1. Leseabschnitt: Kapitel 1 bis 7 (Seite 5 bis 49)

Literaturhexle

Moderator
Teammitglied
2. April 2017
19.497
50.142
49
Wie hat euch der Einstieg in den Roman gefallen? Was fällt euch auf, worüber wollt ihr sprechen?
 

Emswashed

Bekanntes Mitglied
9. Mai 2020
2.743
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Der erste Abschnitt ist schnell gelesen, sind es doch nur 50 Seiten. Aber mit was für einer Intensität der Vater/Ich-Erzähler schon im ersten Kapitel einsteigt - wow.

Die Hilf- und Sprachlosigkeit am Krankenbett der Mutter, die Scham des Vaters, dass es endlich vorbei ist, der Stolz und das stille Beobachten seiner (noch) jungen Söhne, wie sie zusammenhalten und dann aber schon der erste Bruch mit seinem Vorhaben für das neue Leben, als der Zeltausflug abgebrochen wird und in den nächsten Jahren immer wieder andere Sachen in die Sommerferien grätschen.

Die vielen kleinen Nebenbemerkungen verdichten das Bild, wie zum Beispiel das angedeutete Alkoholproblem des Vaters, oder das Einschleichen flascher Ideologien in ihre Sozialistische Partei. Wobei mich das Engagement des Vaters für die Partei etwas überrascht hat und ich nach dem Tod der Mutter angenommen hätte, dass er das zugunsten seiner Kinder aufgibt.

Tja, und dann sind wir schon am Ende des Abschnitts, wo Fus's Affinität zur Front National angesprochen wird: "Er bekannte Farbe, wie ein Zeuge Jehovas durchdrungen von seinem Stuss, voller neuer Gewissheiten und immer sehr freundlich."

Mein Eindruck vom Vater ist, dass er denkt und hofft, solange er nichts anspricht, auch nichts Schlimmes passieren kann und dann regelrecht erleichtert ist, dass sich die Welt trotzdem weiterdreht. Auch das Verhältnis zu Jérémy, der ja quasi sein dritter Sohn sein könnte, verrät viel über seine Unsicherheit, selbst ein Stein ins Rollen zu bringen.
 

Die Häsin

Bekanntes Mitglied
11. Dezember 2019
4.647
16.739
49
Rhönrand bei Fulda
Ich habe ein bisschen Probleme, in das Buch hineinzukommen: Zum einen befremdet mich das ständige "Mutti", wer ist denn nun eigentlich gestorben, die Mutter des Erzählers oder seine Frau? (Rhetorische Frage natürlich.) Auch die Trauer um den Verlust der "Mutti" scheint sich eher darauf zu gründen, dass sie als die "Care-Arbeiterin" der Familie weggefallen ist.
So richtig verstehe ich auch die Figur Jeremy nicht: "Ich wollte vermeiden, dass meine Jungs uns zusammen sahen" (S. 32). Warum denn das? Jeremy war doch mit Fus befreundet gewesen.
Versteht jemand, warum Jeremy meint, bei einer politischen Karriere sei sein Vorname möglicherweise hinderlich? Warum ist Kevin besser? Ist das ironisch gemeint, hat der Vorname Kevin im Französischen die gleiche Anrüchtigkeit wie bei uns?

Das wirkt jetzt so, als hätte ich nur zu kritisieren an dem Buch, aber einiges gefällt mir auch sehr. Besonders die Schilderungen um das Leben als verwitweter Fußballpapa, wie er da mit den Jungs zum Training und zu Turnieren geht und sie sich beim Olympiagucken die halbe Nacht um die Ohren schlagen. Das ist sehr anrührend, so ein halbverwaister Männerhaushalt.
Ich weiß nicht recht, was ich vom politischen Engagement des Erzählers halten soll. Wie sie da sitzen und die Internationale singen. So viel sympathischer als die Rechten finde ich die Kommunisten auch nicht (jedenfalls wenn man sie an den Systemen misst, die in ihrem Namen bisher etabliert wurden).
 
