Rezension Rezension (3/5*) zu Der Schrecken verliert sich vor Ort: Roman von Monika Held.

Yolande

Bekanntes Mitglied
13. Februar 2020
1.801
6.622
49
Leider konnten wir zu diesem Buch keine Daten ermitteln.
Das Leben mit einem Überlebenden


Inhalt (Klappentext):

Als Lena im Gerichtsflur auf Heiner trifft, weiß sie, dass sie diesen Mann festhalten muss. Er zögert. Soll er sich auf eine Frau aus Deutschland, dem Land der Täter, einlassen? Sie wagen diese Liebe, Heiner zieht zu Lena. Sie fragt sich, ob sie die Welt, in der ihr Mann zuhause ist, je verstehen wird. Und Heiner fragt sich, wie weit man Erfahrungen weitergeben kann. Denn während Lena vom gemeinsamen Urlaub in der Südsee träumt, kämpft Heiner mit den Albträumen seiner Vergangenheit, dem Schrecken von Auschwitz. Immer wieder landen sie in Sackgassen und immer wieder hilft ihnen eine überraschende Fähigkeit: Humor.

Meine Meinung:

Ich habe sehr lange mit mir gerungen, wie ich dieses Buch bewerten soll. Es ist ein ungeheuer wichtiges Thema und auch wenn mich die drastischen Schilderungen sehr mitgenommen und entsetzt haben, finde ich diese schonungslosen Berichte richtig und wichtig gegen das Vergessen.

Ich bin immer wieder fassungslos darüber, wie grausam und mitleidslos "normale" Menschen ihre sogenannte Pflicht erfüllten und mit welcher Leichtigkeit und scheinbar ohne den geringsten Ansatz von Schuldbewusstsein oder Gewissenbisse sie in ihr altes Leben zurückgekehrt sind. Ich finde es auch schockierend, dass sie sich selbst nach Jahren und mit der Vergangenheit konfrontiert auch noch als Opfer sehen, da ja ihr Tun zu diesem Zeitpunkt erforderlich, bzw. gewünscht war. Mir wird immer schlecht, wenn ich so etwas lesen muss.

Das Buch wirft aber einen stärkeren Blick auf die Überlebenden. Was macht so eine Tortur mit einem Menschen? Wie kann man nach solch entsetzlichen Erfahrungen weiterleben?

Meine durchschnittliche Bewertung kommt von meinen Schwierigkeiten mit dem Protagonisten. Ich kam mit der Person des Heiner einfach nicht klar und das ist es auch, was mich am meisten umgetrieben hat. Darf ich jemanden unsympathisch und egoistisch finden, der solche traumatische Erlebnisse hinter sich hat? Niemand weiß, wie man selbst in derartigen Situationen reagiert und es ist auch nicht so, dass ich nicht verstehen kann, weshalb Heiner so ist wie er ist. Aber meiner Meinung nach war diese Paarbeziehung zwischen Heiner und Lena so dermaßen ungleich. Lena war eigentlich immer in der Defensive. Sie hat das gut gemeistert und sich oft auch nicht unterkriegen lassen, aber es hat mich extrem aufgeregt. So manches Mal fand ich Heiners Verhalten einfach ungeheuerlich.

Der erste Teil des Buches hat mir noch am besten gefallen. Das vorsichtige Kennenlernen, die Zweifel auf beiden Seiten, das war gut. Der zweite Teil war interessant und gut geschrieben, aber da wuchs mein Unbehagen stark an und ich habe sogar eine Leserunde abgebrochen, weil ich erst einmal mit meinen eigenen ambivalenten Gefühlen klar kommen musste.

Ich kann gut verstehen, dass viele Leser dieses Buch als herausragend empfinden, bei mir haben sich am Ende dann doch die eher negativen Gefühle durchgesetzt.


 
Zuletzt bearbeitet:

alasca

Bekanntes Mitglied
13. Juni 2022
3.056
9.740
49
Darf ich jemanden unsympathisch und egoistisch finden, der solche traumatische Erlebnisse hinter sich hat?
Jemand, der sich das fragt, darf das. :)
Ich kann gut verstehen, dass viele Leser dieses Buch als herausragend empfinden, bei mir haben sich am Ende dann doch die eher negativen Gefühle durchgesetzt.
Ich finde deine Rezension sehr hilfreich, gerade WEIL sie so ehrlich ist. Reschpekt!
 
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