3. Leseabschnitt: PA (Seite 115 bis 201)

wal.li

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1. Mai 2014
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Das überrascht mich, weil sein Auftritt im ersten Abschnitt ja doch sehr kurz war. Ich hatte meinerseits eher gedacht, er würde insgesamt eine größere Rolle spielen - auch in Amors Leben.
So ähnlich meinte ich das. Vielleicht ein Studium, eine gute Position in der kommenden Demokratie, dass der Kontakt mit Amor hält.
 

kingofmusic

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30. Oktober 2018
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„ Die Apartheid war einmal, wir sterben jetzt Seite an Seite, in trauter Nähe. Nur das Zusammenleben müssen wir noch üben.“
Hat sich daran viel geändert? Das ein oder andere vielleicht, aber im Großen und Ganzen...
Allerdings empfinde ich diese Forderung als lächerlich.
Absolut.
Dazu passt, dass der Kirchenmann eine inzestöse Beziehung mit seiner Schwester hatte (die sich selbst Wunden zufügt!).
*Kopfschüttelszene*
Das finde ich auch, und ich kenne nichts Vergleichbares. Wenn der Autor diesem Schema aber weiterhin folgt, verraten die Kapitelnamen leider schon etwas zu viel.
Jup, sehr offensichtlich, wenn man es kapiert hat.
Aber der Gedanke kam mir auch und dann würde wirklich nur Amor "übrigbleiben". Vielleicht kann sie dann das Versprechen einlösen.
Hoffen wir das Beste :cool: - für Amor und das Versprechen ha ha ha.
Beispielhaft und sehr gelungen fand ich die Szene mit den Schakalen und ihren Weg vom Haus der Swarts zum Friedhof. Da hatte ich eine Gänsehaut, auch weil Leben und Tod in diesem Roman so nah beieinander sind wie selten zuvor.
Ja, das war die absolute Highlightszene in diesem Abschnitt!
 

Querleserin

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30. Dezember 2015
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Das ist bisher meine Kritik an dem Roman: Man muss sich alles zusammenklauben und zusammenreimen.
Und genau dieser Umstand macht für ich das Geniale aus. So verschieden sind die Geschmäcker :)
Und diese Erzählerstimme, voller Ironie und Sarkasmus, die sich selbst in Frage stellt, habe ich in der Art und Weise noch niemals zu vor gelesen. Ich finde sie genial, sie erzeugt einen Sog. Gerade weil man immer wieder in ganz unterschiedliche Gedanken schlüpft. Die unvermittelten kleineren Zeitsprünge innerhalb der Kapitel sind herausfordernd. Da wäre ein "Am nächsten Tag" etc. schon hilfreich.
 

Barbara62

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19. März 2020
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Völlig idiotisch ist in diesem Zusammenhang dieses Giftschlangen-Experiment, dessen Hintergründe ich nur erahnen kann. Gar nicht kapiert habe ich, warum Alwyn bzw. Manie so nachtragend gegenüber Anton ist.
Ich würde es nicht als Experiment sehen, sondern als eine Gottesprobe. Alwyn sagt ja, Manie habe "versagt", deshalb hat die Schlange ihn gebissen. Ist der Glaube stark genug, beißt die Schlange nicht. Und von den Schaulustigen gibt es Geld für Alwyns neugegründete Kirche. Da ich mit Freikirchen nichts am Hut habe und manche ihrer Sitten, die ich hier miterlebe, durchaus kurios finde, kratzt das nicht an "meinem" Christentum.

Manie kann die Kritik Antons am Dominee und an seinem Glauben nicht akzeptieren. Er fühlt sich persönlich angegriffen und reagiert völlig über.

Es geht um den Beerdigungsritus. Christlich? Pa meint, er weiß, was seine Frau will. Anton sagt, er weiß das nicht. Jüdisch? Hier fühlt sich der Pfarrer angegriffen. (Welche Denomination hat er eigentlich, das wäre wichtig). Sein Schäfchen ist ausgebrochen, er will es wenigstens zur Beerdigung wieder einfangen.
Der Dominee ist zu diesem Zeitpunkt bei der niederländisch-reformierten Kirche (calvinistisch), später gründet er seine eigene. Rachel trat bei der Eheschließung mit Manie über, kehrte aber, als sie krank wurde, ein halbes Jahr vor ihrem Tod zum Judentum zurück. Deshalb konnte sie nicht auf dem Familienfriedhof beigesetzt werden, was ihr aber vermutlich ganz recht war.

