Born to Run: Die Autobiografie
Auguste "Gussie" Amalie Julie Adenauer (geb. Zinsser)
* geboren 07.12.1895 in Köln
† gestorben 03.03.1948 in Bonn
Zweite Ehefrau von Konrad Adenauer
Gussi liegt im Johannes-Hospital in Bonn. „Sie weiß, dass sie sterben wird.“ (S.9) An ihrer Seite sitzt Konrad Adenauer. Sie schaut zurück und erinnert sich.
Der Schriftsteller Christoph Wortberg läßt die Zeit zwischen 1895 und 1948 wie in einem historischen Film aufleben. Wer bisher nicht viel über Konrad Adenauer weiß, wird nun mehr von ihm und Gussi erfahren. Der Leser taucht ein in eine Vergangenheit, die heute Geschichte ist. Er zeigt uns den Kölner Oberbürgermeisters Konrad Adenauer der nach dem Tod seiner ersten Frau 1919 Gussi heiratet. Seine drei Kinder brauchen eine Mutter und Gussi und er verstehen sich auf Anhieb sehr gut.
„[…], ich tanze durch mein Leben. Schön wie der junge Frühling. Mit dem Mann, den ich liebe.“ (S. 206)
Die Familienidylle wird durch die Nationalsozialisten, die Konrad Adenauer verfolgen, zerstört und zusätzliche Repressalien haben schwere Auswirkungen auf die Familie.
Der Verrat Gussis, durch die Gestapo erzwungen, belastet schwer. Doch bis zum Schluss ist Konrad Adenauer an ihrer Seite.
Der Schreibstil ist flüssig, die politischen Umstände werden sachlich und gut geschildert. Die biografische Geschichte ist eingebettet zwischen Adenauers Lieblingsporträt von Gussi.
Der Roman hat mich sehr berührt und beeindruckt. Er gibt Einblick in das Leben zweier Menschen, die ein außergewöhnliches Schicksal erfahren mussten.
Wir tauchen ein in ein Stück Zeitgeschichte.
Auguste Adenauer betrachtet ihr Leben - sie liegt bereits im Sterben, als wir ihr in „Gussie“ begegnen. Das ist auch, was die Lektüre nicht im ganz leicht macht, Gussies langsames Dahinsiechen nimmt breiten Raum ein, viele kleine Abschiede gilt es zu meistern. Den von Konrad zum Beispiel, ihrem zwanzig Jahre älteren Ehemann, Kölner Oberbürgermeister und später Kanzler der neu gegründeten Bundesrepublik. Gussie ist seine zweite Frau und übernimmt als solche ein schweres Amt, denn als sie Adenauers Ehefrau wird, hat er bereits drei Kinder aus erster Ehe. Deren Herz zu gewinnen, ihren eigenen Kindern eine gute Mutter zu sein und Konrad zur Seite zu stehen - insbesondere während der Terrorherrschaft der Nazis - ist alles andere als einfach. Das gilt um so mehr, da Konrad Adenauer hier als etwas wortkarger, sehr kluger, aber doch schwer zugänglicher Mensch geschildert wird.Gussie meistert diese Aufgabe, setzt überdies noch eigene Akzente - in diesen Szenen ist das Buch stark und lesenswert. Schwerer fiel es mir persönlich, Gussie als Sterbende in gefühlt jeder dritten Szene wieder zu begegnen. Natürlich ging es zu Herzen, doch ob es notwendig war, uns das in diesen Details zu präsentieren? Für mich persönlich wäre hier weniger mehr - oder jedenfalls genug gewesen.
Gussie liegt im Bonner Johannes-Hospital und weiß, dass ihr Leben zu Ende geht. Sie erinnert sich an die Zeit mit Konrad Adenauer. Sie lernte ihn im Haus ihrer Eltern kennen und heiratete den fast zwanzig Jahre älteren, verwitweten Kölner Bürgermeister mit drei Kindern. Mit ihm bekommt sie fünf Kinder, doch der Erstgeborene stirbt kurz nach der Geburt, was sie ein Leben lang nicht verwunden hat. Sie steht ihrem Mann zur Seite, ganz besonders in den politisch schwierigen Zeiten nach Hitlers Machtübernahme. Ihrem Mann verhilft sie zur Flucht, nachdem man ihn verhaftet hat, und dann verrät sie ihn, um ihre Kinder zu schützen.
