1. Leseabschnitt: Beginn bis Seite 89

alasca

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13. Juni 2022
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Bei mit wird "Wovon wir leben" die Nachfolgelektüre, da das Buch gestern in der Post war. Mal sehen, wie der Unterschied in der Schreibweise in dieser Reihenfolge auf mich wirken wird. ;)
Das ist ja spannend. Da bin ich neugierig! :smileeye
Dem stimme ich zu. Ich hätte aber das Zitat noch einen Schritt weiter zurück gedeutet. Auf die Angststörung angewendet: Ich muss nicht zwingend wissen, warum ich eine Angststörung entwickelt habe, um sie behandeln zu können. Also mal ganz banal, ob ich mal als Kind von einem Hund gebissen wurde und deshalb jetzt Panikattacken bekomme, wenn ich nur einen Hund im Fernsehen sehe, ist irrelevant für die Behandlung der Attacken via Exposition. Das ist übrigens der Verhaltenstherapeutische Ansatz der Behandlung einer Angststörung. Der Tiefenpsychologische Ansatz würde auf strukturierte Exposition verzichten und erst einmal nur nach der Ursache der Angststörung suchen und dann davon ausgehen, dass sich mit Finden der Ursache auch die Angst verringert. Wissenschaftliche Untersuchungen haben signifikant gezeigt, dass gerade bei Angststörungen der Verhaltenstherapeutische Ansatz der effektivere und langfristig wirksamere ist.
Aber keine Frage, ist nicht für jeden Menschen gleich.
In jedem Fall wird es nicht von allein besser! Ich glaube, die Sicht auf dieses Thema hat ganz viel mit Temperament zu tun. Ob man mehr so der gelassene, passive Typ ist oder eher von der Sorte Geht nicht gibt´s nicht.
 
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Emswashed

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9. Mai 2020
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Woran denkst Du dabei? Gib mal ein Beispiel.
Tatsächlich habe ich hier im ersten Abschnitt noch an den Plot gedacht. Lia bricht mit dem Glauben und zieht ausgerechnet nach Santiago de Compostela, dem Pilgerort für Katholiken schlechthin.
Dann bekommt Lia auch noch ihre eigene Buchhandlung, da werden "Leserherzen" bedient und ein Klischee, dass an einem solchen Ort alle Wunden geheilt werden, aufgebaut.
 

alasca

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13. Juni 2022
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Tatsächlich habe ich hier im ersten Abschnitt noch an den Plot gedacht. Lia bricht mit dem Glauben und zieht ausgerechnet nach Santiago de Compostela, dem Pilgerort für Katholiken schlechthin.
Ja, das fand ich auch SEHR plakativ.
Dann bekommt Lia auch noch ihre eigene Buchhandlung, da werden "Leserherzen" bedient und ein Klischee, dass an einem solchen Ort alle Wunden geheilt werden, aufgebaut.
Klischee pur.
 

ulrikerabe

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14. August 2017
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Stilistisch ist das Ganze süffig geschrieben, aber keinesfalls flach. Ich habe einige Klebezettel gesetzt, weil ich noch weitere Hintergründe erwarte. Der Einstieg in den Roman ist Frau Pineiro grandios gelungen! Wer kann das Buch jetzt noch zur Seite legen???
Ich habe von der Autorin noch nichts gelesen und hatte keine Vorstellung, was ich erwarten kann. Aber mich hat das Buch sehr schnell gepackt.
Ich könnte mir vorstellen, dass sich hier die Wahrheit zwischen allen Wahrnehmungen verbirgt und wir erst ganz am Ende ein vollständigeres (nie vollständiges!) Bild von den Figuren haben werden.
Davon gehe ich aus
Ich glaube, dass die Inhalte gar nicht so wichtig waren, sondern nur der Kontakt zueinander und das Wissen, dass der Andere noch da ist.
ein schöner Gedanke
Dann muss ich dümmer als die Dümmste sein, da ich nicht davon überzeugt bin, dass die Kathedralen das Hauptmotiv/-symbol sind, bloß weil der Roman diesen Titel trägt. Da steckt mehr dahinter.
Ich sehe die titelgebenden Kathedralen nicht nur als sakrale Gebäude. Es sind steinerne Monumente, Symbole für feste Glaubenssätze.
Wir alle haben Glaubenssätze, eigene und vererbte. Und nicht unbedingt religiös.
 

