Ich folge zumeist staunend und fasziniert dem Protagonisten mit seinen extremen Stimmungsschwankungen. Trotz des schweren Themas muss ich oft schmunzeln, vor allem über die Lügengeschichten, die er mal mehr und mal weniger glaubwürdig, aber immer wirkungsvoll an den Mann/ an die Frau bringt. Ein seltsamer Mensch, bei dem ich vor allem die Schwankungen bezüglich der Einschätzung der Qualität seiner Texte zwischen großem Mist und genialem Erguss gut nachvollziehen kann und auch sein Gefühlschaos zwischen Hoffnungslosigkeit, Euphorie und Zuversicht wenn es um die Veröffentlichung und letztendlich die überlebensnotwendigen Kronen geht. Er merkt wie abgerissen er inzwischen auf andere Leute wirkt, schämt sich und versucht immer wieder sich seine Situation schön zu reden. Schwierige Situation - ich sehe auch in diesem Zusammenhang seine spontanen Schenkaktionen, die er sich eigentlich gar nicht leisten kann - aber sie geben ihm das gute Gefühl, nicht ganz unten zu sein und zeigen den anderen, dass ihr erster Eindruck, einen hilfsbedürftigen Menschen vor sich zu haben, wohl trügen muss. Hilfreich sind in diesem Zusammenhang auch die Anmerkungen - sonst hätte ich nicht gewusst, dass Wedel-Jarlsberg ein adeliger Name ist.
Unsympathisch ist er mir immer dann, wenn er plötzlich von einem Widerwillen gegen andere überfallen wird: der hinkende Mann, die hässliche Frau relativ zu Beginn, die er kaum erträgt. Erinnern diese Personen ihn an ihn selbst? Daran, dass auch er am „Rand der Gesellschaft“ lebt und er deshalb so vehement seinen Ekel ausdrücken muss, quasi um sich zu versichern, dass er etwas Besseres ist? Überhaupt ein sehr ambivalenter Charakter. Ich lese Hunger bisher sehr gerne.