Zuletzt bearbeitet:

RuLeka

Bekanntes Mitglied
30. Januar 2018
6.566
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66
Auch mich hat das Buch sofort gepackt.
Für mich hat das Buch zwei Ebenen, die sich gegenseitig beeinflussen. Zum einen die persönliche Geschichte eines Vaters, der seine beiden Söhne nach dem langen Sterben seiner Frau alleine aufziehen muss. Er versucht sein Bestes, um den Jungen Halt zu geben. Doch mit manchem ist er einfach überfordert.
Die zweite Ebene ist die gesellschaftspolitische. Wir sind hier in Lothringen, eine Ecke Frankreichs, die mit massiven Problemen zu kämpfen hat. Der Strukturwandel dort hat zu einer hohen Arbeitslosigkeit geführt. Die Arbeiter fühlen sich seit Generationen den Sozialisten verbunden. Doch mittlerweile nimmt der Einfluss von Le Pen enorm zu. Ein Problem, das Didier Eribon und Edouard Louis in ihren Büchern ebenfalls thematisiert haben. ( Wie konnten aus ehemaligen Kommunisten und Sozialisten Wähler der rechtsradikalen Partei werden?)
Wobei mich das Engagement des Vaters für die Partei etwas überrascht hat und ich nach dem Tod der Mutter angenommen hätte, dass er das zugunsten seiner Kinder aufgibt.
Die Verbundenheit mit der Partei gehört zu dem Vater, auch wenn mittlerweile nicht mehr viel getan wird. Es hat bestimmt nicht so viel Zeit in Anspruch genommen. „ Es war mir ein Bedürfnis, regelmässig bei der Partei vorbeizuschauen, so wie es anderen ein Bedürfnis ist, in die Kirche zu gehen.“

Es ist schade, aber verständlich, dass Fus während der Krankheit seiner Mutter in der Schule abbaut. Die emotionale Belastung ist enorm und nach dem Tod der Mutter muss er Verantwortung in der Familie übernehmen.
Hoffentlich leidet die intensive Beziehung der Brüder nicht darunter, dass der Jüngere eine besseren schulischen Abschluss anstrebt. Doch es ist zu befürchten, dass sie sich dadurch auseinander entwickeln.
Nicht nur Fus entwickelt sich in Richtung “ Fascho“. Auch die Genossen machen einige Bemerkungen in diese Richtung.
 

GAIA

Bekanntes Mitglied
27. Dezember 2021
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10.716
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Thüringen
Ich bin sehr gut in das Buch hineingekommen. Gerade auf den ersten Seiten habe ich mir viele Stellen markiert, die sowohl für die Familie als auch für gesellschaftspolitische Entwicklungen in dieser Region Frankreichs stehen.
Vor allem beim Fußball: Wenn von dem Spielfeld die Rede ist, der aussieht "Fast als spielten hier die Reichen." (nur dort sieht man noch Wohlstand in der Region, in einem gut gepflegten Rasen); die "Deppen, die sich aufregen, sobald sie ein 54er-Nummernschild sehen, und dann dein Auto zerkratzen" (der Vater und seine Jungs sind Anhänger von Metz und trotzdem werden sie aufgrund falscher "Herkunft" angefeindet. Welch Ironie, dass dies ebenso Zuwanderern so geht), "Wir wissen, wo wir stehen, und wir sind damit zufrieden." (ein Abfinden mit dem sozioökonomischen Status) usw. usf.
Auch die von euch schon genannten Sätze haben so häufig eine Doppeldeutigkeit immer mit Bezug auf die Gesamtgesellschaft. Das gefällt mir hier sehr.

