Große Freiheit
„Kirschroter Sommer“ von Carina Bartsch ist der Beginn einer schönen Liebesgeschichte.
Emely wohnt und studiert in Berlin. Ihre beste Freundin Alex schmeißt ihr Studium in München und fängt ein neues in Berlin an. Von da an sind die beiden wieder unzertrennlich. Doch Alex zieht bei ihrem Bruder Elyas in die Wohnung ein. Emely kann ihn gar nicht leiden und er baggert sie an. Luca, ein Unbekannter, schreibt Emely romantische Emails.
Emely ist erfolgreich in ihrem Studiengang, lernt viel und hat schon lange keine feste Beziehung mehr gehabt. Sie selbst findet sich nicht wirklich attraktiv sondern „normal“. Sie vergräbt sich lieber gerne hinter ihren Büchern.
Alex ist flippig, nicht auf den mundgefallen und anstrengend. Sie hat kein Problem damit sich zu verlieben, doch gerät sie oft einfach an die falschen Männer.
Elyas ist ein Frauenscharm. Er hat oft einen One-Night-Stand, fährt eine schicke und vor allem auffällige Karre. Er flirtet gerne.
Emelys Abneigung gegen über Elyas wird schnell deutlich und macht einen neugierig warum es so ist. Es dauert eine Weile bis der Leser den Grund erfährt. In der Zwischenzeit kann man beobachten wie Elyas Emely an gräbt und wie der Unbekannte-Luca ihr romantische Emails schreibt. Es ist spannend zu sehen wie abweisend Emely gegenüber Elyas ist und offen sie doch zu Luca ist. Die Frage ist wer erobert ihr Herz?
Auch sonst passieren viele unerwartete Situationen, die die Charaktere zum Handeln zwingen und das meist anders als gedacht.
Auch dieser Liebesroman konnte mich überzeugen. Was heißt überzeugen … ich konnte das Buch einfach nicht mehr aus der Hand legen. Eigentlich wollte ich es ja nur anlesen für eine Blog-Aktion, aber draus wurde dann eher durchlesen. Auch wenn Emely ein typischer Charakter ist passieren doch viele auch unerwartete Situationen. Dies hat mit sehr gefallen.
Es gibt von mir 5 von 5 Wölfen!
Ich würde empfehlen, an die Bücher von Han Kang möglichst unbefangen heranzugehen, ohne schon zu viel darüber zu wissen. Über die Handlung möchte ich daher noch nichts verraten.
Die Bücher von Han Kang sind für mich grundsätzlich keine leichte Lektüre. Zu verstörend sind sie, zu provokant, zu intensiv. Und dennoch sind sie nach meinem Empfinden unwiderstehlich – auf die gleiche Weise, wie ein Albtraum unwiderstehlich ist, aus dem man sich auch nach dem Erwachen nicht vollends befreien kann.
Die Geschichten, die Han Kang erzählt, sind auf stille Art grotesk. So kafkaesk, als habe sie sich ganz bewusst darum bemüht, dieser berühmte Forderung Franz Kafkas nachzukommen:
»Wir brauchen aber die Bücher, die auf uns wirken wie ein Unglück, das uns sehr schmerzt, wie der Tod eines, den wir lieber hatten als uns, wie wenn wir in Wälder vorstoßen würden, von allen Menschen weg, wie ein Selbstmord, ein Buch muß die Axt sein für das gefrorene Meer in uns.«
Und so ist auch “Die Vegetarierin” aufwühlend und unbequem.
Der Leser kann sich nur sehr begrenzt in die Gedankenwelt der Charaktere einfühlen, und es ist fraglich, ob man das überhaupt will: allzu schnell spürt man, welche menschlichen Abgründe hinter der Fassade lauern, und dennoch kann man sich nicht abwenden.
Aber worum geht es überhaupt – wo liegt der Sinn dieser Geschichte? Wahrscheinlich werden keine zwei Leser auf diese Frage die gleiche Antwort geben, und so kann auch ich nur danach gehen, wie diese Geschichte in mir persönlich nachhallt.