Renie

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In jedem Fall wird es nicht von allein besser! Ich glaube, die Sicht auf dieses Thema hat ganz viel mit Temperament zu tun. Ob man mehr so der gelassene, passive Typ ist oder eher von der Sorte Geht nicht gibt´s nicht.
Vielleicht ist für ihn auch einfach noch nicht der richtige Zeitpunkt gekommen, um der Ursache für seine seelische Verfassung auf den Grund zu gehen. Ich habe es so verstanden, dass sein Großvater die Weichen gestellt hat, dass Matteo einen eigenständigen Lebensweg einschlägt, indem er damit beginnt sich von dem Einfluss seiner Mutter zu lösen. Das war für ihn mit Sicherheit nicht einfach, zumal er selbst mit Anfang 20 noch unter ihrer Fuchtel stand. So etwas kostet Kraft. Solch eine Entscheidung trifft man nicht einfach und gut ist. Man hat in solch einer Situation sicher mit vielen Selbstzweifeln, was die Entscheidung angeht, zu kämpfen. Ob man dann noch die Energie hat, sofort (professionelle) Hilfe zu suchen? Irgendwann vielleicht.
 

Renie

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Dann bekommt Lia auch noch ihre eigene Buchhandlung, da werden "Leserherzen" bedient
Empfinden wir als Vielleser und Bibliophile das nicht einfach nur so? Otto-Normalleser wäre egal, wo Lia arbeitet. Nicht jeder Leser empfindet eine Buchhandlung als Wohlfühlort bzw. Himmel auf Erden. Wir mögen dies vielleicht so empfinden, aber für die breite Lesermasse spielt es kaum eine Rolle. Und ich glaube nicht, dass Frau Piñeiro ihre Protagonistin in einer Buchhandlung arbeiten lässt, nur damit Bibliophilenherzen höher schlagen.
 

alasca

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13. Juni 2022
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Empfinden wir als Vielleser und Bibliophile das nicht einfach nur so? Otto-Normalleser wäre egal, wo Lia arbeitet. Nicht jeder Leser empfindet eine Buchhandlung als Wohlfühlort bzw. Himmel auf Erden. Wir mögen dies vielleicht so empfinden, aber für die breite Lesermasse spielt es kaum eine Rolle. Und ich glaube nicht, dass Frau Piñeiro ihre Protagonistin in einer Buchhandlung arbeiten lässt, nur damit Bibliophilenherzen höher schlagen.
Die Buchhandlung als magischer Ort und Bücher als Zuflucht in der Not sind ein literarischer Topos - und nicht sonderlich originell. Es ist kein Zufall, dass Pineiro ihre Lía dort arbeiten lässt und nicht in einer Konservenfabrik oder im Schuhgeschäft oder einer Unternehmensberatung. Ihr Arbeitsort ist symbolisch aufgeladen und charakterisiert die Figur, die mit einem anderen Job auch eine Andere wäre.
 

Die Häsin

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11. Dezember 2019
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Immerhin liegt der Buchladen in Santiago, dem Pilgerziel, und viele kommen in ihren Laden, um Bücher über die Stadt zu kaufen. Man geht ja heutzutage aus sehr unterschiedlichen Gründen den Pilgerweg, aber trotzdem - als Atheistin in so einem Umfeld zu landen, ist schon eigenartig und hat mit Sicherheit etwas zu bedeuten. Ich bin ja schon ein Stück weiter und will hier nicht vorgreifen, aber das Thema Kathedrale als titelgebendes Symbol erschließt sich mir bisher nicht überzeugend als bedeutsames Motiv in dem Buch. Ich hoffe, dass da noch etwas mehr kommt.
 