Mein Eindruck vom Vater ist, dass er denkt und hofft, solange er nichts anspricht, auch nichts Schlimmes passieren kann
Ich hatte das Gefühl, dass sie am Essenstisch schon darüber gesprochen haben, aber der Vater ist eben nicht in Fus gedrungen, wollte sich nicht auf ihn stürzen. Und tatsächlich ist die Frage: Selbst wenn er "aggressiver" die neuen Ansichten und Freunde seines Sohnes hinterfragt hätte, ob er damit wirklich etwas hätte bewegen können. Meist führt so eine Konfrontation der Eltern ja eher zu noch mehr Reaktanz und damit zu einem "Hintreiben" in die Arme der falschen Freunde.
Zum einen befremdet mich das ständige "Mutti"
Mich auch. Auch weil ich diesen Begriff eher im ostdeutschen Raum verorte und schon häufiger darauf angesprochen wurde, dass dieser Begriff, den ich auch selbst verwende, von anderen Personen im Westen Deutschlands schon gar nicht verwandt wird. Warum sollte es dann in einer Übersetzung aus dem Französischen auftauchen? Oder irre ich mich da? Warum war denn sonst Angela Merkel "unsere Mutti"? ;)
Aber unabhängig von der Herkunft des Wortes, die stete Verwendung finde ich auch störend. Ich denke der Gedanke war, dass "der Vater" eben auch keinen Namen bekommt (habe ich jedenfalls nicht wissentlich gelesen) und "die Mutter" auch nicht. Nur dass sie eben eine komische Verniedlichung in der Ich-Erzählung des Vaters abbekommen hat...
"Ich wollte vermeiden, dass meine Jungs uns zusammen sahen" (S. 32). Warum denn das?
Vielleicht weil der Vater denkt, dass seine Söhne es ihm übel nehmen könnten, dass er intensive Zeit und Gespräche mit einem "anderen Sohn" führt. Emotionale Ressourcen, die er lieber bei seinen eigenen Söhnen lassen sollte. So denken sie halt nur, der Vater ist mal wieder einen Trinken gegangen.
Ist das ironisch gemeint, hat der Vorname Kevin im Französischen die gleiche Anrüchtigkeit wie bei uns?
Ich habe mich auch gewundert, vermute aber, dass tatsächlich Kevin im Französischen nicht diese negative Konnotation "genießt".
Wie konnten aus ehemaligen Kommunisten und Sozialisten Wähler der rechtsradikalen Partei werden?
Ein Thema, was tatsächlich zuletzt häufig von französischen Autoren (ich nehme mal die maskuline Variante, weil mir tatsächlich keine Autorin mit dem Thema einfällt) beackert wurde. So wie in Frankreich ist es in Deutschland ebenso. Gerade in Ostdeutschland sind Massen an Wähler:innen von der Linkspartei zur AfD abgewandert. Für mich ist es ebenso unverständlich aus persönlicher Sicht, aus populistischer Sicht schon eher. Es wird halt beiderseits mit Versprechen für die Arbeiterschaft geworben, nur dass die Versprechen aus anderen Richtungen kommen. Die Linken sind gegen Globalisierung aus ihren eigenen Gründen, die Rechten aus ihren "patriotischen" Gründen.
Auch die Genossen machen einige Bemerkungen in diese Richtung.
Diese Bemerkungen über die Dönerläden haben mich in der Tat überrascht von Seiten der Sozialdemokraten. Der Vater denkt hier richtig dazu, spricht es aber nicht aus. Er traut sich nicht, ebenso wie im Umgang mit dem eigenen Sohn.
 

wal.li

Bekanntes Mitglied
1. Mai 2014
2.733
2.679
49
So richtig verstehe ich auch die Figur Jeremy nicht: "Ich wollte vermeiden, dass meine Jungs uns zusammen sahen" (S. 32). Warum denn das? Jeremy war doch mit Fus befreundet gewesen.
Versteht jemand, warum Jeremy meint, bei einer politischen Karriere sei sein Vorname möglicherweise hinderlich? Warum ist Kevin besser? Ist das ironisch gemeint, hat der Vorname Kevin im Französischen die gleiche Anrüchtigkeit wie bei uns?
Ich habe mich auch gefragt, welche Position er hat und was es mit dem Namen auf sich hat. Und dann soll ausgerechnet Kevin besser sein. Was die Menschen in Frankreich mit Namen verbinden, weiß ich allerdings nicht. In Frankreich war ich noch nicht so richtig. In Paris schon, immerhin.
 

wal.li

Bekanntes Mitglied
1. Mai 2014
2.733
2.679
49
Die Verbundenheit mit der Partei gehört zu dem Vater, auch wenn mittlerweile nicht mehr viel getan wird. Es hat bestimmt nicht so viel Zeit in Anspruch genommen. „ Es war mir ein Bedürfnis, regelmässig bei der Partei vorbeizuschauen, so wie es anderen ein Bedürfnis ist, in die Kirche zu gehen.“
Ich hatte den Eindruck, dass er nach dem Tod seiner Frau auch einen Halt brauchte.
 

wal.li

Bekanntes Mitglied
1. Mai 2014
2.733
2.679
49
Quasi zur Vorbereitung auf dieses Buch habe ich das freundlicherweise mit übersandte "Die Überlebenden" gelesen. Da geht es ja auch um Brüder und in dieses Buch bin ich sofort hineingekommen. Es hat mir sehr gefallen, vielen Dank dafür.
Da hier dann die Sprache ganz anders ist, muss ich feststellen, dass mein Gedanke wohl nicht so ganz klug war.
Besonders am Anfang hat mich die Sprache nicht mitgenommen. Die Schilderung von dem Camping-Urlaub hat mir dann gut gefallen. Die wachsende Beklemmung des Vaters seinem Sohn gegenüber, konnte ich sehr gut nachvollziehen. Dass der Vater den Kopf in den Sand steckt, hm, es gefällt mir nicht, aber ich glaube, wenn man nicht in so einer Situation ist, hat man immer leicht reden. Ich weiß nicht, wie ich mich verhalten würde, wenn jemand, der mir wichtig wäre, nach und nach in eigenartige Kreise geraten würde.
 

