Zaira: Roman

Rezensionen zu "Zaira: Roman"

  1. 5
    29. Jul 2016 

    Lassen Sie sich in ein Land am Rande Europas entführen!

    Catalin Dorian Florescu ist derzeit in den Buchläden und wahrscheinlich auf vielen Bücherlisten vertreten mit seinem Roman „Der Mann, der das Glück bringt“ (erschienen bei C.H. Beck 2016). Der 1967 geborene Rumäne lebt schon seit vielen Jahren in der Schweiz und veröffentlicht auf Deutsch. Seine Heimat Rumänien behält er aber in seinem literarischen Schaffen im Blick und gibt dem Leser mit den erzählten Geschichten Einblicke in dieses ansonsten von der Literatur weitgehend unterbelichtete Land. Das ist der Fall in „Der Mann, der das Glück bringt“ genauso wie in „Zaira“, ein Roman, der schon 2008 erschien.
    In diesem Roman erzählt er die Lebensgeschichte der Rumänin Zaira, die in einer Familie von kleinen Gutsbesitzern und in einem bäuerlichen, wenig fortschrittlichen Rumänien aufwächst. Der Duft der großen weiten Welt weht immer dann in dieses Leben hinein, wenn ihre Mutter kurzzeitig auftaucht und von ihrem Leben in den Metropolen des Europas der ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts berichtet. Im rumänischen Dorf erlebt der Leser mit Zaira auch mit, wie Rumänien und viele seiner Bürger erst als Verbündete der Deutschen in den Zweiten Weltkrieg hineingezogen werden, um an dessen Ende als Verbündete der Russen mit einem kommunistisch ausgerichtetes Regime dazustehen. Für Zairas Familie bedeutet das den Verlust des Besitzes und eine vollkommene Unsicherheit über die Zukunft. Für Zaira bedeutet das vor allem auch die Aufgabe des alten Lebens und den Verlust der wichtigsten Bezugspersonen. Ihren Platz findet sie aber mit Erfolg als Puppenspielerin in der Großstadt Timisoara.
    Vier Männer spielen in Zairas Leben dann eine bestimmende Rolle: da ist Paul, ihr Jugendfreund, den sie später auch heiratet, obwohl ihre Beziehung nie über den Verrat gegenüber Zairas Familie bei der kommunistischen Machtübernahme hinwegkommt und so zu keiner erfüllenden Ehe führen kann. Da ist Traian, der Puppenspieler, von dem sie alles über das Puppenspiel lernt, über dessen Alkoholsucht aber ihre Beziehung letztlich zerbricht, obwohl er doch immer die große Liebe in ihrem Leben bleiben wird. Da ist Andrei, der Kommunist, der sie als Deckmantel für seine homosexuelle Beziehung benutzen will, um seine Parteikarriere nicht zu gefährden. Und da ist Robert, der Künstler, der mit ihr ins Ausland flieht und mit dem sie relativ gefühlsarm viele Jahre in den USA leben wird.
    Die tiefe Bindung zu dem Land Rumänien und der mit dem Verlust verbundene Schmerz ist in dem gesamten Roman und letzteres in den Teilen, die das Exil beschreiben, eine charakteristische Konstante, und ich kann nicht anders, als hier auch autobiografische Prägungen zu erkennen.
    „Da hatte sich bereits so viel Amerika angesammelt, dass vorerst kein Platz mehr für Rückkehr übrig geblieben war. … Ich flog nicht zum Begräbnis meiner Eltern.“
    Bei aller Verbundenheit zu dem Land und der Empathie, die aus dem Geschichtenerzählen von Florescu spricht, schildert er das Leben und die Gesellschaft in Rumänien doch auch durchaus mit einer kritischen Distanz, gleichsam als Leben in einem Käfig voller Narren, in dem letztlich von jedem das Spielen einer Rolle und das Absichern durch Beschützer gefordert ist.
    „Wir wussten alle, wie es war, in einem Käfig voller Narren zu leben, ohne aufzufallen. Das ging am besten, wenn man selber ein Narr war. Aber man durfte nie vergessen, dass man zu mehr taugte.“
    Zairas Rückkehr nach Rumänien zum Ende des Romans ist dann letztlich auch eine Rückkehr zu Traian und der Rest (die Zeit in Amerika) entpuppt sich als nicht mehr als ein Umweg auf ihrem Weg zu diesem Mann.
    Mein Fazit:
    Florescu schafft es in Zaira noch mehr als im „Mann, der das Glück bringt“, das Interesse des Lesers an diesem kleinen Land am Rande Europas und seiner mit Europa verschachtelten Geschichte zu wecken. Es gelingt ihm durch eine Sprache und eine Lebendigkeit, die unmittelbar filmreife Szenen in meinem Leserkopf entstehen lassen. Selten habe ich so farbige und detailgenaue Bilder im Kopf noch Tage und fast Wochen nach Lektüre des Buches. Wäre ich in der Filmbranche, würde ich ganz schnell versuchen, mir die Filmrechte des Buches zu sichern. Und der Leser fernab der Filmbranche sollte einfach diese schöpferische Kraft des Romans genießen und sich bei der Lektüre von „Zaira“ in eine fremde Welt entführen lassen.

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