3. Leseabschnitt: Seite 134 bis 188

Literaturhexle

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2. April 2017
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Letzter Satz:

Dies ist unsere nächste Lebensaufgabe:
Annehmen.
Kreatürlich leben.
Wärme auf der Haut.
Verlass mich nicht.
 

Querleserin

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30. Dezember 2015
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Wadern
querleserin.blogspot.com
Der Leseabschnitt beginnt mit einer kurzen Zusammenfassung, wie Derden zum Malen gekommen ist.
Wunderbar finde ich den einen (!) Satz, den H.Schubert in den Buchumschlag seines Buches "Malgründe" geschrieben hat - in diesem Satz steckt der Prozess und die Hinwendung zum Malen sowie die Aufforderung, immer neu zu beginnen:
Eigentlich könnte jeder von uns täglich neu anfangen. (S.136)
Insofern macht der Roman auch Mut, Neues zu wagen, neue Wege zu gehen, sich zu trauen, Altvertrautes hinter sich zu lassen.
Offensichtlich hat eine Krankheit bei ihm zu den Veränderungen geführt.
Interessant fand ich auch den Ausflug in die Chatrooms, in denen sich H.Schubert anonym aufhält - um sich abzulenken? um teilzuhaben, ohne selbst sichtbar zu sein? um nicht allein zu sein?
Im Rückblick erzählt sie von dem Kontrast ihrer Berliner Wohnung zu dem Haus in dem Dorf in Nordwestmecklenburg - Anonymität vs. Frieden mit den Nachbarn halten. Eine Episode zum Schmunzeln, die ebenso wie der Ausflug in die Chatrooms etwas Erleichterung beim Lesen verschafft.
Schön finde ich auch, dass H.Schuber auch freundliches, menschliches Verhalten schildert, wie das der Polizisten - eine sehr anrührende Szene.
Im Kapitel über das Quittengelee (ich teile die Liebe der Autorin zu dieser Marmelade und auch ich würde es immer in einem schönen Glas mit der Aufschrift "Quittengelee" verschenken ;) )
realisiert H.Schubert, dass sie von den Kindern ihres Mannes Dankbarkeit erwartet - eine falsche Erwartung, wie sie erkennt.
Und genauso schleppte ich also seit Jahren unzutreffende und unerfüllbare Erwartungen mit mir herum wegen der falschen Beschriftung unserer Lebensumstände mit dem Etikett Familie oder Patchworkfamilie. (S.179)
Während sie die Hilfe erwartet, ist sie für die Kinder freiwillig, sie fühlen sich nicht zuständig, weil H.Schubert nicht ihre leibliche Mutter ist.
Könnte man jedoch nicht erwarten, dass sie ihren Vater pflegen bzw. aushelfen?
Schockierend, dass H.Schubert nicht gelingt, eine Vertretung zu finden. Der Pflegenotstand wird in dieser Szene wirklich greifbar.
 

Eulenhaus

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13. Juni 2022
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Quittengelee als Metapher für die große Liebe.
Schubert erkennt, dass in einer Patchworkfamilie andere Gesetze gelten und sie von einer falschen Harmonie ausgegangen ist. Von Derdens Kindern, anderen Bekannten und einigen Pflegeschwestern kann sie keine Hilfe erwarten. Wie Querleserin bemerkt, gibt es in der Pflege, vor allem auch der häuslichen, einiges zu verbessern.
Wenn die Autorin sich wieder einmal ärgert, denkt sie jetzt an Quittengelee.
In Phasen der Trauer und Verzweiflung erinnert sie sich an ihre große Liebe, auch Tränen heilen und besänftigen, Derdens wache Momente, seine Empathie und Liebe und das SCHREIBEN sind Hilfen. Auch ein Sahnejoghurt und der Amselgesang sind Lichtblicke.
 

