Skandalös

Buchseite und Rezensionen zu 'Skandalös' von Cristina De Stefano

Inhaltsangabe zu "Skandalös"

Zwanzig starke Frauen des 20. Jahrhunderts - von Marguerite Duras bis Nina Simone. Diese Frauen waren ihrer Zeit voraus: Sie eckten an und haben im 20. Jahrhundert für den ein oder anderen Skandal gesorgt. Die Welt hatte ihnen nichts zu bieten, doch sie haben sich alles genommen. Sie kämpften mit ihren Mitteln für ihren Freiraum. Mit Übermaß. Mit Fantasie. Mit Fröhlichkeit. Mit Verzweiflung. Und der Nachhall ihrer Eskapaden ist bis heute nicht verklungen. Porträts von: Tallulah Bankhead, Louise Bourgeois, Pearl S. Buck, Lydia Cabrera, Claude Cahun, Marguerite Duras, Elsa von Freytag-Loringhoven, Tove Jansson, Toto Koopman, Else Lasker-Schüler, Clarice Lispector, Mina Loy, Grace Metalious, Nahui Olin, Jean Rhys, Niki de Saint Phalle, Albertine Sarrazin, Annemarie Schwarzenbach, Nina Simone, Violet Trefusis.

Format:Taschenbuch
Seiten:192
Verlag: btb Verlag
EAN:9783442718047
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Gala und Dalí – Die Unzertrennlichen

Buchseite und Rezensionen zu 'Gala und Dalí – Die Unzertrennlichen' von Sylvia Frank
4
4 von 5 (3 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Gala und Dalí – Die Unzertrennlichen"

Autor:
Format:Taschenbuch
Seiten:445
EAN:9783746638720
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Rezensionen zu "Gala und Dalí – Die Unzertrennlichen"

  1. Salz des Lebens

    Autorin
    Sylvia Frank

    Inhalt
    Paul Èluard, ein surrealistischer Dichter, Mitgründer der Gruppe der Surrealisten in Paris, reist mit seiner Frau Gala in das spanische Fischerdorf Cadaqués. Paul Èluard leidet an einer aktuellen Schreibblockade und hofft, diese in dem kleinen Fischort überwinden zu können. Seine Frau Gala ist mit dieser Entscheidung nicht einverstanden, da sie ein luxuriöses Leben vorzieht. Doch ihr aufwändiger Lebensstil, aber auch die Weltwirtschaftskrise haben ihr Vermögen halbiert. Zudem hat ihre Beziehung zueinander gelitten und an diesem abgeschiedenen Ort hoffen sie wieder zueinanderzufinden.
    Èluard lädt René Magritte und seine Frau Georgette gemeinsam mit Camille Goemans und seiner Lebensgefährtin Yvonne Bernard ein, ein paar Tage mit ihnen gemeinsam die Zeit in Cadaqués zu verbringen. Magritte und Goemans wollen bei dieser Gelegenheit den aufstrebenden Künstler Salvador Dalí treffen.
    Obwohl Gala mit dieser Einladung ihres Mannes nicht einverstanden ist, willigt sie der Zusammenkunft ein. Die in Russland geborene Gala ist wesentlich älter als Dali, als sie ihn 1929 in dieser Runde trifft. Langsam beginnt zwischen ihnen sich eine Liebe aufzubauen, die den anderen nicht verborgen bleibt. Doch am Ende ihres Aufenthaltes in dem Fischdorf entscheidet sie sich für ihren Mann und ihre Tochter und reist mit ihnen zurück nach Paris.
    Salvatore Dalí kommt später zu seiner Ausstellung nach Paris. Sie treffen sich wieder und dann fällt Gala ihre Entscheidung für Dalí. Sie verlässt ihren Mann Paul Èluard und ihre einzige Tochter, um von Stund an mit dem Katalanen Salvador Dalí zusammenzuleben. Hat ihre Liebe eine Chance?

    Sprache und Stil
    Der Roman ist in drei Teile mit durchgehender Kapitelnummerierung aufgeteilt, die inhaltlich die folgende Themen im Zeitraum von 1929 bis 1931 umfassen:

    Der Beginn des Kennenlernens
    Zeit der Entbehrungen
    Aufstieg

    Salvador Dalí, lebt im Hause seines Vaters, wo er auch ein eigenes Atelier besitzt. Sein Vater, der Don, kommt für seine finanziellenAuslagen auf.
    Der Don mischt sich in alle seine privaten Angelegenheiten ein, was das Verhältnis zwischen Salvatore Dalí und seinem Vater erheblich beeinträchtigt.
    „Der Don schnaufte. »Zeichenlehrer war für den Herrn nicht gut genug. Künstler musste es sein. Und dann von der Kunsthochschule in Madrid geflogen, weil der Herr Sohn großmäulig verkünden musste, dass keiner der Professoren der ehrenwerten Akademie San Fernando kompetent sei, ihn zu prüfen.«“ (S. 48)
    Als Dalí zum ersten Mal Gala sieht, weiss er sofort, dass sie sein Schicksal ist. Ohne Sie ist ein Leben nicht mehr denkbar: „sie war das Mädchen, dass aus seinen Träumen auferstanden war.“ (S. 83) Die Geschichte des Liebesbeginns mit Helena Dmitriewna Diakonowa, genannt Gala beginnt.
    In der ersten Zeit ihres gemeinsamen Lebens hat Gala mit Geldschwierigkeiten und Armut wie nie zuvor in ihrem Leben zu kämpfen. Dalí ist ein genialer Künstler, aber nicht in der Lage, materiell für seine Existenz zu sorgen. Gala managt sein Leben und seine Kunst. Sie lenkt und fördert ihn. Sie ist die treibende Kraft hinter dem Surrealisten und hat großen Einfluss auf sein Werk, obwohl sie selbst keine Künstlerin ist.

    "Ihr Vater ist kein Künstler wie Sie [Dalí] kein Denker, kein sensibler, feinfühliger Mann, kein Träumer und kein Suchender.“ (S. 165)

    Ebenso muss Gala mit seinen außergewöhnlichen exzentrischen Eigenschaften umgehen. Auf den Wunsch des Galeristen Goemans sein Atelier zu besuchen, reagiert Dalí mit Entsetzen. Sein Atelier war bisher sein Rückzugsort. Niemand hat dort Zutritt. Nun fühlt er sich schutzlos ausgeliefert. „In diesem Moment tauchte vor seinen Augen diese kleine geschnitzte Eule auf dem Kopf des Galeristen auf.“ (S. 80) Dalí reagiert mit einem ungewöhnlichen Lachen, schreiend auf dem Boden liegend und sich seinen Bauch haltend, obwohl er weiss, dass es eine Halluzination ist und kein anderer sie sehen kann. Auch Gala bekommt seine Unberechenbarkeiten zu spüren. Dalí erfährt, dass sie mit Èluard korrespondiert, um ihre Scheidung voranzutreiben. Aus Eifersucht zerreißt er den Brief von Èluard und im nächsten Moment tut es ihm leid.
    Galas Einfluss auf Dalí nimmt mehr und mehr zu. Sie wirbt in Galerien für seine Zeichnungen.
    Sie begleitet den Künstler überall hin, hilft ihm, seine Schüchternheit und zu offensichtliche Wildheit zu überwinden, stimmt all seinen Entscheidungen, Launen und Torheiten zu. Sie leitet ihn als Muse, Model und Managerin.
    Die Sprache des Romans ist flüssig mit Dialogen durchsetzt. Die Dialoge geben sehr viel Aufschluss über das Leben der beiden in der damaligen Zeit, in der besonders Dalí den Surrealismus ganz entscheidend geprägt hat.
    Die landschaftlichen Beschreibungen lassen den Künstlerort malerisch und bildlich erscheinen.
    Im Kontrast dazu werden die Aufenthalte in Paris als regnerisch, luxuriös und um Geschäfte mit Salvador Dalís Kunst zu machen beschrieben. Gala sagt es so:

    “»Um zu malen, benötigt Dalí Ruhe, und das heißt ein regelmäßiges Einkommen.«“ (S. 390)

    Der Roman endet 1931. Dalís künstlerischer Durchbruch ist gelungen und Amerika wartet. Der Epilog unterstreicht den Untertitel „Die Unzertrennlichen“ mit der Aussicht, dass beide in Port Lligat bleiben werden.
    Abgerundet wird der Roman durch eine Anmerkung mit weiteren Daten von Dalí und Gala sowie Erklärungen zu der Recherche.
    Das Cover zeigt Gala und Dalí jung und glücklich. Im Inneren wird das Cover durch zwei Bilder des Fischdorfes erweitert, umrahmt von einem rosa-beige-braunen Rosenarangement. Mittendrin steht der Text:

    »Gala wurde das Salz meines Lebens, mein Leuchtfeuer, meine Doppelgängerin»
    Salvator Dali

    Fazit
    „ungeheuer begabt, ungeheuer fleißig und ungeheuer exzentrisch“ (S. 437)

    Diese drei Eigenschaften und die Kraft von Gala treiben Dalí an. In der Anfangsphase entstehen die Bilder "Erleuchtete Lüste, Das finstere Spiel, Die Beständigkeit der Erinnerung", welches von dem Museum Modern of Art erworben wurde, und andere Genuin.

    Erst nach dem Tod von Éluard haben Gala und Dalí 1934 geheiratet. Sie lebten fast 50 Jahre zusammen und sie war sein einziges Vorbild, seine Stütze. Aus ihr nahm er seine unerschöpflichen Inspirationen.

    Auch wenn der Roman nur einen kurzen Zeitraum ihres Lebens umfasst, so wird doch ersichtlich: Surrealismus ist Salvador und Gala.

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  1. Eine ungewöhnliche Beziehung

    Wer kennt ihn nicht, den berühmten Künstler Salvador Dalí? In diesem Roman erfahren wir, wie Dalí seine spätere Frau Gala kennenlernte und welchen Einfluss sie auf sein Künstlerdasein hatte.
    Gala begleitet ihren Mann Paul in das verschlafene Nest Cadaqués, weil sie hofft, dass sich dort seine Schreibblockade löst. Doch Paul ist das nicht wichtig und Gala ist in ihrer Ehe unzufrieden. Sie begegnen dem jungen Künstler Salvador Dalí, der auf den ersten Blick hingerissen ist. Als Paul zurück nach Paris reist, verbringen Salvador und Gala viel Zeit miteinander, doch Salvador ist zurückhaltend. Gala geht zurück nach Paris und erst als Salvador dort auftaucht, verlässt sie Hals über Kopf ihren Mann, um mit Dalí zu leben. Sie wird ihm Geliebte, Muse und später seine Frau. Ihrem Einsatz ist es zu verdanken, dass Dalí erfolgreich werden konnte.
    Der Schreibstil der Autoren Sylvia Meierewert und Frank Meierewert, die unter dem Pseudonym Sylvia Frank veröffentlichen, ist sehr angenehm zu lesen. Ihre bildgewaltige Darstellung der Handlungsorte macht Lust auf Urlaub in der Gegend.
    Gala ist für mich eine ziemlich gefühlskalte Person. Sie möchte ein privilegiertes Leben an der Seite eines bekannten Künstlers haben, doch Paul erfüllt diese Vorstellungen nicht auf Dauer. Auch ihre Tochter kann sie nicht wirklich lieben und lässt sie von Verwandten aufziehen. Dann lernt sie diesen jungen Künstler kennen, der von seinem Vater dominiert, von seiner Schwester umhütet wird und dadurch wenig selbstständig ist. Einerseits ist er exzentrisch und von seinen künstlerischen Qualitäten überzeugt, andererseits zweifelt er aber auch. Die beiden verlieben sich und leben zusammen. Dafür nimmt Dalí sogar den Bruch mit seiner Familie in Kauf. Die Anfangszeiten seines Künstlerdaseins sind nicht einfach und Gala nimmt viel in Kauf, um Salvador den Rücken freizuhalten. Er ist nur an der Kunst interessiert, wo das Geld zum Leben herkommt, interessiert ihn wenig.
    Dieser Roman behandelt nur eine relativ kurze Zeitspanne. Es geht um die Liebesgeschichte von Gala und Dalí – Den Unzertrennlichen. Doch mir fehlten da Gefühle und Emotionen, vieles bleibt oberflächlich. Auch Dalí Zugehörigkeit zu den Surrealisten wird nur gestreift.
    Der Roman erzählt nur ein kleines Stück der Geschichte von Gala und Dalí, die auch nach diesem Ende bestimmt noch interessant wäre. Hat mich nicht ganz überzeugt.

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  1. Ein Roman mit biographischen Einblicken

    Gala macht mit ihrem Mann Paul Urlaub in einem katalanischen Fischerdorf.Dort wollen die beiden ihre Liebe auffrischen und Paul will einen jungen Künstler treffen:Salvador Dali. In diesem Dorf in Spanien begegnen sich die zwei zum ersten mal und als Salvador Dali nach Paris zu seiner Ausstellung kommt werden sie ein Paar.

    Der Schreibstil ist sehr ruhig geschrieben aber leicht und zügig zu lesen.Die Protagonisten passen hervorragend in diesen Roman hinein und sind authentischdargestellt.Die Spannung steigert sich langsam trotzdem blieb sie dann leider auf einer Höhe stehen.

    Fazit:Der Roman um Salvador Dalí beginnt in Cadaqués 1929.Die Kapitel die nicht allzu lang sind wechseln sich immer mal wieder zwischen Salvador und Gala ab.Das Buch wird dabei in zwei Teile unterteilt.Der Roman ist in meinen Augen atmosphärisch dicht geschrieben.Gerade auch zu Beginn konnte ich mich dem Flair des Sommers nicht entziehen.Die Sitten und Gebräuche der Katalanen werden hier sehr detailliert dargestellt.Der Roman an sich zog sich für mich dann allerdings doch hin.Etwa so wie ein großer Fluss der gemächlich dahinfließt. In leisen, gefühlvollen und bildhaften Texten wird das Kennenlernen und das Leben dieses Künstlerehepaares beschrieben.Was mir an diesem Buch fehlte war die Tiefe außerdem hätte ich mehr Gefühl erwartet.Meiner Ansicht nach ist es ein Roman der mir etwas zu oberflächlich vorkam und meiner Ansicht nach im zweiten Teil distanziert gewirkt hat. Deshalb kann ich leider nur drei Sterne vergeben.

