Six and a Half Deadly Sins
Bei der Auswahl meiner Lektüre verlasse ich mich oft auf mein Bauchgefühl. Dadurch bekommen auch Bücher eine Chance, die zu Genres gehören, die ich nicht so häufig lese, wie z. B. Fantasy. Bei "Die Tagebücher des Michael Iain Ryan" von Nadja Losbohm sagte mir mein Bauch, dieses Buch könnte etwas sein. Ich musste die Leseprobe nicht bis zum Ende lesen, damit klar war, dass dieses Buch mich packen wird. Und genauso war es, mein Bauch hatte mal wieder Recht gehabt.
Der Prolog dieses Romanes präsentiert dem Leser einen eigenartigen Mann: Michael Iain Ryan, Priester, 998 Jahre alt. Er lebt in der St. Marys Kirche, irgendwo auf dieser Welt. Hier bildet er Jäger aus, die die Kreaturen der Nacht bekämpfen. Er selbst kann selten in den Kampf eingreifen, denn er kann und darf die Kirche nicht verlassen. Würde er sich länger als eine Stunde außerhalb der Kirche aufhalten, würde er sterben. Wie ist er nun zu dem geworden, der er ist? Antwort auf diese Frage liefern seine Tagebücher.
Band 1 der Tagebücher führt den Leser in Michaels Kindheit zurück. Seine ersten Lebensjahre verbringt Michael mit seiner Mutter und dem Vater in Frankreich. Michael hat einen engen Bezug zu seiner Mutter. Das Verhältnis zu seinem Vater ist von Distanz und Respekt, sogar Angst geprägt. Als Michael 8 Jahre alt ist, endet seine bisher friedliche Kindheit. Das Schicksal hat es so gewollt. Er kommt als Novize in ein Kloster, wo er die Jahre bis zum Erwachsenenalter verbringen wird. Das Kloster ist ein feindseliger Ort für einen Jungen wie Michael. Er, der dank seiner liebevollen Mutter eine glückliche Kindheit verbracht hat, wird auf einmal mit Hass und Grausamkeit konfrontiert. Novizen sind in diesem Kloster Menschen zweiter Klasse. Sie sind der Willkür der Mönche ausgesetzt, die ihre unterschiedlichsten Neigungen an den Novizen ausleben, immer unter dem Deckmantel des Glaubens. Insbesondere Michael wird zum bevorzugten Ziel der Grausamkeiten. Er ist den Oberen des Klosters hilflos ausgeliefert. Bei den anderen Novizen stößt er auf Ablehnung. Zu groß ist deren Angst, dass sie sich den Unwillen der Oberen zuziehen, wenn sie sich mit ihm abgeben.
"Ein Kloster gilt als eine Gemeinschaft, ein Verbund. Aber im Kloster von Gourin nahm man es damit nicht so genau. Im Gegenteil, jeder war sich selbst der Nächste." (Zitat aus dem Buch)
Dank der Erziehung durch seine Mutter, hat er die Religion anders erlebt als sie in dem Kloster vermittelt wird. An diesen Erinnerungen hält er fest. Sein Glaube hilft ihm, die Zeit in dem Kloster zu überstehen.
Das erste Tagebuch des Michael Iain Ryan konzentriert sich auf die Anfangszeit im Kloster und endet mit dem Ende der Novizenzeit. Nadja Losbohm hat dabei einen sehr atmosphärischen Roman geschaffen, der den Leser in das dunkelste „Mittelalter“ führt. Interessant ist dabei der Kontrast, der durch den Wechsel zwischen zwei Handlungssträngen entsteht: der damaligen und der heutigen Zeit, die Michael als 998-Jährigen zeigt. Michael ist natürlich mit der Zeit gegangen. So hat er die Vorzüge des Internets und der modernen Technologie schätzen gelernt und die Kirche, in der er lebt, entsprechend ausgestattet.