RuLeka

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30. Januar 2018
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Insofern macht der Roman auch Mut, Neues zu wagen, neue Wege zu gehen, sich zu trauen, Altvertrautes hinter sich zu lassen.
Offensichtlich hat eine Krankheit bei ihm zu den Veränderungen geführt.
Auch das ist eine Episode, aus der ich viel mitnehme. Tröstend und mutmachend. Das hört man auch öfter, dass eine Krankheit auch eine Chance sein kann, andere Prioritäten zu setzen.
Interessant fand ich auch den Ausflug in die Chatrooms, in denen sich H.Schubert anonym aufhält -
Der Abschnitt hat mich witzigerweise ganz konkret gepackt. Meine geliebte Eberesche hat aufgrund der großen Trockenheit letztes Jahr einige dürre Äste und wir sind am Überlegen, wie viel man davon wegmachen kann. Aufgrund ihrer Form wäre das nicht so unansehnlich wie bei einer Birke.
sie von dem Kontrast ihrer Berliner Wohnung
Hier bekommt man gleichzeitig wieder etwas DDR-Alltag mit. Der Nachbar, über den sie Auskunft geben sollen, ist derjenige, der sie bespitzelt hat.
Während sie die Hilfe erwartet, ist sie für die Kinder freiwillig, sie fühlen sich nicht zuständig, weil H.Schubert nicht ihre leibliche Mutter ist.
Könnte man jedoch nicht erwarten, dass sie ihren Vater pflegen bzw. aushelfen?
Schockierend, dass H.Schubert nicht gelingt, eine Vertretung zu finden. Der Pflegenotstand wird in dieser Szene wirklich greifbar.
Das Argument, dass sie nicht die leibliche Mutter ist, kann ich nicht nachvollziehen. Es geht um Unterstützung für ihren Vater. Derden erwartet nichts von seinen Kindern, so kann er nicht enttäuscht werden. Aber ich finde, die machen es sich zu leicht. Es geht nicht um regelmäßige Pflege, doch ab und zu ein Besuch ( bei dem man zusätzliche Arbeit verursacht ) ist zu wenig.
Wie wenig Hilfe Helga Schubert bekommt, ist schon erschreckend. Die Bekannte mit ihrem psychologischen Geschwätz machte mich richtiggehend aggressiv. Den Spruch „ Ich muss auch mal an mich denken“ habe ich bisher immer von Leuten gehört, die nichts anderes tun.
Pflegenotstand - es wird einem Angst und Bange...
Als es bei meinem Vater immer schlimmer wurde, konnte meine Mutter nicht mehr. Er kam mit dem Krankenwagen ins Krankenhaus, weil langsam alle Organe versagten. Die Ärztin dort wollte nach einem Tag, dass ich mich sofort um eine Kurzzeitpflege kümmere. Klar, die warten dort nur, dass mal jemand anruft. Zum Glück konnte mein Vater nach zwei Tagen sterben. Das darf man heute auch nicht mehr im Krankenhaus.
 

otegami

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17. Dezember 2021
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Könnte man jedoch nicht erwarten, dass sie ihren Vater pflegen bzw. aushelfen?
Es geht um Unterstützung für ihren Vater.
Da denke ich immer noch an den Pflegekurs, den ich besucht habe, als meine Eltern älter wurden und das Thema Pflege in der Luft lag. (Ich wollte gerüstet sein!) Unsere Kursleiterin (tough und sehr kompetent) sagte zu uns, dass sie gerne in der Pflege arbeitete, aber die Pflege ihrer Eltern für sie jenseits aller Vorstellungskraft wäre - das wäre 'zu nah dran'!
Aber ich finde, die machen es sich zu leicht. Es geht nicht um regelmäßige Pflege, doch ab und zu ein Besuch ( bei dem man zusätzliche Arbeit verursacht ) ist zu wenig.
Da gebe ich Dir vollkommen Recht! :thumbsup (Aber die Kinder sehen es rein als Entlastung für s i e und das ist ihnen zu viel! :sad Das sehen sie nicht ein!

Als es bei meinem Vater immer schlimmer wurde, konnte meine Mutter nicht mehr.
War bei uns auch so, auch wenn meine Familie und ich (bin die einzige) sie tatkräftig unterstützten. Ich kümmerte mich um eine Kurzzeitpflege, schnappte mir meine Mutter und fuhr mit ihr ein paar Tage weg, dass sie rauskam und etwas anderes sah. Mein Mann und die Kinder besuchten meinen Vater jeden Tag in dieser Zeit. Und konnten jeden Tag beobachten, wie er immer mehr verfiel. (Meine Mutter und ich waren total erschrocken, als wir ihn wieder besuchten.) Er aß nichts mehr und wir wurden gefragt, ob deine Magensonde eingesetzt werden solle.
Meinem Vater? Der immer die Meinung vertreten hatte, dass jeder Mensch ein Schräubchen auf dem Rücken haben sollte, dass er dann betätigen kann, wenn das Leben für ihn nicht mehr lebenswert ist?
Er kam nur noch zum Sterben heim! Aber das fand im Kreise der Familie statt! :sad
Könnt Ihr Euch vorstellen, was für Vorwürfe sich meine Mutter machte?

