1. Leseabschnitt: Kapitel 1 bis 4 ( bis Seite 59)

Anjuta

Bekanntes Mitglied
8. Januar 2016
1.640
4.803
49
62
Essen
Henry lernen wir aus der kompletten Ich-Erzählhaltung kennen, also mit seinen komplexen und widersprüchlichen Gefühlen und Gedanken über sich und seine Umwelt. Er ist ein unter den Gleichaltrigen ein eher mittelmäßig integrierter Jüngling in einem Amerika, das sich in einem Krieg befindet. Da ist der Krieg einer der wenigen Möglichkeiten, aus seiner Welt auszubrechen und so kommt auch Henry auf den Gedanken, sich freiwillig zu melden, obwohl er uns schon hier als alles andere als ein Held erscheint. Die Zerrissenheit der Gefühle kommt dabei immer wieder sehr gut herausgearbeitet zum Ausdruck.
Die Zerrissenheit der Gefühle ändert sich auch nicht, als er dann in der Truppe ist.
[zitat]Er fühlte sich deplaziert in der Gegenwart von Männern, die in einer anstehenden Schlacht nichts weiter sahen als ein aufregendes Schauspiel, dem man mit Spannung entgegensah. doch wenn er dann die geifernde Begeisterung in ihren Gesichtern sah, fragte er sich schon, ob es in Wahrheit nicht Lügner seien.[/zitat]
Doch zunächst einmal ist Warten angesagt. Und auch das hat seine zwei Seiten. Warten heißt: nicht kämpfen müssen, aber auch: nicht kämpfen dürfen. Beide Gefühle sind präsent. Und natürlich ist da Furcht und Angst. Henry ist ständig auf der Suche, Anzeichen für solche Ängste auch bei anderen zu finden und damit Gleichgesinnte und ebenso "wenig heldenhafte" Soldaten wie er sich als einer fühlt. Dieses vorsichtige Beobachten der Kameraden ist eines der großen Momente in diesem LA für mich gewesen. Psychologisch sehr stimmig beschrieben vom Autor, finde ich.
Zum Ende des LA beginnt dann aber doch der Kampf. Aber dazu wahrscheinlich mehr im nächsten LA.
 

Yolande

Bekanntes Mitglied
13. Februar 2020
1.801
6.622
49
Das Buch ist sehr stimmungsvoll geschrieben, immer wieder bekommen wir Ansichten der Landschaften geschildert, besonders gut gefallen mir die Vergleiche. Die feindliche Armee wird zum bösartigen, rotäugigen Monster, das marschierende Regiment zu Schlangen, die sich den Weg entlang winden. Toll :).
Herny ist voller Zweifel, war er zu Beginn noch von seiner heroischen Rolle während des Krieges überzeugt, überwiegen nun die negativen Gedanken. Er hofft bei seinen Kameraden auf ähnliche Reflexionen, kann sie aber nicht entdecken. Es würde mich interessieren, welchen Eindruck er auf seine Kameraden macht. Sehen sie seine Zweifel? Geht es ihnen genauso? Wahrscheinlich schon. Der Schreihals Wilson, der am Flussufer noch rumgetönt hat, ist beim ersten Beschuss sofort überzeugt, dass er sterben wird.
Die ewige Warterei ist für alle Beteiligten einfach nur zermürbend
 

Emswashed

Bekanntes Mitglied
9. Mai 2020
2.742
9.822
49
Henry erscheint mir in seiner Zerrissenheit noch sehr kindlich. Einseits sieht er sich im Traum als großen Helden, der den anderen "bescheid sagt" und weiß und als einziger die "Falle" des Feindes erkannt hat, andererseits schaut er immer wieder links und rechts nach Gleichgesinnten, die genauso Schiss haben wie er. Die Unsicherheit, wie er regaieren wird, wenn er dann doch selbst schießen muss, ist schon gravierend.
Die ganze Handlung bisher scheint sich aber aufs Nachdenken zu beschränken.
 