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Die Löwin. Tania Blixen in Afrika: Biografie

Buchseite und Rezensionen zu 'Die Löwin. Tania Blixen in Afrika: Biografie' von Tom Buk-Swienty

Inhaltsangabe zu "Die Löwin. Tania Blixen in Afrika: Biografie"

Tom Buk-Swienty zeichnet das vielschichtige Bild einer Frau, die mit wahrer Leidenschaft ihren Traum lebt, im kolonialen Kenia mit der Karen Coffee Company das erste weiblich geführte afrikanische Großunternehmen gründet, als wahre »Löwin«, wie sie bald genannt wird, Dürren, Krankheiten und Kriegen trotzt und dann, nach Dänemark zurückgekehrt, zu einer der bedeutendsten Schriftstellerinnen des 20. Jahrhunderts avanciert. Die wahre und höchst abenteuerliche Lebensgeschichte von Tania Blixen, deren mit Meryl Streep in der Hauptrolle verfilmtes Memoir »Jenseits von Afrika« ein Weltbestseller als Buch wie als Film wurde, ist zugleich die erste große Biografie seit Jahrzehnten. Durchgängig illustriert mit teils exklusivem Bildmaterial.

Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:768
EAN:9783328601425
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In Flammen: Leben und Werk von Stephen Crane

Buchseite und Rezensionen zu 'In Flammen: Leben und Werk von Stephen Crane' von Paul Auster
5
5 von 5 (1 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "In Flammen: Leben und Werk von Stephen Crane"

Paul Auster nimmt den Leser mit auf eine lebhafte Reise durch die kurzen 29 Jahre von Stephen Cranes Leben. Crane war der strahlende Stern der US-Literatur zur Jahrhundertwende, ein Frühvollendeter in jeder Hinsicht – wichtigster Vertreter des amerikanischen Naturalismus und Autor des legendären Bürgerkriegsromans «The Red Badge of Courage» («Die rote Tapferkeitsmedaille»). In den wenigen Jahren, die ihm vergönnt waren, verfasste er neben diesem ikonischen Roman ein reiches Werk aus Lyrik, Kurzgeschichten und Novellen und führte ein abenteuerliches, ja fiebriges Leben u. a. als Kriegskorrespondent im Spanisch-Amerikanischen und im Griechisch-Türkischen Krieg. Er erlitt Schiffbruch vor der kubanischen Küste, wurde in eine skandalöse Liebesaffäre verwickelt, die ihn zwang, seine Heimat zu verlassen, bereiste mehrere Kontinente, wurde in Kriegseinsätzen beschossen – all dies vor dem Hintergrund des pulsierenden, sich rapide wandelnden Lebens im blühenden Industriezeitalter. Und so ist Austers liebevoll genaues und detailreiches Porträt des Schriftstellers Crane auch eines seiner Zeit und der Welt im Fin de Siècle des neunzehnten Jahrhunderts am Übergang zum zwanzigsten.

Autor:
Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:1200
EAN:9783498001674
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Rezensionen zu "In Flammen: Leben und Werk von Stephen Crane"

  1. Ein Porträt

    Stephen Crane wird am 1. November 1871 in Newark, New Jersey geboren. Er ist das neunte überlebende Kind von vierzehn, seine Eltern sind der Methodistenpfarrer Jonathan Crane und dessen Ehefrau Mary Helen Peck Crane. Bereits im Kindesalter wird sein Interesse für Literatur durch seine Schwester Agens Elisabeth, „eine Lehrerin und Verfasserin von Kurzgeschichten“ (S. 10), geweckt.

    Crane studiert am Lafayette Collage und an der Syracuse University. Nach dem Tod seiner Eltern 1890 bricht er sein Studium ab und arbeitet als Journalist in New York. Er kommt mit dem Leben in den Slums der Stadt in Berührung, was ihn dazu veranlasst, darüber zu berichten. Seine Erfahrungen der Slums verarbeitet er in seinem Roman „Maggie, ein Mädchen von der Straße“. Es folgen weitere Romane, Kurzgeschichten und Gedichte. Seinen Durchbruch erzielt er mit dem Roman „Die rote Tapferkeitsmedaille.“ Der Roman schildert schonungslos die Erfahrungen eines jungen Soldaten.
    „Etwa zwei Drittel seiner besten Sachen hat Crane in diesen fünfeinhalb Jahren geschrieben (von Mitte 1891 bis Ende 1896).“ (S. 89)

    Crane litt an Tuberkulose und starb am 5. Juni 1900 in Badenweiler.

    „Paul Auster antwortet in einem Interview auf die Frage von Zeit Online:
    Mister Auster, Sie waren 15, als Sie in der Highschool zum ersten Mal ein Werk von Stephen Crane lasen, nämlich Die rote Tapferkeitsmedaille. Sie schreiben, das Buch sei für Sie "eine atemberaubende Entdeckung" gewesen,“ die mein Leben auf einen Schlag veränderte". Inwiefern?
    Paul Auster: Zunächst einmal wegen der lebendigen Sprache. Ich hatte vorher noch nie einen Schriftsteller gelesen mit einem solchen Talent für sinnliche Details. Er ermöglicht es den Lesern, wirklich zu sehen und fühlen, was vor sich geht. Die rote Tapferkeitsmedaille ist ein Buch über einen Jungen, der nicht viel älter ist, als ich es damals bei der Lektüre war. Und es ist ein Buch über Angst. Die kennen wir natürlich alle. Wir können aber nur erahnen, wie es wäre, mitten in einem Bürgerkrieg zu stecken. Ich habe diese erste Begegnung als Leser mit Crane nie mehr vergessen.“

    Quelle: Interview von Carmen Eller in https://www.zeit.de/kultur/literatur/2022-01/paul-auster-in-flammen-stephen-crane vom 29. Januar 2022, 11:52 Uhr, geöffnet 21. Juli 2022.

    „In Flammen“ erzählt das kurze Leben und literarische Schaffen von Stephen Crane. Paul Auster schreibt nicht einfach eine Biografie, sondern es entsteht von Beginn an der Eindruck eines Romans. Der Protagonist ist Stephen Crane.

    „Geboren am Tag der Toten und gestorben fünf Monate vor seinem neunundzwanzigsten Geburtstag, erlebte Stephen Crane noch fünf Monate und fünf Tage des 20. Jahrhunderts, dahingerafft von der Tuberkulose, bevor sich ihm die Gelegenheit bot, ein Automobil zu fahren oder ein Flugzeug zu sehen, sich auf große Leinwände projizierte Filme anzuschauen oder Radio zu hören, eine Gestalt aus der Welt der Pferdegespanne, ein Mensch, der die Zukunft versäumte, die viele der mit ihm Geborenen erwartete, nicht nur das Aufkommen dieser wundersamen Maschinen und Erfindungen, sondern auch die Schrecken der Epoche, nicht zuletzt die Vernichtung von Abermillionen Leben in zwei Weltkriegen.“ (S. 9)

    Auster nutzt Zeitzeugen, Briefe, Cranes Romane, Novellen, Kurzgeschichten und Gedichte und Skizzen, ergänzt alles durch wenig vorhanden Fotos. Er selbst kommentiert aufgrund seiner Recherchen Begebenheiten, stellt infrage oder bestätigt.

    „Alles, was über Cranes Kindheit bekannt ist, stammt von ein paar Fotos und einigen Augenzeugenberichten, die Verwandte und Freunde aufgeschrieben haben.“ (S. 37)

    Auster porträtiert Crane als ein Getriebener, der sein Leben unter Hochdruck lebt, als ob er ahnt, dass seine Zeit bemessen ist.
    Stephen Crane liebt Hunde, Pferde, Kinder, Zigaretten, Bier und Frauen, insbesondere Lily, aber erfolglos. Cranes intensive Milieustudie und die Nähe zur Reportage zusammen mit seiner Art zu Schreiben in Stilbrüchen und perfekten Dialogen, sind in der damaligen Zeit einzigartig.
    Chronologisch verwebt Auster Cranes Texte und vorhandene Dokumente über sein Leben ineinander. Ausführlich beschreibt er die Entstehungsgeschichte „Maggie, ein Mädchen von der Straße“ und die damit verbundenen Schwierigkeiten, diesen Roman zu veröffentlichen, bis er doch ein Erfolg wird.

    Text für Text arbeitet sich Auster akribisch vor und nähert sich gleichzeitig der Person Stephen Crane. Die Biografie zeigt die verschlungenen Wege des Schriftstellers, der oftmals in „Flammen“ stand.
    Paul Auster gelingt, mit dieser Strategie ein kurzes, junges Schriftstellerleben zu zeichnen, das den Eindruck erweckt, als wäre Cranes Schaffen durch ein langes Leben entstanden. Bereits zu Lebzeiten war Crane ein Star mit Legendenstatus. Doch sein früher Tod ließ ihn in Vergessenheit geraten.

    Die literarische Biografie ist in fünf Kapitel, die wiederum in Unterkapitel aufgeteilt sind. Eine Danksagung, Literatur- und Personenregister und Werkregister vermitteln zusätzlich umfangreich Informationen.

    Warum hat Paul Auster das Leben Cranes aufgeschrieben? Vielleicht hat er sich einen Lebenstraum erfüllt, er war 15, als er das erste Mal mit Cranes Literatur in Berührung kam. Seitdem hat ihn Stephen Crane nicht mehr losgelassen. (s. Interview) Wie soll der/die Leser*in mit der literarischen Biografie „In Flammen“ umgehen? Erst einen Roman von Crane lesen oder sofort „In Flammen“ eintauchen? Immerhin sind 1200 Seiten zu bewältigen.
    Die erste ausführliche Geschichte beginnt mit „Maggie, ein Mädchen von der Straße“. An dieser Stelle könnte man eine Pause einlegen, den Roman „Maggie, ein Mädchen von der Straße“ lesen und dann weiter „In Flammen“ fortfahren.

    Vielleicht!

    „Aus Carnes Hare -Biografie: Stephen Cranes‘ kam zurück. Der Sturkopf war immer unverletzt, immer gleichgültig für Gefahr, immer noch in diesem teuflischen weißen Regenmantel.“ (S. 979)

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Selma Lagerlöf

Buchseite und Rezensionen zu 'Selma Lagerlöf' von Charlotte von Feyerabend
5
5 von 5 (1 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Selma Lagerlöf"

Der Roman über Selma Lagerlöf widmet sich auch den eher unbekannten Seiten der berühmten schwedischen Schriftstellerin. Charlotte von Feyerabend macht in ihrem großen Roman Selma Lagerlöf mit all ihren Zweifeln und schillernden Träumen greifbar. Die LeserInnen begleiten sie, wenn ihr Zuhause wegen Geldnöten verkauft wird, sie ihre erste Freundin und Reisegefährtin Sophie Elkan trifft, mit der sie nicht nur nach Jerusalem, sondern auch durch Schweden reisen wird, um für Nils Holgersson zu recherchieren. Ständig bricht sie mit gängigen Normen und Vorgaben und erschafft dabei Großes und ist dabei von einem unerschöpflichen Glauben an sich selbst erfüllt. Als erste Frau erhält sie den Literaturnobelpreis, einen Sitz in der Schwedischen Akademie und lebt in einer teils Kräfte zehrenden Dreiecksbeziehung. Mit dem Gewinn aus ihren Buchverkäufen kauft sie sich ihr altes Zuhause zurück und lebt den Traum, den ihr Vater nicht verwirklichen konnte: den, einer Gutsbesitzerin, und teilt mit ihrem großen Herzen das Glück, das sie sich hart erkämpft hat. Charlotte von Feyerabend lässt Originaltexte der Schriftstellerin mit einfließen und greift deren poetische Sprache auf, um die Leser mit einer starken faszinierenden und humorvollen Persönlichkeit auf eine Reise durch Schweden zu nehmen. Der Glaube an sich selbst kann nicht nur Berge versetzen, er erschafft sie sogar und manchmal setzt er dem Berg auch noch ein Krönchen auf….

Format:Broschiert
Seiten:368
Verlag: Droemer HC
EAN:9783426282595
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Rezensionen zu "Selma Lagerlöf"

  1. Was für ein tolles Buch!

    Klappentext:

    „Charlotte von Feyerabend macht in ihrem großen Roman Selma Lagerlöf mit all ihren Zweifeln und schillernden Träumen greifbar. Die LeserInnen begleiten sie, wenn ihr Zuhause wegen Geldnöten verkauft wird, sie ihre erste Freundin und Reisegefährtin Sophie Elkan trifft, mit der sie nicht nur nach Jerusalem, sondern auch durch Schweden reisen wird, um für Nils Holgersson zu recherchieren. Ständig bricht sie mit gängigen Normen und Vorgaben und erschafft dabei Großes und ist dabei von einem unerschöpflichen Glauben an sich selbst erfüllt. Als erste Frau erhält sie den Literaturnobelpreis, einen Sitz in der Schwedischen Akademie und lebt in einer teils Kräfte zehrenden Dreiecksbeziehung. Mit dem Gewinn aus ihren Buchverkäufen kauft sie sich ihr altes Zuhause zurück und lebt den Traum, den ihr Vater nicht verwirklichen konnte: den, einer Gutsbesitzerin, und teilt mit ihrem großen Herzen das Glück, das sie sich hart erkämpft hat.

    Charlotte von Feyerabend lässt Originaltexte der Schriftstellerin mit einfließen und greift deren poetische Sprache auf, um die Leser mit einer starken faszinierenden und humorvollen Persönlichkeit auf eine Reise durch Schweden zu nehmen. Der Glaube an sich selbst kann nicht nur Berge versetzen, er erschafft sie sogar und manchmal setzt er dem Berg auch noch ein Krönchen auf….“

    Zugegeben, der Klappentext ist mal ein ganz anderer als was man sonst so als Leser gewohnt ist. Stellt sich dann die berechtigte Frage: Was erwartet denn den Leser hier?. Klare Antwort: Eine Romanbiografie der anderen Art. Denn hier werden nicht nur die Person und das Leben von ‚Selma Lagerlöf‘ beschrieben, sondern auf ihre Intentionen zu ihrer Erfolgsgeschichte „Nils Holgersson“ und eben Originaltexte miteinander sehr gekonnt verbunden. Dieses Buch war eine besondere Erfahrung für mich, denn ich gebe es gern zu: ich liebte die Geschichte rund um Nils Holgersson und die Gans Martin schon in der Kinderzeit und selbst auch heute noch abgöttisch. Sie hat so viele besondere Momente inne, enthält so viele erzieherische/pädagogische sinnvolle Ansätze und ist eben einfach nur liebenswert. Auch wenn die Trickserie Hamster Krümel dazu gedichtet hat, in Wahrheit ist er in der Geschichte nie erschienen - eine kleine Kindheitserinnerung wurde zerstört, aber die Wunde heilte schnell. Nun zum Buch: wir steigen eigentlich in ein recht dunkles Kapitel ein, denn das Zuhause von Selma muss verkauft werden. Ein schwieriger Kampf beginnt und eine ungewisse Zeit ebenso. Es eröffnen sich viele gute Situationen, aber es gibt auch Rückschläge. Das Schreiben ist Selmas größtes Glück aber auch die Arbeit als Lehrerin hat einen gewissen Zauber in ihr geweckt, ihre Sichtweise geprägt. Als sie später Sophie Elkan kennenlernt, öffnet das wieder neue Blickwinkel für Selma. Aber nicht nur das. Es entwickeln sich Liebe, Freundschaften und Bekanntschaften in allen Facetten. Sie steht es durch wie man es nur durchstehen kann. Und auch eines schreibt sich Lagerlöf auf die Fahne: die Rechte der Frauen (Frauenwahlrecht). Sie wird zu einer Vorreitern ihrer Zeit und ihres Geschlechts. Autorin Charlotte von Feyerabend hat hier ein ganz, ganz feines Händchen bewiesen und das in jeder Hinsicht. Ihr Sprachstil ist rund, der Zeit angepasst, sie wertet nicht sondern legt dem Leser das Wissen dar und jeder kann sich sein eigenes Bild machen. Der Ausdruck und auch die eingefügten Originaltexte passen hervorragend zusammen. Es ist eine runde Sache, in jedem Punkt. Wir Leser bekommen dadurch nochmal einen feineren Blick auf Lagerlöf und hier und da erkennen wir auch den kleinen Nils Holgersson wieder, sowie Martin und unvergessen Leitgans Akka von Kebnekaise. Fazit: eine ganz besondere und stilvoll zusammen gesetzte Romanbiografie die bestens getroffen wurde. 5 von 5 Sterne.

