Rezension Rezension (3/5*) zu Hamburg Rain 2084. V2: Dystopie (KNAUR eRIGINALS) von Claudia Pietschmann.

parden

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13. April 2014
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Niederrhein
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Jugendwahn...

Hamburg ist im Jahr 2084 im ewigen Regen nach einer Klimakatastrophe zum Moloch mit 22 Millionen Einwohnern herangewachsen. Bauwerke früherer Epochen sind zu einem einzigen Gebäude verschmolzen, das sich über eine gigantische Fläche erstreckt und weit in den Himmel ragt. Wie ein surreales Gebilde aus dem Traum eines Wahnsinnigen reckt es seinen Körper aus Stein, Glas und Stahl in die Wolken und unablässig fließt der Regen an seinen Milliarden Ecken und Kanten herab. Dieser gigantische Koloss ist in Ebenen unterteilt, die weit in die Höhe und tief unter die Oberfläche reichen. Das Leben ist streng hierarchsich organisiert: Je reicher, desto weiter oben; je ärmer, desto weiter unten. Während sich oben im wenigen Sonnenlicht die Reichen und Schönen vergnügen, leben die Armen in Dunkelheit und Müll. Nur die Mittelschicht bildet da mit ihren Träumen von einer besseren Wetl die Ausnahme. Und manchmal geschieht es, dass jemand den zugewiesenenLebensraum verlässt. Mit unvorhersehbaren Folgen. Davon handeln die Storys der dystopischen Science Fiction eBook-Serie 'Hamburg Rain 2084'.

'V2' ist nach dem Prequel der erste Band der ersten Staffel des spannenden Future Fiction eSerials. Die Bände in der Reihenfolge ihres Erscheinens sind:

V2
Sundown
Rehab
Zerfall
Risse im Fundament
Die Seuche

Alle Bände sind unabhängig voneinander und in beliebiger Reihenfolge lesbar.


* * *


Der Unterschied zwischen arm und reich ist im Jahr 2084 in der Tat eklatant. Doch als ob es nicht reichen würde, dass Tausende von Menschen im und vom Müll leben, gibt es Menschen, die noch eine Stufe niedriger leben. Der Juggernaut Ruiz ist einer von ihnen - ein willenloser Sklave, der per Chip ferngesteuert wird und sich in der Arena tödlichen Kämpfen stellen muss. Als er versehentlich eines Tages seinen Kontrahenden vorzeitig tötet, fällt Ruiz in Ungnade und muss fliehen. Doch wenn er es nicht schafft, den Chip loszuwerden, ist er verloren - zu stark sind die Impulse von außen, zu energieraubend der Kampf gegen die Fremdsteuerung.


Verbrecher nannten sie seinesgleichen und Krüppel und Freak und Abschaum. Die Kinder aus den oberen Ebenen machten sich einen Spaß daraus, sie zu verhöhnen, wenn man sie in die Arena trieb. Leute wie ihn, die sich verkauft hatten und deren Job es war, Figuren zu sein. Menschliche Spielfiguren zur Unterhaltung der Massen. Juggernauten - die über unglaubliche Kraft verfügten und dennoch ihr Leben lang Sklaven blieben. Menschen, die alles niederrollen könnten und es doch nicht taten. Weil die Chips in ihren Köpfen es nicht zuließen...


Helena heißt seine schöne Freundin, die alles daransetzt, um Ruiz zu retten. Geld braucht sie, um einen Quacksalber bezahlen zu können, der ihrem Freund den Chip aus dem Kopf operiert. Aber als mittellose Bewohnerin Hamburgs hat sie nicht viele Möglichkeiten, um an die notwendigen Mittel zu kommen. Ihr bleibt offensichtlich nur ein Weg: sie muss sich in die Hände des Schönheitschirurgen Dr. Golding begeben, der eine Möglichkeit gefunden hat, durch die Transplantation von Chromosonenden, sogenannte Telomere, Lebenszeit von einer Person auf eine andere zu übertragen. Werden diese Telomere einem Menschen entnommen, so verliert dieser Jahre seines Lebens und altert um ein Vielfaches schneller. Doch für Helena ist kein Preis zu hoch - sie ist zu allem bereit, um ihren Ruiz zu retten und ihm und sich ein Leben in Freiheit zu verschaffen. Leider läuft wie so oft im Leben dann alles anders als geplant...

Ehrlich gesagt lässt mich diese dystopische Geschichte um ein Hamburg in einer ungewissen Zukunft etwas zwiegespalten zurück. Die Idee dahinter fand ich durchaus ansprechend: Gesellschaftskritik (Kluft zwischen Arm und Reich, Ausbeutung der rechtlosen Armen, Schönheits- und Jugendwahn), gepaart mit ethischen Fragestellungen (Grenzen von wissenschaftlichen Allmachtsfantasien) und philosophischen Standpunkten (Hegel und Kant). Die Umsetzung jedoch konnte mich trotz des weitestgehend flüssigen Schreibstils nur wenig überzeugen. Unerwartete Sprünge in der Handlung sind hier ebenso als Kritikpunkt zu nennen wie die wenig greifbare dystopische Atmosphäre. Vor allem aber die Charaktere, die hier durchweg blass und eindimensional bleiben, verhinderten, dass ich am Geschehen emotional teilhaben konnte. Eine Weiterentwicklung selbst der Hauptfiguren konnte ich nicht erkennen, die Handlungen wurden v.a. durch äußere Ereignisse determiniert und weniger durch bewusste Entscheidungen der Charaktere.

Die Grundidee verbunden mit einem angenehm überraschenden Ende gewährleisten dennoch eine mittelmäßige Wertung von meiner Seite. Eine durchaus interessante Geschichte, die trotz der genannten Kritikpunkte Lust macht auf die weiteren Geschichten der Staffel des Future Fiction eSerials.


© Parden