Hier bekommt man gleichzeitig wieder etwas DDR-Alltag mit. Der Nachbar, über den sie Auskunft geben sollen, ist derjenige, der sie bespitzelt hat.
Da musste ich auch lachen! Unsere (Ost)-Berliner Freunde, die wir nach der Wende kennengelernten, haben uns auch jahrelang erzählt, dass 'man' das doch in der DDR 'wusste', wer zur Stasi gehöre. Das hätte man an x Kleinigkeiten gemerkt, z.B. auch an der Kleidung.
Und dann machten wir zusammen einen Kurzurlaub im Bayr. Wald und in einem Café traf Manfred einen früheren Kollegen. Tja, und da war die ganze Außenwelt weg (auch wir! :rofl ), so intensiv unterhielten sie sich. So tauschten sie sich aus, ob sie schon 'gegauckt' geworden wären (sprich: ihre Stasi-Akten eingesehen hätten). Und da kam doch wirklich raus, dass nicht der Kollege, von dem sie es erwartet hatten, alles der Stasi verraten hatte, sondern ein besonders guter freundschaftlicher Kollege, mit dem sie auch zusammen Sport betrieben hatten. Seitenweise wurde da jede Unterhaltung aufgeführt! :oops:
Seiner Frau war das dermaßen peinlich, denn sie wusste ja in diesem Augenblick genau, w a s in unseren Köpfen da vorging! (Nein, dieser Vorfall wurde nie zwischen uns erwähnt, sie wurden dann nur vorsichtiger mit ihren Behauptungen! :rofl )
 

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29. März 2022
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Während mich die Episoden zum DDR-Alltag nicht so ansprechen, keine Ahnung warum, berührt mich das Thema Pflegenotstand umso mehr. Das wird ja auch das Thema der Zukunft sein.
Manchmal frage ich mich, wer sich dann um alleinstehende Menschen kümmert? Dabei gibt es, wie Schubert eindrücklich gezeigt, genügend Familien, wo zwar Familie da ist, sich für die Pflege aber nicht zuständig fühlt. Ich? Andere Verplichtungen? Ich? Eigene Familie, keine Blutsverwandtschaft? Ich? Aber das ist doch Deine Aufgabe! Wirklich erschreckend!!
Die Metapher mit dem Quittengellee habe ich leider nicht zu 100 Prozent verstanden: Kann mir das noch mal jemand erklären?
 
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Federfee

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13. Januar 2023
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Wie vielseitig Johannes Helm (Derden) ist. Leider gibt es sein Buch 'Malgründe' nicht mehr (sehr schöner zweideutiger Titel). Und dann als er sich gesundheitlich schonen muss – warum eigentlich genau?? - geht es erst richtig los mit seinen kreativen Aktivitäten. Bewundernswert und anregend.

Und immer wieder ihr verständnisvolles Umgehen mit seiner Demenz, hier die Eidechsen und Mäuse im Bett. Geschickt wie sie das macht.

Auch ein Diskussionspunkt und Überlegungen von Helga Schubert: die Sache mit den Kindern und ihre Hilfe bzw. Nicht-Hilfe. Derden verteidigt sie, sie haben ihr eigenes Leben und auch die Pflegeschwestern teilen ihre Erfahrungen. Ich kann mir gut vorstellen, dass sowohl die Kinder als auch der Kranke/die Kranke selbst ein Schamgefühl haben und sich lieber von einer Pflegekraft versorgen lassen als vom eigenen Kind. Auch möglich: die Angst der Kinder, ihre eigene mögliche Zukunft zu sehen. Allerdings könnten sie ihn wenigstens mal besuchen. Aber vielleicht tun sie das ja?​
 