RuLeka

Bekanntes Mitglied
30. Januar 2018
6.548
24.650
49
66
Das Buch ist sehr stimmungsvoll geschrieben, immer wieder bekommen wir Ansichten der Landschaften geschildert,
Die ersten Sätze sind wunderbar, hat mich gleich für den Autor eingenommen.
„ Schlachten wie damals ( bei den Griechen), sagte er sich, würde es niemals mehr geben. Die Menschen waren klüger geworden, vielleicht auch ängstlicher. Die weltliche wie geistige Entwicklung hatte die Raubtier- Reflexe der Menschheit zunehmend eingedämmt.“ Hier liegt der junge Henry leider sehr falsch.
Henry erscheint mir in seiner Zerrissenheit noch sehr kindlich
Sicher, Henry ist noch sehr jung, aber ich glaube, dass viele Soldaten sich einer Mischung aus heroischen Gedanken und ganz menschlichen Ängsten ausgesetzt fühlen.
Mir gefällt, dass wir als Leser ganz dicht bei den Überlegungen und Empfindungen Henrys sind. Das tagelange Warten löst bei ihm die Angst aus, ob er wohl dem Kriegsgeschehen gewachsen ist oder ob er gleich die Flucht ergreift. Solche Gedanken kann er nicht mit den anderen teilen oder nur ganz vorsichtig, er will ja nicht als Feigling oder Deserteur dastehen.
Interessant wird, wie Henry sich im Verlauf der Schlacht verändern wird.
 

Barbara62

Bekanntes Mitglied
19. März 2020
3.898
14.931
49
Baden-Württemberg
mit-büchern-um-die-welt.de
Henry erscheint mir in seiner Zerrissenheit noch sehr kindlich. Einseits sieht er sich im Traum als großen Helden, der den anderen "bescheid sagt" und weiß und als einziger die "Falle" des Feindes erkannt hat, andererseits schaut er immer wieder links und rechts nach Gleichgesinnten, die genauso Schiss haben wie er. Die Unsicherheit, wie er regaieren wird, wenn er dann doch selbst schießen muss, ist schon gravierend.
Die ganze Handlung bisher scheint sich aber aufs Nachdenken zu beschränken.

Henry ist auf der Suche nach sich selbst und hofft, sich im Krieg selbst kennenzulernen. Er möchte ein "richtiger Mann" werden:

"Der Krieg, hatte der Junge einmal gelernt, mache aus jedermann einen echten Mann. Er hatte darin immer seine Rettung gesehen und all seine Hoffnung auf die entscheidende Schlacht gesetzt." (S. 49)
 

Barbara62

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19. März 2020
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14.931
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Baden-Württemberg
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Kann man mehr widersprüchliche Gefühle in einen Romananfang packen? Henry durchlebt auf diesen ersten Seiten ein Hochgefühl, weil er "an großen Entscheidungen der Menschheitsgeschichte" teilnimmt, sieht seine kühnsten Träume erfüllt, fantasiert über "eindrucksvolle Schlachtszenen", fühlt Stolz und Überlegenheit vor seinen Klassenkameraden, geniert sich vor seiner Mutter wegen seiner Entscheidung, ringt mit Zweifeln, ob er vielleicht im entscheidenden Moment davonrennt, fühlt sich als "anonymes Rädchen im Rahmen der blauen Streitkräfte" und als Außenseiter zwischen den Kameraden, dann erfasst ihn beim Abmarsch eine undefinierbare Begeisterung, die umschlägt in Weltschmerz, er fühlt sich eingesperrt in eine Kiste und in Gesetze, Gebote und Traditionen, dann empfindet er Neugier und vergisst alle Vorsicht im Angesicht des Schlachtgeschehens, die wiederum umschlägt in Wut auf die Generäle, die Umgebung scheint ihm furchterregend, er wartet voller Ungeduld auf seinen Einsatz und will unbedingt den Feind mit eigenen Augen sehen.

Mehr Achterbahn geht nicht.
 

Barbara62

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Doch zunächst einmal ist Warten angesagt. Und auch das hat seine zwei Seiten. Warten heißt: nicht kämpfen müssen, aber auch: nicht kämpfen dürfen. Beide Gefühle sind präsent.

Das Warten ist für alle quälend, aber ganz besonders für jemanden, der so grüblerisch veranlagt ist wie Henry.
 

Wandablue

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18. September 2019
9.695
22.102
49
Brandenburg
Einen Kriegsroman habe ich mir ganz anders vorgestellt. Kann man in einem Soldatenlager "spazierengehen"? Was ist die Aufgabe des Rekrutenregiments? Es ist doch mitten im Geschehen, sieht die Männer auf der Flucht und tut nichts? Wo sind die Befehlshaber? Ich verstehe gar nichts.

Ansonsten ja, ist das Tableau stimmungsvoll. Eindrücklich beschrieben. Das ist auch stimmig. Die Natur ist wie sie ist, egal, was der Mensch gerade tut. Davon hängt ihr Aussehen nicht ab, es sei denn, sie wird zerstört. Und das wird sie!