Sassenach123

Bekanntes Mitglied
27. Dezember 2015
4.363
10.684
49
49
Der Roman spiegelt zwei Aspekte im Leben des Vaters. Einmal der Kampf allein mit seinen Kindern und die Bewältigung der schweren Zeit, als die Mutter im Sterben liegt, dann die Erkenntnis, dass die politische Einstellung von Fus ins extreme umgeschlagen sind. Oft kommt mir der Gedanke, dass der Vater ihn oft einfach nur machen lässt, sei es aus Resignation oder aus dem Glauben, dass sich alles wieder finden wird.
 

Sassenach123

Bekanntes Mitglied
27. Dezember 2015
4.363
10.684
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Ich hatte den Eindruck, dass er nach dem Tod seiner Frau auch einen Halt brauchte.
Das könnte durchaus sein. Auch wenn sich das direkte Umfeld ja sehr bemüht hat, die kleine Familie oft eingeladen wurde, brauchte er sicher trotzdem einen Ausgleich. Ausserdem hört es nach kurzer Zeit meist auf, die Freunde werden wieder zu ihrem Alltag zurückgekehrt sein und die Einladungen wurden sicher weniger
 

Barbara62

Bekanntes Mitglied
19. März 2020
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Baden-Württemberg
mit-büchern-um-die-welt.de
Mein Eindruck vom Vater ist, dass er denkt und hofft, solange er nichts anspricht, auch nichts Schlimmes passieren kann und dann regelrecht erleichtert ist, dass sich die Welt trotzdem weiterdreht. Auch das Verhältnis zu Jérémy, der ja quasi sein dritter Sohn sein könnte, verrät viel über seine Unsicherheit, selbst ein Stein ins Rollen zu bringen.
Er hofft, dass es sich "auswächst". Kein untypisches Elternverhalten - und manchmal klappt es ja.

( Wie konnten aus ehemaligen Kommunisten und Sozialisten Wähler der rechtsradikalen Partei werden?)
Zufällig habe ich heute Morgen im DLF dazu bzw. zur französischen Präsidentschaftswahl einen Beitrag gehört. Macrons Programm ist neoliberal, während Le Pen das Wirtschaftsprogramm der Linken nahezu 1:1 übernommen hat. Es ist also gar nicht soooo verwunderlich, dass ehemalige Sozialisten und Kommunisten sie wählen.

Diese Bemerkungen über die Dönerläden haben mich in der Tat überrascht von Seiten der Sozialdemokraten. Der Vater denkt hier richtig dazu, spricht es aber nicht aus. Er traut sich nicht, ebenso wie im Umgang mit dem eigenen Sohn.
Der Vater ist eine sehr unsichere Figur mit wenig Selbstbewusstsein. Beim Fußball steht er immer abseits, er wehrt sich nicht, als er aus dem Urlaub zurückgeholt wird, der Reichtum des Viertels, in dem das Pariser Lycée liegt, schüchtert ihn ein. Er hätte gerne einfach Friede-Freude-Eierkuchen und seine Ruhe. Deshalb verschließt er gern seine Augen.
 

Barbara62

Bekanntes Mitglied
19. März 2020
3.898
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Baden-Württemberg
mit-büchern-um-die-welt.de
Ich denke bei der Lektüre immer wieder an Juli Zehs "Über Menschen", wo es um Rechtsradikale in Brandenburg geht. Geht es sonst noch jemandem so? Allerdings kommt bei Zeh eine Berlinerin dazu und schildert die Gemeinschaft von außen.

Die Sprache hat mich noch nicht so gepackt, obwohl sie natürlich zu einem Monteur bei der SNCF passt, aber der Inhalt trifft den Nerv der Zeit und ist spannend. Die Frage, warum Menschen auf Rattenfänger hereinfallen, ist zeitlos, der Bezug zur französischen Wahl dageben topaktuell.

Die Frage, wie der Vater sich hätte verhalten sollen, ist sehr schwer zu beantworten. Wäre er gegen die Kumpels von Fus angekommen? Im Prinzip sucht Fus doch Geborgenheit und Sicherheit, es geht ihm nicht primär um Politik, oder seht ihr das anders?

Jérémy schlägt den anderen Weg ein. Er will nach Paris gehen und von dort aus Frankreich verändern. In einem zentralistischen Staat sicher nicht die schlechteste Option.

Interessant wäre die Perspektive der Brüder.
 