"Wie erleichtert man ist, einen weiteren Tag überlebt zu haben? Wenn man am Morgen den Tag scheut, weil man voller Angst ist vor dem, was vielleicht kommt und dann einfach nur froh ist, einen Tag hinter sich gebracht zu haben? So ist man nicht lebendig. So existiert man nur. Und genauso fühlte es sich für mich an." (Zitat aus dem Buch)
Nadja Losbohm muss einen enormen Recherchenaufwand betrieben haben. Die Beschreibung der damaligen Zeit und dem Leben im Kloster sind sehr detailliert und tragen zur atmosphärischen Stimmung dieses Roman bei. Spannung ist in diesem Buch von Anfang an gegeben und bleibt bis zum Schluss auf einem sehr hohen Niveau.
Der Leser wird am Ende dieses Romanes nicht erfahren, wie Michael es geschafft hat, das stolze Alter von 998 Jahren zu erreichen. Er wird jedoch immer wieder über Andeutungen stolpern, die auf ein dämonisches Geheimnis von Michael hinweisen, von dem er selbst als Kind nichts geahnt hat und das unter Umständen dazu beigetragen hat, dass die Mönche ihn so behandelt haben, wie sie es taten.
" ... und man mich selbst dann bestrafte, wenn ich keinen Fehler begangen hatte. Sie taten es einfach, weil ich der war, der ich war, und weil ich das in mir trug, von dem der Prior meine, es wäre in mir." (Zitat aus dem Buch)
Stattdessen erwartet den Leser ein fieses Ende - fies, weil der Roman an einer Stelle aufhört, die den Leser aus der Handlung herausreißt. Mit dem Ende zeichnet sich eine interessante Entwicklung im Leben des Michael Iain Ryan ab, die man jedoch in diesem Roman nicht mehr erleben darf. Den Hinweis „Fortsetzung folgt“ wird man daher hassen, weil man unbedingt wissen möchte, wie das Leben des Michael Iain Ryan weitergehen wird. Aber die mittlerweile 998 Lebensjahre von Michael deuten darauf hin, dass es noch ein paar Tagebücher von ihm geben wird, denen ich jetzt schon entgegenfiebere.
Fazit:
Ein Fantasyroman, der mich von der ersten Seite an gefesselt hat und die Geschichte eines ungewöhnlichen Mannes erzählt. Die Fantasyelemente halten sich in Grenzen, stattdessen konzentriert sich die Autorin in dem ersten Band der Tagebücher auf die historischen Aspekte. Ich schätze, dass sich diese Verteilung in den nachfolgenden Büchern ändern wird. Ein Roman, der mich neugierig auf weitere Bände aus dieser Reihe macht. Leseempfehlung!
© Renie
Schon ihre Mutter Mabel hat die Flucht ergriffen als Cora noch ein Kind war. Sie hat Cora einfach zurückgelassen. Doch Cora hat sich einen Platz unter den anderen Sklaven erkämpft. Und als Ceasar sie zum ersten Mal fragt, ob sie sich mit ihm auf den Weg in die Freiheit machen will, sagt sie: Nein!. Schließlich ist er neu auf der Plantage und was kann er ihr schon versprechen. Doch nur kurze Zeit später kommt es zu einem Zwischenfall, der für Cora in einer üblen und ungerechtfertigten Bestrafung endet. Ceasars zweiter Anlauf wird daher positiv beschieden und eines Abends verlassen die beiden Sklaven die Plantage.
Amerika in den Jahren vor dem Bürgerkrieg, die Südstaaten mit ihren großen Baumwollplantagen halten an der Sklaverei fest, während die mehr industrialisierten Nordstaaten bereits zu dem Ergebnis gekommen sind, dass die Beschäftigung von schlecht bezahlten aber freien Arbeitern wirtschaftlicher ist. Das Wohl der Menschen hat vermutlich keiner im Sinn, dennoch zieht es Sklaven in die Freiheit und nach Norden. Auf ihrem beschwerlichen Weg, der keinesfalls immer mit einer glücklichen Ankunft im gelobten Land endet, benutzen sie die sogenannte „Underground Railroad“ - ein System von Helfern und Treffpunkten, deren Begrifflichkeiten an die der aufkommenden Eisenbahn angelehnt sind. Wenn man sich die Berichte im Internet betrachtet gab es tatsächliche Bahnlinien wohl nicht, aber die Fluchtrouten und deren Organisation kann durchaus Ähnlichkeiten mit dem System der Eisenbahn aufgewiesen haben.
