Irgendwann werden wir uns alles erzählen
Als Kind der Neunziger ist mir das Buch natürlich aufgrund seiner Optik aufgefallen, denn wer kennt nicht das Schloss von Prinzessin Peach? Der Klappentext war so genial, dass ich mehr wissen wollte. Beim Lesen wurde mir aber schnell klar, dass ich etwas anderes bekomme als ich es erwartet hatte.
In der Geschichte geht es um die Heftromanautorin Kat, die als zweite Geige ein Literaturstipendium an einem fürstlichen Hof anfängt. Dort ist es ähnlich wie in ihren Romanheften, nur irgendwie durchgeknallter. Was wird ihr das Stipendium bringen? Wird das ihr Leben verändern?
Zunächst einmal tat ich mich schwer in die Geschichte zu finden, da diverse Protagonistennamen und Handlungsstränge auf einen niederprasseln. Man wird als Leser sozusagen ins kalte Wasser geworfen und erst im Verlauf der Geschichte sieht man klarer.
Von den dargestellten Charakteren mochte ich am liebsten Valu, den schwulen Prinzen, und Moritz, den Rosenzüchter, einfach weil beide so unsicher mit sich selbst waren und trotzdem im Inneren einfach nur herzensgute Kerle sind.
Kat als Hauptfigur war mir persönlich zu viel, einfach zu drüber und fast schon an der Realität vorbei. Gerade die Szene mit Moritz zusammen auf dem Friedhof hat für mich den Vogel abgeschossen.
Alle anderen Charaktere sind genauso wie ich mir Adelige vorstelle. Vielleicht werden hier lediglich Klischees bedient, aber ich habe es der Autorin abgekauft.
Wenn man erstmal drin ist in der Geschichte, dann lässt sich der Roman gut lesen. Richtige Lacher gab es aber nur wenige, da hatte ich irgendwie mehr erwartet. Zumindest war es für mich mal etwas ganz Neues, so etwas habe ich zuvor noch nicht gelesen.
Fazit: Mal eine etwas andere Liebesgeschichte, die durchaus ihren Reiz ausübt. Ich spreche durchaus eine Leseempfehlung aus.
Als Nachrückerin eines Literaturstipendiums trifft Kat auf Schloss Rosenbrunn ein. Zwar hat sie eine riesige Veröffentlichungsliste, aber als Literatur hätte sie ihr Werk nicht bezeichnet. Schließlich schreibt sie sogenannte „Groschenhefte“ aus der Welt des Hochadels.
Nun steht sie also in der Halle mit Fürstin Follie und deren unverheirateter, etwas unkonventioneller Schwester Gratzie und lässt sich in die Feinheiten des Lebens der „Geborenen“ einweisen. Die Familie wird vervollständigt vom Patriarchen, dem poltrig-harmlosen Fredi und den Kinder Seph und Valu. Seph hat nur ein Ziel, eine tolle Heirat, aber trotz 30 gefangener Brautsträuße hat sich noch nichts ergeben. Und nun hat ihr Favorit aus dem englischen Hochadel auch noch so eine dahergelaufene Hollywood Schauspielerin gewählt. Sie ist verzweifelt. Bei Valu sieht es ähnlich aus, Kat merkt auf den ersten Blick, dass er dem eigenen Geschlecht zugeneigt ist, aber er den dynastischen Zwängen unterliegt.
Ja – soweit ist das genau das Thema der Fürstenromane, aber die Autorin gibt sich damit nicht zufrieden. Mit ganz viel Wortwitz, einem treffenden, auch mal sarkastischem Humor nimmt sie die Klischees auseinander. Ich habe mich selten so gut amüsiert und musste mehrfach hellauf lachen. Vorurteile auf beiden Seiten werden aufs Korn genommen und es gab viele wunderbare Szenen.
Zum Beispiel, wenn Gratzie ein älteres Abendkleid für den Ball mit der Heißklebepistole und Strasssteinen aufhübscht , oder dem millionenschweren Diadem der Fürstin ein kleines Rehgeweih auf einem Haarreif entgegensetzt. Während beim Heftroman die Realität meist außen vor bleibt, darf hier die sonst so zartbesaitete Seph bei der Jagd waidmännisch das Rotwild aufbrechen und statt dem keuschen Kuss im Groschenroman wird es hier auch mal expliziter. Auch das Happy End verzichtet auf den üblichen Weg in den Sonnenuntergang, es endet eher bittersüß.