Es ist ein wunderbarer Roman über eine starke Frau, der einen berührt und manchmal fassungslos macht, der mich aber auf jeden Fall gefesselt hat, obwohl ich gar nicht einmal so viel Neues erfahren habe. Der Schreibstil von Christoph Wortberg ist sehr angenehm zu lesen, er fängt die Atmosphäre jener Zeit sehr gut ein. Zu Beginn jeden Kapitels finden wir Auszüge aus der Korrespondenz zwischen Gussie und ihrem Vater.
Auguste Zinsser kommt aus gut bürgerlichem Haus und hat ein inniges Verhältnis zu ihrem Vater. Auch wenn ihr abgeraten wird, so heiratet sie den viel älteren Konrad Adenauer. Sie liebt den verschlossenen Mann, ist seinen Kindern aus erster Ehe eine gute Mutter und muss dann unter den Politischen Verhältnissen so viel ertragen. Doch immer steht die lebensfrohe Frau zu ihrem Mann, der seine Überzeugungen hat und nicht von ihnen ablässt. Glücklicherweise haben sie Freunde, welche die gleichen Überzeugungen haben und ihnen zur Seite stehen. Aber die Nazis lassen sie nicht in Ruhe und Gussie muss eine Entscheidung treffen, die über ihre Kräfte geht.
Ich habe diese starke Frau bewundert, die zwar manchmal innerlich zerrrissen ist und oft Angst hat, aber trotzdem zu ihrem Mann steht und für ihre Familie kämpft. Doch ihre Gegner kennen keine Skrupel und keine Menschlichkeit.
Ein großartiger Roman, den ich nur empfehlen kann.
REZENSION – Es ist der Autorin Claudia Graf-Grossmann als Verdienst anzurechnen, anlässlich des 100. Geburtstags des österreichischen Schriftstellers Johannes Mario Simmel (1924-2009) endlich eine eigentlich längst überfällige Biografie über den zu Lebzeiten von Kritikern so geschmähten, beim Publikum umso beliebteren Bestseller-Autor veröffentlicht zu haben. In ihrem Band „Johannes Mario Simmel. Mich wundert, dass ich so fröhlich bin“, der im vertrauten Layout aller Simmel-Romane im März beim Droemer Verlag erschien, lässt die Biografin neben den Resultaten ihrer Archiv-Recherche auch Verwandte, Freunde, Weggefährten und Geschäftspartner zu Wort kommen. Diese Biografie ist nicht nur eine willkommene Neuerscheinung für die vielen Simmel-Fans, sondern muss gerade den zahlreichen Kritikern des Schriftstellers als Pflichtlektüre empfohlen werden.
Denn im Ergebnis wird deutlich, dass Simmel, einer der populärsten deutschsprachigen Schriftsteller, keineswegs ein Autor seichter Trivialliteratur war, sondern – geprägt durch Weltkrieg, Nazi-Regime und sein persönliches Schicksal als Halbjude, der sogar als Jugendlicher aus Eigenschutz seinen jüdischen Vater verleugnen musste – ein ernsthafter Chronist seiner Zeit, der sich um die Zukunft sorgte und mit seinen Werken vor Gefahren für Staat und Gesellschaft warnte. Oft war Simmel mit seinen Ansichten der Zeit voraus, stellt die Autorin fest: „Drei Jahre bevor der Club of Rome gegründet und eine erste Konferenz über die Zukunftsfragen der Menschheit organisiert wird, spricht Simmel diese Themen bereits an [Bevölkerungsentwicklung und drohender Atomkrieg sind Themen seines Romans „Lieb Vaterland magst ruhig sein“] und beweist einmal mehr seinen fast prophetischen Sinn für drängende Zeitfragen.“ So nimmt der Schriftsteller oft Themen vorweg, die erst Jahre oder Jahrzehnte später zum Mainstream werden, erkennt die Biografin. Simmel will warnen und aufklären, formuliert oft dramatisch zugespitzt und bewusst bedrohlich. „Er weiß, dass er mit Grautönen und Relativierungen weniger Beachtung findet als mit radikalem Schwarz-Weiß-Denken.“ Dennoch hat der Autor als langjährig erfahrener Illustrierten-Reporter Themen und Handlungsorte immer sorgfältig recherchiert: Bis zu 250 000 D-Mark investierte Simmel in die Recherche zu einem Roman und spannte dazu auch sein international aufgebautes Netzwerk aus Freunden und Bekannten ein.