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Machtverfall

Buchseite und Rezensionen zu 'Machtverfall' von Robin Alexander

Inhaltsangabe zu "Machtverfall"

Zum Ende ihrer Amtszeit hat Angela Merkel ihre wohl größte Herausforderung zu bestehen. Doch die Kanzlerin, die in Notsituationen oft zur Hochform aufgelaufen ist, gerät in dieser Krise an die Grenzen ihrer Autorität. Die Pandemie, so Robin Alexander, ist dabei nur ein weiteres, spektakuläres Kapitel in einem noch größeren Drama: dem Ende einer ganzen Ära. In seinem neuen Buch erzählt der Bestsellerautor die Geschichte hinter den Kulissen: vom harten, langen Kampf in den inneren Machtzirkeln der Republik und vom Showdown um Merkels Nachfolge, der die Union fast zerreißt. Ein glänzend recherchiertes Buch, das zeigt, wie nah in der Politik der unbedingte Wille zur Macht und die Machtlosigkeit beieinander liegen.

Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:384
Verlag:
EAN:9783827501417
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Der Zauberer: Roman

Buchseite und Rezensionen zu 'Der Zauberer: Roman' von Colm Tóibín
4.8
4.8 von 5 (10 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Der Zauberer: Roman"

Ein literarisches Ereignis. Colm Toibin erzählt mit einmaliger Empathie das Leben von Thomas Mann als Roman. Von der Kindheit in Lübeck bis zur Heirat in München, von der Gegnerschaft gegen die Nazis bis zum amerikanischen Exil. Wie viele Gesichter hatte der weltberühmte Autor und Familienvater, der sein Gefühlsleben verborgen hielt, zerrissen zwischen homosexuellem Begehren und familiärem Pflichtgefühl, zwischen der Wonne der Bürgerlichkeit und der künstlerischen Askese? Selten wurde so feinfühlig, vorurteilslos und mit frappierender Leichtigkeit über den legendären Schriftsteller und seine schillernde Familie geschrieben. Ein Künstlerroman, wie man ihn in Deutschland noch nie gelesen hat.

Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:560
EAN:9783446270893
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Rezensionen zu "Der Zauberer: Roman"

  1. Über eine Ikone der deutscher Literatur

    Aufgewachsen in der Hansestadt Lübeck, soll der junge Thomas Mann seinen Vater, den Senator, beerben. Doch dem Geschäftsmann kann er nicht auf Dauer etwas vormachen: Für den Handel taugt der kunstinteressierte Thomas ebenso wenig wie dessen Bruder Heinrich. Als der Senator stirbt, bricht die Familie zunächst auseinander. Aber Thomas wird dennoch seinen Weg machen. Auf ihn wartet ein turbulentes Leben. Er wird in bewegten Zeiten ein Schriftsteller von Weltruhm…

    „Der Zauberer“ ist ein Künstlerroman von Colm Tóibín.

    Meine Meinung:
    Der Roman gliedert sich in 18 Kapitel. Er beginnt im Jahr 1891 und endet Anfang der 1950er-Jahre. Erzählt wird in streng chronologischer Reihenfolge aus der Sicht von Thomas Mann. Dieser Aufbau ist insgesamt gut durchdacht. Etwas verwirrend sind lediglich die Ortsangaben und Jahreszahlen zu Beginn der Kapitel, denn sie weisen nur auf Schauplatz und Zeit der ersten Szene hin. Im weiteren Verlauf des Kapitels wechseln diese mit dem Fortschreiten der Handlung.

    In sprachlicher Hinsicht ist der Roman mit seinen verschachtelten Sätzen und der sehr gehobenen Ausdrucksweise zuweilen ein wenig sperrig. Mir gefällt es jedoch ausnehmend gut, wie der Autor in dieser Form den Stil Thomas Manns nachahmt.

    Im Zentrum des Romans stehen neben dem berühmten Schriftsteller dessen Frau Katia und ihre gemeinsamen Kinder. Zudem tauchen die Mutter und Geschwister Thomas Manns mehrfach auf.

    Inhaltlich umfasst der Roman den Großteil des Lebens des Nobelpreisträgers. Von der Kindheit in Lübeck bis kurz vor seinem Tod begleitet man den bekannten Autor bei all seinen Stationen. Zwischendurch gibt es durchaus zeitliche Sprünge. Alles in allem wird aber ein recht vollständiges Bild vermittelt. Daher eignet sich der Roman auch für Unkundige. Für Mann-Kenner kommt auf den immerhin rund 550 Seiten dennoch keine Langeweile auf.

    Der Roman beleuchtet sowohl Manns Privatleben als auch sein schriftstellerisches Schaffen. Mit der Schwerpunktsetzung war ich während des Lesens nicht immer komplett glücklich. So nehmen mir die homoerotischen Abenteuer und Fantasien zu viel Raum ein. Stattdessen hätte ich mir an einigen Stellen Details zur Entstehung und Rezeption der Werke Thomas Manns gewünscht. Im Großen und Ganzen wird Tóibín dem berühmten Autor aber durchaus gerecht, den er authentisch darstellt.

    Colm Tóibín hat für den Roman umfangreich recherchiert und lässt seine Leserinnen und Leser an seinen Quellen teilhaben. Interessiert hätte mich darüber hinaus, an welchen Stellen er von der tatsächlichen Biografie abgewichen ist und Fiktion ins Spiel gebracht hat. Leider lässt uns der irische Autor diesbezüglich im Dunkeln.

    Tolle Arbeit ist bei der Gestaltung des Covers geleistet worden, wenngleich das Motiv ein bisschen vage bleibt. Auch der wörtlich ins Deutsche übertragene Titel (Original: „The Magician“) passt hervorragend.

    Mein Fazit:
    Mit „Der Zauberer“ liefert Colm Tóibín einen umfassenden und unterhaltsamen Roman über das Leben Thomas Manns, der sowohl für Laien als auch Fans der Manns empfehlenswert ist. Ein Buch, das Lust darauf macht, die Werke der Familienmitglieder neu oder wieder zu entdecken.

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  1. 5
    15. Nov 2021 

    Künstler- und Geschichtsroman vom Feinsten

    Thomas Mann steht im Mittelpunkt des Romans „Der Zauberer“ von Colm Toibin. Der Autor begleitet diesen weltbekannten Schriftsteller vom Jugendlichen-Alter in Lübeck über die vielen, durch Flucht vor den Nazis im wesentlichen bestimmten Lebensstationen.
    In einer ruhigen, gewählten Sprache mit manchmal auch Mann‘schen Endlossätzen und gewähltesten Formulierungen sowie stimmungsvollen Worten führt der Autor die Leser in die Gedanken- und Gefühlswelt dieses bürgerlichen, politisch eher ungefestigten Literaten ein. Wir erleben ihn im Kreis seiner Familie, der großen, sehr diversen Kinderschar. Wir sehen ihn bei der Verfolgung von Romansujets, die er ansatzweise in seinem Leben zu finden scheint und denen er akribisch und langfristig auf der Spur bleibt. Das tut er in seinem durchstrukturierten Tagesablauf, in dem alle Vormittage - komme was wolle - dem Schreiben und der Arbeit gewidmet sind. Wir sehen ihn in seinen Sehnsüchten und Träumereien, in denen Männer eine große Anziehungskraft auf ihn ausüben. Wir sehen ihn in seinem Ringen um politische Haltung und in dem Zerren der Gesellschaft in Deutschland und der Welt an dieser literarischen Lichtgestalt, wenn sie ihn politisch vereinnahmen und (aus-)nutzen möchte. Das reicht von den Nazis in Deutschland bis zur amerikanischen Regierung und den „verschiedenen Deutschlands“ und ihrer Einwohner nach dem Zweiten Weltkrieg.
    Der Roman ist so übervoll mit Aspekten aus dem reichen Leben Thomas Manns, dass ich es mir nicht zutraue, es auch nur ansatzweise hier zu dokumentieren. Nur so viel: Es spricht aus meiner Sicht komplett für den Roman, dass er diese Fülle erreichen kann und den Leser dabei doch nie abhängt, weil er den Durchblick zu verlieren droht.
    Also kann mein Fazit nur heißen: Mögen möglichst viele Leser dieses Buch zur Hand nehmen. Es ist ein Zeitdokument, das nicht nur ein Stück Geschichte der Literatur vermittelt, sondern auch einen guten Einblick gibt in die Zwänge, Abgründe und den Druck von Exilanten des Dritten Reiches und natürlich nicht zuletzt in das Leben des Schriftstellers Thomas Mann, auf dessen Werk dieser Roman einmal mehr große Lust verbreitet.

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  1. Ein Buch, das Lust auf Mann macht

    "Wenn er die Leute sagen hörte, er sei derjenige, der es in der Geschäftswelt zu Ansehen bringen würde, wenn er Besucher mit seinem Wissen über anstehende Lieferungen beeindruckte und die Namen von Schiffen und entlegenen Häfen kannte, erschauderte er fast bei dem Gedanken, dass diese Menschen, wenn sie gewusst hätten, wer er wirklich war, ihn mit anderen Augen betrachtet hätten."
    Nein - wir sind nicht bei Buddenbrooks. "Er", das ist Thomas Mann selbst, zweiter Sohn einer wohlhabenden Lübecker Kaufmannsfamilie, der später seiner verwitweten Mutter die Laufbahn als Schriftsteller förmlich abtrotzen wird. Er leistet passiven Widerstand: Am Schreibtisch des Versicherungsbüros, an den ihn seine Vormünder gezwungen haben, schreibt er in aller Ruhe eine Novelle, statt Kontobücher zu kopieren. Seinen ersten großen Bucherfolg hat er denn auch mit einem Porträt über jene steife Lübecker Gesellschaft, in dem er sich als unverstandenes Kind selbst darstellt.

    In seiner Romanbiographie nennt Colm Tóibín Thomas Mann, den wohl bedeutendsten nachklassischen Schriftsteller Deutschlands, "den Zauberer" - was vordergründig bedeutet, dass er am Familientisch den Kindern gern Zaubertricks vorführte, aber natürlich ist die Anspielung auf den Zauberberg beabsichtigt. Tóibín zeichnet ausführlich Manns Herkunftsfamilie, seinen Werdegang als junger Schriftsteller, Heirat und Familiengründung nach und spart auch den Hintergrund nicht aus, die politische und gesellschaftliche Wandlung Deutschlands zwischen den beiden Kriegen, den beispiellosen Exodus der intellektuellen Oberschicht, während die Nazis an die Macht kamen.

    Auch Thomas Mann musste lange vor Beginn des Zweiten Weltkriegs die Notwendigkeit einer Flucht ins Ausland ins Auge fassen: "... dass irgendwann in naher Zukunft seiner Bücher in Deutschland nicht mehr erhältlich sein würden, und diese Vorstellung machte ihm Angst. Er dachte an 'Buddenbrooks' und 'Der Zauberberg' zurück, die Bücher, denen er vor allem seinen Ruhm verdankte, und erkannte, dass sie weit farbloser ausgefallen wären, weniger selbstsicher, weniger eindringlich, hätte er während des Schreibens gewusst, dass kein Deutscher sie würde lesen dürfen. (...) Die Beziehung zwischen seinen Worten und dem deutschen Leser war ruhig und natürlich gewesen. Er wusste, es würde eine Zeit kommen, da er diese Beziehung würde aufkündigen müssen ..." Auch nachdem die ganze Familie, seine erwachsenen Kinder und der Bruder Heinrich (die er alle finanziell unterstützen muss) Deutschland längst verlassen haben, kann sich Thomas Mann nicht entschließen, sich offen gegen das deutsche Regime auszusprechen: "Ihm graute davor, die Tatsache anzuerkennen, dass Deutschland für ihn bereits verloren war. Wenn er jetzt seine Stimme erhob, würde ihm keine Wahl bleiben." Und ebenso weigert sich Thomas Mann später als inzwischen amerikanischer Staatsbürger, eine Einladung nach Weimar in die Ostzone auszuschlagen (obwohl er damit in den Augen der Amerikaner als "undankbar und treulos" erscheinen wird). Tóibín geht diesen Überlegungen, den Anfechtungen, denen Thomas Mann im Exil ausgesetzt war, sehr genau nach. Überhaupt erfahren wir Thomas Mann in diesem Roman als nachdenklichen, bisweilen verkopften Menschen. Das Emotionale und Spontane lag ihm nicht - auch das ein Umstand, der ihm offenbar bewusst war, und dem Tóibín in einigen genau beobachteten Szenen auf den Grund geht.

    Tóibíns Roman zeichnet sich durch eine gewaltige Fülle an Stoff aus. Wir erfahren, wie Thomas Mann sich durch persönliche Erlebnisse - die Bekanntschaft mit der jungen Katia Pringsheim (seiner späteren Frau) und ihrem Zwillingsbruder, einen Besuch in einer Heilanstalt in Davos, einen Aufenthalt in Venedig etc. - für seine künstlerische Arbeit inspirieren ließ. Wie er mit eiserner Disziplin arbeitete - jeden Morgen am Schreibtisch, jede Störung war verboten. Wie er, obwohl wie gesagt nicht gerade ein emotionaler Familienvater, stets versuchte, für Sicherheit und Wohlstand seiner längst erwachsenen Kinder zu sorgen. Auch Manns Neigung zu homoerotischen Begegnungen, die er sein Leben lang unterdrückte, findet bekanntermaßen Niederschlag in seinem Werk und wird von Tóibín nicht ausgespart - für meinen Geschmack ist es schon ein bisschen zu viel, wie der Autor auch dem gealterten Schriftsteller regelmäßig sexuelle Phantasien unterstellt. Nicht zuletzt wimmelt der Roman von berühmten Namen. Gustav und Alma Mahler, Franz Werfel, Arnold Schönberg, Bertolt Brecht, die amerikanischen Verleger Alfred und Blanche Knopf, Eleanor Roosevelt und viele andere geben sich buchstäblich die Klinke in die Hand.