Henry hat Gedanken, die ein 17jähriger Henry nicht haben kann. Das sind die Gedanken vom Autor. Anyway.

Ich bin gespannt wie es weitergeht. Helden werden nicht aus Heldenmut geboren, sondern aus einer Mischung von Zufall und Gegebenheit. Mal sehen, was der Autor uns diesbezüglich anbietet.
 

Wandablue

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18. September 2019
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Brandenburg
Die ganze Handlung bisher scheint sich aber aufs Nachdenken zu beschränken.
Fast. Richtig beschaulich ist es. Das ist ein scharfer Kontrast zu dem, was ich erwartet habe.

Henrys Tagträume sind .. erheiternd.

Das Personal bis jetzt ist schablonenhaft. Der Aufschneider, z.B. Das ist nur Funktion, nicht Person. Total gut beschrieben auf der anderen Seite, die Gerüchteküche.

Ein bisschen seltsam, woher als das Regiment im Wald liegt, die Informationen kommen. Das lässt mir der Autor zu sehr offen. Aus der Luft kommen sie nicht. Gibt es ein Telefon, das der Leutnant benutzt, halten die fliehenden Männer inne und berichten?

Warum der Autor das so macht, wie er es macht, wird sich wohl erst später erschließen.

Es kann auch sein, dass es wegen der Erzählabsicht einfach nicht wichtig ist. Aber das weiß ich ja noch nicht. Was er mir erzählen will.
 
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Barbara62

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Henry hat Gedanken, die ein 17jähriger Henry nicht haben kann. Das sind die Gedanken vom Autor. Anyway.I

Warum nicht? Und der Autor war ja kaum älter als er. Henry scheint sich intensiv mit der alten griechischen Geschichte beschäftigt zu haben, vielleicht auch mit den griechischen Philosophen. Er ist ein Außenseiter, vermutlich wegen dieser Interessen. Und er ist teilweise ja schon auch naiv (Welt ist besser geworden durch die Zivilisation, ein richtiger Mann werden im Krieg...).
 

Barbara62

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19. März 2020
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Ein bisschen seltsam, woher als das Regiment im Wald liegt, die Informationen kommen. Das lässt mir der Autor zu sehr offen. Aus der Luft kommen sie nicht. Gibt es ein Telefon, das der Leutnant benutzt, halten die fliehenden Männer inne und berichten?

Ein guter Teil der Informationen ist ja auch falsch.
 

Wandablue

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Warum nicht? Und der Autor war ja kaum älter als er. Henry scheint sich intensiv mit der alten griechischen Geschichte beschäftigt zu haben, vielleicht auch mit den griechischen Philosophen. Er ist ein Außenseiter, vermutlich wegen dieser Interessen. Und er ist teilweise ja schon auch naiv (Welt ist besser geworden durch die Zivilisation, ein richtiger Mann werden im Krieg...).
Ich dachte, er ist ein Bauer! Von griechischer Ausbildung war nicht die Rede. Er fütterte Kühe und machte andere Hofarbeiten.
 

kingofmusic

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30. Oktober 2018
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Kann man mehr widersprüchliche Gefühle in einen Romananfang packen? Henry durchlebt auf diesen ersten Seiten ein Hochgefühl, weil er "an großen Entscheidungen der Menschheitsgeschichte" teilnimmt, sieht seine kühnsten Träume erfüllt, fantasiert über "eindrucksvolle Schlachtszenen", fühlt Stolz und Überlegenheit vor seinen Klassenkameraden, geniert sich vor seiner Mutter wegen seiner Entscheidung, ringt mit Zweifeln, ob er vielleicht im entscheidenden Moment davonrennt, fühlt sich als "anonymes Rädchen im Rahmen der blauen Streitkräfte" und als Außenseiter zwischen den Kameraden, dann erfasst ihn beim Abmarsch eine undefinierbare Begeisterung, die umschlägt in Weltschmerz, er fühlt sich eingesperrt in eine Kiste und in Gesetze, Gebote und Traditionen, dann empfindet er Neugier und vergisst alle Vorsicht im Angesicht des Schlachtgeschehens, die wiederum umschlägt in Wut auf die Generäle, die Umgebung scheint ihm furchterregend, er wartet voller Ungeduld auf seinen Einsatz und will unbedingt den Feind mit eigenen Augen sehen.

Mehr Achterbahn geht nicht.
Perfekt zusammengefasst!