1. Leseabschnitt: Kapitel 1 bis 4 ( bis Seite 59)

Literaturhexle

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Henry lernen wir aus der kompletten Ich-Erzählhaltung kennen, also mit seinen komplexen und widersprüchlichen Gefühlen
Es handelt sich ja nicht um einen richtigen Ich-Erzähler, sondern um einen personalen Erzählstil aus der Sicht des Jungen (wenn das so stimmt, habe ich im Forum etwas gelernt;)). Es wird in der 3. Person "Der Junge" erzählt. Das ist mir gleich zu Beginn aufgefallen, dass die Figuren meistens nicht namentlich benannt werden und sich dadurch eine gewisse Anonymität einschleicht, die durchaus gewollt sein kann: Ein baumlanger Soldat, ein farbiger Fuhrmann, ein Korporal, ein junger Rekrut. Der unbestimmte Artikel unterstreicht dies.
Das Buch ist sehr stimmungsvoll geschrieben, immer wieder bekommen wir Ansichten der Landschaften geschildert, besonders gut gefallen mir die Vergleiche.
Diese Vergleiche sind der Hammer! Ich habe sie mir unterstrichen. Sie bringen Poesie in den Text.
Henry erscheint mir in seiner Zerrissenheit noch sehr kindlich
Er ist auch noch recht jung mit 17 Jahren. Es ist genau das Alter, in dem die Jungen aber schon gerne Männer wären. Offensichtlich trifft er ja auch Schulkameraden auf dem Feld. Er ist also nicht der einzige, der dem Männlichkeitsmythos, dem Krieg, gefolgt ist. Seine Kindlichkeit zeigt sich auch an den Ungeheuern und Dämonen, die er auf dem Berg, auf der anderen Flussseite, während des Marsches sieht.
Kann man mehr widersprüchliche Gefühle in einen Romananfang packen?
Hervorragend zusammengefasst! Ich bin ganz bei dir und empfinde den Roman als ungemein interessant.
Henry hat Gedanken, die ein 17jähriger Henry nicht haben kann. Das sind die Gedanken vom Autor
Mit Sicherheit hat der Autor seine Gedanken dort auch untergebracht. Trotzdem empfinde ich die Gedankenwelt als stimmig. Jeder Krieg hat ja ein Vorspiel, es wird an den Patriotismus appelliert, an die Tapferkeit, den Mut. Jeder will dabei sein, hat Angst, dass es zu früh vorbei sein könnte. Diese Bilder wiederholen sich doch bei jedem Krieg. Da finde ich die Gedanken des Jungen, der aus dieser Stimmung heraus vermutlich auf dem Schlachtfeld gelandet ist, und sich erst jetzt dem Ernst der Lage bewusst wird, als sehr stimmig. Griechen hin oder her;)
Ich dachte, er ist ein Bauer! Von griechischer Ausbildung war nicht die Rede. Er fütterte Kühe und machte andere Hofarbeiten.
Wer hat hier Schubladen???:p
Ich hätte ja gerne gewusst, was er von seinem frühen Sterben hielt - kam da was drin vor in dem Roman? Hat er es geahnt, kommentiert?
Crane muss recht unerschrocken und lebensfroh gewesen sein, war Kriegsberichterstatter. Er muss schon in seiner Jugend krank gewesen sein, verschlimmert hat sich sein Leiden, als er lange auf dem Meer herumtrieb. Am Ende war es Tuberkulose - die damals ziemlich tödlich war.
Das Telefon wurde 1861 erfunden, also nicht rechtzeitig für diesen Krieg.
Selbst, wenn man es schon gehabt hätte: Es war sehr unhandlich und brauchte Stromleitungen;)
Ich kann mir das Durcheinander aber gut vorstellen: Verschiedene Kompanien werden zusammengezogen, Tausende stehen bereit. nach und nach müssen sie nach vorne stürmen. Kommunikation via Befehlskette. Für mich noch alles logisch.
 

Sassenach123

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Lachen musste ich ja bei dem "Vortrag" der Mutter, bevor Henry gegangen ist. "Ich hab dir auch Socken gestrickt und was zu Essen eingepackt." Großartig :D.
Und dabei hatte der junge Mann sich schon zurecht gelegt, was er ihr antworten würde,und dann macht sie ihm einen Strich durch die Rechnung. ;)
Letztendlich ging es ihr wohl wie allen Müttern, sie hätte ihn lieber zu Hause behalten.
 

Literaturhexle

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2. April 2017
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Auf die Szene am Fluss möchte ich noch eingehen, als er zum ersten Mal "Feindberührung" mit einer Wache der Südstaatler hat und diesen als netten Kerl wahrnimmt. Dort zweifelt er zum ersten Mal am Sinn des Krieges...
Diese Situation wird bei Bürgerkriegen noch drastischer ausfallen als bei anderen, weil man dieselbe Sprache spricht.

Dann die Szene mit dem alten Pferd, das ein dicker Soldat dem Mädchen stehlen will (S. 34): Noch sind die meisten Soldaten rechtschaffen. Sie ermutigen das Mädchen und nicht ihren Kameraden, so dass das Pferd bei seiner Besitzerin bleiben kann. Ich befürchte, wir werden irgendwann eine ähnliche Szene sehen, in der die Männer ihre Zivilisation abgelegt haben und bedingungslos zusammenhalten - Recht hin, Recht her.