    Mir persönlich war die Schilderung der Persönlichkeit Thomas Manns über weite Strecken ein wenig zu distanziert. Das mag natürlich damit zusammenhängen, dass "der Mann", der hier porträtiert wird, ein distanzierter Mensch war - jeder Überschwang scheint ihm fremd gewesen zu sein; selbst beim Schreiben, notiert Tóibín, hatte er "zugelassen, dass trockener Humor und Gesellschaftsschilderungen sein Schreiben bestimmten; er fürchtete sich vor dem, was die Oberhand gewinnen könnte, wenn er in seiner Vorsicht und seiner Disziplin erlahmen sollte". Tatsächlich hat man oft den Eindruck, dass Tóibín in seinem Buch Manns ruhigen und artifiziellen Erzählstil anklingen lässt. Demnach mag also eine gewisse Trockenheit im Erzählton angemessen sein, aber in einem Buch, das biographisch sein will, verhindert sie bisweilen eine echte Annäherung an den Menschen, und vor allem passt sie nicht recht zu den häufig auftauchenden, allzu intimen Phantasien, die Thomas Mann beim Anblick fescher junger Männer regelmäßig überfallen.

    Das ist allerdings Kritik auf hohem Niveau, sollte ich dazu sagen. Fünf Punkte - bei ganz leichter Aufrundung - sind angebracht. Abgesehen von den aufgezählten Verdiensten ist dies auch ein Buch, das unbedingt Lust macht, sich mit dem Werk Thomas Manns zu beschäftigen.

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  1. 5
    13. Nov 2021 

    Gelungene Annäherung an den Menschen und Schriftsteller Thomas M

    Der Ire Colm Tóibín hat sich bereits vor Jahren in seinem Roman „ Porträt des Meisters in mittleren Jahren“ mit einem weltberühmten Schriftsteller, nämlich Henry James, auseinandergesetzt. Hier, in seinem neuesten Buch, wagt er eine Annäherung an einen der größten deutschsprachigen Autoren des 20. Jahrhunderts. Auf über 500 Seiten erzählt er das an Ereignissen reiche Leben von Thomas Mann und seiner Familie.
    Er beginnt mit den frühen Jahren in Lübeck. Hier wächst der junge Thomas mit seinen Geschwistern im Hause des Kaufmanns und Senators Thomas Mann auf. Seine schöne Mutter Julia stammt aus Brasilien, was sie in den Augen der Lübecker Gesellschaft zu einer Außenseiterin macht. Der Tod des Vaters führt zu einem gesellschaftlichen Absturz und erfordert einen Umzug nach München. Die „ Buddenbrooks“ erscheinen 1901 und machen den jungen Dichter mit einem Schlag berühmt. Doch Freunde hat er sich mit diesem Buch in seiner Heimatstadt und seiner dortigen Verwandtschaft nicht geschaffen. Zu offensichtlich sind die Parallelen von Wirklichkeit und Fiktion.
    Er lernt Katia Pringsheim kennen, eine junge Studentin aus einem liberalen und reichen jüdischen Hause. Die beiden heiraten und bekommen sechs Kinder. Zu einem echten Zerwürfnis mit seinem Bruder Heinrich, der zeitlebens politisch wacher und klarer als Thomas dachte , kommt es während des Ersten Weltkriegs. Während Heinrich den Pazifismus und den Internationalismus propagiert, befürwortet der jüngere Bruder das Kriegstreiben Deutschlands. Sein 1918 erschienener Essay „ Betrachtungen eines Unpolitischen“ wirken zu diesem Zeitpunkt wie aus der Zeit gefallen.
    Auch bei der Machtergreifung Hitlers schweigt Thomas Mann zu lange. Es folgen die Jahre im Exil, erst in der Schweiz, dann in den USA. Obwohl überall hofiert, fühlt sich Thomas Mann nirgends richtig zuhause.
    Nach dem Krieg zieht die Familie nicht mehr nach Deutschland zurück, sondern findet ihr neues Domizil in der Schweiz. Der Roman endet dort, wo er begonnen hat, in Lübeck. Anlässlich der Verleihung der Ehrenbürgerschaft reist der alte Thomas Mann nochmals in seine Geburtsstadt, was ihn aber kaum berührt.
    Colm Tóibín hat für diesen Roman umfangreich recherchiert. Mit dem Werk von Thomas Mann war er schon hinlänglich vertraut, nun las er mehrere Biographien und natürlich auch die Tagebücher des Autors. Die Fakten sind alle gesichert, in die Denkweise und das Seelenleben seines Protagonisten musste er sich einfühlen. Leerstellen füllte er mit seiner Imaginationskraft. Das alles ist ihm nach meinem Dafürhalten außerordentlich gut gelungen.
    Ein ganzes Leben, noch dazu ein so ausgefülltes Leben wie das von Thomas Mann, bietet sehr viel Stoff, den es zu bewältigen gilt. Das geht nicht ohne Auslassungen . Doch Colm Tóibín beschreibt die wichtigsten Lebensabschnitte seiner Hauptfigur und geht dabei streng chronologisch vor.
    Breiten Raum nehmen dabei die nicht ganz unkomplizierten Familienverhältnisse ein. Schicksalsschläge finden sich zuhauf. Nicht nur Sohn Klaus stirbt durch Suizid, schon Thomas Manns Schwestern Carla und Julia haben sich selbst getötet, ebenso seine Schwägerin Nelly, die zweite Frau seines Bruders Heinrich.
    Sehr lebendig und mit z.T. witzigen Dialogen beschreibt Colm Tóibín das Verhältnis von Thomas zu seinen Kindern. Hat Thomas in frühen Jahren seine Kinder noch mit Zauberkunststücken unterhalten und von ihnen deshalb den Kosenamen der „ Zauberer“ erhalten ( da auch der Titel des Romans), so bekam er später sein Versagen als Vater vorgeworfen. So schreibt Michael, der jüngste Sohn in seinem Brief an den Vater, nach der Beerdigung von Klaus Mann, an der die Eltern nicht teilgenommen haben: „ Ich bin mir sicher, dass die Welt Dir für die ungeteilte Aufmerksamkeit dankbar ist, die Du stets Deinen Büchern geschenkt hast, aber wir, Deine Kinder, bringen Dir keinerlei Dankbarkeit entgegen - noch übrigens unserer Mutter, die an Deiner Seite saß.“
    Thomas und auch Katia hatte eindeutige Lieblingskinder. So haben sie bei Erika und Klaus über viele Kapriolen hinweggesehen, bewunderten anfänglich ihre Ältesten um den Mut, mit dem sie ihre Leidenschaften auslebten. Sie tolerierten ihre sexuellen Vorlieben, ihren Drogenkonsum, hatten Respekt vor ihren politischen Äußerungen, die sie lauthals verkündeten und die nicht zum bürgerlichen Image des Dichterfürsten passten. Doch Anerkennung für ihr künstlerisches Schaffen versagte ihnen der Vater. Vor allem Klaus litt darunter, sicher mit ein Grund für seinen späteren Absturz. Elisabeth, die jüngste Tochter, war der Liebling des Vaters. Auch wenn ihr Entschluss, mit Anfang Zwanzig einen um 36 Jahre älteren Mann zu heiraten, auf wenig Beifall stößt. „Was für ein alter Bock!“ lässt Toibin Thomas Mann dazu sagen.
    Bei aller Kritik an Thomas Mann als Familienvater darf man nicht vergessen, wie er sich um alle kümmerte. Er hat seine ständig mittellosen Kinder immer finanziell unterstützt, so wie auch während der Zeit im Exil seinen Bruder und dessen Ehefrau, trotz aller Kontroversen, die zwischen ihnen bestanden.
    Katias Rolle im Familienbund ordnet Tóibín richtig ein. Sie war das Zentrum, diejenige, die zwischen den Kindern und ihrem Mann vermittelte, die für die nötige Ruhe im Hause sorgte, damit ihr Mann seiner täglichen Schreibarbeit nachgehen konnte.Mit ihr konnte er sich über vieles austauschen, ihre Meinung war wichtig für ihn.
    Wie schon in seinem Roman über Henry James interessiert den homosexuellen Colm Tóibín auch hier die verborgene Homosexualität Thomas Manns. So beschreibt er erste Erfahrungen, die der jüngere Thomas mit Mitschülern und Freunden macht. Doch bald entscheidet sich der aufstrebende Dichter für ein bürgerlich annehmbares Leben. Er weiß, was das Ausleben seiner Leidenschaft bedeutet hätte. Nach der Hochzeit mit Katja gönnt er sich nur noch Blicke und verlegt seine Wünsche ins Reich der Phantasie und in die Literatur. So fürchtet er z.B. ,dass die Leser nach der Lektüre von „ Tod in Venedig“ über ihn Bescheid wüssten.
    Seine Frau aber weiß, was in ihm vorgeht, deutet seine Blicke richtig. Doch das Ehepaar hat sich arrangiert. „ Eingeschrieben in ihre stillschweigende Übereinkunft war die Klausel, dass, so wie Thomas nichts tun würde, was ihr häusliches Glück in Gefahr bringen konnte, Katia die Natur seiner Neigungen klaglos anerkennen, die Personen, an denen seine Blicke am liebsten haften blieben, nachsichtig und gutgelaunt zur Kenntnis nehmen und, wenn angebracht, ihre Bereitschaft zum Ausdruck bringen würde, Thomas in all seinen verschiedenen Manifestationen zu würdigen und zu schätzen.“
    Manchen mag dieser Aspekt im Roman zu deutlich herausgearbeitet sein. Doch Tóibín wollte zeigen, was eine unterdrückte, nicht gelebte Sexualität bedeutet und wie sie künstlerisch sublimiert werden kann.
    Das Werk von Thomas Mann wird an einigen Beispielen exemplarisch beleuchtet. Dabei wird deutlich, wie stark Thomas Mann Erlebtes und Personen seines Umfelds in seinen Büchern eingearbeitet hat. So geht Tóibín v.a. auf die „ Buddenbrooks“ und die schon erwähnte Novelle „ Tod in Venedig“ ein, außerdem auf den „Zauberberg“, den „ Dr. Faustus“ und den „ Felix Krull“. Die Bedeutung, die Musik für Thomas Mann hatte, kommt ebenfalls zur Sprache.
    Auch die historischen Umstände werden in vielen Episoden veranschaulicht. War Thomas Mann in seinen jungen Jahren ein eher unpolitischer Mensch, so zwangen ihn die Zeitumstände, sich politisch zu positionieren. Zwar bezieht er erst spät, auf Drängen von Erika, Stellung gegen Nazi- Deutschland. Dabei treibt ihn die Sorge um seine jüdischen Schwiegereltern, aber auch die Angst, nicht mehr publiziert zu werden, zur anfänglichen Zurückhaltung.
    In den USA wird er zum „ Repräsentanten des menschlichen Deutschlands“. Seine Radioansprachen an das deutsche Volk waren eine wichtige Waffe im Kampf gegen die Nazi- Ideologie. Auch während des Kalten Krieges hätten die Amerikaner ihn gerne als Symbolfigur benutzt. Doch vor diesen Karren ließ sich Thomas Mann nicht spannen.
    Seine Stellung im Nachkriegsdeutschland war nicht unproblematisch. Manche warfen im vor, ein gutes Leben im Exil geführt zu haben, während bei ihnen die Bomben fielen. Und nun hielten viele es für seine Pflicht, zurückzukehren. Thomas Mann entscheidet sich gegen Deutschland als neue Heimat.
    Tóibín erzählt dies alles äußerst unterhaltsam. In Stil und Sprache hat er sich dem verehrten Dichter angepasst. Dabei lässt er vor allem den Menschen Thomas Mann lebendig werden, den er über sich selbstironisch sagen lässt: „Käme er zu sich zu Besuch, …, würde er sich vielleicht auch komisch finden.“
    Colm Tóibín hat eine Fülle von Fakten in seinem Roman untergebracht. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Tóibín zuerst vor allem eine angelsächsische Leserschaft anspricht. Eine Leserschaft, die nicht wie viele deutsche Leser mit Leben und Werk eines der bedeutendsten deutschen Schriftsteller vertraut sind. Doch auch wenn man vieles kennt, macht das Buch Freude beim Lesen. Es ruft Bekanntes in Erinnerung und macht Lust, sich erneut mit den Romanen und Erzählungen von Thomas Mann zu beschäftigen. Eine unbedingte Leseempfehlung!

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  1. Der Zauberer hat mich für sich eingenommen

    Der Zauberer hat mich für sich eingenommen

    Schon lange habe ich mir vorgenommen ein Werk von Thomas Mann zu lesen. Doch wie es dann so ist, die Zeit fehlt, und es plagen Zweifel, ob es denn überhaupt etwas für einen ist.
    Als ich von diesem autobiografischen Roman hörte, sah ich meine Chance, dass Pferd quasi von hinten aufzuzäumen. Die Idee, erst etwas über den Mann hinter seinen Werken zu erfahren, gefiel mir, wobei ich auch da zu Beginn kleinere Bedenken hatte, ob mir das gelesene zusagen würde.
    Diese Sorgen waren allerdings unbegründet, da der Autor Colm Tóibín einen sehr angenehmen Schreibstil nutzt. Ebenso gefallen hat mir, dass er direkt am Anfang beginnt, also mit der Kindheit des Schriftstellers in Lübeck. Er arbeitet sein Leben und seine Werke chronologisch ab, und seine Art der Deutung von Ereignissen erscheint mir sehr realistisch. Schnell wird klar, dass der Autor sich schlau gemacht hat. Er weiß worüber er schreibt.
    Einiges aus dem Leben von Thomas Mann, wie seine homosexuellen Neigungen, werden sehr ergiebig erörtert. Dieser Teil könnte durchaus mit einigen fiktiven Ansichten des Autors durchsetzt sein, doch das hat mich nicht gestört, es ist halt seine Interpretation der Informationen die von Thomas Mann aus seinen Tagebüchern usw bekannt sind.

    Ebenfalls gut gefallen hat mir die Beschreibung der Familie Mann. Die Ehe mit Katia Pringsheim, die gemeinsamen Kinder, und auch das Verhältnis zu seiner Mutter und seinem Bruder Heinrich wurden mir näher gebracht.
    Ich merkte schnell, dass Thomas Mann niemand war, der mit der breiten Masse mitschwimmen möchte. Seine politischen Einstellungen kommen natürlich im Buch auch zur Sprache, obwohl er definitiv niemand war, der schnell nach außen ging mit seinen Ansichten. Er war von Anfang gegen Hitler, dachte aber lange Zeit, dass sich alles regeln würde. Doch auch in seinem Leben kam der Punkt, an dem er Stellung beziehen musste.

