4. Leseabschnitt: Seite 265 bis 369

alasca

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13. Juni 2022
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Das sind nun wieder Wendungen, die ich so nicht erwartet hätte. Dieser Abschnitt ist die reinste Religions-/Kirchensatire. Wie der junge Ekenstedt abdreht, seine pompösen Erleuchtungsauftritte, das selbstgefällige Sendungsbewusstsein - herrlich.

Dagegen der skeptische Dompropst und die Pröpstin, sehr sympathische Figuren. Überhaupt finde ich die weiblichen Figuren unglaublich modern, vor allem Anna Svärst, die Hausiererin. Sie wird sehr positiv beschrieben, zwar Analphabetin (was man leicht ändern könnte) und Pfeifenraucherin (skurril!), aber auch sehr intelligent und wach. Darüber hinaus auch integer, denn das Geld der Ekenstedts hat sie nur genommen, weil sie keine andere Möglichkeit sah und letztlich K-A nicht schaden wollte.

Und natürlich auch Charlotte, die sich auf ihre Ratio verlässt und ermutigt ist, nachdem sie erkannt hat, dass es die unglückselige Liebe der Frau Sunderer ist, die ihre Misere verursacht hat.

Das schwärmerische Schützenwollen von K-A durch sämtliche Frauen in seiner Umgebung nervt gewaltig!

Karl-Arthur dreht am Ende völlig ab und ist durch vernünftige Argumente nicht mehr zu erreichen. Seine spirituelle Eitelkeit verstellt ihm den Blick. Lagerlöf zeigt hier überzeugend, wie einfach es ist, alles in ein einmal gewähltes Glaubenssystem einzuordnen. An der Stelle ist sie unglaublich aktuell. Mir gefiel auch die psychologisch sehr moderne Analyse dessen, was bei der Erziehung von K-A schiefgegangen ist. Der Oberst macht Punkte bei mir;-) Schagerström auch. Obwohl er mir fast schon zu selbstlos ist - ich glaube nicht an Selbstlosigkeit.

Jedes Mal, wenn K-A eine Brücke zurück zu Charlotte gebaut wird, zittere ich: Er wird sie doch nicht nehmen? Glücklicher- und plausiblerweise tut er das nicht, und ich bin erleichtert - bis zur nächsten Komplikation.

Übrigens finde ich die kleine Schrift unglaublich anstrengend zu lesen - schaffe ich nur mit Maximalbeleuchtung oder Sonnenschein auf dem Blatt. Das Format ist nichts für Ältere - dabei sind wir doch die Zielgruppe, oder?
 

Die Häsin

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11. Dezember 2019
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Rhönrand bei Fulda
Übrigens finde ich die kleine Schrift unglaublich anstrengend zu lesen - schaffe ich nur mit Maximalbeleuchtung oder Sonnenschein auf dem Blatt. Das Format ist nichts für Ältere - dabei sind wir doch die Zielgruppe, oder?
Ich habe keine Probleme damit, und ich bin 65. Allerdings trage ich seit ein paar Jahren multifokale Linsen - beste Entscheidung ever. Ich kann ohne Anstrengung medizinische Beipackzettel lesen.
 

alasca

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13. Juni 2022
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Ich habe keine Probleme damit, und ich bin 65. Allerdings trage ich seit ein paar Jahren multifokale Linsen - beste Entscheidung ever. Ich kann ohne Anstrengung medizinische Beipackzettel lesen.
Wie sind etwa gleichaltrig - aber ich habe extrem trockene Augen. Ohne Augentropfen kriege ich manchmal morgens nicht mal die Augen auf. Linsen leider keine Option.
 

Eulenhaus

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13. Juni 2022
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Schagerström ist keine Hauptfigur, aber einige Details teilt uns die Autorin mit. Er war in der Familie ungeliebt, er sieht nicht gut aus und neigt zu Schwermut. Seine erste geliebte Frau (herzergreifende Liebesszene) hat er verloren, und er ist wie die Autorin sozial eingestellt. S. Lagerlöf hatte eine leichte körperliche Behinderung. Sie unterstützte ihre Angestellten und bot jüdischen Menschen Hilfe an.
 

