1. Leseabschnitt: Kapitel Eins bis Drei (Beginn bis Seite 50)

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Ei, die paar Sekunden, die man braucht, um sich zu sortieren. Das würde jedem so gehen. Eigentlich gibt es keinen anderen Ausweg als zu ertrinken. Grauenhafte Vorstellung. Bei Daniel Kübelbeck, den ich nicht aus meinem Kopf kriege, ging es hoffentlich schnell und war er schon tot als er auf dem Wasser aufprallte. Über Bord - das ist mein absoluter persönlicher Horror. Schiffsreisen meide ich.
Da stimme ich Dir zu.
Das mit dem Kübelbeck hat mich damals auch sehr erschüttert, wobei ja viele der Anssicht sind, er lebe als Frau in Kanada und das Ganze sei nur inszeniert gewesen.
Schiffsreisen liebe ich auch nicht so. Mir reichen da schon kurze Strecken, dass mir mulmig wird...
 

parden

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13. April 2014
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Der Gute hat wohl seine Midlife Crisis zum Anlass genommen, um zu reisen.
Midlife Crisis mit 35? Das wäre schon arg früh (zumindest für heutige Verhältnisse...). Ich nehme an, das Buch spielt in den 20ern oder 30ern des vorigen Jahrhunderts? Passt das in etwa? Na gut, zu Beginn der 1930er Jahre lag die Lebenserwartung von Frauen bei ca. 63 Jahren, die von Männern bei ca. 60 Jahren. Da könnte es ja auch eine vorveralgerte Midlife Crisis gegeben haben. Aus heutiger Sicht hätte ich eher auf das damals noch nicht benannte Burnout Syndrom getippt...
 

parden

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13. April 2014
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Mich hat jedoch die Frage sehr beschäftigt, ob er last minute noch gerettet wird?
Ja, und das wird die Spannung wohl aufrecht halten in dem Roman. Man bangt mit Mr. Standish... Und gerade diese Ungewissheit, das Schwanken zwischen Verzweiflung und Hoffnung wird ja auch sein Denken beim Treiben im Ozean stark beeinflussen, vermute ich mal...
 

parden

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Auch mir gefällt der Roman bisher sehr gut, über die skurrile Situation ist hier ja schon geschrieben worden - statt um Hilfe zu rufen, ist Standish die Etikette wichtiger. Im Korsett der Erziehung - hilft nicht beim Überleben... Vielleicht bekommt man ja neben den Gedanken und Empfindungen des einsam vor sich hin schwimmenden Standish auch noch etwas von der Lage an Bord mit? Immerhin muss man ja irgendwann doch das Fehlen des Passagiers bemerken... Ich bin gespannt!
 

Federfee

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13. Januar 2023
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Diese Todesangst wird in den Gegensatz zur wunderschönen Natur gesetzt. Was ist ein einzelner kleiner Mensch angesichts der Gewalt der Natur, selbst wenn diese Natur gerade ganz friedlich ist, ist sie in dieser Friedlichkeit allein aufgrund ihres Soseins, des Ganzanderen, lebensbedrohend.
Du siehst das richtig, aber ich finde, das kommt in diesem ersten Teil noch nicht so ganz zum Ausdruck - für mich zumindest nicht. Da ist noch zu viel anderes: die Mit-Passagiere, sein bisheriges Leben. (Ich habe den zweiten Teil schon gelesen und sehe es da so wie du: der kleine zivilisierte Mensch, hilflos angesichts der Natur.
Irgendwo ist auch etwas Spitzbübisches, das kriege ich noch nicht ganz zu fassen.
Das empfinde ich auch so und gerade, dass es nicht so offensichtlich daher kommt, sondern unterschwellig und subtil, das macht für mich den Reiz aus.
Ein Gentleman, dem das Gentleman-sein anerzogen wurde und der sämtliche Klischees erfüllt, die man damit in Verbindung bringt.
Ich finde, das ist so ein Punkt, den man fast philosophisch nennen könnte, zumindest ist es eine allgemeingültige Sache, zeitlos, dass man sich in den Netzen oder Zwängen von Konventionen befindet, die man erst mal nicht loslassen kann.
Die überschaubare Seitenanzahl dieses Romans macht mich ein bisschen traurig,
Versteh' ich. Das ist so ein Buch, das man nicht loslassen möchte, wo man gerne länger drin bleiben würde. Ich habe den 2. Teil beendet und nur noch wenig vor mir.
Nach diesem Anfang kann ich mir aber nicht vorstellen, dass der Roman philosophische Ausmaße annimmt. Ich tippe eher auf weitere Einblicke in Standishes bisheriges Leben. Vielleicht nimmt er dieses besondere "Erlebnis" als Anlass, ums einem Leben eine neue Wendung zu geben. Das ist aber reine Spekulation und ich bin offen für alles, was kommt.
Ich finde schon, dass einiges daran philosophisch ist oder zeitlos zumindest. Hier ist es natürlich dramatisch überspitzt, aber es kann schon sein, dass man im Leben in Ausnahmesituationen gerät, wo man das bisherige Leben hinterfragt, wo vielleicht gesellschaftliche Regeln ad acta gelegt werden.
 