Von der Familie ist nicht mehr so viel übrig, ich glaube, sie wurde von der Mutter zusammengehalten. Und nun haben sich die Kinder und der Vater auseinander gelebt. Die Kinder sind erstaunt, dass sie sein Tod doch so betrifft.
Ob die Familie jemals einen Zusammenhalt hatte? Ich bezweifle es. Astrid hat Amor schon immer gehasst, die Ehe der Eltern war schlecht. Amor und Anton hängen mehr an Salome als an den Eltern, vermutlich hat sie sie aufgezogen. Anton hat als Kind sogar "Mama" zu ihr gesagt.
Und genau dieser Umstand macht für ich das Geniale aus. So verschieden sind die Geschmäcker :)
Und diese Erzählerstimme, voller Ironie und Sarkasmus, die sich selbst in Frage stellt, habe ich in der Art und Weise noch niemals zu vor gelesen. Ich finde sie genial, sie erzeugt einen Sog. Gerade weil man immer wieder in ganz unterschiedliche Gedanken schlüpft. Die unvermittelten kleineren Zeitsprünge innerhalb der Kapitel sind herausfordernd. Da wäre ein "Am nächsten Tag" etc. schon hilfreich.
Ich mag die Puzzelei auch und es beantwortet sich alles innerhalb kurzer Zeit. Genau wie du liebe ich den Sarkasmus und die Ironie. Galgut nimmt nichts und niemanden wirklich ernst. Und es menschelt so herrlich: Als der Bestatter dringend Wasser lassen muss, habe ich laut aufgelacht!


Mir gefallen die Parallelen bzw. Unterschiede zwischen den beiden Todesfällen/Beerdigungen: Vieles ist genau gleich (Astrid klaut das Armband, Anton Geld und Rasierer, das Herrichten der Leiche), manches ist genau entgegengesetzt (z. B. die Sargwahl). Nur die Charaktere verändern sich nicht.

Das Kapitel endet mit Zuversicht von Amors Seite: Anton wird eine Lösung für Salome finden. Wenn sie da mal nicht zu optimistisch ist...
 

RuLeka

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30. Januar 2018
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Ob die Familie jemals einen Zusammenhalt hatte? Ich bezweifle es. Astrid hat Amor schon immer gehasst, die Ehe der Eltern war schlecht. Amor und Anton hängen mehr an Salome als an den Eltern, vermutlich hat sie sie aufgezogen. Anton hat als Kind sogar "Mama" zu ihr gesagt.
Ich habe auch nirgends einen Zusammenhalt in der Familie gesehen. Ein Haufen von Individuen, die außer der biologischen Verbindung nichts gemeinsam haben.
Und diese Erzählerstimme, voller Ironie und Sarkasmus, die sich selbst in Frage stellt, habe ich in der Art und Weise noch niemals zu vor gelesen. Ich finde sie genial, sie erzeugt einen Sog. Gerade weil man immer wieder in ganz unterschiedliche Gedanken schlüpft
Gerade diese Erzählhaltung ist es, die den Roman von anderen abhebt. Einfach großartig!

Eine Familiengeschichte über drei Jahrzehnte zu erzählen, erfordert Zäsuren. Ansonsten wird es ein Riesenschmöker. Und sich dabei auf die Beerdigungen zu beschränken, finde ich auch genial. Wie ich schon mal sagte, sind das Ausnahmesituationen, die die Substanz der familiären Beziehung offenlegt.
 

Barbara62

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tust du nicht. frei erfunden. so was gibts nicht.
Aber wohl! Natürlich gibt es dort Regeln und Gebräuche, warum auch nicht? Sonst müsste es keine eigene Kirche sein. Ich habe jahrelang beim "Weltgebetstag der Frauen" auf der Seite der evangelischen Frauen mitgemacht. Die Kooperation mit den Katholikinnen war problemlos, hat viel Spaß gemacht und war sehr produktiv, mit der Freikirche hat es leider nicht funktioniert, die Gräben waren nicht zu überbrücken, die Vorstellungen von einem Gottesdienst komplett anders. In diesem Fall war es besser, getrennt zu feiern.