Die Häsin

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11. Dezember 2019
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Schwung in die Erzählung bringt die Kutschen-Episode. Charlotte merkt, dass Schagerström Sympathie und mehr für sie empfindet.
Ich erwähnte ja bereits, dass dieses Buch einer der ersten "Erwachsenenromane" war, die ich als Kind gelesen habe. Die Szene in der Kutsche hat mich damals tief beeindruckt. Wie Schagerström nachts auf der Straße steht und zu sich sagt: "Ist das Charlotte Löwensköld gewesen??" - das ist ein einzigartiger Moment der Erkenntnis, in der das ganze Denken plötzlich vom Kopf auf die Füße gestellt wird.
 

ulrikerabe

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14. August 2017
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Jedesmal mehr denke ich mir, wie gut es uns doch geht, dass wir unseren Lebenspartner selbst wählen dürfen und alles mit diesem Menschen und nur mit diesem Menschen auszumachen, wie es um die Beziehung steht.

Da schachern - meist Männer - um die Zukunft Charlottes. Aber auch über Karl-Arturs Kopf hinweg.

Die Kutschenszene gehört zu meinen Highlights bei der bisherigen Lektüre.
 

Emswashed

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9. Mai 2020
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Die Kutschenszene fand ich grenzwertig. Charlotte bekommt mit, dass es Schagerström ist, der da zusteigt, hat sofort ein "Possenspiel" parat, hört aber nicht, wie Schagerström beim Verlassen der Kutsche aufgeklärt wird, wer seine Mitreisenden waren. Die Pröbstin hätte ja auch aufwachen und alles auffliegen lassen können.
Da sind mir solche Szenen, wie das Verhöhnen der angehenden Braut beim Verlassen der Kirche einfach glaubwürdiger.
Dieses ganze Hin und Her geht mir zunehmend an die Nieren. Ich hätte gedacht, dass Alltagssorgen und Lebensunterhalt etwas mehr Aufmerksamkeit beanspruchen und man keine Zeit zum Hinterherspionieren, Spielchen treiben und sonstiges hat.
Mir wird die Geschichte zunehmend plakativer, aber es liegt vielleicht auch an der Szenenhaftigkeit der Kapitel, die mich immer mehr an ein Theaterstück erinnern.

Interessant fand ich die Erwähnung des Haarschmucks. Ich habe solche Stücke schon live gesehen und bewundere die Handwerkskunst dahinter, finde es aber einfach nur gruselig, so etwas zu tragen.

Im Moment ist mir keiner der Protagonisten wirklich sympathisch. Intelligenz ist die Grundvoraussetzung für das wahre Böse... das einzige, was hier böse ist, ist das Schandmaul Thea Sunders, aber die scheint mir nicht wirklich schlau. Verkehrte Welt?
 

otegami

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17. Dezember 2021
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Dagegen der skeptische Dompropst und die Pröpstin, sehr sympathische Figuren.
Die Pröpstin könnte ich sowieso knuddeln: wie sie in die Kutsche steigt und den Scherz macht mit den zwei schönen Kavalieren! :joy (Hätte ich auch sein können! ;) )
Charlotte bekommt mit, dass es Schagerström ist, der da zusteigt, hat sofort ein "Possenspiel" parat,
Schon von Willam Shakespeare ist der Spruch überliefert: "Um ernst zu sein, genügt Dummheit, während zur Heiterkeit ein großer Verstand unerlässlich ist." (Und Charlotte musste da nicht lange überlegen! :rofl )
hört aber nicht, wie Schagerström beim Verlassen der Kutsche aufgeklärt wird, wer seine Mitreisenden waren.
Wo steht das, dass sie das nicht hört? :monocle
Die Pröbstin hätte ja auch aufwachen und alles auffliegen lassen können.
Die Pröpstin schätze ich so pfiffig ein, dass sie sich weiterhin schlafend gestellt und sich dabei köstlich amüsiert hätte! :helo
 

