Rezension Rezension (4/5*) zu Die Geschichte der Bienen: Roman von Maja Lunde.

Xirxe

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19. Februar 2017
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Leider konnten wir zu diesem Buch keine Daten ermitteln.
Mehr Familien- als Bienengeschichte

Eine ungewöhnliche Romankonstruktion hat Maja Lunde für 'Die Geschichte der Bienen' gewählt: Drei Erzählstränge gibt es, die in völlig unterschiedlichen Zeiten spielen. Im Jahr 1852 ereilt William, verhinderter Wissenschaftler und Familienvater von unzähligen Töchtern ;-) und einem Sohn, nach einer persönlichen Kränkung eine mysteriöse Krankheit, die ihn jeglicher Energie beraubt (heutzutage würde man vermutich Depression dazu sagen). Nach einer spontanen Erholung kehrt er in den Alltag zurück und widmet sich neben dem Gelderwerb als Samenhändler auch wieder der Wissenschaft: Bienen werden sein Forschungsobjekt. Etwas mehr als 150 Jahre später begleiten wir George in Ohio, der von der Imkerei lebt und sich nichts sehnlicher wünscht, als seinem Sohn Tom einen gutgehenden Hof zu hinterlassen - doch das gestaltet sich aus unterschiedlichen Gründen wesentlich schwieriger als gedacht. Im Jahre 2098 in China ist Tao die Protagonistin, die ihren Unterhalt damit verdient, Bäume von Hand zu bestäuben, da es keine Bienen mehr gibt. Ein hartes, ein schweres Leben, das nur durch ihre kleine Familie erträglich ist: ihren Mann Kuan und ihren kleinen Sohn Wei-Wen. Doch dann geschieht ein Unglück.
Abwechselnd werden die Geschichten dieser drei Hauptfiguren erzählt, und ich war wirklich gespannt darauf, wie sich diese zusammenfügen. Doch es dauerte und dauerte und dauerte. Nicht dass ich mich gelangweilt hätte, aber ich hatte zusehends den Eindruck, hier drei unabhängig voneinander verlaufende Erzählungen zu lesen, deren einzige, nicht allzu starke Verbindung die Bienen waren. Erst kurz vor dem Ende wurden die Zusammenhänge dann deutlich, doch nach meinem Empfinden fügte es sich nicht selbstverständlich zusammen, sondern es kam mir vor, als hätte auf den letzten Seiten etwas nachgeholt werden müssen. Um nicht falsch verstanden zu werden: Das Buch ist gut geschrieben, doch die Unterteilung in drei Teile hätte auch als Ganzes erfolgen können und nicht aufgeteilt in Häppchen - jeweils eine Erzählung William, George und Tao wäre nicht nur genauso gut, sondern vielleicht sogar besser gewesen.
Den Titel (im Original 'Bienes Historie') empfand ich als eher irreführend, denn auch wenn die Bienen eine nicht unbedeutende Rolle spielen, liegt doch das Hauptaugenmerk meiner Meinung nach bei den Protagonisten und deren jeweiligen Söhnen, auf denen Erwartungen ruhen, denen sie nicht gerecht zu werden scheinen. In diesem Sinne steht der Titel dann doch für etwas, was ein Hauptthema des Buches ist: falsche Erwartungen ;-)
Fazit: Statt einer Geschichte der Bienen sind es drei Familiengeschichten, die von den Erwartungen an den Nachwuchs und den damit verbundenen Enttäuschungen handeln - verknüpft durch die Existenz bzw. Nichtexistenz der Bienen, an denen mehr oder weniger nebenbei auch noch große Themen wie die Klimaveränderung und die Industrialisierung der Landwirtschaft abgehandelt werden. Ein bisschen viel für nur ein Buch ;-)

 

Helmut Pöll

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9. Dezember 2013
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Mich hat dieses Buch am Wochenende eingeholt, als ich überhaupt nicht damit gerechnet habe. Ich war auf Besuch bei Verwandten, die noch einen kleinen Weinberg betreiben. Abends kamen die Winzer darauf zu sprechen, dass die Zahl der Vögel in der Gegend in den letzten 20 Jahren dramatisch abgenommen hat.

Als Ursache wurde der massive Rückgang von Insekten genannt, die eine wichtige Hauptnahrungsquelle für die Vögel sind. Am allerschlimmsten aber sei das Verschwinden der Bienen. Zum Beweis wurde mir tags darauf ein riesiger Strauch Kletterrosen gezeigt, der schon von weitem zu riechen war. Nicht eine Biene war in der Nähe, während zehn Jahre zuvor ganze Bienentrauben sich daran herumtrieben, so dass man sich kaum nähern konnte.

Mehr noch: die Winzer machen sich mittlerweile kundig über den Einsatz von Minidrohnen zur künstlichen Bestäubing. Spätestens da fühlte ich mich wie in einem Science Fiction. Das, was #maja lunde beschrieben hat, ist also keine Zukunftsmusik, sondern schon in weiten Teilen Realität.
 

Literaturhexle

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2. April 2017
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Das, was #maja lunde beschrieben hat, ist also keine Zukunftsmusik, sonder
Leider ja, @Helmut Pöll!
In einem der drei Handlungsstränge wird die Zukunft in China beschrieben. Das System ist totalitär und die Frauen müssen die Obstbäume mit kleinen Pinseln im Akkord bestäuben.
Ich dachte, das wäre Mumpitz. Neulich lass ich Aber, dass das in Teilen Chinas schon gängige Praxis ist :eek:

Auch werden die Gemeinden in BW gerade im Großen Stil aufgefordert, Wildblumen auszusäen - um die Insekten zu unterstützen. Es ist schon nicht beruhigend, was sich da gerade tut....
 
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