Federfee

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13. Januar 2023
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Insofern macht der Roman auch Mut, Neues zu wagen, neue Wege zu gehen, sich zu trauen, Altvertrautes hinter sich zu lassen.
Das fand ich auch sehr anregend und ganz großartig von Derden, seine Zeit gut zu nutzen. Ein vielseitig interessierter und begabter, kreativer Mann.
Interessant fand ich auch den Ausflug in die Chatrooms, in denen sich H.Schubert anonym aufhält - um sich abzulenken? um teilzuhaben, ohne selbst sichtbar zu sein? um nicht allein zu sein?
Ich habe es so verstanden, dass sie nicht alleine sein wollte.
Dorf in Nordwestmecklenburg
Es war ein Künstlerdorf, wo viele Schriftsteller wohnten, auch Christa Wolf.
Könnte man jedoch nicht erwarten, dass sie ihren Vater pflegen bzw. aushelfen?
Schockierend, dass H.Schubert nicht gelingt, eine Vertretung zu finden. Der Pflegenotstand wird in dieser Szene wirklich greifbar.
Pflegen darf man nicht erwarten; sie haben sicher ihre Berufe und Familienpflichten. Aber Besuche, die sollten schon sein.
In Phasen der Trauer und Verzweiflung erinnert sie sich an ihre große Liebe, auch Tränen heilen und besänftigen, Derdens wache Momente, seine Empathie und Liebe und das SCHREIBEN sind Hilfen. Auch ein Sahnejoghurt und der Amselgesang sind Lichtblicke.
Das sind die kleinen Dinge des Lebens, die man wertschätzen sollte.
Hier bekommt man gleichzeitig wieder etwas DDR-Alltag mit
Mich hat das interessiert, wieder ein paar authentische Mosaiksteinchen.
Aber ich finde, die machen es sich zu leicht. Es geht nicht um regelmäßige Pflege, doch ab und zu ein Besuch
Ja, das finde ich auch!!
 

Federfee

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13. Januar 2023
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Die Matapher mit dem Quittengellee habe ich leider nicht zu 100 Prozent verstanden: Kann mir das noch mal jemand erklären?
Das mit dem Quittengelee halte ich nicht für eine Metapher, aber die falsche Etikettierung hat sie zum Nachdenken gebracht und zur Erkenntnis, dass sie auch ihr Familienleben 'falsch etikettiert' hat und dass sie zu viel erwartet hat. Sie ist ja nicht die leibliche Mutter. Und wenn sie sich in Zukunft nicht mehr darüber ärgern will, denkt sie an 'Quittengelee'.
 

Literaturhexle

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2. April 2017
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Hm. Also dieser LA hat für mich in der Intensität deutlich nachgelassen und Federfees Satz "Die Seiten müssen halt gefüllt werden " ist durch meinen Kopf gesaust....
Auf die besseren Themen habt ihr oben schon Bezug genommen. Da empfinde ich vieles wie ihr.

Diese vielen Seiten und Meinungen über die Birke, um zu zeigen, dass man in Chatrooms auch nachts Gesellschaft finden kann. Echt jetzt? Oder ist der Baum auch eine Metapher, dass es nach dem Tod weitergehen kann und neue Triebe sprießen?

Die Kinder machen es sich maximal leicht, gehen den Weg des geringsten Widerstands. Dieses Verhalten allein dem Patchwork zuzuschieben, greift in meinen Augen zu kurz. Helga ist eine gläubige, ihren Nächsten zugewandte Person. Sie wird dadurch ausgenutzt. Ich würde doch keinen Seitenstreifen zum Nachbarn umgraben, weil der Angst vor Unkraut hat! Man lebt auf dem Land, Pflanzen wachsen. Er muss selbst schauen, dass es nicht rüberwächst. Die Kinder wissen alle, dass ihre Ablehnung keinerlei Konsequenzen nach sich ziehen und Helga andere Lösungen suchen wird. Helga sucht immer menschenfreundliche Erklärungen. Die gibt es nicht immer. Manche Menschen sind Egoisten. In vielen Familien wird eine Dumme gesucht und gefunden. Die anderen können dann gut sagen, dass "die Pflege ihnen nicht so liegt"... Wem liegt sie schon? Es gibt Dinge, die gemacht werden müssen. Da sollten alle Beteiligten zusammenhalten, sei es materiell oder ideell. Wegdrücken gilt nicht. Helga findet immer Entschuldigungen für die anderen, hinterfragt ihr eigenes Unwohlsein bis zum Exzess, beruhigt sich mit Quittengelee.

