. Die Mutter, sein Vormund, arbeitet als Krankenpflegerin im über 3 Stunden entfernten Akureyri und der senile Großvater lebt im Heim in Húsavík. Dorthin fährt ihn eine Dorfbewohnerin einmal die Woche, weil es ihm sehr wichtig ist. Das Buch Kalmann ist kein Krimi, selbst wenn es hier um ein Verbrechen geht, es ist eher eine Mischung aus Roman und Reiseführer. Dabei ist der Rolle Kalmanns das maßgebliche dieser Geschichte. Sein Charakter ist hier sehr speziell, ähnlich eines Autisten. Einerseits ist er der Dorftrottel, er ist sensibel, einfühlsam, in manchen Gebieten jedoch durchaus schlau, was vor allem das Jagen und Fischen anbelangt. Er hat Sehnsüchte, Wünsche, Träume, Hoffnungen und wird am Ende sogar noch als Held gefeiert. Doch er kann mitunter durchaus eine Wut entwickeln, die er dann versucht, an sich oder an anderem abzureagieren. Der Autor sagt in einem Interview, das im Grunde in jedem von uns ein Kalmann steckt. Das könnte durchaus sein, was die Wünsche und Sehnsüchte anbelangt, die er hat. Doch das Buch hat mitunter einige Längen und Wiederholungen, die für mich recht ermüdend waren. Jedoch das Ende brachte dann noch eine sehr eindrückliche Begebenheit, die ich unfassbar stark fand. Gerade diese Schilderung hat mich genauso fasziniert wie die anderen Beschreibungen in diesem Buch, zudem habe ich mit Kalmann mitgelitten. Auf alle Fälle bekommt man durch dieses Buch einen Einblick in die Kultur und Natur Islands, sodass man Lust bekommt, dieses Land mal persönlich zu sehen. Deshalb von mir 4 von 5 Sterne für dieses besondere Buch.
Joachim B. Schmidt hat mit "Kalmann" einen berührenden Roman über das Leben in Island geschrieben, über das Leben fern der Großstadt. Hier gehen die Uhren noch anders. Man ist naturverbunden, leider auch nicht reich, es reicht kaum für das tägliche Auskommen. Man müsste sich etwas ausdenken, um Touristen anzulocken. Die Fischfangquoten sind verkauft.
In so einem Dorf, Raufarhövn, lebt Kalmann. Kalli mínn, sagt die Mutter zu ihm in guten oder besonders schwierigen Momenten. In Raufarhövn kennt man Kalmann seit seiner Geburt und weiß mit ihm umzugehen. Denn wenn Kalmanns „natürliche Ordnung“ gestört ist, zum Beispiel, wenn unverschämte Touristen an seinem Stammtisch Platz nehmen im ansonsten leeren Fastfoodrestaurant, dann gerät er außer sich. Wenn emotionaler Druck zu hoch wird, geht Kalmann nachhause und „macht etwas kaputt“.
Es ging irgendetwas schief bei seiner Geburt und er bekam zu wenig Sauerstoff „unterwegs“. Seitdem gilt er als Dorftrottel. Nun ist er immerhin schon vierunddreißig und der Großvater, bei dem er umständehalber aufwächst, hat ihm beigebracht, was er zum Leben und Überleben wissen muss, und hat ihm die Petra vermacht, einen Fischkutter.
Die Leserschaft erfährt auf anmutige und heitere Weise durch Kalmanns Brille, wie man Gammelhai zubereitet und warum er eine Delikatesse in Island ist, wie sich das verhält mit den Fangquoten und dem Kommunismus und auch sonst, wie es halt ist. In der Natur. Im Leben. Und mit den Gemoppten. Dass man am besten mit lacht. Und sich hinterher weh tut. Was der Arctic Henge ist. Und wie die Dorfbewohner ticken. Obwohl sie nur 117 people sind, sind manche unter ihnen arg schräg. Und nicht jeder hat eine Frau, besonders Kalmannn nicht. Der für eine Frau alles mögliche tun würde. Und mit ihr seine Lieblingssendungen anschauen möchte, Der Bachelor und The biggest Loser. Und, äh, zweimal am Tag Sex.
Das ländliche Leben in Island ist hart, karg und doch auch irgendwie schön. Daran kann auch eine Blutlache nichts ändern, die Kalmann bei seinen Spaziergängen über die eisigen Ebenen des Hinterlandes findet. Er taucht seine Hand hinein, noch warm. Was ist passiert?
Der Kriminalfall dräut so vor sich hin. Er ist wichtig, weil der verschwundene Robert McKanzie der entscheidende Mann in Raufarhövn gewesen ist. Ihm gehört alles. Wie kann einer so spurlos verschwinden? Und warum?
Fazit: In einen Kriminalfall verwoben, der letztlich nicht so wichtig ist, lässt der Autor seinen „Dorfdeppen“ mancherlei kritische Beobachtungen über sich, die Politik, die Umwelt und die menschliche Natur machen. Unwillkürlich muss man lachen, obwohl das Berichtete mitunter durchaus tragisch ist. Man kommt dem Leben auf Island näher als man vorhatte und schließt diesen pragmatischen Menschenschlag ins Herz.
Kategorie: Humor.
Diogenes, 2020
Kalmann ist Anfang 30 und wohnt in einem kleinen isländischen Dorf, das immer vom Fischfang gelebt hat, inzwischen aber ökonomisch am Boden liegt.
"Und darum gab es hier in Raufharhöfn noch eine ordentliche Industrie, bis dann das Fangquotensystem von den Politikern eingeführt und die Quote fast gänzlich aus Raufarhöfn abgezogen wurde. Nun lagen die Hallen brach, jedes dritte Haus stand leer. Es gab inzwischen nur noch einen Mann, der eine ordentliche Fangquote hatte, wenn auch keine große: Róbert McKenzie." (33)
Jener Róbert hat versucht, den Ort zu einer touristischen Attraktion zu machen, betreibt ein Hotel, hat einen Golfplatz anlegen lassen. Beim Bau des Artic Henge, dieses steinerne Kunst-Bauwerk gibt es tatsächlich, ist ihm das Geld ausgegangen - und jetzt ist er verschwunden, während Kalmann, aus dessen Ich-Perspektive die Geschichte erzählt wird, eine Blutlache außerhalb des Ortes findet.