GAIA

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27. Dezember 2021
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Und ich glaube nicht, dass Frau Piñeiro ihre Protagonistin in einer Buchhandlung arbeiten lässt, nur damit Bibliophilenherzen höher schlagen.
Das glaube ich auch nicht. Es ist sicherlich ein Nebeneffekt für uns, aber in erster Linie zeigt es mir die Prägung durch den belesenen Vater, der als Geschichtslehrer ein Arbeitszimmer voller Bücher hatte. Mir scheint das eher ein Hinweis auf die Verbundheiten der beiden.
Ihr Arbeitsort ist symbolisch aufgeladen und charakterisiert die Figur, die mit einem anderen Job auch eine Andere wäre.
Genau, und es charakterisiert eben auch, dass sie die Tochter ihres Vaters ist. Der Vater, der im Alter der katholischen Kirche gegenüber immer mehr gezweifelt und Mateo mit entsprechenden kritischen Büchern versorgt und das Denken gelehrt hat. Und nun arbeitet Lía in einer Buchhandlung, die direkt in Sichtweite der Kathedrale, die zum absoluten Pilgerort der Katholiken gehört. Ich denke, dass das so eingefädelt ist, um die Zerrissenheit zwischen Denken und Glauben auch innerhalb der Figuren darzustellen.
 

Barbara62

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19. März 2020
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Sie haben es aber nicht für nötig befunden, Lia über den Tod des Vaters zu informieren.
Allerdings hatte sich Lía alle Kontaktaufnahme verbeten. Ein zweischneidiges Schwert.

Welche "Lügen" soll der Vater durch seinen Tumor ausgeplaudert haben? Ich befürchte, dass es Wahrheiten waren, die die gottesfürchtige Carmen nicht hören will. Waren sie der Anlass für den Sohn, abzuhauen? Den Tod des Großvaters hat er nicht mehr abgewartet.
Ich denke, Carmen will mit dem Gerede über Lügen nur die drei Briefe diskreditieren.

Ich hatte es so verstanden, dass Mateo nach dem Tod des Großvaters aufbrach, die Reise aber vorher mit ihm plante.

Vor allem die Beschreibung Carmens kommt mir reichlich eindimensional vor.
Ich war zunächst auch skeptisch, da ich nur Lías Perspektive kannte. Aber mit Mateos ähnlich lautender Charakterisierung und der Tatsache, dass auch der Vater Carmen distanziert gegenüberstand, scheint sie mir jetzt plausibel.

Das stimmt, aber ich habe die Hoffnung, dass auch sie im Laufe des Romans noch zu Wort kommen wird und sich dann dadurch ein differenziertes Bild ergeben wird. Ich könnte mir vorstellen, dass sich hier die Wahrheit zwischen allen Wahrnehmungen verbirgt und wir erst ganz am Ende ein vollständigeres (nie vollständiges!) Bild von den Figuren haben werden.
Tatsächlich habe ich das früh überprüft und sie kommt zu Wort. Eigentlich lese ich nie vor, aber das musste ich abklären.

Das eine Familie an so einem Ereignis zerbricht ist nicht ungewöhnlich, dass Lià aber ausgerechnet am Tag der Beerdigung mit der Sprache herausrückt, empfand ich als schlimm. Dieser Tag hätte voll und ganz dem Abschied der Schwester gelten müssen, dabei hätte es in meinen Augen keine Rolle spielen dürfen, ob Lià an Gott glaubt oder eben nicht.
Sie wollte nicht am Sarg beten, weil das Heuchelei gewesen wäre. Hätte sie aus Rücksicht auf die Familie schauspielern sollen? Eine schwierige Frage.
 