Mein Versuch einer Sinnfindung:
Es geht unter anderem um Unterdrückung und Anpassung in einem gesellschaftlichen System voller rigider Normen – und letztendlich um Verweigerung in der letzten Konsequenz. Das liest sich zunehmend skurril, dabei jedoch auf sonderbare Weise folgerichtig: anders kann es nicht enden.
FAZIT
Die unscheinbare, angepasste Yeong-Hye beschließt, sich fortan vegetarisch ernähren, was von ihrem Mann und ihrer Familie als unerhörter Akt der Rebellion betrachtet wird. Aber das beschreibt noch nicht mal annähernd, was im Laufe der Handlung alles auf nur 189 Seiten alles geschieht – bis hin zu einem konsequenten, surrealen Ende.
Habe ich das Buch verstanden? Ich weiß es nicht.
Habe ich das Buch gerne gelesen? Absolut. Tatsächlich hat es sich bereits in das Regal meiner Lieblingsbücher eingereiht, wo es nun neben “Deine kalten Hände” und “Menschenwerk” steht und auf weitere Bücher von Han Kang wartet.
Wenn ich den Inhalt lediglich mit einem Wort beschreiben müsste, dann definitiv mit 'verstörend'. Wie man aus der Buchbeschreibung ja bereits herauslesen kann, geht es hierin um die Protagonistin Yeong-hye, die aufgrund eines Traumes urplötzlich aufhört, Fleisch zu essen und darüber hinaus auch kein weiteres tierisches Produkt mehr anrührt. An und für sich ist dieser Umstand jetzt erst mal nicht beunruhigend, aber Yeong-hye wirkt auf den Leser von Anfang an schon irgendwie eigenartig, wenig fassbar oder durchschaubar und sehr zurückhaltend/passiv. Klar, eine gewisse Unscheinbarkeit haftet ihr auch an, aber diese stand für mich nicht wirklich im Vordergrund. Dass sich in ihrem Inneren deswegen umso mehr Essenzielles abspielt, war mir gleich bewusst, genauso wie die Tatsache, dass genau das wohl früher oder später aus ihr herausbrechen wird ...
~ Das Leben ist schon seltsam. Egal, was passiert, selbst nach einem schrecklichen Ereignis isst man, trinkt man, geht auf die Toilette, wäscht sich. Kurz, das Leben geht weiter. ~
(S. 175)
Geschrieben ist das Buch NICHT aus der Sicht von Yeong-hye (ist klar, sonst hätte man die wahren Motive für ihr Verhalten wahrscheinlich erfahren), sondern zuerst aus der Sicht ihres Ehemannes, im nächsten Teil aus der Perspektive ihres Schwagers und im letzten Abschnitt ist ihre Schwester die Hauptfigur. Alle beschreiben mehr oder weniger, neben ihrem eigenen Innenleben und das, was sie beschäftigt, wie sie Yeong-hye im Laufe der Zeit wahrgenommen und was sie alles Merkwürdiges mit ihr erlebt haben. - Und das ist manchmal wahrlich unheimlich gewesen. Yeong-hye begann damit, kein tierisches Produkt mehr zu essen (man erfährt aus ihrem Mund nie wirklich, warum sie das tut) und endet damit, dass sie gar nichts mehr isst und schlussendlich den Leuten versucht begreiflich zu machen, sie sei eine Pflanze und brauche nichts weiter als Sonnenlicht und hin und wieder ein Schlückchen Wasser. Die Folge davon ist, dass sie logischerweise körperlich immer mehr verschwindet.
Für mich war es ziemlich unheimlich, mir Yeong-hye vorzustellen. In meinem Kopf hatte ich das Bild einer völlig teilnahmslosen Frau ohne Emotionen, die kaum noch spricht und sich in der Sonne andauernd entblößt, weil sie denkt, sie sei ein Gewächs, das dringened Sonne benötigt. Manch einer würde sich an dieser Stelle denken: Ein Fall für die Psychiatrie! Letztlich wurde sie dort auch (von ihrer wenig einfühlsamen Familie) eingewiesen.