Ich habe den unterhaltsamen Roman als eine liebevolle Hommage an dieses Genre gelesen, ironisch überspitzt und persifliert. Die Autorin hat ein tolles Erzähltempo und setzt Wortwitz und Gags gekonnt in Szene. Auch der Titel „Schund und Sühne passt genial. Mir hat der Roman ausgesprochen viel Spaß gemacht.
Ein großartiges Buch über die vielen Gesichter der Wahrheit, über ein ungewöhnliches Leben und über das, was uns und von uns bleibt ist der Roman „Honolulu King“ der mehrfach preisgekrönten niederländischen Autorin Anne-Gine Goemans. Man muss sich auf das Buch einlassen, dann entfaltet sich ein äußerst interessantes und spannendes Panorama aus indonesischer Geschichte, Hawaii-Musik und einer warmherzigen Auswanderer- und Familiengeschichte.
Hardy, 80jährig, betreibt in Haarlem/Holland einen indonesischen Imbiss und trifft sich dort mit seinen alten Bandkollegen, den „Honolulu Kings“, die früher mit ihrer Hawaii-Musik einige Erfolge feiern konnten. Sie „tracken“ Tapes mit den Erinnerungen ehemaliger Javanesen, die wie Hardy in Indonesien Schreckliches erlebt hatten. Seit Hardy die Ermordung seiner Familie durch indonesische Unabhängigkeitskämpfer mit ansehen musste hasst er die Japaner, die für den Drill und deren Ausbildung verantwortlich waren. Hardy schleppt seit seiner Jugend ein großes Geheimnis wie einen Mühlstein mit sich herum, das er bei seinem Eintritt in eine Loge preisgibt. Den Freimaurern beizutreten entschließt er sich, weil er immer einsamer wird, seit seine geliebte Frau Christina hochgradig dement in einem Pflegeheim leben muss und Hardy zwar seine Band-Freunde Cok und George, seine Tochter Aswani und die Enkelin Synne um sich hat, die ihm aber alle keinen Ersatz für die schwindende Christina sind.
Hardy macht reinen Tisch, als er in seinem Baustück für die Freimaurerloge und bei seiner Familie und den Freunden sein großes Geheimnis preisgibt, das nicht nur die Logenbrüder schockiert. Er versucht, die Fäden seines Lebens in der Hand zu behalten, will verhindern, dass ihm die Dinge entgleiten. Er stellt sich dem Urteil um zu erfahren, was ihm bleibt.
Hardys Geschichte in der Gegenwart eines 80 jährigen lebt von den Rückblicken in die Vergangenheit, von Hardys Erinnerungen an die Schrecken und Gräueltaten während des Zweiten Weltkrieges in Indonesien. Aus eingestreuten Krumen ergibt sich allmählich ein äußerst interessantes und sehr persönliches Bild des Lebens dort zu dieser Zeit und ein Gefühl dafür, was Hardy als Mischling damals alles tragen und erdulden musste. Richtig bedrückend sind die auf Kassetten aufgezeichneten Interviews, die Hardy mit ehemaligen Landsleuten machte und aufbewahrt, vor diesen eindringlichen und vielfach grausamen Geschichten bietet nichts beim Lesen Schutz und man kann sich dem nicht entziehen.
Die Autorin schafft jedoch gekonnt und wunderbar einen Gegenpol durch die Hawaii-Musik, in die sich Hardy seit seiner Ankunft in Rotterdam flüchtete und die ihm Halt gab und gibt. Und auch wenn seine Fassade mittlerweile bröckelt, der harte Panzer aufweicht, bekommt man in den Szenen mit seinen Freunden Cox und George ein warmes Gefühl dafür vermittelt, wie viel Halt den drei Männern die Musik immer gegeben hat, wie eng diese sie verschweißte und wie wichtig sie nach wie vor in ihrem Leben ist. Und auch wenn ich persönlich null Bezug zu Hawaii-Musik und Steelgitarren habe gehört dies unbedingt zur Geschichte, weil die Musik Hardy am Leben erhielt.