    Thomas Mann und seine Frau verfolgten eine sehr unkonventionelle Erziehung, sehr ungewöhnlich für die damalige Zeit. Die Reibereien und die Sorgen mit den Sprösslingen zeigen, dass auch bei den betuchten Manns nicht immer alles einfach war. Sicher war die Familie finanziell sehr gut versorgt, doch vor Problemen anderer Art schützt Geld auch nicht. Wobei ich einräumen muss, dass die Manns im Roman als sehr abgeklärt beschrieben werden. Aber hinter die Fassade kann ja niemand schauen……

    Seine Flucht aus Deutschland, der Aufenthalt im Exil, finden ebenso Erwähnung wie seine Werke. Alles in allem habe ich das Gefühl, dass gesamte Leben des Nobelpreisträgers mitbekommen zu haben. Ich konnte mir tatsächlich ein umfassendes Bild machen. Meine Erwartungen wurden komplett erfüllt.

    Der Roman hat mir das Leben dieses interessanten Mannes aufgezeigt und mir die Scheu vor seinen Werken genommen. Die Buddenbrooks warten bereits auf mich. Ich bin schon sehr gespannt darauf!

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  1. Der Zauberer hat mich für sich eingenommen

    Der Zauberer hat mich für sich eingenommen

    Schon lange habe ich mir vorgenommen ein Werk von Thomas Mann zu lesen. Doch wie es dann so ist, die Zeit fehlt, und es plagen Zweifel, ob es denn überhaupt etwas für einen ist.
    Als ich von diesem autobiografischen Roman hörte, sah ich meine Chance, dass Pferd quasi von hinten aufzuzäumen. Die Idee, erst etwas über den Mann hinter seinen Werken zu erfahren, gefiel mir, wobei ich auch da zu Beginn kleinere Bedenken hatte, ob mir das gelesene zusagen würde.
    Diese Sorgen waren allerdings unbegründet, da der Autor Colm Tóibín einen sehr angenehmen Schreibstil nutzt. Ebenso gefallen hat mir, dass er direkt am Anfang beginnt, also mit der Kindheit des Schriftstellers in Lübeck. Er arbeitet sein Leben und seine Werke chronologisch ab, und seine Art der Deutung von Ereignissen erscheint mir sehr realistisch. Schnell wird klar, dass der Autor sich schlau gemacht hat. Er weiß worüber er schreibt.
    Einiges aus dem Leben von Thomas Mann, wie seine homosexuellen Neigungen, werden sehr ergiebig erörtert. Dieser Teil könnte durchaus mit einigen fiktiven Ansichten des Autors durchsetzt sein, doch das hat mich nicht gestört, es ist halt seine Interpretation der Informationen die von Thomas Mann aus seinen Tagebüchern usw bekannt sind.

    Ebenfalls gut gefallen hat mir die Beschreibung der Familie Mann. Die Ehe mit Katia Pringsheim, die gemeinsamen Kinder, und auch das Verhältnis zu seiner Mutter und seinem Bruder Heinrich wurden mir näher gebracht.
    Ich merkte schnell, dass Thomas Mann niemand war, der mit der breiten Masse mitschwimmen möchte. Seine politischen Einstellungen kommen natürlich im Buch auch zur Sprache, obwohl er definitiv niemand war, der schnell nach außen ging mit seinen Ansichten. Er war von Anfang gegen Hitler, dachte aber lange Zeit, dass sich alles regeln würde. Doch auch in seinem Leben kam der Punkt, an dem er Stellung beziehen musste.

    Thomas Mann und seine Frau verfolgten eine sehr unkonventionelle Erziehung, sehr ungewöhnlich für die damalige Zeit. Die Reibereien und die Sorgen mit den Sprösslingen zeigen, dass auch bei den betuchten Manns nicht immer alles einfach war. Sicher war die Familie finanziell sehr gut versorgt, doch vor Problemen anderer Art schützt Geld auch nicht. Wobei ich einräumen muss, dass die Manns im Roman als sehr abgeklärt beschrieben werden. Aber hinter die Fassade kann ja niemand schauen……

    Seine Flucht aus Deutschland, der Aufenthalt im Exil, finden ebenso Erwähnung wie seine Werke. Alles in allem habe ich das Gefühl, dass gesamte Leben des Nobelpreisträgers mitbekommen zu haben. Ich konnte mir tatsächlich ein umfassendes Bild machen. Meine Erwartungen wurden komplett erfüllt.

    Der Roman hat mir das Leben dieses interessanten Mannes aufgezeigt und mir die Scheu vor seinen Werken genommen. Die Buddenbrooks warten bereits auf mich. Ich bin schon sehr gespannt darauf!

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  1. Der Zauberer beherrscht sein Metier

    Welcher Liebhaber ernsthafter, klassischer Literatur kennt nicht (mindestens) einen Roman von Thomas Mann? Seht ihr – ich sehe jetzt alle innerlich aufzählen, was der- oder diejenige bisher gelesen hat. Ich kannte bisher nur den großartigen Roman „Die Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull“ und die nicht minder gelungene Novelle „Tod in Venedig“. Die „Buddenbrooks“ liegen noch auf dem „Berg ungelesener Bücher“, der nun aber nach der Lektüre von „Der Zauberer“ des irischen Schriftstellers Colm Tóibin (erschienen im Hanser-Verlag und anerkennungswürdig von Giovanni Bandini aus dem Englischen übersetzt!) wohl neu vermessen werden muss, wenn die anderen Romane Thomas Mann´s noch käuflich erworben sind.

    Colm Tóibin hat umfassende Recherche- und Lektürearbeit betrieben und geleistet – davon zeugt nicht nur das recht umfangreiche, am Ende des Buches aufgeführte Quellenverzeichnis, sondern auch der (biografische) Roman als solches.

    Dabei setzt der Roman erst 1891 ein – in dem Jahr also, in dem der Vater von Thomas Mann verstarb – und endet mit Thomas´ letztem Besuch in Lübeck kurz vor seinem Tod 1955. Der Autor spart also bewusst (oder unbewusst?) die ersten Lebensjahre und den Tod aus. Aber er hat auch so genug zu erzählen :-).

    Denn die geneigte Leserschaft wird Zeuge, wie die Mann´s von Lübeck nach München ziehen, wie sich die (lebenslange) Rivalität zwischen Thomas und seinem Bruder Heinrich entwickelt, lernt die (wahrlich) Großfamilie Mann kennen und taucht ein in die politischen Ansichten verschiedener Familienmitglieder.

    Dabei spart sich der Autor, nur eine Seite des Menschen zu betrachten – nein, Tóibin zeigt Thomas mit all seinen Ecken, Kanten, (fragwürdigen) Entscheidungen bzgl. der späten (politischen) Positionsbezüge und lässt häufig die Homosexualität „sprechen“. Aber auch hier zeigt sich der irische Autor von einer sprachlich-eleganten Seite; die entsprechenden Passagen driften nie in das Schmuddelige ab – auch wenn es an der ein oder anderen Stelle etwas weniger ausführlich hätte sein dürfen *g*. Das schmälert aber nicht meine sonstige Begeisterung.

    Denn natürlich erfährt der Leser auch, wie Thomas Mann seine Novellen und Romane geschrieben hat, welche persönlichen Bezüge sie enthalten, wie er als Vater und Ehemann agierte, wie er die schwierigen Umbrüche in seinem Leben gemeistert hat – das alles in einer dem Sprachstil Thomas Mann´ ähnelnden Erzählweise, die jedoch nie einfach nur „abgekupfert“ wirkt, sondern eher ehrerbietig und respektvoll. Ich weiß nicht, wie ich es anders ausdrücken soll.

    Selten hat mir eine (Roman-)Biografie einen Menschen (und die Familie) so nahegebracht, wie es Colm Tóibin mit „Der Zauberer“ gelungen ist. In Verbindung mit der großartigen Gestaltung nicht nur des Schutzumschlags sondern auch dem Buch als solches muss und kann ich hier nur 5* aus meinem Hut zaubern und eine absolute Leseempfehlung aussprechen.

    Kandidat für die „Top 3“ der „King´s Crown Juwels 2021“.

    ©kingofmusic

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  1. Annäherung an ein großes Idol

    Der irische Romancier Colm Tóibín hat sich an einen Roman herangewagt, in dessen Mittelpunkt der Schriftsteller Thomas Mann (1875 – 1955) steht. Wie das lange Quellenverzeichnis belegt, hat Tóibín dafür umfangreiche Recherchen betrieben, um sich möglichst genau an das biografisch Hinterlegte zu halten. Tóibín hat sich seinem Protagonisten angenähert, sich in ihn hineingedacht. Er hat versucht, seinen Weg, sein Verhalten und seine Entwicklung auszuleuchten und wo nötig zu interpretieren. Als Romancier war es ihm dabei möglich, Szenen nachzustellen oder Gedanken auszuformulieren, die vielleicht nicht genau so überliefert wurden. Im Zuge der Lektüre fragt man sich zwangsläufig immer wieder, ob sich dies oder jenes wohl wirklich so zugetragen hat. Fest steht, dass das Gesamtkonstrukt glaubwürdig gelungen ist. Tóibín zeigt einen Mann, der bisher eher als unnahbarer Intellektueller beschrieben wurde, in seiner Vielschichtigkeit als Mensch und Familienoberhaupt. Die von Tóibín gewählte personale Erzählperspektive ermöglicht dem Leser einen sehr intimen Einblick in die Gedankenwelt Thomas Manns.

    Der Autor wählt als Einstiegsjahr 1891, das Jahr, in dem der Vater von Thomas Mann nach kurzer schwerer Erkrankung verstarb. Die Familie musste sich neu ausrichten. Während der ältere Bruder Heinrich sofort finanziell von der Mutter unterstützt wurde, um sich ganz der Schriftstellerei widmen zu können, musste sich Thomas diese Freiheit erst erkämpfen. Mit dem Roman „Die Buddenbrooks“ hatte er einen ersten großen Erfolg zu verzeichnen. Er heiratete Katia Pringsheim, die aus wohlhabendem Münchener Bürgertum stammte. Gemeinsam bekamen sie sechs sehr unterschiedlich veranlagte Kinder. Vieles wird von dieser bunten Familie erzählt. Die beiden ältesten Kinder Klaus und Erika dürften eine Herausforderung gewesen sein. Sie zogen Zeit ihres Lebens viel Aufmerksamkeit auf sich. Als Künstler suchten sie den Widerspruch, mischten sich in Politik und Gesellschaft ein, liebten es aufzufallen oder sich zu exponieren. Beide lebten ihre Homosexualität im Gegensatz zu ihrem Vater offen aus. Doch auch ihre Geschwister bekommen Raum im Buch.

    Zahlreiche intelligent ausgearbeitete Dialoge geben Aufschluss über persönliche Beziehungen, Verhältnisse oder Animositäten untereinander. Reine biografische Daten werden mit Leben gefüllt. Man lernt die Familienmitglieder immer besser kennen, teilt Freude, Schmerz und (Miss-) Erfolge mit ihnen. Doch es geht wahrlich nicht nur um Persönliches. Thomas Mann lebte in historisch bewegten Zeiten, allein zwei Weltkriege und damit einhergehende politische Umstürze hat er erlebt. Lange Zeit hielt er sich mit politischen Äußerungen zurück. Erst als die Nationalsozialisten eine ernste Gefahr für die Freiheit wurden, bezog er als Humanist Position – dann aber deutlich und mit persönlichen Konsequenzen. Wunderbar herausgearbeitet werden dabei seine inneren Konflikte. Mann war sich der Tragweite seines Tuns durchaus bewusst. Er fürchtete um seine Sicherheit sowie um die seiner nahen Freunde und Angehörigen. Früh musste er ins Exil, das ihn über mehrere Stationen nach Amerika führte. Auch von dort aus setzte er sich für die Vernichtung des Nationalsozialismus und den Eintritt der USA ins Kriegsgeschehen ein.

    Der Roman beleuchtet auch die lebenslange Rivalität der beiden Brüder Heinrich und Thomas. Zahlreiche prominente Zeitgenossen wie Berthold Brecht, Alma Mahler-Werfel, Agnes Meyer oder Franklin D. Roosevelt flankieren die Handlung. Thomas Mann hatte Zugang und Einfluss in höchsten Kreise. Trotz allem hat er seine Liebe zur deutschen Sprache nie verloren. Nach dem Krieg zog er in die Schweiz.

    Tóibín zeigt eine ambivalente Familie Mann, die sich ihrer umfangreichen Privilegien durchaus bewusst war, diese schätzte und auch zum eigenen Vorteil einzusetzen wusste. Der Autor versucht nicht, sie zu verklären. Nicht alle Familienmitglieder waren glückliche, unbeschwerte Menschen, manche hatten einen Hang zu Depression, Sucht oder Selbstmord. Der vermeintlichen Homosexualität Thomas Manns widmet sich der Autor an verschiedenen Stellen, indem er seinen Protagonisten immer wieder in homoerotischen Fantasien schwelgen lässt. Das geht mir persönlich zu sehr ins Private, was mein einziger Kritikpunkt am Roman ist.

    Im Schreibstil hat sich Tóibín in angenehmer Weise an den Thomas Manns angepasst. Der Roman liest sich flüssig und leicht verständlich. Leben und Werk werden miteinander verwoben, denn offenbar hat sich der Nobelpreisträger immer wieder vom wahren Leben für seine Arbeit inspirieren lassen. Diese Zusammenhänge machen den Roman für passionierte Leser zu einer Fundgrube. Man wird inspiriert, Manns große Werke (wieder) zu entdecken oder sich intensiver mit seiner Biografie zu beschäftigen.

    Der Roman „Der Zauberer“ sollte ein breites Publikum erfreuen. Er eignet sich sowohl für Leser, die sich bislang noch gar nicht mit der Lebensgeschichte Thomas Manns befasst haben, als auch für jene, die sie auf kurzweilige Art auffrischen wollen. Die Parallelen zwischen Leben und Werk sind augenfällig. Historische Begebenheiten laufen eher im Hintergrund ab, im Vordergrund stehen durchgängig die Aktionen der Familie Mann. Thomas Mann wird dabei keineswegs als Held präsentiert, sondern als ein Mann mit Stärken und Schwächen. Seine Kinder hat er als liberaler Patriarch erzogen. Obwohl er sie lebenslang finanziell unterstützte, warfen sie ihm vor, dass er seiner Arbeit stets Vorrang eingeräumt und sie nicht ausreichend respektiert habe. Von seinen Kindern stammt aber auch der Spitzname „Der Zauberer“, da Thomas Mann gerne zur allgemeinen Unterhaltung Zaubertricks im Familienkreis vorführte. Diesen Titel hat Colm Tóibin seinem Roman gegeben, eine schöne Idee finde ich.

    Mich hat er damit von Beginn an gefesselt. Sachlich und unter Verzicht auf jegliche Effekthascherei passt das Buch, das Giovanni Bandini gekonnt ins Deutsche übertragen hat, zu seiner Hauptfigur. Ein Roman, dem ich eine große Leserschaft wünsche und der sich auch bestens als Weihnachtsgeschenk eignen dürfte.