Tatsächlich blieb Yeong-hye (mir) bis zum Schluss ein undurchschaubares, sonderbares Wesen. Ich wusste nicht, ob sie all das alles echt glaubt und wirklich verrückt geworden ist, oder ob ihr Umfeld sie einfach nur falsch verstanden hat (auch ich). Sie ist im Grunde nämlich eigentlich eine arme, wenig respektierte Frau, die man nur gebogen und verbogen hat. Vielleicht wollte sie mit ihrem ganz bewusst gespielten, absichtlichen Verhalten genau daraus ausbrechen und endlich frei sein? Dass sie gelitten hat, hat man gemerkt, aber sie hat sich bis zu ihrer Entscheidung, kein Fleisch mehr zu essen, niemals jemandem widersetzt. Mit ihren merkwürdigen Anwandlungen hat man sie, die ewig unscheinbare Frau, endlich auch mal wahrgenommen. Yeong-hye ist unzufrieden und wird unterdrückt. Sich selbst nicht mehr als menschliches Wesen zu sehen, unter die Pflanzen zu gehen und so nach und nach zu verhungern, sah sie möglicherweise als Befreiungsschlag ... Aber das sind nur meine Gedanken dazu. Was uns die Autorin damit genau vermitteln wollte, weiß ich nicht.
Das offene Ende lässt mich zwar etwas ratlos zurück, aber empfehlen kann ich das Buch auf alle Fälle ... Das Kopfkino funktioniert hier nämlich einfach grandios und zusätzlich kann man beim Lesen durchgehend miträtseln, es ist also kein Buch nur zum Abschalten, sondern vor allem auch zum Mitdenken.
Wer es schon gelesen hat oder bald lesen wird: würde mich sehr freuen, wenn ihr mir eure Sicht der Dinge zu Yeong-hye und ihrem Verhalten in einem Kommentar mitteilt. Vielleicht verstehe ich die Botschaft von Han Kang dann besser!?
Wer denkt, ein paar Tage an den Stränden Mallorcas seien erholsam, hat noch nie mit Frau Uhlig Urlaub gemacht: Wo die liebenswerte Schauspielerin auftaucht, herrscht Chaos. Elena Uhlig landet mit ihrem Partner Fritz Karl und ihren Kindern auf Mallorca in einer Bettenburg und kann sich schon am ersten Tag nicht entscheiden, in welchem Hotelzimmer sie das Glück des Urlaubs genießen möchte. Da kann der VIP-Beauftragte, der seine Dienste anbietet, auch nicht viel ausrichten. Elena Uhligs Talent ist es, mit einer großen Portion Charme, viel Humor und Herzlichkeit, jeden auf ihre Seite zu ziehen. In „Qualle vor Malle“ nimmt sie uns mit auf eine turbulente, lustige und unterhaltsame Urlaubsreise mit überladenen Tellern vom Buffet, verdreckten Stränden, temporeichen Dialogen und immer einer Menge guter Laune und Selbstironie. Denn Frau Uhlig weiß, dass es mit ihr nicht leicht ist, alles andere wäre aber auch langweilig. "Qualle vor Malle" sind witzige Urlaubs-Geschichten und ist die perfekte Urlaubslektüre für alle, die humorvolle Bücher lieben.
Nicht jeder Urlaub ist erholsam - und nicht jedes Buch erbaulich. Wo Humor drauf steht muss noch lange nichts zum Lachen drin sein. Überzogen - vermutlich. Eigentlich zu hoffen, für den Rest der Familie von Elena Uhlig. Die Darstellungen wirken jedenfalls wie die einer durchgeknallten Schauspielerin mit unbehandeltem ADHS. Frau Uhlig kann sich grundsätzlich nicht entscheiden, nie reicht die Zeit aus, immer fällt ihr noch etwas Wichtiges ein, immer findet sich noch ein mögliches Haar in der Suppe, laufend kreiert sie Probleme, wo gar keine sind, stets strapaziert sie die Nerven ihrer Umgebung, aber ach, der Charme macht alles wieder wett, allen voran bei ihrem Mann / Lebensgefährten / Vater ihrer Kinder. Das größte Problem der Schauspielerin ist wohl, dass sie selbst meist nicht weiß was sie will - und daran alle Welt teilhaben lässt. Was hier als humorvoll verkauft werden soll, fand ich meist nur anstrengend.
