Ich war vor kurzem in Südspanien im Urlaub und kann von daher die geschilderte Atmosphäre sehr gut nachvollziehen. Die Spanier lieben die Geselligkeit, sie gehen viel ausgelassener und häufiger in Kneipen, Bars und Restaurants als wir. Die Preise dafür sind günstiger. In den Städten sammelt sich am Abend das Volk, womit ich nicht die Touristen meine. Viele Generationen stehen auf Straßen und Plätzen mit Gläsern in der Hand und feiern. Musik gehört dazu. Insofern kann ich mir die Sommersonnenwende auf den Dächern Barcelonas, die Farben und die bunten Figuren sehr gut vorstellen. Man hat dort eine andere Mentalität als hier.
Ich finde die Perspektive von Simón sehr gut eingefangen. Natürlich ist sie nicht rein kindlich. Simon hat keine Freunde, ist fast nur mit Erwachsenen zusammen, seine Eltern sind viel beschäftigt, seine wichtigste Bezugsperson ist Rico, auch er ist 10 Jahre älter. Rico ist Simóns Mentor und der Held seiner Kindheit. Er bringt dem Jungen die Liebe zu Büchern und Geschichten bei, deren Helden Abenteuern entspringen. Einige davon werden genannt, abgesehen von den Musketieren sagen sie mir aber wenig, manches kann man googeln. Rico ist ein Träumer, er spricht verklausuliert, sein Themen kreisen um Glück, Spiel, Abenteuer, Leichtigkeit. Er ist sehr fantasievoll, erfindet ständig neue Spiele, die den Jüngeren faszinieren. Ich kann Simóns Anhänglichkeit sehr gut nachvollziehen, zumal die beiden Familien sehr eng miteinander verwoben sind.
Mein Cousin, dachte Simón, hat wirklich Zauberkräfte.
Ich mag die Sprache, die die kindlichen Emotionen sehr gut in Worte fasst. Auch Simón ist ein Träumer, der aus dem realen Leben flieht und allem eine spielerische oder abenteuerliche Note verleiht. Rico hat ihn enorm geprägt und beeinflusst:
Mit Büchern würde er der Welt trotzen. (...)
Mit diesen Idealen und Hoffnungen hatte sein Cousin-Bruder ihn zu jemandem gemacht, der mit erhobener Gabel durch eine Welt geht, in der nur Suppe serviert wird. S. 49
Das zeigt sich in der Schule, wo Simon extrem geärgert, gepiesackt und verspottet wird, so dass er immer mehr zum seltsamen Außenseiter mutiert. Zum Glück hat er zwischenzeitlich Freundschaft mit Estrela geschlossen, die offensichtlich von zu Hause aus auch wenig Fürsorge erfährt - im Gegenteil: sie muss den betrunkenen Vater in der Kneipe suchen...
Die beiden passen gut zueinander, mir gefällt ihr Umgang miteinander, sie akzeptieren sich, wie sie sind. "Zwei elfjährige Alte." - Für mich angesichts ihrer Lebensbedingungen absolut glaubwürdig!
Mir gefallen die Wortspiele, die Metaphern (die sicher nicht alle euren hohen Ansprüchen genügen) und die Figuren. Wie gesagt, ich sehe dieses bunte Figurenkarussell vor dem Hintergrund Spaniens und seiner südeuropäischen Lebensfreude. Bis jetzt ist mir das überhaupt nicht zuviel. Lächeln konnte ich auch schon häufiger.
Doch Lustiges und Trauriges wechseln sich ab. So empfinde ich den Kindergeburtstag ohne Kinder ziemlich belastend, aber realistisch in diesem Fall. Bis jetzt gefallen mir die Charaktere, allerdings hoffe ich, dass es diesbezüglich nicht zu unübersichtlich wird.
Nun zum ernsten Teil: Rico ist untergetaucht. Er hat sehr bewegend von seinem Cousin Abschied genommen, der die Gefahr gerochen hat. Rico hat irgendetwas Illegales vertrieben. Sind es Drogen, Pillen,...? Er hatte Feinde. Warum meldet er sich nicht bei seinen Eltern? Warum hat er nichts mitgenommen? Das könnte auch auf etwas anderes hindeuten.
Simón und Estrela wollen Rico suchen, zunächst seine Freundin.
Ich lese mit Interesse weiter.