     
               

     

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  1. Reiseführer durch Thomas Manns Leben

    Kurzmeinung: Weckt hoffentlich den Wunsch, Thomas Manns Werke persönlich kennenzulernen.

    Die meisten Leser haben schon einmal von dem Schriftsteller Thomas Mann (1875 bis 1955) gehört. Für die „Buddenbrooks“ hat Thomas Mann 1929 den Literaturnobelpreis bekommen. Gut, das ist lange her. Die Buddenbrooks sind allerdings auch heute noch Pflichtlektüre!

    Die Themen, die Thomas Mann in seinen Büchern verarbeitet hat, haben immer etwas Biographisches. An den Buddenbrooks kann man dies besonders deutlich sehen. Thomas Manns Familie war nämlich eine bekannte Unternehmersfamilie und in Lübeck ansässig.

    Der Kommentar:
    Der Autor hat mit dem biografischen Roman „Der Zauberer“ eine Herkulesarbeit vor sich gehabt, die er mühelos bewältigt!

    Colm Tóibín muss chronologisch kühne Schnitte setzen angesichts der historischen Stofffülle, die ihm vorliegt. Das Leben der Manns war turbulent. Zwei Weltkriege fallen in die Lebenszeit von Thomas Mann. Zahlreiche Suizide, aus den unterschiedlichsten Gründen begangen, erschüttern die nicht eben kleine Familie, die die schillerndsten Charaktere hervorgebracht hat. Thomas Manns Kinder waren berühmt und berüchtigt.

    Die wichtigsten Stationen im Lebens der Manns hat Colm Tóibín nachvollziehbar dargestellt. Der Autor verliert sich nicht im Kleinklein, sondern hält dankenswerterweise seine Linie. Er bezieht die Historie ein, aber sie ist nicht sein Hauptaugenmerk. Man könnte "Der Zauberer" mit Fug und Recht als einen kleinen Reiseführer durch sein Leben ansehen.

    Streckenweise ist mir der Duktus des Romans indes zu trocken. Tatsächlich hätte ich mir an vielen Stellen des Romans „Der Zauberer“ eine persönlichere Vorgehensweise des Autors gewünscht, die sicher mehr Emotionalität in die Sache gebracht hätte, denn in Punkto Emotionalität zeigt sich Colm Tóibín zurückhaltend. Andererseits sollte man als Künstler die kritische Distanz zum Sujet nicht verlieren. Es ist ein literarischer Spagat.

    An anderer Stelle liegt, was die Innenansicht des Schriftstellers Thomas Mann angeht, der Fokus zu konzentriert auf dessen homoerotischen Neigungen, zumal sie von dem Literaturnobelpreisträger nicht ausgelebt wurden. Die Szenen, in denen sich Tóibín den sexuellen Träumen und Gedanken Thomans Manns widmet, sind für die Galerie geschrieben! Um nicht missverstanden zu werden, sie sind dezent gehalten.

    Alles in allem führt Colm Tóibín sachlich durch Manns Leben. Für eine Romanfiktion bekommt man jede Menge Fakten und Informationen geliefert. Aber. Im Vergleich mit Oliver Hilmes und Rainer Stach, die beide reine Biografien schreiben, aber als Meister ihres Fachs ihr Sujet so zu präsentieren verstehen als ob es ein Kriminalroman wäre, ist die Romanfiktion „Der Zauberer“ staubtrocken. Sie inspiriert mich nicht.

    Fazit: Leichter zugänglich als eine reine Biografie ist „Der Zauberer“ für alle Leser und Leserinnen zu empfehlen, die mal kurz in Thomas Manns Leben hineinschnuppern wollen, um sich einen ersten Eindruck zu verschaffen. Dafür lohnt sich die Lektüre auf alle Fälle! Für eine Romanfiktion hält sich der Autor hart an die Faktenlage. Was ich jedoch vermisse, ist Leidenschaft und Nähe.

    Kategorie: Biografischer Roman
    Verlag: Hanser, 2021

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  1. "Papa ist ein Zauberer"

    "Am nächsten Morgen erzählte Klaus seiner Mutter beim Frühstück, sein Vater habe magische Kräfte und kenne die richtigen Worte, um ein Gespenst zu bannen.
    "Papa ist ein Zauberer", sagte er.
    "Er ist der Zauberer!", wiederholte Erika.
    Anfangs nur ein Witz, oder ein Mittel, die Tischrunde aufzuheitern, blieb der neue Spitzname für ihren Vater haften. Erika forderte jeden Besuchen auf, ihren Vater, wie sie, mit diesem neuen Namen anzureden." (169)

    Der Zauberer - Thomas Mann - ist eine der berühmtesten und bekanntesten deutschen Autoren, der für mich den bürgerlichen, kultivierten, distinguierten Schriftsteller wie kein anderer verkörpert. Unzählige Biographien, wissenschaftliche Arbeiten sind über Thomas Mann und sein Werk verfasst worden, und jetzt dieser Roman eines irischen Autors, der neben vielen Fakten auch Fiktion enthalten muss. Kennt man den Autoren Thomas Mann nach der Lektüre oder nur die fiktive Figur, die Toíbín erschaffen hat? Eine Problematik, die man über dem Lesen irgendwann vergisst, denn allzu flüssig und leicht liest sich die Lebensgeschichte dieses herausragenden Schriftstellers, den Toíbín einem breiten Publikum zugänglich machen will.
    Die Handlung setzt im Jahr 1891 in Lübeck ein, Thomas ist 16 Jahre alt, gemeinsam wartet er mit seinem älteren Bruder Heinrich und mit den jüngeren Schwestern Lula und Carla auf die Mutter, während sein Brüderchen Viktor schläft. Im Haus des angesehenen Kaufmanns und Senator Mann findet eine Gesellschaft statt, auf der Julia Mann, aus Brasilien stammend, die Hauptfigur ist. Unwillkürlich fühlt man sich in Thomas Manns "Buddenbrooks" versetzt, der in seinem ersten Roman, für den er 1929 den Literaturnobelpreis erhalten hat, den Zerfall seiner eigenen Familie verarbeitet hat.

    "Jahre später fragte sich Thomas, ob der Entschluss seines Vaters, statt der bärtigen Tochter eines der heimischen Schiffsmagnaten oder einer der alteingesessenen Kaufmanns- und Bankiersfamilien Julia da Silva-Bruns zu ehelichen, deren Mutter dem Vernehmen nach Blut südamerikanischer Indianer in ihren Adern hatte, nicht der Beginn des Verfalls der Manns gewesen war (...)" (10)

    Und das ist eine der Schwerpunkte des Romans, der immer wieder aufzeigt, dass Mann reale Ereignisse als Grundlage seiner Romane, Novellen und Erzählungen verwendet und literarisch verarbeitet hat.

    Doch zunächst erwartet der Vater, dass Thomas die Firma in nächste Jahrhundert führt, während der verträumte Heinrich früh eine Laufbahn als Dichter einschlagen will. Allerdings ist Thomas Interesse an der Firma nur geheuchelt, wie Heinrich erkennt.

    "Ich habe dich während des Mittagessens dabei beobachtet, wie du den kleinen Geschäftsmann gegeben hast", sagte er zu Thomas. "Alle außer mir sind darauf hereingefallen. Wann wirst du ihnen endlich verraten, dass du nur Theater spielst?" (15)

    Interessanterweise nimmt Toíbín dieses Motiv ganz am Ende wieder auf, nachdem Thomas Mann, der seinen Vater zu dessen Lebzeiten enttäuscht hat, inzwischen selbst ein bedeutender Mann ist.

    "Sein eigener Vater wäre von ihm eingeschüchtert gewesen. Niemand allerdings wäre eingeschüchtert gewesen, der ihn dabei gesehen hätte, wie er allein im Waschraum der Notarkanzlei, mit seinem alternden Gesicht konfrontiert wurde. Er hätte sich vielmehr gewundert über die halb spöttischen Blicke, die er sich im Spiegel zuwarf, das flüchtige listige, wissende Grinsen, das über sein Gesicht huschte, als freute er sich diebisch darüber, dass er, wie sein Felix Krull, wieder einmal nicht "aufgeflogen" war."(544)

    Das ganze Leben als Rolle in einem Schauspiel?

    Damit weist Toíbín auf eine Facette der Persönlichkeit Thomas Manns hin, die dieser zeitlebens unterdrückt bzw. nicht ausgelebt hat: seine homosexuellen Neigungen, abgesehen von einigen (fiktiven?) Erfahrungen in seiner Jugend.

    Sowohl sein Werk als auch seine Tagebuchaufzeichnungen, die größtenteils erhalten sind, sprechen in dieser Hinsicht eine klare Sprache. Doch er hat sich für das Leben eines bürgerlichen Familienvaters entschieden und glaubt man Toíbín und dessen Quellen, führten Katia Pringsheim und Thomas Mann eine glückliche Ehe, die von gegenseitigem Respekt bestimmt gewesen ist. Und sie scheint seine Neigungen toleriert zu haben.

    "Eingeschrieben in ihre stillschweigende Übereinkunft war die Klausel, dass, so wie Thomas nichts tun würde, was ihr häusliches Glück in Gefahr bringen könnte, Katia die Natur seiner Neigungen klaglos anerkennen, die Personen, an denen sein Blicke am liebsten haften blieben, nachsichtig und gutgelaunt zur Kenntnis nehmen und, wenn angebracht, ihre Bereitschaft zum Ausdruck bringen würde, Thomas in all seinen verschiedenen Manifestationen zu würdigen und zu schätzen." (134)

    Als Familienvater scheint er weniger "erfolgreich" gewesen zu sein. Einzig zu seiner Tochter Elisabeth hatte er ein inniges Verhältnis, auch diese Facette des Menschen Thomas Mann stellt Toíbín gut dar.

    Neben der Lebensgeschichte Manns und der Entstehungsgeschichte seiner Werke spiegelt der Roman zwangsläufig auch die politische Geschichte Deutschlands vom Ende des Kaiserreiches bis zum Beginn des geteilten Deutschlands wider. Vor allem mit seinem Bruder Heinrich führte er immer wieder politische Debatten über das Machtstreben Kaiser Wilhelms II und er befürwortet den 1.Weltkrieg. Die Passagen des Romans, die sich mit Manns langem Schweigen zur Nazi-Herrschaft auseinander setzen, seine Rolle im Exil, seine Radioansprachen an die deutsche Nation und seine Stellung in den USA nach dem Krieg gehören meines Erachtens zu den besten Passagen des über 500 Seiten langen Romans.

    Ebenso interessant sind die Stellen, in denen uns der fiktive Thomas Mann Einblick in die Entstehung seiner Werke gibt und auch in seine Arbeitsweise, die sehr diszipliniert gewesen ist. Jeden Vormittag hat er geschrieben und durfte nicht gestört werden. Die literarischen Sujets mussten zu ihm kommen, entstammten oft seinem unmittelbaren Umfeld.

    "Aus der Gegenwart werde ich nicht klug. Sie ist ein einziges Durcheinander. Und über die Zukunft weiß ich nichts." (310)

    Insgesamt ein Roman, der einen Einblick in das Leben dieses großartigen Schriftstellers gewährt.

    Indem er aus Thomas Mann personaler Perspektive erzählt wird, haben wir als Leser*innen das Gefühl direkt in seinen Kopf blicken zu können. Dabei werden die positiven Seiten Manns ebenso herausgestellt wie auch seine Schattenseiten.

    Klare Lese-Empfehlung!

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  1. Ein großartiger Künstler- und Familienroman

    „Es gab zwei Männer, zu denen er nicht geworden war, und wenn es ihm gelänge, ihren jeweiligen Geist auf glaubhafte Weise zu beschwören, ließe sich ein Roman aus ihnen machten. (Zitat Seite 426)

    Inhalt
    Thomas Mann lebt schon als Heranwachsender tiefer in seiner eigenen Traumwelt und in seinen Phantasien, als sein Bruder Heinrich. Doch er zeigt es im Gegensatz zu Heinrich nicht. Nach dem frühen Tod des Vaters wird Heinrich als Ältester finanziell abgesichert und er kann sich dem Schreiben als Beruf widmen. Auch Thomas schreibt seit Jahren eigene Texte und will Schriftsteller werden, die Lehrstelle, die er auf Weisung seiner beiden Vormunde antreten muss, verlässt er bald wieder. Er ist erst einundzwanzig Jahre alt, als er beginnt, einen Roman über den Niedergang einer angesehenen Kaufmannsfamilie zu schreiben: Buddenbrooks. Anfang 1901 wird das Werk veröffentlicht. Das Schreiben wird immer einen wichtigen Stellenwert in seinem Leben einnehmen. Der Zauberer, diesen Namen findet seine Tochter Erika für ihn und das bleibt er auch für seine erwachsenen Kinder: ein Zauberer, oft unerreichbar in seiner Welt der Phantasie, zwischen Realität und Romanfiguren, neuen Ideen, Politik und Alltag.

    Thema und Genre
    Ein Künstlerroman, in dessen Mittelpunkt das Leben und die Werke des berühmten Schriftstellers Thomas Mann stehen und zugleich ein Roman der eigenwilligen, bekannten Mitglieder der Familie Mann. Sein Bruder Heinrich und vier seiner sechs Kinder sind ebenfalls Schriftsteller.

    Charaktere
    Thomas Mann, der Zauberer, der Zögerer, er geht oft den vorsichtigen Weg. Seine Tätigkeit als Schriftsteller übt er immer sehr ernst und diszipliniert aus, seine Stoffe formt er aus eigenen Erlebnissen und Gegebenheiten, auch seine Figuren entnimmt er der Realität. Für das Familienleben, für die Kinder ist seine Frau Katia zuständig, die auch dafür sorgt, dass er in seinem Arbeitszimmer die Ruhe hat, die er zum Schreiben braucht. Andererseits kümmert sich Thomas Mann immer um das Wohlergehen der Familie, er sorgt dafür, das die gesamte Familie emigrieren kann und sie alle sind auch im Exil aktiv.

    Handlung und Schreibstil
    Der Autor schildert das Leben von Thomas Mann in chronologischen Etappen, er stellt ihn in den Mittelpunkt dieses Künstlerromans. Doch dieser Roman ist auch ein Familienroman, ein Generationenroman, denn das Leben dieser berühmten Künstlerfamilie ist kein Einzelbild, sondern die Summe von eigenwilligen und kreativen Künstlern. So zieht sich auch seine Beziehung zu seinem Bruder Heinrich durch den Roman, die unterschiedlichen politischen Ansichten, der künstlerische Wettstreit der beiden Schriftsteller. Jedes der eigenwilligen, kreativen, oft auch schriftstellerisch tätigen Kinder Thomas Manns erhält mit der eigenen Lebensgeschichte einen entsprechenden Anteil an diesem Roman. Thomas Mann hat immer Tagebücher geschrieben, wo er besonders die Ideen und Hintergründe, das Entstehen seiner Romane genau notiert und so fließt vieles davon in die Handlung ein. Einfühlsam nähert sich der Autor dem Künstler, Familienvater und Menschen Thomas Mann, er erzählt, aber er wertet nicht. So entsteht ein auch sprachlich überzeugendes, lebendiges Bild der berühmten Familie.

