1. Leseabschnitt: Prolog bis Karton 1/7 (Seiten 7 bis 70)

Wandablue

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18. September 2019
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Brandenburg
Oh, ihr seid wieder so schnell!!!!
Ich bin genau so unvorbereitet in die Geschichte geplumpst wie die Hexe.
Und es gefällt mir gleich. Der Stil gefällt mir. Ich mag Erpenbecks Art, zu erzählen. Hat jemand Hansens Geburtsjahr errechnet?

Was erzählt Jenny uns?
Sie erzählt uns DDR Geschichte. Man hatte früh Sex, heiratete früh und ließ sich öfters scheiden als in der BRD. In den Westen kann man nur starren. Man ist aber mit ihm verbunden. Die Luft von drüben weht herüber. Und manche bekommen Westpakete und haben Westverwandtschaft.

Wie kommt Erpenbeck auf die Idee, Westdeutschland hätte je aufgehört, die Vereinigung zu wollen und zu erhoffen? Das erste was mir in meinem Studium eingebläut wurde, war, dass die Präambel des Grundgesetzes explizit eine vorläufige ist und die Wiedervereinigung quasi gesetzlich in unsere Köpfe geschrieben ist. War sie bei mir nicht. Ich bin im Süden unbeleckt von DDRSehnsucht aufgewachsen. Hatte keine Ostverwandtschaft. Aber von diesem Tag an habe ich meine Einstellung geändert. Also. Stimmt nicht, Jenny. Die Intellektuellen und die Politik haben immer mit der Möglichkeit gerechnet, dass das Blatt sich wieder wendet. Sonst wäre die WV auch nicht passiert.

....

Wir haben eine Liebesgeschichte. Die absolut schmachtig ist. Aber nicht schmachtig erzählt. Was Katharina an Hans findet, kann ich mir sehr gut vorstellen. Ein ganzer Kerl. Ein Mann, kein Junge. Sie denkt sich nichts dabei. Natürlich streift der Gedanke an ein gemeinsames Leben sowohl Katharina wie auch Hans. Aber beide wissen, das kommt nicht in Frage.

Es wird Brecht zitiert. Sehr gut. So wie ich Auster mag, mag ich auch Brecht. Und Brecht war vorher!

Am Rand der Liebesgeschichte erleben wir die DDR. Ostberlin. Ostreisen.

Hans: hat immer schon Affären gehabt. Dieses Mal hat es ihn etwas ernsthafter erwischt.
Das wissen wir wegen des Prologs. Ich mag ihn (natürlich) nicht. Er ist ein Arsch. Ein Womanizer. Steigt jedem Rock hinterher.
 
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Wandablue

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18. September 2019
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Brandenburg
Mir gefällt der Einstieg in den Roman sehr gut. Es ist der Erpenbeck- Sound, den ich auch zuvor schon mochte.
*unterschreib.
Und dass sie uns nicht nur eine private Liebesgeschichte erzählen will, ist mir sehr recht. Auch mich interessiert das Zeitkolorit und die Auslassungen zur Hymne finde Ich spannend.
*unterschreib.

Ja, also als Ossimädchen
Wie schön!!! dass du dabei bist. Aber die Kriminalitätsrate war doch gering? Oder meinst du in Punkto häusliche Gewalt und so? So weit ich mich von damals an die Filme aus der DDR erinnere, wurde dort immer unheimlich viel geschluckt und zu Hause herrschte Resignation und Sex. Abwechselnd. Sie hatten eine besonders Atmosphäre - ich liebte Filme aus der DDR

Wird in den NBL nicht gelesen?!
Oh doch, bestimmt.

Das ist doch nicht jovial. Eher macht er es sich einfach,
Er ist ein Arsch. Aber mit 19 ist man geschmeichelt, dass ein Autor, der sogar gedruckt wurde, sich für einen interessiert. Er sagt ihr ja auch gleich, dass er ein Promi ist.

Es ist zwar gutzuheißen, dass es ihm nicht nur um den Sex geht, aber auf mich wirkt manches etwas oberlehrerhaft
Sie hört ihm zu. Vllt hört Ingrid nicht mehr zu. Ich habs auch gern, wenn mir jemand zuhört.

Was mich an dieser Beziehung stört, ist gar nicht so sehr der Altersunterschied, sondern dass sie nicht auf Augenhöhe stattfindet.
53 und 19: Augenhöhe ist völlig unmöglich. Dennoch respektiert H. Katharina. Aber für K. ist das sicher ein Gewinn. Und das funktioniert doch bis heute gut. Junges Mädel lernt von älterem Herrn - eine gewisse Zeitlang ist das nur von Vorteil.
 

RuLeka

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30. Januar 2018
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Vllt hört Ingrid nicht mehr zu
Oberlehrer erträgt man in einem bestimmten Alter oder nach einiger Zeit nicht mehr.
Wie kommt Erpenbeck auf die Idee, Westdeutschland hätte je aufgehört, die Vereinigung zu wollen und zu erhoffen?
Wurde das in der DDR so dargestellt?
Für mich gilt das gleiche wie für Dich. Ich hatte keinerlei privaten Bezug zum Osten und für mich war klar, dass es zwei unterschiedliche Staaten waren und hielt alles andere für politische Nostalgie.
mag ich auch Brecht.
vor allem seine Gedichte
 

Wandablue

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Brandenburg
Oberlehrer erträgt man in einem bestimmten Alter oder nach einiger Zeit nicht mehr.
Er erzählt interessante Dinge (z.B. über Musik), die K. nicht weiß. Ingrid aber hat sie sicherlich schon xmal angehört. Das kennen wir doch. Ich kenne die Witze, die mein Mann von sich gibt, auch. Witziger als die Witze ist es doch, wie er an ihnen fest hält ;)).
 