"Wenn man eine Person ist, die eine Leiche oder deren Überreste findet, und sei es auch nur eine Pfütze Blut, hat man etwas mit der Sache zu tun. Man gehört dann einfach in die Geschichte und damit in die Geschichtsbücher. Und das wollte ich verhindern, indem ich einfach nichts sagte." (35)
Kalmann ist geistig beeinträchtigt, einerseits wirkt er naiv, andererseits sind einige seiner Reflexionen scharfsinnig und tiefgründig. In der Diskussionsrunde stand die Frage im Raum, ob die Erzählperspektive authentisch ist, ob ein Mensch, der wie Kalmann unter einer geistigen Beeinträchtigung leidet, sich derart ausdrücken und solche Schlussfolgerungen ziehen kann, während er gleichzeitig grammatikalisch falsche Sätze produziert. Ich bin regelmäßig über diese Diskrepanz gestolpert, für mich hat es den Lesegenuss dieser ansonsten sehr unterhaltsamen Geschichte etwas getrübt.
Nichtsdestotrotz ist das, was geschieht, teilweise skurril und oft unfreiwillig komisch, was aus dem für Fremde seltsamen Verhalten Kalmanns resultiert. Wie schon gesagt, ist er aber auch in der Lage, genau dies zu reflektieren:
„Manchmal guckt man mich einfach nur an, die Leute starren geradezu, völlig behindert, und dann muss ich grinsen, auch wenn ich gar nicht grinsen will, aber ich grinse einfach, und es hat auch schon der ein oder andere gesagt:“Wieso grinst der so blöd.“ (87)
Das hat eine gewisse Komik, ist aber auch tragisch, weil er nicht aus der Situation heraus kann und sich letztlich so verhält, wie es von ihm erwartet wird.
Man erfährt einiges über diese nordische Insel, v.a. über Gammelhai - eine Spezialität, der sich Kalmann widmet. Von seinem Großvater, bei dem er aufgewachsen ist, da seine Mutter arbeiten musste, hat er das Jagen des Grönlandhais, ebenso wie die Herstellung von Gammelhai gelernt, dessen Geruch allein den Großvater aus dem Vergessen holen kann.
Der Großvater hat eine besondere Bedeutung für Kalmann, da er sich immer für ihn eingesetzt und ihm alles so erklärt hat, dass er es verstehen konnte. Doch jetzt ist Kalmann auf sich gestellt und muss sich den Fragen der Polizistin Birna stellen, die das Verschwinden Róberts untersucht. Kalmann behauptet, ein Eisbär sei Schuld daran. Ein Witz oder meint er es ernst? Auf dem Buchrücken ist zu lesen: "Unter einem Eisbär kann es sehr dunkel sein." Was hat es also mit diesem Eisbären auf sich? Und welche Rolle spielen die Litauer, die in Róberts Hotel arbeiten? Vor allem die hübsche Nadja hat es Kalmann angetan, der sich nach einer Frau sehnt. Sein bester Freund ist Noí, mit dem er nur via Internet kommuniziert. Jener scheint krank zu sein und darf das Haus nicht verlassen. Auch er beteiligt sich virtuell an der Suche nach Róbert, der im Dorf nicht beliebt gewesen ist.
"Es wäre die Gerechtigkeit der Natur. (,,,) Dabei wäre ein Eisbär das Letzte, wovor sich der Gauner hätte fürchten müssen." (71)
Es bleibt spannend und als Leser*innen werden wir auf verschiedene Fährten gelockt und folgen dem Sheriff Kalmann auf seinen Wegen durch das Dorf. Sein Outfit - Cowboyhut, Sheriffstern und eine waschechte Mauser - hat er von seinem Vater geerbt, einem amerikanischen Soldaten.
"Du bist der Sheriff. Und du hast vor niemandem Angst." (258)
Entpuppt sich der "Dorftrottel", wie der Autor seinen Protagonisten im Interview bezeichnet (353), tatsächlich als Held?
Ein unterhaltsamer Roman, in dem man einiges über Island lernt und hinterfragt, welches Verhalten eigentlich "normal" ist. Mein Lesegenuss hat aufgrund der inkonsequenten Erzählperspektive etwas gelitten. Sieht man darüber hinweg, ist es ein spannender, witziger Krimi.
Bei diesem Buch fragt man sich lange, ist es ein Krimi, eine Milieustudie oder der Schicksalsbericht eines Außenseiters. Dieses Buch ist anders.
Es ist nicht viel los im isländischen Raufarhöfn. Man fängt seinen Fisch, man kennt sich und man toleriert gegenseitig seine Eigenarten. Sogar Kalmann, der wirklich eigen ist, wird dort akzeptiert. Er ist in Raufarhöfn aufgewachsen und macht den zweitbesten Gammelhai nach seinem Großvater. Allein dafür gebührt ihm Anerkennung.
Mit der Beschaulichkeit des Dorfes ist es vorbei, als Kalmann auf der Jagd eine riesige Blutlache entdeckt. Der Hotelbesitzer wird vermisst. Besteht da ein Zusammenhang?
Das Buch besticht durch sein ungewöhnliches Setting und seine originellen Figuren. Man bekommt eine geballte Prise Seeluft, Island aus Insidersicht, knurrige Originale und Kalmann, den unfreiwilligen Helden mit Handicap, der einem ans Herz wächst, obwohl er nur selten herzerfrischend ist, dazu noch ein paar Rätsel und ordentlich Fisch.
Kalmann berichtet persönlich, ist gelegentlich etwas weitschweifig, aber man verzeiht es ihm gerne, lernt man doch ausführlich Land und Leute kennen und lernt sogar einiges dabei.
Einzig die Auflösung fand ich etwas sehr konstruiert. Hier hat der Autor ein raffiniertes Geheimnis entwickelt, wo ich mir Selbstverständlicheres gewünscht hätte.
Aber sei es drum: „Kalmann“ ist ein wirklich unterhaltsames Buch, das fesselt und Genregrenzen sprengt.