    Fazit
    Ein Künstlerroman, der auch ein Familienroman ist. Colm Tóibín ist ein interessanter, packender, aber auch leiser, einfühlsamer Roman über diese prägende, berühmte Familie in einer Zeit der Umstürze und Kriege, zwischen Politik, Exil, Träumen, Hoffnung, Beziehungen, Aufbruch und Schicksal gelungen.

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Der Junge, der das Universum verschlang

Buchseite und Rezensionen zu 'Der Junge, der das Universum verschlang' von Trent Dalton
4.15
4.2 von 5 (6 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Der Junge, der das Universum verschlang"

Brisbane, 1983: Wie wird man zu einem guten Menschen? Diese Frage treibt den 11-jährigen Eli Bell um. Auf den ersten Blick hat er nicht gerade die besten Vorbilder um sich herum: Die Mutter und der Stiefvater dealen mit Heroin, sein großer Bruder Gus spricht nicht mehr, sein Vater glänzt durch Abwesenheit und sein Babysitter ist ein hartgesottener Exhäftling. Doch zwischen den Drogen und dem Schmutz erfährt Eli zärtliche Liebe, aufrichtige Freundschaft und die Magie seiner Phantasie. Elis Welt gerät erst ins Wanken, als der Cartellboss Tytus Broz in sein Leben tritt und die Familie auseinanderreißt. Während Eli heranwächst, wird er weiter mit der Frage kämpfen, ob aus einem schlechten Menschen doch noch ein guter werden kann; er wird in das berüchtigte Boggo Road Goal-Gefängnis einbrechen, um seine Mutter an Weihnachten zu besuchen; er wird durch seine Briefe ins Gefängnis einen wichtigen Freund gewinnen und aus Versehen mitten in einer Schießerei zwischen zwei Gangs landen; er wird einen Karriereweg finden, der nichts mit Drogen zu tun hat. Und er wird sich verlieben.

Autor:
Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:512
Verlag: HarperCollins
EAN:9783749901418
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Rezensionen zu "Der Junge, der das Universum verschlang"

  1. BUCH VERSCHLINGT LESER - Berührend, mitreißend und spannend wie

    Dieses Buch zog schon mit seinem Cover im Adventskalender von Netgalley meine Aufmerksamkeit voll auf sich. Da ich in letzter Zeit nur fast ausschließlich Romance oder Romantasy lese, wollte ich gerne mal wieder das Genre wechseln. Der australische Journalist Trent Dalton debütiert mit diesem Roman sehr erfolgreich und es wurde schon in mehrere Sprachen übersetzt. Mein Dank geht an den HarperCollins Deutschland Verlag und an Netgalley für das Rezensionsexemplar. Gelesen habe ich das Buch bereits im Dezember.

    Coverbild
    Das Cover ist schrill und bunt, geprägt durch knalliges Magenta bis hin zu Rot- und Blautönen. In der Mitte sitzt ein farbenprächtiger Türkisstaffelschwanz auf einem weißen Punkt, in dem das Zitat “Dein Ende ist ein Blauer Zaunkönig” steht. Jetzt weiß ich nicht, ob ein Türkisstaffelschwanz auch hierzulande Blauer Zaunkönig genannt wird, oder die Übersetzung nicht richtig ist, oder lediglich ein falscher Vogel abgebildet wurde. Der Türkisstaffelschwanz ist ein nur in Australien, vor allem in Queensland - wo sich diese Geschichte abspielt - beheimateter Vogel. In großen serifenlosen Lettern steht der Titel des Buches “Der Junge, der das Universum verschlang”. Leider wurde hier der Originaltitel “Boy Swallows Universe” nicht richtig übernommen. Denn gerade die Tatsache, dass der (Original) Titel nur aus drei Wörtern besteht, ist ein elementarer Bestandteil der ganzen Geschichte und ein sich durch den ganzen Roman ziehendes und wiederkehrendes und vor allem wichtiges Element.

    Handlung
    Eli Bell lebt mit seinem stummen Bruder August und seiner Mutter Francis bei Lyle, dem neuen Mann der Mutter und Elis Vaterersatz in Darra, einem Vorort von Brisbane in Queensland. In einer sozial schwachen Gegend, in der sich die Eltern mit Drogengeschäften über Wasser halten. Doch sein großes Vorbild und Vaterersatz ist der alternde “Slim”, Arthur Halliday, ein Exknacki, der wegen seinen mehrfachen Ausbruchversuchen zu einem zweifelhaften Ruhm gelangte. Elis großer Traum ist Journalist zu werden, weil er sich viele Details merken kann, auf viele Einzelheiten achtet. Mit dieser Fähigkeit drängt er sich bei den Geschäften seines Stiefvaters mit auf, was der Familie aber zum Verhängnis wird. Seine Mutter landet im Knast und Lyle ist verschwunden. Sein Bruder August und er gehen zurück zum leiblichen Vater, den von Panikattacken und Alkohol verlotterte Robert Bell. Eli kämpft sich weiter und will seinen Traum, Journalist zu werden, nicht aufgeben, vor allem nachdem er die Kriminalreporterin Caitlyn Spies kennen gelernt hat. Aber seine Vergangenheit holt ihn ein und alte Rechnungen wollen beglichen werden.

    Buchlayout / eBook
    Die Aufmachung des eBooks ist eher schlicht. Die 512 Seiten werden in 23 Kapitel aufgeteilt, die jeweils in mehrere Abschnitte durch ein Sternchen getrennt werden. Die Kapitel werden konsequent nur mit drei Wortsätzen in Versalien betitelt, bei dem der Satz immer mit “JUNGE” beginnt.

    Idee / Plot
    Trotz Gewalt, Dreck und Drogen lieben Kinder unvoreingenommen ihre Eltern, ihre Vorbilder, ihre Bezugspersonen. Auch wenn ihnen traumatische Erlebnisse zugeführt wurden, die sie unterbewusst in Ersatzbilder überführen müssen, um die seelischen Verletzungen ertragbar zu machen, um den Blick auf das Gute nicht zu verlieren. Der Glaube, dass das Verhalten der Peiniger aus Liebe zu ihnen geschieht ist die treibende Kraft, und wird von den Erwachsenen auch bewusst als Druckmittel eingesetzt.

    Emotionen / Protagonisten
    Der 11-jährige Eli ist mit seinem ein Jahr älteren Bruder August sehr eng verbunden. Beide wachsen in einer abgewrackten Umgebung mit einer ambivalenten Beziehung zum gewalttätigen Stiefvater auf. Aber in Elis kindlichen Unvoreingenommenheit und Naivität schaut er zu seinen Vorbildern auf, sucht in jedem Menschen das Gute und empfindet trotz alledem Liebe für seine Eltern. Mit seiner überbordenden Fantasie überlebt er den unterschwelligen Psychoterror nicht nur seines Ziehvaters sondern verdrängt damit auch seine traumatischen Erlebnisse aus seiner Kindheit. Genauso wie sein Bruder Gus, der beschlossen hat nicht mehr zu reden. Dieser nutzt autistische Verhaltensweisen, um sich von seinen traumatischen Erlebnissen abzuschotten.

    Die Suche nach dem Guten in den Menschen, und der Überzeugung, dass auch schlechte Menschen Gutes in sich tragen, bzw. die Frage, wann der Punkt erreicht ist, bei dem ein guter Mensch böses tut, treibt den Jungen an weiter zu machen, selber Gutes zu tun.

    Mich hat Elis Verwundbarkeit aber auch Stärke sehr beeindruckt. Seine anfängliche Situation tut einem als Eltern weh, die Gewalt, ob körperlich aber vor allem auch psychisch, die er erleiden musste, haben mich sehr bedrückt. Er erkennt, dass seine Fantasie sein Schutzschild ist und er trotzdem unbeirrt seinen Weg geht. Er beginnt sich abzunabeln, ohne abzustumpfen und verzweifelt nicht an seiner Situation, sondern schöpft immer neue Kraft daraus.

    Handlungsaufbau / Spannungsbogen
    Am Anfang hatte ich Probleme in die Geschichte zu kommen. Das lag an den verworrenen Gedanken und Ausschnitten, die zunächst sehr zusammenhanglos erscheinen. Aber relativ bald kommt man in das Geschehen rein und beginnt den Faden aufzunehmen. Man durchlebt mit Eli seine Höhen und Tiefen. Die Geschichte nimmt immer mehr Fahrt auf, sei es emotional aber auch spannungstechnisch. Durch geschickte Rückblenden über das gesamte Buch hinweg puzzeln sich die einzelnen Handlungsstränge zusammen. Am Ende wird es sehr packend und gipfelt in einem Thriller ähnlichen Showdown.

    Szenerie / Setting
    Australien in den 80ern. Ich bin wahrscheinlich im ähnlichen Alter wie der Autor, und habe die Zeit gut vor Augen. Keine moderne Technik, das einzige Unterhaltungsmittel waren damals nur 3 Fernsehprogramme. Trostlosigkeit wird in Alkohol ertränkt. Ein perfektes Setting für diese Geschichte.

    Sprache / Schreibstil
    Trent Dalton benutzt einen sehr facettenreichen Stil. Streckenweise reihen sich elendig lange Schachtelsätze aneinander, die aber die verstrickten Gedankengänge des Jungen widerspiegeln. Daneben denkt Eli dann auch in Sätzen mit wenigen Worten, bis hin zu nur noch 3 Worten, bei denen er oft den Gedanken wiederholt, um ihn sich selber zu verdeutlichen. Es ist auch das wiederkehrende Element der Reduktion auf das Wesentliche, die Zusammenfassung eines Inhalts auf nur 3 Worte.

    Die gesamte Geschichte erleben wir aus Elis Perspektive als Erzähler. Der Haupthandlungsstrang wird im Präsens dargestellt, die Rückblenden im Präteritum.

    FAZIT
    Ein in sich absolut gelungener, emotionaler aber auch spannender Roman, der einen berührt und mitreißt. Anfänglich hatte ich etwas Schwierigkeiten den Hauptfaden aufzunehmen, war aber dann von der gesamten Entwicklung ziemlich gefesselt.

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  1. 5
    31. Mai 2021 

    Grausam, magisch, voller Liebe - ein echter Schmöker

    Eli, 12 Jahre alt, lebt mit seinem ein Jahr älteren Bruder Gus bei der Mutter und deren Freund, den er wie einen Vater liebt. Die Beiden dealen mit Heroin, währenddessen Slim auf die Jungs aufpasst: ein ehemaliger Häftling, der wegen Mordes nach 30 Jahren vor kurzem aus dem Knast entlassen wurde. Doch trotz dieses nicht gerade kindgerechten Umfeldes ist Elis Leben geprägt von Liebe, Freundschaft und Zuwendung, selbst in den schwierigsten Momenten.
    Obwohl die schrecklichsten Dinge geschehen, die selbst in Eli einen Todeswunsch auslösen, findet er immer wieder zurück zu seinem Vertrauen und dem Glauben an das Gute im Leben und im Menschen. Dabei helfen ihm nicht nur seine Familie und Freunde, sondern auch seine Phantasie, die ihn selbst in den übelsten Momenten nicht verlässt.
    Eli ist der Ich-Erzähler dieser rund 550 Seiten und als Lesende begleiten wir ihn bis zu seinem 18. Lebensjahr. Er ist der geborene Geschichtenerzähler und hat einen Blick für die kleinsten Details: "Wahres Wissen besteht aus Einzelheiten, sagt Slim. Und Wissen ist Macht." Einigen mag dies zu ausufernd sein, doch Eli erzählt witzig und durchaus selbstironisch, wobei es für einen 12-, 13jährigen manchmal aber etwas sehr erwachsen klingt. Bedenkt man jedoch, unter welchen Umständen er lebt, mag es nicht weiter verwundern ("Dad lächelt und nickt. Nächtliche Panikattacken. Suizidal-depressive Phasen. Dreitägiges Komasaufen. Von Fäusten aufgerissene Augenbrauen. Gallige Kotze. Dünnschiss. Braune Pisse. Das ist unsere Wirklichkeit.").
    Einerseits ist es ein hartes, brutales Buch, in dem auch Kinder nicht von Gewalt verschont werden (wie auch, wenn sie in einem solchen Milieu aufwachsen); andererseits spürt man auf beinahe jeder Seite, mit wieviel Wärme und Zuneigung sich die Menschen um Eli und seinen Bruder kümmern (wollen), um ihnen ein besseres Leben und die Verwirklichung ihrer Träume zu ermöglichen.
    Für den Autor Trent Dalton ist Eli eine Art alter Ego, denn auch er ist unter solchen Umständen aufgewachsen und sein bester Freund war zeitweise tatsächlich Slim, der Ausbrecherkönig. Durch Daltons beeindruckenden Schreibstil war ich fast das ganze Buch hindurch fest überzeugt, dass ihm all die schlimmen Dinge ebenso zugestoßen sind und machte mich auf die Suche, u.a. nach Zeigefingern ;-) Mehrere Interviews in diversen australischen Zeitungen (u.a. https://www.townsvillebulletin.com.au/lifestyle/houdini-and-the-escapist/news-story/0643ba20751ab7f6f6051b4a74d360cb) machen jedoch klar, dass der reale Teil bei ca. 50% liegt - was immer noch eine Menge ist bei einer solchen Geschichte.
    Ein richtiger Schmöker aus einem fast wirklichen Leben.

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  1. Eli Bell und das Universum

    Eli Bell wächst in der Nähe des australischen Brisbane in schwierigen Verhältnissen auf. Sein Umfeld wird von Drogen und Gewalt dominiert. Obwohl ihm seine Eltern keine Vorbilder sind, versucht der Elfjährige stets aus eigenem Antrieb heraus ein guter Mensch zu sein. Unterstützung dabei findet er, komischerweise von einem verurteilten Mörder und Knastausbrecher und bei seinem älteren Bruder August, der aufgrund eines traumatischen Ereignisses aufgehört hat zu sprechen.
    Die Verhältnisse in denen Eli Bell und sein Bruder aufwachsen, lässt den Leser erschaudern. Dieses Buch ist definitiv keine leichte Kost auch wenn der locker, flockige Schreibstil etwas die Tragik entschärft. Laut Angabe des Autors handelt es sich um eine zum Teil autobiografische Erzählung. Eigentlich kaum zu glauben.
    Bisher habe ich Australien als Insel bzw. Kontinent der Seligen gesehen, doch scheinbar gibt es doch Schlimmeres als das Ozonloch, das über dem Kontinent schwebt. Auch in Australien gibt es eine gewaltvolle Drogenszene und dies nicht nur im dünn besiedelten, einsamen Outback.
    Es handelt sich hierbei um eine Art Coming of Age Story die teilweise in einen Abenteuerroman übergeht. Wobei ich Eli Bell kaum als Kind oder Teenager wahrgenommen habe, auf mich wirkte er unheimlich reif.
    Im Mittelteil hatte das Buch leider ein paar Längen und nahm erst gegen Ende wieder Fahrt auf. Auch die Sprache, die für die Dialoge verwendet wurde, möchte ich etwas kritisieren. Diese wirkte auf mich zu unauthentisch, man hätte beinahe meinen können, dass jeder Verbrecher, jeder Kriminelle, ob auf Droge oder nicht, ein Poet ist. Möglicherweise handelt es sich hierbei um ein Stilmittel Trent Daltons, mir war es zu übertrieben. Hier hätte ich mir tatsächlich mehr Slang gewünscht.
    Ein Buch, dass trotz vieler gewalttätiger Szenen viel Poesie beinhaltet, teilweise leider zu viel. Eigenwillige Figuren mit viel Tiefgang helfen über die düsteren Szenen hinweg.