Wandablue

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Brandenburg
Das finde ich auch geschmacklos, bin genauso altmodisch in dieser Beziehung. Katharina liegt dann zwar auf seiner Bettseite, aber so bleibt ihm ihr Geruch, wenn er wieder neben seiner Frau liegt.
Hahahaha, was ihr alles so gelten lässt. Das ist doch völlig unwichtig in diesem Zusammenhang. (Also nicht in der Beziehung). Untreue ist geschmacklos. Und ins Haus bringen ist noch geschmackloser. Man kanns zwar immer noch steigern, aber eigentlich ist eine weitere Differenzierung unnötig.
 
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RuLeka

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30. Januar 2018
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Hahahaha, was ihr alles so gelten lässt. Das ist doch völlig unwichtig in diesem Zusammenhang. (Also nicht in der Beziehung). Untreue ist geschmacklos. Und ins Haus bringen ist noch geschmackloser. Man kanns zwar immer noch steigern, aber eigentlich ist eine weitere Differenzierung unnötig.
Die andere Bettseite war für mich keine Entschuldigung. Es wirkt vordergründig, als hätte Hans wenigstens so viel Scham und „ schützt „ die Seite seiner Frau. Dabei zieht er zusätzlich Lust aus ihrem Geruch.
 

Barbara62

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Ich war 1983 im Referendariat und damals Mitte Zwanzig und hatte einen Kollegen, 50 Jahre alt, den ich sehr attraktiv und interessant fand. Die Achtziger sind da nicht so viel anders als heute, in den 1950er Jahren wirkten dreißigjährige Männer und Frauen für heutige Begriffe uralt.
Ich finde, 19 und Mitte 20 ist ein großer Unterschied. Du hattest das Studium hinter dir, Katharina hat es vor sich, kommt direkt aus der Schule. In diesem Alter zählt jedes Jahr mehrfach. Ich kann die Liebe von ihrer Seite nicht ganz ernst nehmen, die Grenze zur Schwärmerei ist zu fließend. Es hat ja auch nicht gehalten.
 

Renie

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53 und 19: Augenhöhe ist völlig unmöglich.
Da hast du Recht, wobei hier sicherlich die zarten 19 Jahre von Kathi das Problem sind. Sie ist noch mehr Jugendliche als Erwachsene, wohnt noch zuhause, hat Spaß an Mädelskram etc. Ihr fehlen noch ein paar Jährchen geistiger Reife, um Hans auf Augenhöhe begegnen zu können.
 

Barbara62

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Ja! In der DDR galt der Westen als böse. Es wurde alles verboten, was westlich beeinflusst war (Westfernsehen, westliche Musik...). Westpakete, Reisen auf Antrag war alles, was noch geradeso ging. Aber auch hier war man durchaus der Bespitzelung durch die Stasi ausgesetzt.
Umgekehrt war es aber auch so, dass die DDR als Inkarnation des Bösen galt. Ich erinnere mich daran, dass die geringste Kritik an politischen Verhältnissen mit einem "dann geh doch in die OSTZONE" beantwortet wurde. Bei der obligatorischen Berlin-Reise in der 11. Klasse war ein Tag in Ostberlin inbegriffen. Das viele Grau hat mich damals regelrecht erschreckt.
 

Naibenak

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Was mir übrigens auffällt, weil so DDR-typisch: es wird Korn getrunken. Hans trinkt es ja quasi immer nach dem Essen. Mein Papa trank das Zeug früher auch ganz gern ;-) daran erinnere ich mich. In der Skatrunde gab es immer Bier und Korn *lol*
 

Naibenak

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So weit ich mich von damals an die Filme aus der DDR erinnere, wurde dort immer unheimlich viel geschluckt und zu Hause herrschte Resignation und Sex. Abwechselnd.
Also wie ich bereits schrieb, wurde unheimlich viel geheimgehalten. Alles wurde zensiert. Auch Filme durften nicht alles zeigen. Die DDR war bemüht, sich nach außen als Vorzeigestaat zu präsentieren. Der Sozialismus sei das erstrebenswerteste überhaupt. Keine Arbeitslosigkeit, keine Kriminalität, gute Sozialstruktur... Fakt ist aber (und das weiß ich aus erster Hand bzw aus Dokumentationen aus den letzten Jahren), dass ganz vieles davon Schein war. Und vorallem ein Kontrast zur offensichtlich deutlich "schlimmeren" westlichen Welt. Quasi war die DDR ein riesiger Fake ;-)
 

Literaturhexle

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Mein Papa trank das Zeug früher auch ganz gern ;-) daran erinnere ich mich. In der Skatrunde gab es immer Bier und Korn *lol*
Das dürfte dann ein gesamtdeutsches Phänomen sein;)
Der "Hardthäuser (?) Doppelkorn" (der mit dem Wildschweinkopf) war Stammgast in meinem Elternhaushalt. Danach kam "Zinn 40". Beide Spirituosen haben sich zwischenzeitlich überlebt.
 
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Wandablue

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Ich finde, 19 und Mitte 20 ist ein großer Unterschied. Du hattest das Studium hinter dir, Katharina hat es vor sich, kommt direkt aus der Schule. In diesem Alter zählt jedes Jahr mehrfach. Ich kann die Liebe von ihrer Seite nicht ganz ernst nehmen, die Grenze zur Schwärmerei ist zu fließend. Es hat ja auch nicht gehalten.
Die Eltern nehmen das nicht so ernst. Es ist halt eine Phase, denken sie. Vllt sogar eine bereichernde Phase. Wird schon vorbeigehen. (Tuts ja in der Regal auch und erste Liebe ist oft schmerzhaft, ganz normal).