Kalmann ist der selbsternannte Sheriff von Raufarhöfn. Sein Leben besteht aus der Jagd auf Polarfüchse sowie Haie, um diese zu Gammelhai zu verarbeiten. Doch die Räder in Kalmanns Kopf laufen manchmal rückwärts und als er eines Winters eine Blutlache im Schnee entdeckt, nehmen die Ereignisse seinen Lauf.
Auf diesen Roman war ich sehr gespannt, denn die Beschreibung klang faszinierend. Und beim Diogenes Verlag erscheinen häufig ganz besondere Bücher.
Der Schreibstil war anfangs gewöhnungsbedürftig. Ich musste das Buch erstmal wieder beiseite legen, um ein paar Tage später einen zweiten Anlauf zu nehmen. Dann fiel es mir leichter, in die Geschichte hinein zu finden.
Kalmann war ein wirklich außergewöhnlicher Protagonist. Er war geistig nicht der Hellste, aber man merkt seinen guten Charakter in so ziemlich jedem seiner Gedankengänge.
Die Geschichte wurde in der Ich-Form ausschließlich aus Kalmanns Sicht erzählt. Das fand ich sehr interessant und gelungen, denn dadurch weiß man auch nur das, was Kalmann weiß und wie er es wahrnimmt.
Seine Gedanken waren sehr häufig sehr ausschweifend, so dass ich dachte, er ist gar nicht richtig bei der Sache. Er ließ sich leicht ablenken. Das vertiefte aber den Eindruck, dass er eine geistige Behinderung hatte.
Was mich berührt hat, waren seine Gedanken zu den anderen Menschen und wie sie ihn behandelten. Wenn sie über ihn lachten, lachte er mit, damit er nicht außen vor war. Das machte mich schon nachdenklich und betroffen.
Richtig toll fand ich seinen Großvater, der sich immer für ihn einsetzte und ihm zeigte, dass er trotzdem ein toller und wichtiger Mensch war. Auch viele Weisheiten, die er Kalmann erzählte, waren einfach nur echt und wahr. Zum Beispiel die Bedeutung des Bauchgefühls und wie wichtig es sei, dass man darauf höre.
Zu Beginn konnte mich das Buch nicht so richtig fesseln. Doch je weiter ich in die Geschichte eintauchte, desto mehr war ich gefangen. Auch die Spannung steigerte sich erst im Laufe des Buches. Zum Ende hin konnte ich gar nicht schnell genug lesen.
Für mich war das Ende sehr gelungen und schlüssig, insgesamt ein prima Abschluss.
Kalmann wurde zu einem Held, der immer alles richtig machen möchte und der mir nach dem Zuklappen des Buches sehr sympathisch war. Ich vergebe 4 von 5 Sternen.
Er ist der selbsternannte Sheriff von Raufarhöfn. Er hat alles im Griff. Kein Grund zur Sorge. Tag für Tag wandert er über die weiten Ebene um das beinahe ausgestorbene Dorf, jagt Polarfüchse und legt Haiköder im Meer aus, um den Fang zu Gammelhai zu verarbeiten. Doch in Kalmanns Kopf laufen die Räder manchmal rückwärts. Als er eines Winters eine Blutlache im Schnee entdeckt, überrollen ihn die Ereignisse. Mit seiner naiven Weisheit und dem Mut des reinen Herzens wendet er alles zum Guten. Kein Grund zur Sorge.
Kalmann ist ein besonderer Held. Aus seiner Ich-Perspektive wird die Geschichte hier konsequent erzählt - und das macht es dem Leser nicht immer leicht. Manchmal vergisst Kalmann Sachen einfach, gelegentlich versteinert er und ist wie abgeschaltet, und zuweilen schäumt die Wut über und lässt ihn explodieren. Dann macht er Dinge kamputt und verletzt vor allem sich, manchmal aber auch andere. Kalmann ist - lt. Autor - der Dorftrottel von Raufarhöfn (sprich: Reuwarhöbb), der selbsternannte Sheriff des kleinen Fischerdorfes an der Norostküste Islands. Vor allem aber ist er Jäger und Haifischfänger und macht den zweitbesten Gammelhai von ganz Island.
Auch wenn ihn immer ein scharfwabernder Ammoniakgeruch umgibt - schließlich führt er stets eine kleine Dose mit Gammelhai mit sich - gehört Kalmann zum Dorfbild und wird von den 173 Dorfbewohnern akzeptiert. Er lebt mit seinen fast 34 Jahren mittlerweile alleine in dem Haus seines Großvaters, der aufgrund seiner Demenz schon seit einiger Zeit in einem Altersheim in der nächstgelegenen Stadt untergebracht ist. Seine Mutter ist beruflich sehr eingebunden und lebt in einem anderen Ort, schaut aber gelgentlich bei Kalmann nach dem Rechten. Sein einziger Freund Nói ist eine Internetbekanntschaft, dem er bislang nur online begegnet ist. Aber Kalmann kommt ganz gut allein zurecht. Eigentlich.
Denn jetzt gerät seine kleine Welt in Aufruhr. Eine riesige Blutlache, ein verschwundener Geschäftsmann, die herbeigerufene Polizei - all das ist weit entfernt von dem geruhsamen Alltag mit langen Wanderungen in der Natur, einsamen Fahrten auf dem Meer oder TV-Serien auf der Couch, den Kalmann gewöhnt ist. Naiv aber bemüht stolpert der junge Mann durch das Geschehen, und merkwürdig ist das schon: egal was geschieht - Kalmann ist irgendwie immer mittendrin.
Joachim B. Schmidt ist Schweizer, lebt aber schon seit 13 Jahren in Island. Die Schilderungen von Landschaft, Wetter und Natur wirken daher nicht nur ausgesprochen authentisch, sie sind es wohl auch. Rau, karg, unwirtlich - und durch die Augen Kalmanns doch auch liebenswert. Es passt daher, dass der Autor immer wieder auch Betrachtungen einfließen lässt über das Verhältnis von Mensch und Tier oder auch von Mensch und Natur - und dass der Mensch dabei nicht unbedingt gut wegkommt. Mit den Augen Kalmanns erhalten diese Betrachtungen einen naiven Anstrich, wirken aber in ihrer Naivität und Einfachheit logisch und unbestechlich.