Vor diesem Hintergrund entspinnt sich Coras spannende und schreckliche Geschichte. Misshandelt und verletzt, aber ungebrochen, will Cora mehr. Die Farm ist nicht ihr Platz, sie will frei sein, sie will eine Familie, sie will lesen und schreiben können, für ihr Ziel will sie hart arbeiten. Auf der Farm erlebt sie Unbeschreibliches. Doch auch während ihrer Flucht gerät sie in Situationen, in denen sie verächtlich behandelt wird. Immer wieder gibt es Rückschläge und Schicksalsschläge. Kaum ein Fünkchen Hoffnung verbleibt. Jedoch, Cora gibt nicht auf.
Was kann ein Mensch an Verlusten, Misshandlungen, Gewalt und Verachtung ertragen? Was riskieren Menschen um Flüchtlingen wie Cora zu helfen? Wie konnten Menschen dazu kommen andere Menschen als Sache anzusehen? Aufs Eindringlichste schildert Colson Whitehead die zwar fiktiven, aber doch auf viel Wahrheit beruhenden Ereignisse um Coras Flucht. Manchmal scheint es fast unglaublich wie hier Menschen mit Menschen umgehen. Doch leider gibt es auch in jüngerer Vergangenheit Beispiele ähnlich menschenverachteten Verhaltens, so dass man zwangsläufig zu dem Ergebnis kommen muss, dass nichts in diesem Roman allzu weit hergeholt ist. Ein wenig Hoffnung gibt die Underground Railroad, auf deren Linien wenigstens ein kleiner Silberstreif am Horizont aufglimmt. Dennoch wirkt dieser Roman wie eine Tour de Force, von der man allerdings keine Sekunde, kein Wort und keinen Satz missen möchte.
4,5 Sterne
Ugly, der Hund
Dr. Siri kann nicht widerstehen. Er und seine Frau Daeng bekommen einen Folklorerock zugesandt, in dessen Saum ein Finger eingenäht ist. Ein Hilferuf? Ein Mord? Wer sucht nach einem Finger? Zumindest lässt sich feststellen, dass das Kleidungsstück im Norden des Landes hergestellt worden sein muss. Und Dr. Siri, der inzwischen eine ganze Menagerie in seiner Wohngemeinschaft angesammelt hat, angefangen von diversen Geistern bis zu seinem Hund Ugly, möchte diese Gelegenheit nutzen, mit seiner Frau ein paar Tage trauter Zweisamkeit zu genießen. Schwester Dtui möchte indessen herausfinden, ob der Besitzer des Fingers zum Zeitpunkt seines bedauerlichen Verlustes noch lebte oder bereits tot war.
In seinem neunten Auftritt erfreut Dr. Siri, der inzwischen pensionierte einzige Leichenbeschauer und Gerichtsmediziner in Laos, erneut mit seinem frechen Mundwerk und seinem unvergleichlich scharfen Verstand. Für kurze Zeit kann er mit seiner Frau seinem turbulenten Haushalt entfliehen. Im Jahr 1978 herrscht in Laos die Angst vor einer chinesischen Invasion. Trotzdem machen sich Dr. Siri und Daeng auf den Weg in den Norden. Schließlich gilt es herauszufinden, was es mit dem folkstümlichen Kleidungsstück auf sich hat. An der Art wie der Stoff gewebt ist, kann man erkennen, wer die Weberin ist. Und so können Dr. Siri und Daeng den Spuren der Stoffe folgen. Werden sie es allerdings schaffen des Polizisten Phosys Wege zu kreuzen?
Kurzweilig, witzig und hintersinnig. Diese kleinen Entführungen in ein kommunistisches Land zur Zeit der 1970er haben immer noch nichts von ihrem Reiz verloren. Dr. Siri, der sich von keiner Macht, noch nicht einmal der Weltmacht China, unterkriegen lässt, der solange nachbohrt, bis er zum Kern vorgestoßen ist, ist jemand, den man gerne in sein Lesezimmer einlädt. Wer mit Hilfe des verquehren aber sehr sympathischen Dr. Siri etwas über das Leben in einem fernen Land lernen und gleichzeitig einer spannenden Krimihandlung folgen möchte, kann hier nichts falsch machen.
4,5 Sterne
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