Simmers hat seine Kirche auch abgespalten, weil er den Ritus anders haben wollte als in der niederländisch-reformierten Kirche. Er kann sich nach einigen Jahren nicht einmal mehr erinnern, wie dort eine Trauerfeier abläuft.
 

ulrikerabe

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ulrikerabe

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Versprechen und letzte Wünsche. Im ersten Leseabschnitt sagt Manie (viel mehr schreit er es) "Die Toten wollen gar nichts." (s.80)
Und nun gibt es die letzwillige Bedingung, damit auch Anton etwas erben kann, dass dieser sich entschuldigen muss bei Simmers. Zweierlei Maß.

Glaubt Manie an ein Leben nach dem Tod im Paradies. Wenn ja, dann war eine Schlange seine Eintrittskarte.

Wenn nicht gelegentlich ein Einschub über Mandela, Townships und Unruhen (im ersten LA) vorkommen, kann ich bei dem Buch nichts Politisches erkenne. Diese Familie könnte in ihrer Art jegliche privilegierte Familie sein, die völlig zerrüttet ist. Ein Haufen Alltagsrassisten obendrein, zumindest die ältere Generation. Interessant in dem Zusammenhang, dass der Sarg, in dem Manie beerdigt wird ein Ubuntu-Sarg mit Zulu Perlenmuster in der Polsterung ist.
Ubuntu übrigens kommt aus Bantusprachen und heißt (sagt wikipedia): „Menschlichkeit“, „Nächstenliebe“ und „Gemeinsinn“ sowie die Erfahrung und das Bewusstsein, dass man selbst Teil eines Ganzen ist. "

Immer wieder kommt der Autor, ohne inhlatlich nötig mit sehr intimen Details daher. Das fing schon bei der vermutlich lesbischen Schuldirektorin an, dem Zäpfchen, das sich die Leichenwäscherin bei Rachel verabreicht oder die zu enge Unterhose des Bestatters und dessen Harndrang.

In dem Zusammenhang fand ich diesen Satz bemerkenswert: "Doch dann kommst du auf die Straße, die zur Farm hinausführt....und zeigt dir die alte Erde, wie sie unter ihren Röcken aussieht, bleich und bloß."

Was unter einem Rock zu sehen ist, bleibt grundsätzlich nur sehr wenigen Menschen vorbehalten. Niemand lässt sich gern unter den Rock schauen. Bei dieser Familie möchte ich nicht mal wissen, was sie unter dem Mantel hat....
 

Christian1977

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8. Oktober 2021
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Wenn nicht gelegentlich ein Einschub über Mandela, Townships und Unruhen (im ersten LA) vorkommen, kann ich bei dem Buch nichts Politisches erkenne.
Das finde ich nur bedingt, weiß aber, was du meinst. Das Politische läuft eher im Hintergrund.

Aber dennoch hat die Politik, hat die Gesellschaft letztlich diese Familie so geprägt, dass sie in ihre jeweiligen Rollen gepresst wurden. Der Gutsbesitzer, der Kriegsverweigerer, die stille Rebellin...

Ich glaube nicht, dass wir diese Familiengeschichte in einem anderen Land als Südafrika so hätten erleben können.
 

RuLeka

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30. Januar 2018
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Glaubt Manie an ein Leben nach dem Tod im Paradies. Wenn ja, dann war eine Schlange seine Eintrittskarte.
Für Adam war es umgekehrt.
Ubuntu übrigens kommt aus Bantusprachen und heißt (sagt wikipedia): „Menschlichkeit“, „Nächstenliebe“ und „Gemeinsinn“ sowie die Erfahrung und das Bewusstsein, dass man selbst Teil eines Ganzen ist. "
Danke fürs Recherchieren. Das wollte ich unbedingt nachschauen und habe es dann wieder vergessen. Galgut hat sich auf jeden Fall dabei was gedacht.
Eintrittskarte.

Wenn nicht gelegentlich ein Einschub über Mandela, Townships und Unruhen (im ersten LA) vorkommen, kann ich bei dem Buch nichts Politisches erkenne. Diese Familie könnte in ihrer Art jegliche privilegierte Familie sein, die völlig zerrüttet ist.
Es ist schon was anderes, eine weiße privilegierte Familie in Südafrika zu sein. Das sind zwar nur Kleinigkeiten, die am Rande einfließen ( z.B. dass Lexington eine Chaffeursmütze tragen muss, damit er nicht wegen Autodiebstahl verhaftet wird ) , trotzdem kommt unterschwellig einiges rüber.
Ich gebe Dir recht, dass es nicht explizit um politische Themen geht, aber die werden normalerweise auch nicht jeden Tag am Frühstückstisch verhandelt.
Bei dieser Familie möchte ich nicht mal wissen, was sie unter dem Mantel hat....
Du wirst noch mehr über diese Familie erfahren.
 