"Früher brauchte man nur die Leber vom Hai, und den ganzen Rest schmiss man wieder ins Meer. Aus der Leber wurde Tran gewonnen, und der Lebertran wurde nach Europa verschifft, wo man die Straßen der Städte beleuchtete. Diesen Gedanken fand ich verrückt. Ich meine, ein Grönlandhai, der hier oben im Norden in mehreren hundert Metern Tiefe lebt, in totaler Dunkelheit, dann aus dem Meer gezogen wird und Licht in die Straßen europäischer Großstädte bringt!" (S. 195)
Es mag nicht ganz zur gewollten Charakterzeichnung eines behinderten jungen Mannes passen, dass hier in der Erzählung solcherlei philosophische oder auch gesellschaftskritische Gedankengänge einfließen. Ich mochte diese Mischung aus Naturbetrachtung, Spannung, Humor und kleinen Denkanstößen allerdings sehr - das machte die Lektüre abwechslungsreich, unterhaltsam und überraschend. Selbst der Titel meiner Rezension findet Eingang in die Erzählung und wird am Ende aufgelöst.
Der Erzählfluss ist ruhig und beschaulich, selbst wenn sich die Ereignisse zuspitzen, der Schreibstil passend zum Hauptcharakter Kalmann meist einfach und pragmatisch gehalten, dabei trotz der durchgängigen Nüchternheit teilweise berührend und oftmals gerade deswegen sehr amüsant.
Ein Roman, der mich überrascht hat, eine schräge Erzählung mit Unterhaltungswert und mit wirklichen Einblicken in das Leben in Island, mit interessantem Hintergrundwissen und Denkanstößen. Eine bunte Mischung mit blutigem Krimianteil und einem schrägen Hauptcharakter, doch empfand ich es nicht als störend, dass sich der Roman in keines der bekannten Genre richtig einordnen lässt.
Spannend, überraschend, unterhaltsam - kurz: empfehlenswert!
© Parden
In der nähe des Arctic Henge bei Raufarhöfn auf Island findet der fast 34jährige Kalmann eine Blutlache. Eigentlich will er das nicht an die große Glocke hängen, aber irgendwie rutscht es ihm doch raus. Das führt zu heller Aufregung im Dorf, denn kurz zuvor wurde Róbert McKenzie zuletzt gesehen. Handelt es sich bei der Blutlache um eine Spur? Der etwas zurückgebliebene Kalmann ist in heller Aufregung. Es sind viele Fremde im Ort, Polizei und Rettungskräfte. Auch Kalmann soll sich an der Suche beteiligen. Wie sehr fehlt im sein geliebter inzwischen im Seniorenheim lebender Großvater, der mit seiner Ruhe immer einen Zugang zu Kalmann fand.
Kalmann, der selbsternannte Sheriff von Raufarhöfn, ist eine spezielle Persönlichkeit. Zwar hat er mit einigen Einschränkungen zu kämpfen, aber er ist sehr naturverbunden und vor allem ist er nach seinem Großvater, der ihm so viel beigebracht hat, einer der letzten Grönlandhaifischer. Kalmanns Gammelhai ist der Beste Islands nach dem des Opas. Das Verschwinden des Dorfvorstehers ist schon eine seltsame Geschichte. Nach Meinung Kalmanns könnte Róbert auch von einem Eisbären verschleppt worden sein. Das will ihm aber keiner so recht glauben, auch nicht die Polizistin Birna, der er Rede und Antwort stehen muss.
Dieser Roman hat auch etwas von einem Krimi, zumindest würde das Blut und die vermisste Person dafür sprechen. Mit Kalmann gibt er Autor eine liebenswerte Beschreibung eines nach Aussage der Mutter bei der Geburt geschädigten etwas einfältigen jungen Mannes. In der Stadt würde Kalmann vielleicht untergehen, doch im Dorf unter den Fittichen seines Großvaters hat er seinen Platz gefunden. Dumm ist Kalmann nicht, er weiß viel über die Natur und er ist in der Lage den Gammelhai herzustellen. Seine Sicht auf die Dinge ist ein wenig anders manchmal, aber auch sehr geradlinig und unverstellt. Kalmann führt den Leser mit seiner besonderen Art in eine leicht andere Welt ein, von der man mit Staunen erfährt. Aber auch einiges an Hochachtung gewinnt man vor Kalmann, der leicht unterschätzt werden kann. Da wird eine Lanze gebrochen für Menschen, die es schwer haben. Ein spannender Roman mit Krimielementen und einem zauberhaften Helden.
4,5 Sterne
Der Niedergang eines isländischen Dorfes, ein Sheriff, der Grönlandhaie, Polarfüchse und Schneehühner jagt und ein Kriminalfall!
Mit Beginn der Lektüre begegnen wir dem ratlosen Kalmann, der gedankliche Zuflucht bei seinem Großvater sucht.
Wie hätte der wohl an seiner Stelle reagiert, wenn er in der Stille und Kälte des verschneiten Hinterlands von Melrakkaslétta, einer Halbinsel im äußersten Nordosten von Island, plötzlich eine Blutlache im Schnee entdeckt hätte?
Der 33-jährige sympathische Kalmann, Ich-Erzähler der Geschichte, ist geistig retardiert, wirkt daher recht kindlich und hat Schwierigkeiten, mit Veränderungen und überwältigenden Gefühlen umzugehen.
Er ist bei seinem geliebten und geschätzten Großvater, einem gutmütigen, geduldigen und klugen Jäger und Haifischfänger, in Raufarhöfn, einem kleinen Ort auf der Halbinsel Melrakkaslétta, und bei seiner Mutter, die aber meist beim Arbeiten war, aufgewachsen.
Inzwischen hat Kalmann seinen Platz in der Dorfgemeinschaft gefunden und sitzt sein Großvater dement im Pflegeheim.
Der Großvater hat Kalmann aufs Leben und Überleben vorbereitet und ihn geduldig und erfolgreich in die Kunst und Geheimnisse des Jagens und Haifischfangs eingeweiht.
Er hat seinem Enkel Haus, Gewehr und Boot hinterlassen, so dass Kalmann ein Dach über dem Kopf hat, Geld verdienen und sich recht gut selbst versorgen kann. Wenn Not am Mann ist, kann er auf seine Mutter zählen.
