Rezension Rezension (5/5*) zu Hamburg Rain 2084. Die Seuche: Dystopie (KNAUR eRIGINALS) von Andreas Geist.

Mikka Liest

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14. Februar 2015
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Hilter am Teutoburger Wald
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Flesh and Machines

Über die Handlung will ich noch gar nicht so viel verraten, aber meines Erachtens geht es um diese zentralen Themen:

a) Die Abhängigkeit des modernen Menschen von der Technik und b) kybernetische Systeme.

Kybernetik bezeichnet die Lehre der (Selbst-)Steuerung und Regelung komplexer Systeme. Dabei kann es sich zum Beispiel um maschinelle oder organische Strukturen handeln: auf der einen Hand Künstliche Intelligenz, auf der anderen parasitäre Bazillenkulturen.

Es gibt Experten für Robotik und Kybernetik, die davon ausgehen, dass wahre Künstliche Intelligenz sich nicht programmieren lässt, sondern sich erst dann selber entwickeln wird, wenn Computerprogramme die Komplexität des menschlichen Gehirns bzw neuronaler Netze erreicht haben.

Ich will hier keinen Vortrag über K.I. halten, aber in meinen Augen verknüpft Andreas Geist genau diese Themen zu einer intelligent geschriebenen und spannenden Geschichte! Auch andere Themen fließen ein, wie Religion oder soziale Gerechtigkeit.

In der Welt von "Hamburg Rain 2084" ist Künstliche Intelligenz allgegenwärtig: wahrscheinlich kann man sich nicht mal mehr eine Zahnbürste kaufen, die NICHT den pH-Wert des Speichels misst und an die Krankenversicherung weiterleitet. Abertausende von Programmen, mit abertausenden von Subroutinen, verbunden in einem gigantischen Netzwerk...

Hamburg steht an der Schwelle, fast schon mehr monströses Lebewesen als Stadt, und der Mensch ist in dieser in sich abgeschlossenen Welt ein Parasit.

Unzählige Details machen die Welt und ihre Technik glaubhaft und in sich schlüssig, und ich war
sehr beeindruckt davon, dass der Autor sich bei der enormen Komplexität der Geschichte nicht in Widersprüche verstrickt! Nur gegen Ende passieren ein paar Dinge, die mir dann doch ein bisschen zu abgehoben vorkamen, aber darauf kann ich hier nicht näher eingehen, ohne schon zu viel zu verraten.

Im Großen und Ganzen fand ich die Auflösung aber unglaublich interessant - faszinierend und einfach umwerfend originell, und im Nachhinein machen manche Dinge aus den ersten Bänden auf einmal mehr Sinn (wie z.B. die häufige Erwähnung des Nutrisators).

Beim Lesen muss man einerseits wirklich dranbleiben und mitdenken. andererseits manchmal aber auch Dinge einfach akzeptieren. Sonst raucht einem irgendwann der Schädel... System Overload!

Obwohl sie sich also nicht immer einfach lesen lässt, hat die Geschichte mir dennoch viel Spaß gemacht. Ich fand sie unterhaltsam, spannend und kein bisschen vorhersehbar, und auch die Charaktere haben mir gut gefallen,

Der Schreibstil ist kompetent, flüssig und sehr passend für die Geschichte. Der Autor konnte mich damit immer gut abholen und in die Welt des Jahres 2084 entführen.

Fazit:
"Die Seuche" ist der letzte Band der ersten Staffel von "Hamburg Rain 2084", und in meinen Augen lässt der Autor es zum fulminanten Abschluss nochmal so richtig krachen! Die Grundidee ist außergewöhnlich und originell, irrsinnig komplex und vielschichtig, dabei aber auch sehr ausgefeilt und sorgfältig durchdacht.

Meiner Meinung nach ist das keine Science Fiction zum Berieselnlassen, sondern zum Mitdenken - und trotzdem rasant und spannend, mit glaubhaften, authentischen Charakteren.

 

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