Barbara62

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Du meinst, eine Gottesprüfung wie bei Daniel im Feuerofen, hier halt in der Schlangengrube sei christliche Freikirche?
So verstehe ich das in diesem Buch. Ob das realistisch ist, weiß ich nicht. Aber es gibt ja nicht die Freikirche sondern große Unterschiede. Beispielsweise gehören bei uns in Baden-Württemberg einige Freikirchen zur evangelischen Kirche, andere nicht. Wenn es wirklich so einfach ist, dass jeder Pfarrer - oder wer immer sich dazu berufen fühlt - eine eigene Freikirche einfach so gründen kann, würde ich es nicht ausschließen. Was das dann noch mit Christentum zu tun hat, weiß ich allerdings nicht. Ich weiß auch nicht, wann man von Freikirche und wann von Sekte spricht.
 

Barbara62

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19. März 2020
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Wenn nicht gelegentlich ein Einschub über Mandela, Townships und Unruhen (im ersten LA) vorkommen, kann ich bei dem Buch nichts Politisches erkenne. Diese Familie könnte in ihrer Art jegliche privilegierte Familie sein, die völlig zerrüttet ist. Ein Haufen Alltagsrassisten obendrein, zumindest die ältere Generation.
Ich finde schon, dass die politischen Umstände eine Rolle spielen und man in eingestreuten Sätzen viel über die gesellschaftliche Situation erfährt: dass Schwarze kein Haus besitzen durften, dass Chauffeure in Gefahr waren, als Autodiebe zu gelten, dass man als Weißer besser nicht mit dem Auto durch die Townships fuhr, dass Schwarze und Weiße nicht zusammen auf der Intensivstation liegen durften usw. Manches wusste ich, manches auch nicht.
 

ulrikerabe

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14. August 2017
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Vielleicht habe ich missverständlcih ausgedrückt. Das Politische wird im Buch nicht hauptsächlich thematisiert und liest sich oft nur zwischen den Zeilen. Ich weiß, nichts und neimand ist politisch. Alles was wir tun ist auf die eine oder andere (gesellschafts)politisch gewachsen. Noch würde ich das Buch aber nicht als Antiapartheid Buch einordnen (ich weiß nicht was noch kommt...) sondern einfach nur wieder einmal als Geschichte einer dysfunktionalen Familie. Die Vorzeichen der Rassenproblematik könnten mmn genauso in den amerikanischen Südstaaten (vielleicht ein Paar Jährchen früher) eine weiße Familie so aufstellen.
 

kingofmusic

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30. Oktober 2018
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Und genau dieser Umstand macht für ich das Geniale aus. So verschieden sind die Geschmäcker :)
Und diese Erzählerstimme, voller Ironie und Sarkasmus, die sich selbst in Frage stellt, habe ich in der Art und Weise noch niemals zu vor gelesen. Ich finde sie genial, sie erzeugt einen Sog. Gerade weil man immer wieder in ganz unterschiedliche Gedanken schlüpft. Die unvermittelten kleineren Zeitsprünge innerhalb der Kapitel sind herausfordernd. Da wäre ein "Am nächsten Tag" etc. schon hilfreich.
Ich kann mir nicht helfen, aber irgendwie fühle ich mich dezent an "Mrs. Dalloway" erinnert, wo man auch ständig im Kopf eines anderen Charakters steckt; die Gedanken springen auch oft innerhalb einer Seite von da nach dort. Klar fehlt Galgut noch die "Größe" einer Virginia Woolf, aber der Bookerpreis ist völlig zu Recht an ihn gegangen.
 

Querleserin

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Ich kann mir nicht helfen, aber irgendwie fühle ich mich dezent an "Mrs. Dalloway" erinnert, wo man auch ständig im Kopf eines anderen Charakters steckt; die Gedanken springen auch oft innerhalb einer Seite von da nach dort. Klar fehlt Galgut noch die "Größe" einer Virginia Woolf, aber der Bookerpreis ist völlig zu Recht an ihn gegangen.
Zeit, diesen Klassiker wieder zu lesen ;). Ist schon so lange her, dass ich mich tatsächlich nicht mehr an diese Erzählweise erinnern kann. Danke für den Tipp!