Kalmann, der selbst ernannte Sheriff von Raufarhöfn, kann Polarfüchse und Schneehühner erlegen und Grönlandhaie fangen.
Und er macht den zweitbesten Gammelhai auf der ganzen Insel. Gammelhai?
Ja, schon richtig gelesen!
Das ist wohl eine nach Ammoniak stinkende, zähe, gummiartige und glitschige Spezialität, die man am Besten mit Alkohol runterspült.
Es heißt, die Isländer würden Gammelhai nur noch essen, um anschließend einen Grund zu haben, Schnaps zu trinken ;-)
Kalmann, gleichermaßen ahnungslos, vertrauensselig, ehrlich und unbedarft, wie schlau, geschickt und altklug, hat nun also, wie oben bereits erwähnt, während einer Jagd auf einen Polarfuchs diese Blutlache entdeckt... und der Schulrektorin Hafdís davon erzählt.
Kurze Zeit später kursiert die Neuigkeit, dass der einflussreiche und vermögende Hoteldirektor Róbert McKenzie vermisst wird...Frieden, Harmonie und Ruhe sind dahin.
Kalmann wird von einer Polizistin zum Verhör einbestellt und „wird nervös, fühlt sich schuldig, auch wenn er überhaupt nichts verbrochen und niemanden umgebracht hat.“ (S. 35)
Im Verlauf der Lektüre kommen wir Kalmann, seinem Alltag und seiner Vergangenheit näher, lesen wir über das Verschwinden McKenzies und inwiefern Kalman in den Fall verwickelt ist.
Wir bekommen aber auch einen guten Einblick ins Dorfleben und lernen einige Bewohner kennen.
Es ist, als wäre man vor Ort und Teil des Geschehens.
Es macht sehr viel Spaß, Kalmann zu begleiten, von seinem Aufwachsen zu erfahren und in sein Leben einzutauchen.
Immer wieder überkam mich Mitgefühl für den heranwachsenden Kalmann, der es nicht gerade leicht hatte, weil man Späße mit ihm trieb und er nicht selten belächelt wurde.
Gleichzeitig empfand ich aber auch Bewunderung und Zuneigung für den erwachsenen Kalmann, der beherzt, optimistisch und lebensfroh sein Leben meistert und im Ort integriert und geschätzt wird.
Der Autor schreibt flott, spannend und respektvoll.
Was dabei herauskommt ist ein herzerwärmender und nicht selten amüsanter, witziger, zum Schmunzeln und Nachdenken anregender Roman.
Besonders beeindruckt haben mich all die Informationen zu Islands Fauna, Flora, Geschichte und Politik, die man en passant erhält.
Dass der Schweizer Autor weiß, wovon er schreibt, ist spürbar.
Er hat mit 16 Jahren seine Faszination für Island entdeckt und lebt nun schon seit 13 Jahren dort. Seine Bewunderung für Islands Natur und seine umfassenden Kenntnisse über das Land, die er nicht zuletzt in seiner Ausbildung zum Reiseleiter erworben hat, verarbeitet er in dem Roman.
Landschaft und Klima von Island kann man sich auf Grund der bildhaften Beschreibungen wunderbar vorstellen.
Man hat das Gefühl, Kalmann auf seinen Touren zu begleiten.
Sehr interessant fand ich, am Beispiel von Raufarhöfn, über die Problematik der kleinen isländischen Fischerdörfer zu lesen und politische Hintergründe zu erfahren.
Die Auswirkungen der Überfischung sowie die Einführung und Folgen der Fangquoten werden erwähnt und man versteht, warum aus dem einst geschäftigen und lebendigen Hafenort, der für seinen Heringsfang im Speziellen und für seinen Fischfang im Allgemeinen berühmt war und in dem es vor Seeleuten und Hafenarbeitern nur so wimmelte, ein fast ausgestorbenes Dörfchen wurde, in dem es gerade noch einen zeitweise geöffneten Dorfladen und eine Schule gibt.
Vor der Lektüre wusste ich nichts über Grönlandhaie, die Jagd auf sie oder die Zubereitung, geschweige denn die Existenz von Gammelhai.
„Kalmann“ ermöglicht einen Blick über den Tellerrand.
Einen Kritikpunkt möchte und muss ich erwähnen.
So in etwa nach 100 Seiten stieß ich immer wieder auf eine Diskrepanz.
Einerseits zeichnet der Autor Kalmann als geistig retardierten Mann, andererseits gibt er ihm Fähigkeiten, die ein solcher nicht haben kann.
Ein zurückgebliebener Mann wie Kalmann kann solch’ differenzierte Gedanken, wie Joachim B. Schmidt sie manchmal formuliert, nicht in dieser Form denken.
Er kann komplexe Vorgänge und Gefühle auch keinesfalls so präzise beschreiben und er ist auch nicht in der Lage, so tiefgründige Reflexionen, z. B. über die wirtschaftliche Lage des Ortes anzustellen.
Außerdem ist es nicht sehr wahrscheinlich, dass er so eloquente Wörter wie „repetieren“ verwendet.
Es fiel mir schwer, abstrakte Äußerungen und kluge Kommentare Kalman zuzuordnen.
Der Autor hat sich für diese Erzählperspektive entschieden, hält sie aber nicht durch und dadurch büßt der Roman an manchen Stellen etwas an Glaubwürdigkeit ein.
Aber eben nur an manchen Stellen! Oft zeichnet er ein sehr realistisches, glaubhaftes und treffendes Bild von Kalmann:
Der junge Mann ist leichtgläubig und kann die Komplexität der Dinge nicht erfassen. Er ist sehr konkretistisch, sein Abstraktiondvermögen ist herabgesetzt. Er bleibt am Detail hängen.
Kalmann kann Gefühle zwar empfinden, hat aber Schwierigkeiten im Umgang damit. Intelligenz, Lernfähigkeit, soziale und emotionale Reife sind herabgesetzt.
All das zeigt der Autor wunderbar und dadurch bekommen wir ein sehr lebendiges Bild von Kalmann.
Und genau deshalb irritieren diese anderen, oben genannten Stellen.