Die Figuren dieses Romans wachsen einem schnell ans Herz. Hardy und seine Freunde sind eine äußerst liebenswerte Truppe, die nicht zuletzt zeigt, wie Freundschaft und Musik Menschen zusammen bringen und aneinander binden kann. Alle drei, insbesondere Hardy, gehören nirgends richtig dazu und haben sich gefunden und festgehalten. Völlig kitschfrei beschreibt die Autorin auch Hardys Beziehung zu seiner Enkelin, die ihm lieber in der Küche seines Toko-Imbisses hilft statt zu studieren.
Das Buch versucht sich sicherlich auch an der Aufarbeitung eines Stückes wenig rühmlicher niederländischer Geschichte als Kolonialmacht Indonesiens. Die holländischen Kolonialherren gaben damals ihre Herrschaft auch nach dem Zweiten Weltkrieg nur nach blutigen Auseinandersetzungen durch Druck der Internationalen Staatengemeinschaft auf, obwohl Ihnen die Macht bereits entglitten war. Zurück blieben abgeschlachtete, misshandelte Indonesier, teils auf der Flucht weil sie wie Hardy Mischlinge und nirgends anerkannt waren.
Mein kleiner Wermutstropfen bei der äußerst anregenden und bewegenden Lektüre war lediglich die manchmal zu breit angelegte musikalische Komponente, aber da Hardy nun mal mit Hawaii-Musik überlebte nach seiner Auswanderung hat dies durchaus seine Berechtigung.
Insgesamt ist es ein sehr berührendes, hoffnungsvolles und höchst interessantes Buch, das mich zum intensiven Nachdenken und Querlesen zu indonesischer Geschichte anregte.
Jahrzehntelang führte Elisabeth Kohlbrenner in Bonn eine Beziehung im Schatten, als Geliebte eines verheirateten Mannes aus einflussreichen Kreisen. Nach seinem Tod kehrt sie auf den alten Familienhof im Schwarzwald zurück. Kurz darauf kommt auch Adele, die ältere – immer bewunderte Schwester – zu Besuch und bleibt. Nicht ganz freiwillig, auch ihre Beziehung ist gescheitert und ihre finanzielle Situation ist alles andere als rosig.
Doch ein Traum von Elisabeth soll Wirklichkeit werden: auf dem Gelände, dass der geschäftstüchtige Bruder Hans in den Anfängen der Wirtschaftswunderjahre mit seiner Fabrik vergiftet und mit Quecksilber kontaminiert hat, soll ein Rosengarten entstehen. Ein Rosengarten auf 1000 Höhenmetern und den strengen Wintern im Schwarzwald trotzend.
Das einfache Leben ist so einfach nicht, aber die Rückbesinnung auf ihre Wurzeln hilft den Kohlbrenner Schwestern mit ihrer Vergangenheit abzuschließen und eine neue Richtung einzuschlagen. In vielen Rückblenden erzählt die Autorin von der Kindheit, dem Aufbruch in die weite Welt, von Erfolgen und geplatzten Träumen. Diese Rückschau enthüllt den Charakter der Schwestern, deren Portraits sehr fein gezeichnet sind, aber auch seltsam kühl und künstlich auf mich wirken.
Ich habe mich in diesem Buch mit den Zeitsprüngen nicht so recht anfreunden können, obwohl ich das sonst als Stilmittel durchaus schätze. Vielleicht weil das Buch recht abrupt zwei Jahrzehnte überspringt und endet.
Sehr interessant fand ich die Sprache, der heitere, von weiser Gelassenheit getragene Ton passt sehr schön zur Geschichte, hat aber bei mir, ähnlich wie bei den Figuren eine gewisse Distanz erzeugt.
Man spürt die Liebe der Autorin zu ihrer Heimat, auch sie hat den Schwarzwald jung verlassen und kehrt nach Jahren in Bonn zurück, die Sehnsucht zu den Wurzeln hat sie mit ihren Figuren gemeinsam.
Versuch über das Warten
Richard ist Professor, und das macht einen Großteil seiner Selbstwahrnehmung aus. Er ist Professor, aber er wurde gerade in den Ruhestand verabschiedet. Er ist Professor, und ihm geht darüber der Lebenssinn verloren.
Gehen, ging, gegangen.
Weil er selber gerade gehen musste, nimmt er sie erst gar nicht wahr – die Geflüchteten, die protestieren, weil sie schon wieder gehen sollen.
Die keine Heimat finden, nirgendwo, weil sie keiner haben will.