Gerade seine Art, gesellschaftspolitische Themen wie „Krieg, Umweltzerstörung, Verletzung der Menschenrechte, Ausländerfeindlichkeit oder Exzesse des Kapitalismus“ mit „philosophischen Überlegungen und Gedankengängen“ in romantische oder leidenschaftliche Liebesgeschichten zu „verpacken“, wie es die Autorin formuliert, was Kritikern oft Anlass zum Verriss seiner Bücher gab, machte Simmels Romane für die Nachkriegsgesellschaft leicht lesbar: „Die Liebesgeschichte mildert nicht nur das häufig sperrige Thema seiner Romane, lockert die Handlung auf und sorgt für die nötige Prise Menschlichkeit. Sie gibt auch Hoffnung, denn für Mario bedeutet Liebe stets Zukunft und Glauben an eine bessere Welt.“
Darin gleicht Simmel seinem Vorbild Hans Fallada, der ebenfalls soziale Missstände seiner Zeit in Romanen aufgriff, damals gemieden und heute als Chronist jener Zeit geschätzt wird. Erst spät, man ist versucht zu sagen „viel zu spät“, erfährt Bestseller-Autor Simmel nach Erscheinen seines Romans „Mit den Clowns kamen die Tränen“ (1987) und vor allem seines letzten Werks „Liebe ist die letzte Brücke“ (1999) endlich verdientes Lob seitens der Kritiker. Sogar Marcel Reich-Ranicki kommt nicht umhin, Simmels „fabelhaften Blick für Themen, Probleme und Motive“ zu würdigen.
Claudia Graf-Grossmann hat es mit ihrer nach Themen gegliederten Biografie geschafft, Johannes Mario Simmel aus der vermeintlichen „Schmuddelecke“ der Trivialliteratur herauszuholen und seine wahre Persönlichkeit als ernsthaften, kritischen Chronisten zu offenbaren. „Wenn unsere Regierung fortfährt, derart unmoralisch zu handeln“, sagte Simmel bereits vor drei Jahrzehnten im Wahljahr 1994, „arbeitet sie Nazis und Rechtsextremen direkt in die Hände. Dann wird sie bei der Wahl die Quittung bekommen, von Protestwählern und sehr vielen Nichtwählern.“
Auch Autoren unterliegen Moden – wie sich am Beispiel Rilkes besonders gut studieren lässt. In den 30er, den 50er und 60er-Jahren schien kein Weg an Rilke vorbeizuführen – nicht für Leser/Leserinnen und auch nicht für junge Autoren/Autorinnen, die ihn nachahmten und seine Motive und seine Formensprache weiterentwickelten. In den 70ern, 80ern und frühen 90ern dagegen war Rilke so ›out‹ wie kaum ein anderer Dichter – zumindest was die deutsche Germanistik und das deutsche Feuilleton anbelangt. Ausnahmen bilden Rilkes Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge und Neuen Gedichte, die nicht in Vergessenheit gerieten. Danach erlangt Rilke eine Renaissance, die zunächst zögerlich einsetzt, aber bis heute anhält.