Trotzdem überzeugt mich der Roman, in dem viel Reales verarbeitet wird.
Über den oben genannten Kritikpunkt kann ich gut und gerne hinwegsehen, weil der Rest einfach bereichernd ist: unterhaltsam, amüsant, interessant, spannend und informativ.
In dem Roman spielt ein Kriminalfall eine zentrale Rolle, aber er ist so viel mehr als ein Krimi.
Er ist eine gelungene Kombination aus Islandroman, Kriminalroman und Lebensgeschichte, eingebettet in Reales, Wissenswertes und Aktuelles.
Und eins verspreche ich:
Gegen Ende erwartet den Leser ein fulminantes Finale, ein Showdown, das in keiner Weise vorhersehbar war!!!
Chapeau!
Ich bin sehr froh, „Kalmann“ gelesen zu haben und empfehle den Roman sehr gerne weiter!
Kalmann Odinsson, der Titelheld des Romans von Joachim B.Schmidt, ist eine Art isländischer Cousin von Forrest Gump. Intellektuell eher unterbelichtet, ein Tor reinen Herzens, von anderen ein wenig als Sonderling angesehen. Ein Mensch, dem Doppelbödigkeit und Ironie fremd sind und der Fragen wortwörtlich nimmt.
Würde Kalmann in einer Großstadt leben, wäre er womöglich in einer integrativen Wohngemeinschaft mit einer Arbeit, die mehr Beschäftigungstherapie ist. Aber er lebt in dem Dorf Raufarhövn am Polarkreis und sein Großvater meinte immer, Kalmann sei ganz normal -auch wenn die Räder in seinem Kopf manchmal verkehrt liefen. Also ging Kalmann nicht auf eine Sonderschule, sondern aud die Dorfschule, lernte von seinem Großvater jagen und angeln. Jetzt ist er der selbsternannte Sheriff von Raufarhövn und Experte für Gammelhai. Da Kalmanns Mutter als Krankenschwester in der nächstgrößeren Stadt arbeitet und der mittlerweile demente Großvater im Pflegeheim lebt, lebt Kalmann alleine und zieht sich, wenn er nicht gerade jagt oder Gammelhai einlegt, mit Vorliebe Fast-Food und Fernsehserien ein.
So weit, so gut - doch dann stößt Kalmann während der Jagd auf einen Polarfuchs auf eine grße Blutlache und findet sich plötzlich im Zentrum der allgemeinen Aufmerksamkeit wieder. Denn der Hotelbesitzer Robert McKenzie, der im Besitz der Fischereilizenzen ist, ein Hotel und einen Golfplatz hat - also ein wichtiger Mann am Ort - ist verschwunden. Kalmann bringt immer wieder mögliche Eisbären ins Spiel, doch die Polizistin, die in dem Vermisstenfall ermittelt, schließt ein Gewaltdelikt nicht aus. Dann wird auch noch eine Tonne aus dem Meer gefischt und im Magen eines von Kalmann gefischten Hais eine menschliche Hand entdeckt...
Die Ereignisse überstürzen sich und Kalmann ahnt langsam, dass er irgendwas gesehen hat oder weiß, dass sein mitunter eher wattiges Gedächtnis erfolgreich beiseite gelegt hat. Gut ist nur, dass er in Krisen gut funktioniert: "Es gibt Momente im Leben, in denen man nicht überlegt, Man handelt einfach. Der Körper übernimmt die Führung, das Gehirn darf dann eine Pause machen, denn man hat keine Zeit für Denkereien. In solchen Momenten bin ich irgendwie normal."
Geschildert aus der Sicht des Ich-Erzählers Kalmann, entwickelt sich der Vermisstenfall in einem ganz eigenen, entschleunigten Rhythmus. Kalmann ist zwar einerseits ständig im Zentrum des Geschehens, braucht aber ein bißchen länger, um die Zusammenhänge zu durchschauen oder sich an etwas Wesentliches zu erinnern . Dieser einsame Sonderling ist ein Highlight des Romans, den man ähnlich wie Forrest Gump einfach gern haben muss. Zum anderen ist da Schmidts Schilderung des Dorfes, der einsamen winterlichen Landschaft hoch im Norden von Island, die den Leser in den Bann zieht.
Ein klassischer Krimi ist "Kalmann" weniger, spannend ist es trotzdem.
Kalmann ist fast 34 und der Sheriff von Raufarhöfn. Das kleine Dörfchen mit seinen 173 Einwohnern liegt etwas abgelegen an der Nordostküste Islands. Wirklich viel los ist da eigentlich nicht, umso faszinierender finden es die Einwohner, als plötzlich Róbert McKenzie, der Fangquotenkönig des Ortes, verschwindet - und Kalmann eine Blutlache im Schnee entdeckt. Kein Grund zur Sorge, denkt sich Kalmann, doch der Sache wird natürlich auf den Grund gegangen, und so rückt die Polizei an, um den Fall zu untersuchen. Kalmann möchte eigentlich nur in Ruhe weiter Haie fangen, denn er ist der letzte Haifischfänger in der Gegend und macht den zweitbesten Gammelhai Islands, direkt nach seinem Großvater, von dem er alles gelernt hat. Denn Kalmann war schon immer ein bisschen anders als die anderen, ein bisschen spezieller und langsamer, doch er hat sich eine feste Position in der Dorfgemeinschaft erarbeitet und wird für seinen Gammelhai geschätzt. Da er aber nunmal ein wichtiger Zeuge im Fall des Verschwundenen ist, kann er sich den polizeilichen Ermittlungen nicht entziehen, und eigentlich findet er es ja selbst auch spannend. Kein Grund zur Sorge also.