Die anrufende Frau, die das Rabenbuch erwerben wollte.
Der Klau der Rasentraktoren
Der Polizeinotruf
Der Alkoholiker im Imbiss

Alles Anekdoten, die ganz nett sind, aber nur entfernt in den Kontext passen aus meiner Sicht.

Obwohl die Seiten dürftig beschrieben sind, hat sich der LA für mich gezogen.
 

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29. März 2022
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Helga sucht immer menschenfreundliche Erklärungen. Die gibt es nicht immer. Manche Menschen sind Egoisten. In vielen Familien wird eine Dumme gesucht und gefunden. Die anderen können dann gut sagen, dass "die Pflege ihnen nicht so liegt"... Wem liegt sie schon? Es gibt Dinge, die gemacht werden müssen. Da sollten alle Beteiligten zusammenhalten, sei es materiell oder ideell. Wegdrücken gilt nicht. Helga findet immer Entschuldigungen für die anderen, hinterfragt ihr eigenes Unwohlsein bis zum Exzess, beruhigt sich mit Quittengelee.
Sehr gut zusammengefasst. Ich teile Deine Meinung vollends.
Die Gutmütigen werden in der Regel immer ausgenutzt. Aber sind sie es selbst schuld, eben weil sie zu gutmütig sind? :think
Für die Anderen ist es bequem, noch mehr auf deren Schultern zu laden. Wehrt sich so eine gutmütige Person dann mal, fallen alle aus den Wolken...
 

RuLeka

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30. Januar 2018
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Helga sucht immer menschenfreundliche Erklärungen. Die gibt es nicht immer. Manche Menschen sind Egoisten. In vielen Familien wird eine Dumme gesucht und gefunden. Die anderen können dann gut sagen, dass "die Pflege ihnen nicht so liegt"... Wem liegt sie schon? Es gibt Dinge, die gemacht werden müssen. Da sollten alle Beteiligten zusammenhalten, sei es materiell oder ideell. Wegdrücken gilt nicht. Helga findet immer Entschuldigungen für die anderen, hinterfragt ihr eigenes Unwohlsein bis zum Exzess, beruhigt sich mit Quittengelee.
Da stimme ich Dir bei. Ich kann hier nicht wie Helga Schubert alles entschuldigen, sondern hätte einen gehörigen Zorn auf diese Menschen. Allerdings glaube ich ihr ihre Menschenfreundlichkeit. Wenn ich sie in Interviews erlebe, bestätigt das den Eindruck, den ich beim Lesen von ihr bekomme. Sie versucht das Positive zu sehen, sich nicht von negativen Gedanken z.B. über andere runterziehen zu lassen.
Aber sind sie es selbst schuld, eben weil sie zu gutmütig sind? :think
Vielleicht. Aber damit entschuldigen die anderen sich nur selbst. Was macht man, wenn man von klein auf Verantwortung tragen musste und sich dann später für alles verantwortlich fühlt? Ich z.B. bin in dieser Richtung „ falsch“ programmiert worden, das kriegt man schlecht wieder raus.
Aber heißt das, ich erziehe meine Kinder zu gnadenlosen Egoisten, damit sie sich mal nicht ausnutzen lassen. Hätten alle etwas mehr Verantwortungs- und Pflichtgefühl , würde nicht alles an Wenigen hängen bleiben.
 

Federfee

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13. Januar 2023
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Diese vielen Seiten und Meinungen über die Birke, um zu zeigen, dass man in Chatrooms auch nachts Gesellschaft finden kann. Echt jetzt? Oder ist der Baum auch eine Metapher, dass es nach dem Tod weitergehen kann und neue Triebe sprießen?
Ich sehe es so, dass sie uns zeigen wollte, dass sie sich einsam fühlt und wie sie die Nächte verbringt. Sie scheint wenig Schlaf zu brauchen.
Helga sucht immer menschenfreundliche Erklärungen. Die gibt es nicht immer. Manche Menschen sind Egoisten. In vielen Familien wird eine Dumme gesucht und gefunden. Die anderen können dann gut sagen, dass "die Pflege ihnen nicht so liegt"... Wem liegt sie schon? Es gibt Dinge, die gemacht werden müssen. Da sollten alle Beteiligten zusammenhalten, sei es materiell oder ideell. Wegdrücken gilt nicht. Helga findet immer Entschuldigungen für die anderen, hinterfragt ihr eigenes Unwohlsein bis zum Exzess, beruhigt sich mit Quittengelee.
Stimmt, das ist sehr beschönigend von ihr, vielleicht auch Selbstschutz, um nicht zu verzweifeln, dass sie die ganze Last trägt. Dass die Kinder sich nicht an der Pflege beteiligen, kann ich verstehen, aber dass sie ihren Vater anscheinend wenig besuchen, DAS finde ich traurig. Sie könnten die Stiefmutter auch entlasten, indem sie mal zwei Stunden oder so auf den Vater aufpassen.
Die anrufende Frau, die das Rabenbuch erwerben wollte.
Der Klau der Rasentraktoren
Der Polizeinotruf
Der Alkoholiker im Imbiss