Sassenach123

Bekanntes Mitglied
27. Dezember 2015
4.363
10.684
49
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Ich habe mich auch gewundert, vermute aber, dass tatsächlich Kevin im Französischen nicht diese negative Konnotation "genießt".
Das könnte durchaus bei der Übersetzung angepasst worden sein, damit wir verstehen was gemeint ist. Den Kevinismus habe ich bisher immer als typisch deutsch eingestuft
 

RuLeka

Bekanntes Mitglied
30. Januar 2018
6.566
24.703
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66
Der Vater ist eine sehr unsichere Figur mit wenig Selbstbewusstsein. Beim Fußball steht er immer abseits, er wehrt sich nicht, als er aus dem Urlaub zurückgeholt wird, der Reichtum des Viertels, in dem das Pariser Lycée liegt, schüchtert ihn ein
Er ist ein einfacher Arbeiter, der nie genügend Selbstbewusstsein entwickelt hat. Ich kenne das aus meinem persönlichen Umfeld. Es ist ihm daraus kein Vorwurf zu machen. Es gibt Arbeiter mit einem Stolz und einem Klassenbewusstsein, die ihre Rechte offensiv einfordern und andere, die immer klein gehalten worden sind. Obwohl der Vater hier langjähriges Parteimitglied ist, gehört er nicht zur ersten Gruppe.
Oft kommt mir der Gedanke, dass der Vater ihn oft einfach nur machen lässt, sei es aus Resignation oder aus dem Glauben, dass sich alles wieder finden wird.
Was könnte er konkret tun? Fus ist kein kleiner Junge mehr, da hat man als Eltern nicht mehr so viel Einfluss.
Ich hatte den Eindruck, dass er nach dem Tod seiner Frau auch einen Halt brauchte.
Da helfen vertraute Rituale.
dass ehemalige Sozialisten und Kommunisten sie wählen.
Trotzdem sind die früheren Genossen entsetzt. Hier zeigt sich, dass die etablierten Parteien den Kontakt zu ihrer Basis verloren haben. Fühlen sich deutsche Arbeiter noch von der SPD vertreten?
Die Sprache hat mich noch nicht so gepackt, obwohl sie natürlich zu einem Monteur bei der SNCF passt
Genau. Da der Autor die Ich- Perspektive gewählt hat, wäre eine besonders poetische oder anspruchsvolle Sprache in diesem Fall völlig unpassend. Ich finde trotzdem, dass er die Gefühls- und GedankenWelt seines Protagonisten gut transportiert.
Jérémy schlägt den anderen Weg ein. Er will nach Paris gehen und von dort aus Frankreich verändern. In einem zentralistischen Staat sicher nicht die schlechteste Option.
Das ist in Frankreich nicht einfach. Gewöhnliche Leute aus der Provinz haben in Paris einen schweren Stand. Das sieht man hier deutlich bei der Wohnungssuche.
In diesen beiden Büchern wird das ebenfalls gut dargestellt:


Buchinformationen und Rezensionen zu Das Ende von Eddy: Roman von Édouard Louis
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Helmut Pöll

Moderator
Teammitglied
9. Dezember 2013
6.582
11.188
49
München
Die Arbeiter fühlen sich seit Generationen den Sozialisten verbunden. Doch mittlerweile nimmt der Einfluss von Le Pen enorm zu. Ein Problem, das Didier Eribon und Edouard Louis in ihren Büchern ebenfalls thematisiert haben.
Die beiden sind mir beim Lesen auch sofort eingefallen. Der Abfall der Arbeiterschaft von den Sozialisten ist ja nicht nur ein Problem in Frankreich.

Was könnte er konkret tun? Fus ist kein kleiner Junge mehr, da hat man als Eltern nicht mehr so viel Einfluss.
Mein erster Gedanke war, dass der Vater möglicherweise denkt, dass er auf die Fragen des Sohnes selber keine zufriedenstellenden Antworten geben kann und deshalb das Gespräch meidet.
 

RuLeka

Bekanntes Mitglied
30. Januar 2018
6.566
24.703
49
66
Mein erster Gedanke war, dass der Vater möglicherweise denkt, dass er auf die Fragen des Sohnes selber keine zufriedenstellenden Antworten geben kann und deshalb das Gespräch meidet.
Wobei die Position des Vaters klar ist. Er stört sich auch an den fremdenfeindlichen Bemerkungen der Genossen. Ich glaube mehr, dass er nicht versteht, warum sein Sohn sich solchen Leuten anschließt. Man fragt sich als Eltern, was man falsch gemacht hat, wenn die eigenen Kinder völlig konträre Wege gehen.
Dem Vater fällt es generell schwer, persönliche Gespräche zu führen.