Das Buch ist keine große Kriminalgeschichte, im Mittlepunkt stehen weniger der mögliche Mord an Róbert McKenzie als vielmehr die Natur Islands und die ganz besondere Sichtweise des Protagonisten, auch, wenn die Handlung sich natürlich an den Ermittlungen orientiert. Kalmann ist ein sehr liebenswürdiger Charakter, er kann Vieles nicht nachvollziehen, was die anderen Menschen tun, gibt aber sein bestes. In der Vergangenheit und manchmal auch noch heute hat er mit der Ablehnung anderer zu kämpfen, doch er hat gelernt, dass es das Beste ist, einfach mitzulachen - denn meistens ist es ja auch wirklich lustig. Kalmann akzeptiert, wer er ist und wie er ist und er kann sogar darauf stolz sein, denn wenn er auch in der Schule nicht so gut war wie die anderen Kinder und vieles nicht begreifen kann, so gibt es doch auch andere Dinge, in denen er viel besser ist - er kennt Melrakkaslétta wie seinen Westentasche, weiß sehr viel über die Tiere und die Natur dort und ist ein guter Jäger. Da die Geschichte aus seiner Sicht geschrieben ist erfährt somit auch der Leser Einiges über Island und kann wunderbar eintauchen in diese ganz besondere Amosphäre. Man kann fast den Schnee unter den Schuhen spüren, das Meer in der Ferne erahnen und das kleine Dörfchen unten am Fuß des Hügels, den Fuchs sehen, der gerade auf der Jagd ist...
Das, was Kalmann charakterlich auszeichnet, spiegelt sich auch in der sprachlichen Umsetzung wider. Aus der Ich-Perspektive erzählt sind die Sätze so formuliert, wie Kalmann sie vielleicht denken würde, wir haben also eine beinahe kindliche Sichtweise auf die Dinge, die gelegentlich aber auch sehr ernst werden kann. Anfangs hatte ich noch die Befürchtung, dass dies auf Dauer anstrengend werden könnte, doch im Gegenteil - ich finde den Schreibstil sogar sehr gelungen, er ist angenehm zu lesen und verleiht dem Roman zusätzliche Authentizität.
Kalmann macht sich viele Gedanken, nicht nur um das Verschwinden Róberts und die Natur, sondern auch um seinen Großvater, der seit einer Weile in einem Pflegeheim lebt, und um das, was er von den anderen über die mögliche Zukunft des Dorfes hört. Denn Róbert besaß einige Quoten, die ihm das Fischen erlaubten, doch mit seinem Verschwinden ist die Zukunft des Dorfes ungewiss, da er der wohlhabendste Einwohner des Dorfes war und nicht nur ein Hotel führte, sondern auch an einem Projekt arbeitete, um mehr Touristen anzulocken. Nun besteht die Gefahr, dass Raufarhöfn verarmt, und diese Sorge wird unterschwellig auch im Roman deutlich.
Der Roman hat mir sehr gut gefallen. Es sind die ganz besondere Sichtweise des Protagonisten, die eingänge Beschreibung der Umgebung, die teils ein wenig eigentümlichen, aber keinesfalls überzeichneten Charaktere, die ihn auszeichnen. Ich fühlte mich beim Lesen direkt an Kalmanns Seite versetzt und konnte sehr gut eintauchen in diesen ganz besonderen Roman. Also kein Grund zur Sorge, sondern eine klare Leseempfehlung!
Nach Island wollte ich schon immer einmal reisen und da dies derzeit nicht geht, ist dieser Roman der perfekte Ersatz dafür.
In der Geschichte geht es um Kalmann, der etwas anders ist als du und ich. Er liebt es zu Jagen und aus Haifischen echten isländischen Gammelhai zu machen. Doch dann verschwindet jemand aus dem Dorf. Kann Kalmann, der stets einen Sheriffstern trägt und amerikanisches Blut in sich hat, den Fall aufklären?
Kalmann fungiert als Ich- Erzähler und zu Beginn ist man sich gar nicht so sicher wie alt er eigentlich ist. Durch die Erzählperspektive bekommt man intensive Einblicke in seine besondere Gefühls- und Gedankenwelt, die nicht ganz kompartibel mit mir war, aber trotzdem einfach nur liebenswert. Seine Sichtweise auf die Menschen hat mich sehr nachdenklich gestimmt, denn er sieht durch seine Beeinträchtigung mehr als manch anderer.
Dachte ich zunächst, dass es sich lediglich um einen Roman handelt, so entwickelt sich die Handlung sehr schnell zum Krimi, was mir gut gefallen hat. Als Leser kann man hervorragend miträtseln.
Herrn Schmidt ist es im Übrigen sehr gut gelungen die Landschaften und den dortigen Menschenschlag zu beschreiben. Ich habe mich wie auf Reisen gefühlt, wo ich Neues entdecke.
Am besten hat mir das Verhältnis zwischen Großvater und Enkel gefallen, denn Kalmann hat wirklich alles von seinem Opa gelernt und dies verinnerlicht. Die tiefe Verbundenheit zwischen den beiden hat mich doch sehr berührt.
Das Ende erschien mir schlüssig. Es wird nicht bis ins letzte Detail alles aufgeklärt, so dass dem Leser die Möglichkeit gegeben wird, selbst die Geschichte weiter zu spinnen.
Fazit: Gute Unterhaltung, die einfach mal anders ist. Gern spreche ich eine uneingeschränkte Leseempfehlung aus. Klasse!
MEINE MEINUNG
Mit «Kalmann» hat der in Island lebende Schweizer Autor Joachim B. Schmidt einen fesselnden und zugleich herzerwärmenden Roman vorgelegt, der mich sehr begeistern konnte.
Obwohl die Entdeckung einer großen Blutlache im Schnee und ein mysteriöser Vermisstenfall den Ausgangspunkt für polizeiliche Ermittlungen bilden in dessen weiteren Verlauf es zu allerlei spannenden Verwicklungen kommt, handelt es sich nicht um einen typischen Kriminalroman. Der Roman lebt vielmehr von seinem grandiosen Protagonisten Kalmann, der als Ich-Erzähler im Mittelpunkt der Ereignisse steht und vom Autor sehr liebevoll und facettenreich gezeichnet wird.