Alles Anekdoten, die ganz nett sind, aber nur entfernt in den Kontext passen aus meiner Sicht.

Obwohl die Seiten dürftig beschrieben sind, hat sich der LA für mich gezogen.
Die meisten hier sind ja anderer Meinung, aber ich finde einige Passagen überflüssig, es sind so Anekdötchen, Vorkommnisse, die ihr wahrscheinlich in der Nacht beim Schreiben einfallen. Da ich nun gerade das Buch von Gabriele von Arnim lese, sehe ich den Unterschied deutlich, inhaltlich und sprachlich.
 

dracoma

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16. September 2022
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49
Oder ist der Baum auch eine Metapher, dass es nach dem Tod weitergehen kann und neue Triebe sprießen?
Oh je, ich habe das tatsächlich so gelesen, denn wieso schreibt sie diese Chats sonst wortwörtlich auf? Auf alle Fälle: der nächtliche Chat vertreibt ihr die Einsamkeit, ist für sie ein bisschen Ablenkung und ein Blick in eine andere "normale" Welt.
Aber wieso die wortwörtliche Wiedergabe?

Ich habe mir das so zurechtgelegt:

Letztlich geht es in diesem Chat um Eingriffe in die Natur: soll ich eingreifen und die Äste etc. kürzen? Oder soll ich den Baum einfach wachsen lassen, wie er mag? Das ist doch auch das Problem, das ihr die Ärzte etc. vorgeführt haben: auch sie soll buchstäblich "kürzen" und in das Leben ihres Mannes eingreifen.
Und der letzte Satz ist dann Programm:
"ich lass ihn so, wie er ist" (S. 151).

Allerdings glaube ich ihr ihre Menschenfreundlichkeit.
Das haben wahre Christenmenschen oft so an sich.
Sie ist Psychiaterin, und mit dieser Einstellung zu anderen Menschen geht es einem sicher (???) besser.
Aber sie hat auch ihre Grenzen, wenn sie sich mit ihrem Mann über dessen Kinder streitet und sie egoistisch findet. Ihr Mann dagegen hat eine ganz klare Linie: er liebt seine Kinder bedingungslos, egal, wie sie sich verhalten.
 

dracoma

Bekanntes Mitglied
16. September 2022
1.731
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Der Alkoholiker im Imbiss
Das war, finde ich, eine sehr traurige und zugleich freundliche Szene. Diese Mann hilft ungebeten, ganz anders als die Nachbarin, und er freut sich, mit ihnen zu sprechen und ihnen das Leben momentan etwas zu erleichtern.
Er selber sieht sich aber nicht fähig, sein Leben zu ändern. Aber hat ihr Mann nicht in hohem Alter seinem Leben auch noch eine neue Richtung geben können?
Dieser Mann ist einer, der sich aufgegeben hat.

H. Sch. erbringt eine Gegenleistung aus ihrer beruflichen Vergangenheit: den Ratschlag, bis 12 h keinen Alkohol zu trinken.
Ob das was nützt?
aber ich finde einige Passagen überflüssig, es sind so Anekdötchen, Vorkommnisse, die ihr wahrscheinlich in der Nacht beim Schreiben einfallen.
Ich denke, dass sie einen anderen Ansatz als Gabriele Arnim hat. H. Sch. erzählt einfach vom heutigen Tag und seinen Plagen, so wie es das vorangestellte Matthäus-Zitat sagt. Und zum heutigen Tag gehören eben viele Facetten, viele kleine Dinge, die ihr und ihrem Mann in ihrer besonderen Situation wichtig sind.