Rezension Rezension (5/5*) zu Auf offenem Meer. Erzählungen von Bettina Balàka.

parden

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13. April 2014
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49
Niederrhein
www.litterae-artesque.blogspot.de
Sechs Erzählungen, die es in sich haben...

Simone verachtet ihre Schwieger-Großmutter eine Frau, die davon träumt, Adolf Hitler im Jenseits endlich einmal die Hand zu schütteln, und die Simone, der Enkelin eines Widerstandskämpfers, ihre ""nicht-arische Physiognomie"" vorwirft. Aber was tun, wenn diese verhasste Ewiggestrige einem am Totenbett ihre Villa vermacht, ein prächtiges Haus mit großem Garten, ideal für eine junge Familie mit dem einzigen Haken, dass es sich dabei um arisierten Besitz handelt? In der Theorie ist es ja leicht, das Richtige zu tun und die korrekten Einstellungen zu vertreten aber wenn die Wirklichkeit ihre Fallstricke auslegt, sehen die Dinge schon ganz anders aus Bettina Balàka erzählt von kleinen Helden und großen Feiglingen, von scheinbarer Freiheit und vermeintlichen Fesseln und von der absurden Logik der Geschichte.

Sechs Erzählungen versammelt dieser kleine aber feine Band - und keine ist wie die andere. Unterschiedlichen Personen und Themen widmet die Autorin ihre Erzählkunst, lässt den Leser eintauchen in wirkliche Historie (beispielsweise im Falle des russischen Biologen Nicolai Iwanowitsch Wawilow, der aufgrund seines Glaubens an Mendel und die Genetik in Russland zum Tode verurteilt wurde, oder aber im Falle des Tischlers und Uhrmachers John Harrison, dem es gegen den Widerstand Newtons und anderer missgünstiger Zeitgenossen gelang, die Längengrade zu messen und festzulegen, so dass die Schifffahrt um ein Vielfaches sicherer wurde) - oder aber in philosophisch-moralische Gedankengänge und Probleme wie in der im Klappentext erwähnten Geschichte.

Vielleicht bis auf die Geschichte der ermordeten Gefängniswärterin, die für mich einfach nur den schwarzen Humor der Autorin unter Beweis stellt (allerdings auch eine Kunst!), konnte mich jede der Erzählungen nachhaltig beeindrucken. Der Schreibstil kommt oft mit einer eingängigen Leichtigkeit daher, der im Widerspruch zu den oft so ernsten Themen steht - wie eine in goldenes Papier gewickelte Praline, die sich, einmal ausgepackt, plötzlich als kleine Handgranate entpuppt. 'Friendly Fire' hat mich beispielsweise im wahrsten Sinne des Wortes sprachlos zurückgelassen...

Mein erstes Buch dieser Autorin, doch hoffentlich nicht das letzte!


© Parden

 

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