Literaturhexle

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Ich melde mich als Schlusslicht zu Wort und stelle fest, dass ihr schon viele Gedanken zu Papier gebracht habt. Auch mir gefällt dieses Buch bis jetzt sehr gut. Die Handlung beginnt fulminant. Ein solch ungewöhnliches Szenario habe ich in noch keinem Buch vorgefunden.

Diese Todesangst wird in den Gegensatz zur wunderschönen Natur gesetzt. Was ist ein einzelner kleiner Mensch angesichts der Gewalt der Natur, selbst wenn diese Natur gerade ganz friedlich ist,
Das wird besonders deutlich, als er das riesige Schiff sich langsam entfernen sieht. Wer schon einmal Containerschiffe aus der Nähe gesehen hat, weiß wie groß sie sind. Und das aus der Froschperspektive... Wahnsinn!
Die lebhafte Sprache macht Spaß, ist unglaublich geistreich, der trockene Humor grenzt an Slapstick
Also gelacht habe ich mal wieder nicht. Zu bedrückend ist für mich die Grundsituation;)
Dazu passt auch ganz hervorragend das Buchcover: diese fast spiegelglatte Wasseroberfläche,
Das Cover ist der Wahnsinn. Ich hatte gestern auch die gebundene Version im Schuber in der Hand: was ganz Feines :joy
eine allgemeingültige Sache, zeitlos, dass man sich in den Netzen oder Zwängen von Konventionen befindet,
Genau. Guter Hinweis. Bei Standish ist alles etwas extrem geraten. Aber bestimmt kann man da manches Korsett wiederfinden, das sich Otto N. auch täglich überzieht.
Ich finde es immer gut, wenn tragische Bücher auch noch Lichtblicke haben: eine schöne Sprache oder Mitmenschliches.
Ja. Die Sprache hat es mir schon wieder angetan. So schöne Sätze, die einen Sack voll Emotion transportieren und sehr treffend sind.
 

Literaturhexle

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Standish beschreibt sein Leben als Leben auf der rechten Fahrbahn ohne Überholvorgänge. Er ist extrem angepasst. Seine Frau biss ihn, dann lernten sie das Küssen, dann heirateten sie sehr schnell. Alles scheint zu passieren und fast abgekartet zu sein. Insofern war ich überrascht, dass seine Frau so viel Verständnis für ihn zeigte - (ohne dass ein Liebhaber im Spiel war wie er ums beteuert). Sie liebt ihn offenbar. Warum zeigen sie es sich nicht?!?
 

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Ich sehe es so: sie sind da, um das Allerschlimmste zu verhindern. Das habe ich auch in mein Lesetagebuch hier geschrieben.
Tja - nur finde ich eben riesige Bücheransammlungen nicht schlimm, sondern sie führen direkt und ohne Umweg ins Paradies. :grinning
Aber okay, hier sollte eher über eins dieser paradiesischen Werke diskutiert werden als über shopping-Gepflogenheiten ;)