otegami

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17. Dezember 2021
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Nirgends, also denken wir uns das?!
D U denkst Dir das! Ich mir nicht! ;)
Oh, das ist gut, das hätte dann aber in den Text gehört.
Warum? Jeder schätzt das doch anders ein! (Und je nach Lebenseinstellung sieht er/sie das positiv oder negativ! ;) )
vor allem Anna Svärst, die Hausiererin. Sie wird sehr positiv beschrieben, zwar Analphabetin (was man leicht ändern könnte) und Pfeifenraucherin (skurril!), aber auch sehr intelligent und wach. Darüber hinaus auch integer, denn das Geld der Ekenstedts hat sie nur genommen, weil sie keine andere Möglichkeit sah und letztlich K-A nicht schaden wollte.
Wobei ich das Einmischen der Eltern mit dem Geldgeben von Karl-Artur auch total daneben finde! Aber total!!!! Als Sohn wäre ich da auch stocksauer gewesen! Aber als Pastor müsste er auch die Fähigkeit zum Verzeihen haben. Karl-Artur ist aber nur sowas von selbstgerecht! :p
Und natürlich auch Charlotte, die sich auf ihre Ratio verlässt und ermutigt ist, nachdem sie erkannt hat, dass es die unglückselige Liebe der Frau Sunderer ist, die ihre Misere verursacht hat.
Also die Szene mit den Gedanken beim Anblick der Amorette waren mir etwas zu heftig! :think (Damit konnte ich nichts anfangen! )
Mir gefiel auch die psychologisch sehr moderne Analyse dessen, was bei der Erziehung von K-A schiefgegangen ist. Der Oberst macht Punkte bei mir;-) Schagerström auch.
Gefiel mir auch sehr! Auch der Oberst und Schlagerström punkteten bei mir!
ich glaube nicht an Selbstlosigkeit.
Ich schon! (Habe ich auch schon öfters erlebt! :joy ) Drum finde ich es auch wahnsinnig wohltuend, das Buch zu lesen, abseits des üblichen ICH, ICH, ICH!

Erschütternd und aufwühlend empfand ich ja die Armenauktion! Wie die genutzt wird, zu billigen Arbeitskräften zu kommen! :mad:

(Also da ist Karl-Artur mit seiner Haltung echt in meiner Achtung gestiegen! Respekt! :thumbsup Boah, das ist so ein Wechselbad der Gefühle mit Karl-Artur: in dem einen Moment denke ich Wow und im nächsten finde ich ihn zum K....... :p ! Selma Lagerlöf macht das echt raffiniert! :) Langweilig wird's nicht!
 

Die Häsin

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11. Dezember 2019
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Selbstlosigkeit gibt es bei Selma Lagerlöf öfter, sie hat auch ganze Geschichten über das Erlernen von Selbstlosigkeit gelesen. Bei Nils Holgersson gibt es solche Szenen (Nils warnt einen Bären vor einem gerade die Flinte anlegenden Jäger, obwohl jener Bär ihn selbst bedroht - aber er "hat sich so daran gewöhnt, den Tieren zu helfen", dass er das eigene Wohl in dem Moment gar nicht bedenkt) und in "Der Fuhrmann des Todes" geht es fast nur um diesen Lernprozess.
 

RuLeka

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30. Januar 2018
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Er war in der Familie ungeliebt, er sieht nicht gut aus und neigt zu Schwermut. Seine erste geliebte Frau (herzergreifende Liebesszene) hat er verloren, und er ist wie die Autorin sozial eingestellt.
An ihm zeigt die Autorin, dass man auch ein guter, liebesfähiger Mensch sein kann, wenn man selbst wenig Liebe und Anerkennung erfahren hat. Diese Leidserfahrung macht ihn sensibel genug für den Kummer und die Sorgen anderer.
Während K A geliebt und verhätschelt wurde und deshalb egozentrisch und selbstgerecht geworden ist.
Heute geht man in der Pädagogik davon aus, dass ein Kind Liebe und Vertrauen erfahren muss, um selbst Liebe geben zu können. Das steht aber nicht im Widerspruch zu Lagerlöfs Menschenbild. Kritiklose Vergötterung von Kindern führt zu Egoisten. Elternliebe muss auch Grenzen aufzeigen und Empathie wecken für andere.
Ich hätte gedacht, dass Alltagssorgen und Lebensunterhalt etwas mehr Aufmerksamkeit beanspruchen und man keine Zeit zum Hinterherspionieren, Spielchen treiben und sonstiges hat
Was für Ablenkung von Alltagssorgen gab es denn damals für die einfachen Menschen. Natürlich blüht hier Klatsch und Tratsch.
Ich schon! (Habe ich auch schon öfters erlebt! :joy ) Drum finde ich es auch wahnsinnig wohltuend, das Buch zu lesen, abseits des üblichen ICH, ICH, ICH!
Da bin ich ganz bei Dir. Es gibt auch heute noch Menschen, die nicht zuallererst an sich und ihren Vorteil denken und es tut gut, von solchen zu lesen.
Erschütternd und aufwühlend empfand ich ja die Armenauktion! Wie die genutzt wird, zu billigen Arbeitskräften zu kommen! :mad:

(Also da ist Karl-Artur mit seiner Haltung echt in meiner Achtung gestiegen! Respekt!
Wobei er danach das sich Kümmern wieder anderen überlässt. Aber er ist nicht nur ein bigotter, selbstgerechter Mensch. So ein einfach gestricktes Weltbild hat Selma Lagerlöf nicht. Keiner ist nur gut oder nur böse, sondern jeder angenehme und weniger angenehme Seiten.
 