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Der Titel Kathedralen bezieht sich auf Raymond Carvers Erzählung Kathedrale aus seinem gleichnamigen Erzählungsband.
Kennt jemand die Erzählung und weiß, worum es geht? Mir ist sie unbekannt
Man erfährt bereits auf diesen ersten 40 Seiten sehr viel über die Familienbande. Warum wurde dieser brutale Tod nicht aufgelöst? Sehr seltsam das alles. Ich bin schon total gefesselt von diesem Buch und gespannt, was die nächste Perspektive hergibt.
Das stimmt und dennoch bleibt der Tud von Lias Schwester ein großes Rätsel. Was steckt dahinter? Ich bin gespannt!
Stilistisch ist das Ganze süffig geschrieben, aber keinesfalls flach. Ich habe einige Klebezettel gesetzt, weil ich noch weitere Hintergründe erwarte. Der Einstieg in den Roman ist Frau Pineiro grandios gelungen! Wer kann das Buch jetzt noch zur Seite legen???
Ich denke auch, dass die Geschichte Schritt für Schritt - aus verschiedenen Sichten - weiter gesponnen wird. Das weckt immer Neugier. Zu 100 Prozent bin ich allerdings noch nicht im Geschehen drin. Mal sehen...
Warum Ana so schrecklich verstümmelt wurde, lässt mich aufhorchen. Sollte ihre Identität nicht herausgefunden werden?
Das frage ich mich auch. Ich habe noch keine Idee, was dahinter steckt.
Das stimmt, aber ich habe die Hoffnung, dass auch sie im Laufe des Romans noch zu Wort kommen wird und sich dann dadurch ein differenziertes Bild ergeben wird. Ich könnte mir vorstellen, dass sich hier die Wahrheit zwischen allen Wahrnehmungen verbirgt und wir erst ganz am Ende ein vollständigeres (nie vollständiges!) Bild von den Figuren haben werden.
Davon gehe ich auch aus. Bislang sehe ich gerade in der Multiperspektivität eine der Stärken des Buches.
So lange dies nicht verarbeitet ist, kann man noch nicht von einem erkannten Problem sprechen.
Das verstehe ich nicht ganz. Man kann doch durchaus Probleme identifizieren und daran scheitern, Lösungen dafür zu finden.
 

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Schön, dass hier so rege diskutiert wird. Unterschiedliche Lesarten bereichern LR ja sehr. ;)
Ich habe vorläufig eigentlich keine neuen Aspekte zu ergänzen.
Das Buch liest sich bishin sehr gut und ich lese auf jeden Fall gespannt weiter.
Ich bin insbesondere neugierig auf die konkreten Todesumstände. Auch erfahre ich gerne mehr über die Familienverhältnisse.
Ich bin im Moment noch nicht sicher, in welche Richtung es gehen wird und welche Rolle der Glaube bei all dem spielt.
 

Barbara62

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Ich finde das Buch sehr spannend und denke, irgendwann werden wir auch über Anas Ermordung noch Näheres erfahren.
Darüber denke ich die ganze Zeit nach: Geht es hier wirklich um eine Auflösung oder nur um die Schilderung der Folgen für eine Familie? Die Sätze auf Seite 61 und 63 über das System Familie sind für mich bisher der Dreh- und Angelpunkt.
Immerhin liegt der Buchladen in Santiago, dem Pilgerziel, und viele kommen in ihren Laden, um Bücher über die Stadt zu kaufen. Man geht ja heutzutage aus sehr unterschiedlichen Gründen den Pilgerweg, aber trotzdem - als Atheistin in so einem Umfeld zu landen, ist schon eigenartig und hat mit Sicherheit etwas zu bedeuten.
Ich meine, dass irgendwo stand, dass Santiago Anas Traumziel war. Das wäre doch eine einfache Erklärung für Lías Ortswahl.
 

Barbara62

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Eine der zentralen Fragen ist für mich das schmerzliche Geheimnis, unter dem der Großvater litt:

"Doch, auch ich habe ein Geheimnis, und es schmerzt mich stärker als der Krebs", versetzte er. Mehr bekam ich dazu nicht aus ihm heraus. Er wandte den Blick ab und versank in tiefes Nachdenken. (S. 71)

Hätte der Vater/Großvater mehr über den Mord an Ana gewusst, hätte er dieses Wissen doch sicher genutzt, um seine Lieblingstochter Lía zurückzuholen? Aber womit sollte das Geheimnis sonst zu tun haben?
 

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29. März 2022
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Darüber denke ich die ganze Zeit nach: Geht es hier wirklich um eine Auflösung oder nur um die Schilderung der Folgen für eine Familie?
Das ist eine sehr gute Frage. Ich denke, aus beiden Ideen könnte man einen interessanten plot konstruieren. Ich bin mir auch nicht sicher, ob der Mord wirklich aufgeklärt wird...
Eine der zentralen Fragen ist für mich das schmerzliche Geheimnis, unter dem der Großvater litt:
Da habe ich mich auch schon gefragt, was es damit auf sich hat.

Mal sehen, ob wir im zweiten Abschnitt schon besser die Richtung erkennen können, in die es geht...