Angesiedelt ist die Geschichte in dem kleinen, schon etwas heruntergekommenen Fischerdorf Raufarhövn im Nordosten Islands gelegen. Da nach der ungünstigen Verteilung der Fangquoten der einst florierende Ort endgültig dem Niedergang geweiht ist, hofft man wenigstens noch Touristen anlocken zu können. Ohne Existenzgrundlage sind die meisten Jüngeren abgewandert und zurück bleiben schließlich nur noch die Alten. Das faszinierende winterliche Setting mit der einzigartigen, kargen isländischen Landschaft und seinem unwirtlichen wie unberechenbaren Wetter ist von Joachim B. Schmidt sehr stimmungsvoll eingefangen worden und bildet eine phantastische, atmosphärisch dichte Kulisse für diesen Roman. An den lebendigen Beschreibungen der verschiedenen Schauplätze merkt man deutlich, dass der Autor diese Gegend gut kennt und Land und Leute sehr schätzt.
Mit seinem recht einfach gehaltenen, aber abwechslungsreichen Schreibstil, einigen schönen poetischen Passagen und der außergewöhnlichen Erzählstimme des Ich-Erzählers ist es dem Autor gelungen, mich von Beginn an zu fesseln. Der knapp 34-jährige Außenseiter Kalmann ist eine wundervolle, sehr vielschichtig angelegte Figur, die einem rasch ans Herz wächst. Der grundehrlich, gutmütige, eigenbrötlerische und geistig etwas zurückgebliebene Kalmann wird zwar von einigen als „Dorftrottel“ verspottet, dennoch wird er als letzter Haifischfänger des Orts und bester Gammelhaiproduzent Islands von vielen geschätzt und ist in die Dorfgemeinschaft gut integriert. Allzu sehr in die Enge getrieben neigt er allerdings manchmal zu Blackouts und unkontrollierbaren Wutausbrüchen, die aber meist in selbstverletzendem Verhalten münden. Es macht großen Spaß, den selbsternannten Sheriff mit seinem Sheriffstern, Cowboyhut und der alten Mauser bei der Polarfuchsjagd, auf hoher See oder seinen Ausflügen zu seinem dementen Großvater zu begleiten. Die Handlung verfolgen wir stets ungefiltert durch seine Perspektive und lernen so auch seine ungewöhnliche Sicht der Dinge kennen. Kalmann sorgt so manches Mal mit seinem unkonventionellen, verschrobenen Verhalten für so manche humorvolle Episode. Zugleich konnte er mich mit seiner kindlichen Naivität, seiner Abgeklärtheit, guten Beobachtungsgabe und vor allem einer faszinierend scharfsinnigen Sicht auf das Leben beeindrucken. Der Autor versteht es hervorragend, den Spannungsbogen immer weiter anzuziehen. Inzwischen beginnt man zu ahnen, dass Kalmann in die ganze Sache doch mehr involviert ist, als es anfangs scheint und doch einige Details in der verwickelten Geschichte unbewusst zurückhält.
Zum Ende hin überschlagen sich die Ereignisse regelrecht und die fesselnde Handlung gipfelt in einem überraschenden und packenden Showdown, bei dem Kalmann schließlich doch noch zum verdienten und gefeierten Helden von Raufarhövn wird. Die in sich schlüssige, sehr erschütternde Auflösung des Vermisstenfalls geht unter die Haut und stimmt nachdenklich.
FAZIT
Ein herzerwärmender Roman mit einer fesselnden Geschichte vor einem grandiosen isländischen Setting und einem wundervollen Protagonisten! Sehr lesenswert!
Der Duft von Gammelhai
In Raufarhöfn brauch niemand sich Gedanken machen...keine Sorgen, denn es gibt Kalmann. Kalmann hat alles im Griff, denn er ist der selbsternannte Sheriff der hier für Anstand und Ordnung sorgt, jeden Tag....jeden Gott-verdammten Tag in Raufarhöfn...
Jeden Tag wandert er durch die Einsamkeit der Wildniss und des fast ausgestorbenen Dorfes und versorgt sich sowie die Tierwelt. Dennoch gibt es manchmal Situationen, die sein Leben völlig aus der Bahn werfen, wenn mal wieder etwas in seinem Kopf nicht ganz richtig läuft. Wie auch bei der Blutlache die er im Schnee findet....Plötzlich ist da diese Erinnerung wieder da von damals....
Joachim B. Schmidt zeigt mit seinem Protagonisten Kalmann nicht den „üblichen“ Dorfsheriff den man sich vorstellt. In Raufarhöfn laufen die Uhren etwas anders, schließlich lebt er ja auf Island und da ist eben alles ein wenig anders. Schmidt zeigt das auch hervorragend in seinem Schreibstil! Er ist anders und für manche vielleicht etwas seltsam aber er spricht eben in der Ich-Form für Kalmann und Kalmann ist eben anders. Schmidt vermischt Humor, Tragik, Spannung und Nachdenklichkeit ganz grandios zusammen und entstanden ist eben dieser Charakter, der einem immer wieder zum nachdenken, ja fast schon zum philosophieren bringt. Tenor der Geschichte ist „Kein Grund zur Sorge“. Es passt nunmal nicht in jede Lebenslage und die Welt ist nicht immer bunt und schön und genau das zeigt Schmidt mit seinem „Kalmann“. Das Buch bzw. die Geschichte kommen recht ruhig daher und man kann entspannt Seite für Seite lesen aber auch mal eine Pause machen - „kein Grund zur Sorge“ würde Kalmann dazu sagen. Hier drängt einen niemand aber dennoch übt die Geschichte einen gewissen Sog aus. Wer schon mal auf Island war, wird genau wissen was ich meine. Allein die Anwesenheit an diesem Ort ist Sog, aber das in Verbindung mit Kalmann ist einfach noch das i-Tüpfelchen. Schmidt liebt diese Gegend, das merkt man in seinen genauen und präzisen Beschreibungen und er kennt die Leute dort sehr gut, denn es gibt solche Typen zu hauf aber nicht nur auf Island, das ist klar. Kalmann ist mit seinen jungen Jahren aber nicht allein. Sein Großvater ist auch noch da und er schätzt seinen Enkel mit all seinen „Macken“. Sie sind ihm nunmal angeboren - „der liebe Gott wird schon wissen warum er dies so getan hat“ könnte man hier fast philosophisch einwerfen, Kalmann würde sagen „Kein Grund zur Sorge!“ und recht hat er! Lesen Sie dieses Buch und lassen Sie sich treiben mit Kalmann und mit Island und all seiner Schönheit - 5 von 5 Sterne gibt es hierfür!