Dabei gibt Elena Uhlig nicht nur die Erlebnisse auf Mallorca zum Besten, sondern schwenkt auch immer wieder um zu Urlaubsgeschichten aus Thailand und Irland. Vermutlich wäre ansonsten die Seitenzahl zu gering gewesen für ein Buch. Zwar sind die Episoden locker geschrieben, meinen Humor hat es jedoch so gar nicht getroffen. Das Buch passt in eine Zeit, wo jeder B-, C- ... Z-Promi sein Leben in den Social Media aufgehübscht präsentiert, sicher auch um den eigenen Bekanntheitsgrad zu steigern. Weder Frau Uhlig noch ihr Lebensgefährte waren mir bis zur Lektüre des Buches ein Begriff - und nach der Lektüre lege ich ehrlich gesagt keinen gesteigerten Wert auf eine Vertiefung der 'Bekanntschaft'.
Für mich eher eine Enttäuschung denn eine lockerleichte Unterhaltung. Schade.
© Parden
Irgendwann hat das glückliche, behütete Leben ein Ende. Dann musst du Lichtschwertduelle ausfechten gegen jene, die sagen, du müsstest so sein wie alle anderen. Du müsstest das fühlen und denken und tun, was alle fühlen und denken und tun.
In seinen kurzen Texten kämpft Matti Seydel gegen Doktrin, die Tristesse der Welt und gegen mindestens sieben eigene Dämonen. Auf der Bühne wird er zum psychopathischen Phantasten, zum romantischen Nerd, zum zornigen Slam-Poeten. Ihm sind die Sympathien des Publikums egal und ohne Rücksicht auf Verluste performt er seine bissigen Texte ohne Wohlfühlwortwahl und ohne Happy End.
"Auf die Bühne geht er immer mit vollem Einsatz. Er macht Stagediving, egal, ob das Publikum ihn trägt oder nicht." (S. 5 f.)
Dieses Zitat aus dem Vorwort deutet schon an, dass der 1989 geborene Texter nicht bequem ist, an Grenzen und darüber hinaus geht, dabei aber einen ganz eigenen Ton hat. Auf den Slambühnen zu Hause, hält Matti Seydel seine Texte meist kurz - die haben es aber in sich. Verstörend, anrührend, ekelerregend, aufwühlend - hier findet sich alles. Das Quäntchen Selbstironie lässt manche Provokation verzeihen, die überraschenden Momente am Ende vieler Texte verblüffen.
Manche Anspielungen auf Musik, Persönlichkeiten oder PC-Spiele habe ich nicht verstanden, weil ich einfach einer anderen Generation angehöre - vieles andere sprach mich aber an. Die dem Büchlein beiliegende CD enthält einige der abgedruckten Geschichten und Verse in gesprochener Version von Matti Seydel selbst und verschafft den Texten noch einmal eine andere Dynamik.
Insgesamt ein gelungenes Paket, das neugierig macht auf weitere Texte des Autors - und bei Gelegenheit gerne auch auf einen Live-Auftritt.
© Parden
Der Nr. 1 Hit aus den USA der internationalen Bestsellerautorin Rachel Caine.
Wie oft musst du weglaufen, damit dich deine Vergangenheit nicht mehr einholen kann?