Die Häsin

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11. Dezember 2019
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Heute geht man in der Pädagogik davon aus, dass ein Kind Liebe und Vertrauen erfahren muss, um selbst Liebe geben zu können. Das steht aber nicht im Widerspruch zu Lagerlöfs Menschenbild. Kritiklose Vergötterung von Kindern führt zu Egoisten. Elternliebe muss auch Grenzen aufzeigen und Empathie wecken für andere.
Dass die Frau Oberstin kurzerhand ihre Tochter verlobt, um sich selbst und Karl Artur eine öffentliche Bekanntgabe seiner Prüfungsschlappe zu ersparen, hat wohl eine verheerende Wirkung auf sein Ego gehabt. So verlangt er ja später ganz selbstverständlich, dass seine Schwestern in Zukunft "den Armen und Kranken dienen sollen". Das ist die Bedingung für seine Versöhnung mit der Mutter, nachdem die halbe Familie ihm stundenlang kreuz und quer durch die Stadt hinterhergelaufen ist. Dass der Oberst darauf mit "Unsinn!" reagiert (S.368), ist eigentlich noch viel zu sanft - in meiner alten Übersetzung ruft er übrigens "Gewäsch!"
 

Barbara62

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19. März 2020
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Baden-Württemberg
mit-büchern-um-die-welt.de
Das sind nun wieder Wendungen, die ich so nicht erwartet hätte. Dieser Abschnitt ist die reinste Religions-/Kirchensatire. Wie der junge Ekenstedt abdreht, seine pompösen Erleuchtungsauftritte, das selbstgefällige Sendungsbewusstsein - herrlich.
Es verursacht mir Gänsehaut. Von mir aus darf jede und jeder glauben, was sie oder er will, aber ich reagiere äußerst empfindlich, wenn man mir meine Form des Glaubens vorschreiben möchte. K.-A. ist fest überzeugt, die allein seligmachende Form der christlichen Religion entdeckt zu haben. Was er von seinen Eltern verlangt ("Wenn mein Vater und meine Mutter ihre weltliche Lebensweise ändern..." S. 367) ist an Anmaßung und Überheblichkeit nicht zu überbieten. Diese Haltung empört mich geradezu, sie ist für viel Unglück in der Welt verantwortlich.

Ich habe keine Probleme damit, und ich bin 65. Allerdings trage ich seit ein paar Jahren multifokale Linsen - beste Entscheidung ever. Ich kann ohne Anstrengung medizinische Beipackzettel lesen.
Sind das Kontaktlinsen statt Gleitsichtgläsern? Ich wusste gar nicht, dass es das gibt!

Die Kutschenszene gehört zu meinen Highlights bei der bisherigen Lektüre.
Neben dem unfreiwilligen Haarschnitt für Thea Sundler.

(Also da ist Karl-Artur mit seiner Haltung echt in meiner Achtung gestiegen! Respekt! :thumbsup Boah, das ist so ein Wechselbad der Gefühle mit Karl-Artur: in dem einen Moment denke ich Wow und im nächsten finde ich ihn zum K....... :p ! Selma Lagerlöf macht das echt raffiniert! :) Langweilig wird's nicht!
Bei mir überwiegt eindeutig der K...-Anteil. Wofür kann man ihn bewundern? Selbst die Szene mit der Kinderauktion ist falsch. Klar, er ersteigert sie und schickt sie nach Hause, aber was erreicht er damit? Wovon werden sie in Zukunft satt? Es ist nur falsch verstandene Sozialromantik, keine Lösung.
 
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Barbara62

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19. März 2020
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Baden-Württemberg
mit-büchern-um-die-welt.de
In der Szene mit der Oberstin und Schagerström wird endgültig deutlich, dass sie ihren Sohn durchschaut und sein Verhalten missbilligt. Sie ist viel zu klug, um nicht zu erkennen, welche Schuld sie an seinem Wesen hat. Da sie ein aufrechter Charakter ist, müsste sie doch Charlotte vor der Ehe mit K.-A. bewahren und ihre Ehe mit Schagerström befördern - trotz ihrer abgöttischen Liebe zu ihrem Sohn? Vielleicht gibt es doch noch ein Happy End für Charlotte mit dem Mann, den sie verdient hätte?

Die Intelligenz liegt in diesem Roman schon eindeutig auf Seiten der Frauen, oder? Die Männer sind bei der Verteilung eher zu kurz gekommen. ;)