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  1. 4
    21. Apr 2021 

    Ein guter Mensch

    Im Jahr 1983 führt Eli Bell nicht gerade das Leben eines gewöhnlichen Jungen. Bei seinem Babysitter und besten Freund handelt es sich um einen ehemaligen Sträfling, der mehrfach ausgebrochen ist. Beim letzten Mal hat Slim das Gefängnis allerdings durch die Tür verlassen. Gus, Elis älterer Bruder, spricht nicht mehr, er malt Worte in die Luft und Eli ist einer der Wenigen, die es lesen können. Und Elis Mutter und sein Stiefvater dealen mit Drogen. Dennoch haben Eli und Gus eine Kindheit, denn ihr Stiefvater behandelt sie relativ gut. Doch als Lyle beginnt, auf eigene Faust zu arbeiten, gerät die vermeintlich heile Kinderwelt aus den Fugen.

    Die Kindheit und Jugend zweier außergewöhnlicher Brüder in Australien. Die Jungen müssen einiges ertragen und sie bleiben dabei Jungs. Da ihr Leben eben so ist, finden sie nichts so besonderes daran, dass ihr Stiefvater mit Drogen handelt. Eher wollen sie mitmischen. Allerdings strebt besonders Eli nach einer normalen Zukunft. Sein Traum ist es, Journalist zu werden. Doch erstmal geht er der Frage nach, was es heißt, ein guter Mensch zu sein. Sein großes Vorbild ist dabei Slim, dessen Worte immer in Elis Gedanken sind.

    Es könnte beinahe schon eine Phase sein, der ungewöhnlichen Familienromane, die man in letzter Zeit gelesen hat. Doch dieser Roman ist so speziell, dass er eine Alleinstellung beansprucht. Zum einen, weil die Geschichte von Slim Halliday einen realen Hintergrund hat und zum anderen, weil die Kindheit von Gus und Eli einen viel darüber nachdenken lässt, was Kinder alles aushalten können und wie sie zu einer glücklicheren Zukunft finden. Was heißt es, ein guter Mensch zu sein oder auch ein böser? Kann man sich ändern? Kann man vom Weg, der vorgegeben scheint, abbiegen? Diese beiden Jungen entwickeln eine unglaubliche Kraft, die auch ein wenig auf den Leser abstrahlt. Die Suche nach dem Guten ist eingebettet in eine spannende Story um Drogen und das Verschwinden von Lyle, die zu einem Finale führt, mit dem man nie rechnen würde.
    4,5 Sterne

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  1. Aufwachsen unter schwierigen Bedingungen

    Der elfjährige Eli Bell wächst in Darra, einem wenig schönen Vorort von Brisbane, unter schwierigen Verhältnissen auf. Die Menschen um ihn herum können nicht als Vorbild dienen, aber Eli möchte ein guter Mensch werden. Doch wie schafft man das bloß?
    Das wunderschön farbige Cover ist anziehend, die Geschichte ist aber eher düster und bedrückend. Man muss sich schon auf diese Geschichte einlassen.
    Eli hat es wahrlich nicht leicht. Sein Vater ist verschwunden, seine Mutter und sein Stiefvater dealen, sein großer Bruder Gus ist traumatisiert und spricht nicht mehr und sein Babysitter ist ein Exhäftling. Überhaupt geht es in seinem Stadtteil sehr kriminell zu, Alkohol, Drogen und Gewalt gibt es überall um ihn herum. Trotz allem liebt Eli seine Familie, aber immer wieder flüchtet er in seine Fantasiewelt, um alles ertragen zu können. Aber auch später ist das Leben für Eli nicht einfach. Trotz Rückschlägen lässt sich Eli nicht unterkriegen. Doch es gibt auch Lichtblicke, denn Eli hat Menschen um sich, die einander lieben und er hat Freunde. Die Charaktere sind speziell und sehr gut dargestellt, aber ganz besonders mochte ich Eli und Gus, die sich ohne Worte verstehen.
    Aber auch den lakonischen Schreibstil, der oft recht ausschweifend ist, finde ich passend.
    Es ist kein Buch für zartbesaitete Personen, zu viele kleine und große Brutalitäten werden beschrieben. Doch mir hat das Buch gefallen.

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  1. Vom toten blauen Zaunkönig

    Vom toten blauen Zaunkönig

    Das schräge, farbenfrohe dicke Buch mit seinen 560 Seiten fällt schon allein durch das prächtig gestaltete Cover, farbige Vorsatzblätter und ein wirklich prachtvolles Gesamt-Design auf. Und ich liebe gebundene Bücher mit Lesebändchen! Zwar ist der blaue Vogel auf dem Cover eher eine Meise als ein Zaunkönig(?), macht aber nichts.

    Trent Dalton, der Autor, stammt aus Australien und da ich relativ selten Bücher aus Australien in Händen halte, ist dies in jedem Fall sowieso schon etwas ganz Besonderes. Alexander Weber hat kongenial übersetzt und ein großes Lob gebührt auch ihm.

    Die möglicherweise autobiographische Geschichte des Autors, beginnt in den achtziger Jahren in Brisbane. Eli Bell erzählt in der Ich-Form, am Anfang ist er acht Jahre alt und sein Bruder August, genannt Gus, ist neun. Die Brüder leben zunächst mit ihrer Mum und ihrem geliebten Stiefvater Lyle (Ja, der ist hier ausnahmsweise mal der Gute!) in einem kleinen geerbten Häuschen, das Lyle von seinen Eltern bekommen hat. Wenn Mum und Lyle mal keine Zeit haben, weil sie Drogendeals einfädeln müssen, dann passt Slim, der engagierte Babysitter, auf die Brüder auf. Slim ist ein Ausbrecherkönig, soll einen Taxifahrer ermordet haben, aber er liebt die Kinder und sie lieben ihn. Der „richtige“ Vater der Brüder, Robert Bell, wird später auch noch eine größere Rolle spielen.

    In den etwa zehn Jahren, die diesen Erzählbogen umspannen, da passiert unheimlich viel. Schönes, Schräges und auch sehr Schreckliches, was die Brüder in ihrer starken Gemeinschaft relativ gut verkraften. Manches erinnert an einen Episodenroman, obwohl immer dieselben Figuren eine Rolle spielen, wenn sich auch die Unterkünfte und die Betreuer im Laufe der Zeit ändern.

    Eli, der unerschrockene Gefahrensucher, neigt oft dazu, sich in besonders katastrophale Situationen hinein zu manövrieren, wo er sicher am Anfang nicht abschätzen kann, wo das hinführt.
    Elis Bruder Gus spricht nicht, obwohl er sprechen könnte. Meistens malt er Worte und Sätze in die Luft, die aber nur Eli erkennt. Oder die Brüder verstehen sich ganz ohne Worte.

    Hin und wieder markierte ich Stellen mit Alben, Songs oder Fernsehserien, um mich in die Zeit hineinzuversetzen, in der der Roman spielt. Z. B. wird oft von der US-Amerikanischen Seifenoper „Days of Our Lives“ gesprochen, die startete tatsächlich im Jahr 1965 und wird bis heute(!) 2021 produziert.

    Mit den auf Seite 114 erwähnten Aga-Kröten (Cane Toad) habe ich mich auch beschäftigt. Zitat: „[…] als ich sechs Aga-Kröten in den Gefrierschrank gesteckt habe, damit sie dort eines gnädigen Todes starben, und die zähen unansehnlichen Amphibien stattdessen in ihrem Tiefkühlsarg überlebten und Lyle, als er die Tür öffnete, um sich einen Feierabenddrink zu holen, auf seinen Eiswürfeln hockend anglotzten.“ – Einst, 1935, als Zuckerrohrkäfer-Vernichter ins Land geholt, hat sich diese giftige Krötenart in Australien derart vermehrt, dass inzwischen auf jeden Einwohner 420 Tiere kommen(!). Es hatte also fatale Folgen, das Ökosystem durch Menschenhand zu verändern.

    Eli träumt davon Kriminalreporter bei der Courier-Mail zu werden, dort arbeitet auch die von ihm angebetete Caitlyn. Er möchte auch ein Haus im „Gap“ haben. Darüber unterhält er sich mit seinem Schulfreund und –feind Darren, der gibt seinen Senf dazu, S. 76: „Du musst ’nen Uniabschluss machen und dann bei irgendeinem Arschloch um ’nen Job betteln, damit er dich dreißig Jahre rumkommandiert, und du musst jeden Penny sparen, und wenn du endlich genug zusammengekratzt hast, gibt’s im Gap kein Haus mehr, das du kaufen kannst!“

    Fazit: Wer Schräges und gleichermaßen Unterhaltsames lesen möchte, was teils krass gegen den Strich gebürstet ist, der ist hier genau richtig. Ein paar Lebensweisheiten und Weiterbildung gibt’s gratis dazu, denn wisst ihr, S. 433: […] der Sinn unseres Lebens besteht im Grund darin, das zu tun, was richtig ist, nicht das, was einfach ist.“ Fünf Sterne!

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70 Jahre

Buchseite und Rezensionen zu '70 Jahre' von Wolfgang Niedecken

Inhaltsangabe zu "70 Jahre"

"Ich wollte immer Musik machen, die die ganze Welt einschließt." Ein Traum, den sich Wolfang Niedecken verwirklicht hat. In Für 'ne Moment erzählt er von seinem bewegten Leben als bildender Künstler, Songwriter und Sänger, der politische Wachsamkeit mit humanitärem Engagement verbindet. Und von einer Kindheit zwischen Trümmern im Nachkriegs-Köln. Vom katholischen Internat und der Rebellion gegen Autoritäten. Von der Malerei, den Ausstellungen und der New Yorker Kunstszene der siebziger Jahre. Von den Triumphen mit BAP. Und vom Unterwegssein, von Krisen und dem unbedingten Willen, weiterzumachen. Er hat viel erlebt, und nicht alles war in strahlendes Scheinwerferlicht getaucht. Schließlich kam der Moment, der sein Leben in ein »Davor« und ein »Danach« teilte. in seiner zweiten Biographie Zugabe erzählt Niedecken von seinem Schlaganfall, der erlebten Todesnähe und dieser zweiten Chance, die sein Leben nochmals umgekrempelt hat. Zwei Biographien, zum 70. Geburtstag in einem Band und mit ausführlichem neuem Vorwort. Wolfgang Niedecken erzählt - gegenwärtig und nah, intensiv, ehrlich und voller Poesie.

Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:896
EAN:9783455011463
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Career Suicide: Meine ersten dreißig Jahre

Buchseite und Rezensionen zu 'Career Suicide: Meine ersten dreißig Jahre' von Bill Kaulitz
3
3 von 5 (1 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Career Suicide: Meine ersten dreißig Jahre"

Als Gesicht der Band Tokio Hotel wurde Bill Kaulitz für sein exzentrisches Auftreten geliebt, belächelt, bewundert und gehasst wie kein Zweiter. Fans verehrten seinen androgynen Style, die Presse reagierte mit Ratlosigkeit und Spekulationen über seine sexuelle Identität. Als der Rummel um die eigene Person gefährliche Ausmaße annahm, floh Bill mit seinem Zwillingsbruder Tom nach Los Angeles. Von dort blickt er auf die ersten dreißig Jahre seines Lebens zurück. Aufgewachsen in der Nähe von Magdeburg, war Bill Anfeindungen und Unverständnis gewohnt, ließ sich aber nie beirren und verfolgte konsequent seine künstlerischen Visionen und seinen Traum eines Lebens abseits von provinzieller Enge. Zum ersten Mal erzählt er hier offen von seiner Kindheit im Nirgendwo, von Tokio Hotels überwältigendem Erfolg, aber auch von Eskapaden, Einsamkeit und der besonderen Beziehung zu seinem Bruder Tom.

Autor:
Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:384
EAN:9783550201394
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Rezensionen zu "Career Suicide: Meine ersten dreißig Jahre"

  1. ganz okay

    Ich hätte nie gedacht, dass ich einmal Biografie von Bill Kaulitz lesen würde. Entweder liebt man Tokio Hotel oder man hasst sie. Viel dazwischen gab es eigentlich nie. Ich mochte die Musik und auch Bills Style schon als sie rauskamen. Ich war zu dem Zeitpunkt auch vollkommen die Zielgruppe der Band. Ein richtiger Fan war ich nie aber dennoch hatte ich Interesse an diesem Buch.
    Das Cover sowie der Titel passen natürlich wie die Faust aufs Auge. Ich glaube bei einer Biografie mit einem Selbstbildnis auf dem Cover kann man rein gar nichts falsch machen. Die Schrift des Titels wurde auch top getroffen. Ich finde es auf jeden Fall sehr ansprechend.

    Das Vorwort von Benjamin von Stuckrad-Barre fand ich für meinen Geschmack zu lang. Ich bin auch ehrlich, ich habe es nicht komplett gelesen, da ich mit der eigentlichen Biografie anfangen wollte. Ich lese aber auch echt sehr selten die Vorworte.
    Mir haben die persönlichen Bilder hier sehr gut gefallen. Aber das vermutet man ja auch in einer Biografie. Bill Kaulitz hat wirklich von der Geburt an erzählt, was zwischenzeitlich etwas sehr ausholend und langweilig war.
    Er hat zwar einen recht witzigen Schreibstil aber manchmal kam es dann doch zu sehr gewollt und nicht gekonnt herüber. Zu sehr darauf bedacht jung herüber zu kommen. Das ging mir dann zwischenzeitlich doch etwas auf den Keks.
    Alles in allem kann man das Buch lesen, wenn man Bill Kaulitz kennt. Man hat aber auch nicht sonderlich viel verpasst, wenn man es nicht gelesen hat. Denn so viele neue Dinge erfährt man dann doch nicht. Kann man sich alles ein bisschen denken. Komplette Zeitverschwendung war die Lektüre jedoch nicht.

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