Von einer Sekunde zur nächsten liegt Gina Royals Leben in Scherben: Ihr Mann wird als Serienmörder überführt, und eine Welle von Hass und Morddrohungen schlägt auch ihr entgegen. Zusammen mit ihrem Sohn und ihrer Tochter flieht sie aus Kansas, wechselt mehrmals die Identität. Als sie zu dritt ein kleines Haus am Stillhouse Lake in Tennessee beziehen, ist die schüchterne Gina Vergangenheit. Jetzt ist sie die knallharte Gwen, zu allem bereit, wenn es um die Sicherheit ihrer kleinen Familie geht. Zum ersten Mal wagt sie durchzuatmen, fasst sogar zu ihrem neuen Nachbarn Vertrauen.
Da wird in dem See die Leiche einer jungen Frau gefunden. Ihre Folterungen tragen die blutige Handschrift ihres Ex-Mannes, der doch im Gefängnis sitzt. Plötzlich beginnt alles von vorn …
Cover und Gestaltung
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Das Cover wirkt schlicht, passt aber gut zum Titel: Der Hinterhof eines städtischen Hochhauses mit dem Blick von unten nach oben. Der Blick durch die Fenster sowohl in den Hof als auch vom Hof auf die Fassade spielt im Roman eine immer wieder kehrende Rolle. Als Klappenbroschur gehört dieses Taschenbuch zu der stabileren, hochwertigen Sorte.
Inhalt
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Ort des Geschehens ist ein 8-Parteien-Hochhaus an einer Hauptstraße am Prenzlauer Berg mit der Hausnummer 68. Hier wohnen "Die 68er", die einen guten Querschnitt der etwas gehobenen Gesellschaft symbolisieren: die Helikoptereltern, das Rentnerehepaar mit Spitzelambitionen, der verkannte, knöternde Dichter, ein jüdischer Homosexueller, eine ausländische Familie, eine Ärztin, die dort praktiziert, 2 typische Studentinnen und das junge, sozial eingestellte Ehepaar Inga und Jan. Als Inga beschließt, einen syrischen Flüchtling illegal aufzunehmen, verändert dies die Hausgemeinschaft und ihr Leben für immer.
Mein Eindruck
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"Die Linde gilt vielen als deutscher Baum.[...] Doch wäre es ein Irrtum, sie deutsch zu nennen. Sie ist ein Weltbaum: Von China über Iran bis hin zu den Vereinigten Staaten ist sie in zahlreichen Ländern verbreitet.[...]Sie existiert nicht, die deutsche Linde. Trotzdem glauben viele fest daran, dass es sie gibt. Inmitten eines Berliner Hinterhofes grub eine Linde seit Jahrzehnten ihre Wurzeln tief ins Erdreich. Ein kaiserlicher Beamter hatte sie dort irrtümlich statt einer Buche einpflanzen lassen. Als der Fehler auffiel, saß der Baum bereits in der Erde und man beschloss, ihn dort seinem Schicksal zu überlassen [...]." (S. 7f.)
"Unbeeindruckt von all dem menschlichen Treiben harrte die Linde inmitten des Berliner Lebens aus, eine unerkannte Fremde, gezüchtet in einer Baumsiedlung nahe Bratislava als eine Kreuzung von Sommer- und Winterlinde. Sie wuchs als Bastard auf fremdem Boden, aber weil dies keiner der Bewohner des Hauses ahnte, störte sich auch niemand daran." (S. 9)"
Diese Linde spielt eine zentrale Rolle in dem Roman: sie erlebt das Leben im Hinterhof mit und ihre Veränderungen sind ein Spiegel der jeweils aktuellen Stimmung bei den 68ern. Die Linde als Symbol eines Einwanderers begleitet das Geschehen auf poetische Weise mit und ist ein Grund, warum ich den Roman als wahres Leseerlebnis bezeichnen würde.
Am Anfang des Buches ist eine Skizze des Hauses, in der man sehen kann, wer wo wohnt. Das ist am Anfang zur Orientierung und für die Einführung der vielen Personen hilfreich, später brauchte ich sie aber nicht mehr; ich hatte die 68er schnell verinnerlicht.