Auch das Heimweh des Jungen finde ich gut geschildert. Die Kühe mit dem Heiligenschein... Er sehnte sich aufs Feld und wurde nun geerdet. Es ist so ganz anders als in seinen Vorstellungen. Da wünscht man sich in die geborgene Routine zurück.

Auch der erste Tote (ein Feind) macht Eindruck auf unseren Henry. Er erkennt, dass man im Tod quasi nackt ist. Die Armut, die der Tote lebend vielleicht verbergen konnte, wird im Tode sogar den Feinden offenbar. Eine starke Stelle!
 

Sassenach123

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Auch das Heimweh des Jungen finde ich gut geschildert. Die Kühe mit dem Heiligenschein... Er sehnte sich aufs Feld und wurde nun geerdet. Es ist so ganz anders als in seinen Vorstellungen. Da wünscht man sich in die geborgene Routine zurück.
Das ist etwas, was ich ihm 1:1 abkaufe. Wahrscheinlich hatte er bislang nur geschönte Geschichten über den Krieg gehört, dann noch das Gefühl des Patriotismus, ein echter Mann werden, Ruhm, Anerkennung, und dann schwups sitzt man da und wartet und bekommt Angst. Das bringt der Autor sehr gut rüber
 

Sassenach123

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Mir gefällt der Schreibstil sehr gut, und ich habe ehrlich gesagt gar nicht mit so schönen Formulierungen gerechnet. Vom Krieg verstehe ich wenig, will sagen, dass ich mit den Namen der Befehlshabern und den unterschiedlichen Manövern und wie sie durchgeführt werden, nicht viel anfangen kann.
Doch dies läuft für mich eher am Rand ab. Der Fokus liegt für mich auf Henry und seinen Eindrücken.
Mich fasziniert auch die Tatsache, dass der Roman schon sehr alt ist, und er mir vom Stil gar nicht alt erscheint.
Mein Mann erzählte mir, dass er den Film zum Buch früher mal gesehen hat. Er hat sich gewundert, dass ich mich für diesen Roman entschieden habe.....Ha, ich glaube er würde es gerade gerne selbst lesen
 

RuLeka

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ill sagen, dass ich mit den Namen der Befehlshabern und den unterschiedlichen Manövern und wie sie durchgeführt werden, nicht viel anfangen kann.
Das ist auch garnicht notwendig. Crane geht es hier bestimmt nicht um einen bestimmten Kriegsverlauf, sondern will eher eine universale Aussage machen und zwar darüber, was ein einfacher Soldat empfindet, was ihnen dabei durch den Kopf geht.
 

Wandablue

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Das ist auch garnicht notwendig. Crane geht es hier bestimmt nicht um einen bestimmten Kriegsverlauf, sondern will eher eine universale Aussage machen und zwar darüber, was ein einfacher Soldat empfindet, was ihnen dabei durch den Kopf geht.

Leider. Leider. Ich jedenfalls, hätte gerne Genaueres gehört und finde, der Autor schummelt sich diesbezüglich durch, ein Wäldchen, ein General. Er hat keine Ahnung.
 

ulrikerabe

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14. August 2017
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Ich glaube die lektüre von "mr. Crane" hat mit
Das ist schon klar. Aber wir reden hier ja meistens über Handlungen fiktiver Figuren und die muss ich ernst nehmen, wenn der Autor seine Arbeit gut gemacht hat.
Ich habe momentan noch sehr große Probleme Henry als authentische Person zu sehen. Henry wirkt für mich nur als Sprachrohr für Crane. Vielleicht war es ein "Fehler" Mr Crane vpr der Medaille zu lesen. So verstellt mir Crane ständig die Sicht.
Noch ist dieses Buch absolut nicht mein Buch.
 

Wandablue

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Ich glaube die lektüre von "mr. Crane" hat mit

Ich habe momentan noch sehr große Probleme Henry als authentische Person zu sehen. Henry wirkt für mich nur als Sprachrohr für Crane. Vielleicht war es ein "Fehler" Mr Crane vpr der Medaille zu lesen. So verstellt mir Crane ständig die Sicht.
Noch ist dieses Buch absolut nicht mein Buch.

Nein, nein, Ulrike: ich warte sehnsüchtig auf dich als Unterstützung ;-).
 

Emswashed

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9. Mai 2020
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Mich fasziniert auch die Tatsache, dass der Roman schon sehr alt ist, und er mir vom Stil gar nicht alt erscheint.

Doch, zumindest die Ansichten Henrys scheinen mir aus der Romantik zu kommen. Einzelne Wörter fallen mir auf, wie z.Bsp. die Tretmine, aber das ist wohl auch der neuen Übersetzung geschuldet.

So verstellt mir Crane ständig die Sicht.

Mr Crane verstellt mir nicht die Sicht, deswegen habe ich mir Henry sehr genau angeschaut. Aber das macht die Sache nicht besser.