Dass er sich dann doch mit ihnen beschäftigt, ist erst reiner Egoismus. Weil er sich langweilt. Weil er eine Aufgabe braucht. Weil er, der jetzt alle Zeit der Welt hat und sie nicht haben will, mit jemandem über das Wesen der Zeit sprechen möchte.
“Über das sprechen, was Zeit eigentlich ist, kann er wahrscheinlich am besten mit denen, die aus ihr hinausgefallen sind.”
Also erstellt er in penibler Vorbereitung einen umfangreichen Fragenkatalog, packt Notizbücher und Stifte ein und zieht los. Nur ein Forschungsprojekt – eine Möglichkeit, sich auch als Rentner noch den eigenen Wert als Wissenschaftler zu beweisen.
Sympathisch ist Richard zunächst nicht. Er ist ein Mensch, der rigide an seinen Vorstellungen festhält und dabei sehr wenig auf die Vorstellungen anderer Menschen eingeht. Nur allzu vage und oberflächlich bemüht sich der Bildungsbürger darum, ein guter Mensch zu sein.
Seine Betroffenheit ist verwaschen und halbherzig, mehr Selbstzweck als echtes Mitleid(en).
Richards Versuch, sich das Schicksal der Geflüchteten aus seiner klassischen Bildung heraus zu erklären, scheitert kläglich. Auch dass er seine eigene Erfahrung als entwurzelter DDR-Bürger mit den Erfahrungen von Menschen vergleicht, die den Krieg in seiner brutalsten Form erlebt haben, hat den schalen Beigeschmack des Egoismus.
Kurz: Richard steht über lange Passagen viel zu sehr im Mittelpunkt. Dabei entfaltet der Roman überall dort eine überaus starke Eindringlichkeit und Wirkung, wo den Geschichten der Geflüchteten Raum gegeben wird.
Dort wirkt er authentisch und unverbrämt, dort regt er zum Nachdenken an und erweckt Emotionen. .
Für mich war die vorherrschende Emotion Zorn.
Nicht nur Zorn auf die Kriegstreiber in den Ländern, aus denen die Flüchtlinge kommen, , sondern auch Zorn auf die europäische Bürokratie, die sie zu einem menschenverachtenden Spießrutenlauf zwingt, der oft von vorneherein vergeblich ist. Nicht zu vergessen: Zorn auf die Menschen, die alle Flüchtlinge vorverurteilen.
Genau diesen Menschen würde ich das Buch gerne als Pflichtlektüre verordnen.
Richard verkörpert in den ersten Kapiteln viele ihrer Vorurteile und Fehlinterpretationen. (Ja, da ist er manchmal sogar zu offensichtlich ein Stellvertreter für diese Menschen.)
Je mehr er sich jedoch mit den Geflüchteten beschäftigt und sie als Menschen sieht statt als Forschungsobjekte, desto mehr begreift er, wie unzureichend sein Fragekatalog ist, und beginnt, endlich auf einer Augenhöhe mit ihnen zu sprechen. Es entstehen Freundschaften, die Richards rigide Vorstellungen der Welt aufbrechen.
Awa, Raschid, Rufu, Osaboro, Ithemba und viele mehr… Ihre Geschichten sind das Herzblut eines Buches, das nicht perfekt ist, aber durchaus lohnende Lektüre.
Was mir in diesem Buch ein wenig zu kurz kommt ist die Frage, wie Menschen aus einem ganz anderen Kulturkreis damit umgehen, wenn sie sich hier einleben wollen und sollen – was für ein Konfliktpotential darauf entsteht, und wie Integration dennoch möglich ist. .
FAZIT
Richard, seines Zeichens emeritierter Professor der Altphilologie, wird aufmerksam auf den Protest und Hungerstreik einer Gruppe von Geflüchteten in Berlin. Da ihm mit seiner Berentung der Lebenssinn abhanden gekommen ist, beginnt er im Alleingang ein Forschungsprojekt, bei denen er die jungen Männer zu ihrem Leben und ihrer Flucht befragt.
Die Geschichte ist großartig, wenn tatsächlich die Geschichten der Geflüchteten im Mittelpunkt stehen – und nicht Richard mit seinem Hintergrund als ehemaliger DDR-Bürger / Ehebrecher / Philologe, denn in diesen Passagen verliert das Buch viel an emotionaler Wucht.
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