Der Stil des Autors ist einfach wunderbar. Er schafft es, auf treffende Weise – mal poetisch, mal sarkastisch - der Gesellschaft mit dieser Geschichte den Spiegel vorzuhalten. Anfangs sind alle enthusiastisch, wollen helfen, solange es ihr bürgerliches gutes Leben nicht beeinträchtigt. Doch langsam bröckeln die Fassaden, unterschwellige Konflikte kommen zutage, Lügen werden verbreitet, Vorurteile vertieft, Ängste geschürt und das alles auf Kosten des Flüchtlings Samih. Letztendlich wird er nur noch herumgeschubst und geht nicht um sein Wohl, sondern nur noch darum, wer am Ende von den Hausbewohnern besser dasteht und wer schuld an etwas ist oder nicht. Die Geschichte zu verfolgen ist mindestens so spannend wie ein Krimi. Die Charaktere sind Leute, die man aus dem wahren Leben kennt, weil es einfach bestimmte Typen darstellen, die in der Gesellschaft immer wieder vorkommen. Interessant ist, dass ein und dieselbe Handlung oft mehrfach beschrieben wird, jeweils aus der Perspektive eines anderen Bewohners. Durch die Darstellung der verschiedenen Sichtweisen kann man sich gut jede Person und ihre Haltung vorstellen. Manchmal fragt man sich, ob man nicht auch manchmal solche Gedankengänge hat und wie man selbst wohl gehandelt hätte. Diese Art von "Unterschwellige Geschichte" ist genau der Grund, warum mich das Buch so gepackt hat. Es deckt schonungslos und doch mit einer Prise Humor die Gedanken auf, die den unterschiedlichen Personen kommen, die aber Angst haben, sie auszusprechen. Hier werden sie einfach mal mit in in die Geschichte rein gepackt, so wie sie tatsächlich sein könnten.
"Ich rede davon, dass du jegliches Maß verloren hast. Und du bist nicht die Einzige. Die Menschen in Deutschland offenbaren gerade angesichts der Flüchtlinge, dass ihnen jeder vernünftige Gedanke abhanden gekommen ist. [...]Zwei Seiten bekriegen sich auf dem Rücken der Flüchtlinge und das Einzige, was in diesen Diskussionen zählt, ist, mit Beleidigungen die moralische Oberhand zu behalten. Kein Abwägen, keine neutrale Betrachtung der Situation. Schwarz und Weiß mehr gibt es nicht. Ein 'Aber', einst Ausdruck des denkenden Menschen, ist nicht mehr salonfähig. Wer 'aber' sagt, ist automatisch ein Nazi, egal welche Argumente er aufbringt. Niemand ist mehr fähig, rational über dieses Thema zu diskutieren." (Jan zu Inga auf S. 211f.)
Die Entwicklung der einzelnen Personen ist hier auch sehr spannend zu beobachten, einige zum negativen, andere wiederum überraschen mit positiven Veränderungen. Während sich die Handlung schließlich auf dramatische Weise zuspitzt und das Verhalten der Erwachsenen an kindische Streitereien erinnert, ist ausgerechnet ein Kind fast allein als wirklich vernünftig handelnde Person tätig: Er heißt Tumaini (Suaheli für "Hoffnung") und er ist der Einzige, der unvoreingenommen an Samih herantritt und dessen Bedürfnisse erkennt. Tumaini setzt den Rat des Schriftstellers um:
"Hör den Menschen zu. Den einen wirst du zustimmen, den anderen nicht. Anschließend kannst du selbst nachdenken und deine eigene Meinung formen. Aber vergiss nie zuzuhören." (S.229).
Wahre Worte, die wir alle öfter beherzigen sollten!
Neben dem Geschehen Haus lernt man nebenbei als Leser auch einige Fakten über die allgemeine Flüchtlingslage, die geschickt in die Ereignisse eingeflochten werden. Das gefiel mir sehr gut.
Am Ende war ich sehr erschüttert und musste alles erst mal sacken lassen. Das Buch wird sicher noch lange in mir nachhallen und ich werde es sicherlich noch mehrfach in die Hand nehmen und darin herum blättern. Es steht so viel zwischen den Zeilen, dass man es nicht alles beim ersten Mal verarbeiten kann. Und wenn man die Handlung kennt, kann man das Buch m. E. auch einfach mal in der Mitte aufschlagen und sich irgendeine Stelle genauer vornehmen, denn es gibt viele schöne und wahre Worte, die man sich als Zitate merken sollte, die an dieser Stelle aber den Rahmen sprengen würden.
Fazit
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Ein großartiges Buch über das aktuelle Thema Flüchtlinge und Integration, poetisch, sarkastisch und dramatisch zugleich – Absolute Leseempfehlung!
Durchaus amüsant in bester Screwball-Manier...
Emely studiert Literaturwissenschaften in Berlin und ist erfreut zu erfahren, dass ihre beste Freundin Alex nun auch von München nach Berlin ziehen will, um dort Modedesign zu studieren. Leider zieht die Freundin jedoch zu ihrem älteren Bruder Elyas, mit dem Emely lieber nichts mehr zu tun haben möchte. Unschöne Erinnerungen kommen hoch, doch zu ihrem Entsetzen beruht die Abneigung wohl nicht auf Gegenseitigkeit - im Gegenteil, Elyas macht ihr immer wieder schöne Augen. Im wahrsten Sinne des Wortes...
Viel mehr verstanden fühlt Emely sich da doch von Luca, einem Jungen, der sich ihr bislang nur durch E-Mails genähert hat. Aber was für welchen. Einfühlsam, wissbegierig, umschmeichelnd - trotz anfänglicher Skepsis beginnt sich Emely mit den Schreiben von und an Luca wohlzufühlen. Aber ist dies das wahre Leben?
Emely ist eine junge, intelligente und zielstrebige Studentin, die das Lernen sehr ernst nimmt, nebenher jobt, sich gelegentlich mit Freunden trifft. Ein wenig tolpatschig ist sie, dafür ungewöhnlich schlagfertig und mit einem herrlich trockenen Humor ausgestattet. Nur das Gefühlsleben kam in den letzten Jahren um einiges zu kurz, die Affären, die sie hatte, taten nicht weh, als sie zerbrachen.
Nun bemühen sich gleich zwei junge Männer darum, ihr Herz zu erobern. Zum einen ausgerechnet Elyas, den sich Emely einfach nur vom Leib halten möchte, und zum anderen Luca, ein offenbar eher schüchterner junger Mann, der ihr aber bezaubernde Zeilen schreibt. Emelys fester Entschluss, mit Elyas nichts zu tun haben zu wollen, gerät mit zunehmender Dauer seiner Bemühungen etwas ins Wanken, was Emely selbst gar nicht glauben kann oder will. Wirklich verstanden fühlt sie sich schließlich nur von Luca...
Angenehm zu hören, wartet diese ungekürzte Leseung (12 h 26 Minuten) ein ums andere Mal mit witzigem Chaos, peinlichen Situationen und herrlichen Dialogen in bester Screwball-Manier auf. Wortwitz in rasantem Tempo und eine ungeheure Schlagfertigkeit von seiten Emelys sorgen für dauerhafte Unterhaltung zulasten der Lachmuskeln. Einzige Kritikpunkte sind zum einen die Jugendsprache, die immer wieder durchbricht und in meinen Augen hier wirklich nicht nötig wäre, zum anderen die Tatsache, dass sich Emely von ihrer Freundin Alex so ziemlich alles gefallen lässt und sich ihr stets unterordnet. Dieser Charakterzug nervt auf Dauer etwas.
Insgesamt jedoch eine locker witzige Unterhaltung, angenehm gelesen von Marie-Isabel Walke - und mit einem wirklich fiesen Cliffhanger am Schluss. Das zwingt einen geradezu dazu, baldmöglichst auch den zweiten Band um Emely, Elyas & Co. zu hören...
© Parden
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