Der Autor Gunnar Decker sendet mit der Biografie keine neuen oder wissenschaftliche Erkenntnisse über Rilke, sondern schreibt über Rilkes Leben und Werk in verständlicher Form. Er geht dabei chronologisch vor und nutzt Rilkes Ausschnitte aus der Vielzahl seiner Briefe und Werke und setzt diese mit dem Leben und Entstehen seiner Dichtungen zusammen. Decker belegt mit Zitaten seine Aussagen, die ein Bild Rilkes wie bei einem Puzzle entstehen lassen. Rilkes Herkunft und Kindheit nehmen einen breiten Raum ein. Insbesondere das Verhältnis zu seiner Mutter Phia wird oft in Briefen erwähnt. Rilke hat sich im Umgang mit seiner Mutter hauptsächlich in Briefen verständigt, weil er den persönlichen Kontakt vermeiden wollte. Eckpunkte bilden ebenfalls Lou Andreas-Salomé und sein Aufenthalt in Paris bei Rodin.
Bei François-Auguste-René Rodin lernt er das neue Sehen.
Habe ich schon gesagt? Ich lerne sehen. Ja, ich fange an. Es geht noch schlecht. Aber ich will meine Zeit ausnutzen.
Rainer Maria Rilke
„Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge“
Gunnar Decker bringt dem/der Leser/Leserin das Leben und die Persönlichkeit Rilkes näher.
Rilke verfasst 2500 Briefe selbst und 6300 sind an ihn adressiert. Diese Briefe sind für Rilke künstlerischer Ausdruck und biografische Mitteilungen, die neben seinen entstandenen Werken sein Leben bilden.
Gunnar Decker schafft einen Einstieg für alle, die Rilke näher kennenlernen wollen, aber auch für Rilkekenner eine harmonische Zusammenfassung.
Der Panther
Im Jardin des Plantes, Paris
Sein Blick ist vom Vorübergehn der Stäbe
so müd geworden, daß er nichts mehr hält.
Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe
und hinter tausend Stäben keine Welt.
Der weiche Gang geschmeidig starker Schritte,
der sich im allerkleinsten Kreise dreht,
ist wie ein Tanz von Kraft um eine Mitte,
in der betäubt ein großer Wille steht.
Nur manchmal schiebt der Vorhang der Pupille
sich lautlos auf –. Dann geht ein Bild hinein,
geht durch der Glieder angespannte Stille –
und hört im Herzen auf zu sein.
Rainer Maria Rilke, 1903
„In diesen Monaten füllte Kafka seine Notizbücher mit Aufzeichnungen, in denen er sich Rechenschaft ablegt und sein Denken erkundet über Gott und die Welt, über die Kunst, über sich selbst und über seinen bisherigen Lebensweg.“ (Zitat Seite 154)
Thema und Inhalt
Immer wieder ist in den Briefen und Tagebucheintragungen von dem hohen Stellenwert zu lesen, den das Schreiben im Leben von Franz Kafka einnahm und dem er alles andere unterordnete. Das Thema dieser besonderen Biografie ist Franz Kafka als Schriftsteller, seine Probleme und Konflikte, seine Suche, die persönlichen Erfahrungen, die ihn geprägt haben und immer wieder neu prägen, schreibend in Texten zu verarbeiten.
Umsetzung
Rüdiger Safranski schildert das Leben von Franz Kafka in dreizehn Kapiteln zwar chronologisch, doch seine Herangehensweise unterscheidet dieses Buch deutlich von den bekannten Biografien. Safranski ergänzt jeden Abschnitt mit zahlreichen Auszügen aus Kafkas Briefen und Tagebüchern. Gleichzeitig verbinden sich die jeweiligen Ereignisse im Leben von Franz Kafka mit den Texten, die in der entsprechenden Zeit entstehen. Vertiefend sucht Rüdiger Safranski die gedanklichen Verbindungen, die wichtigen Themen, die Franz Kafka immer wieder beschäftigen, und begründet, wie und in welchen seiner Texte Kafka seine Zweifel, tiefe Konflikte, die immer wieder präsent sind, Fragen und Eindrücke verarbeitet. So ergibt sich eine Vielzahl von neuen Blickwinkeln für uns Leser, interessante Facetten und Aspekte, unter denen wir Franz Kafkas Werk neu erlesen und erleben können. Was die Sprache von Rüdiger Safranski auszeichnet, ist ihre trotz der komplexen Themen verständliche Lesbarkeit und Leichtigkeit. Auch der umfangreiche Anhang mit den Quellennachweisen zu den einzelnen zitierten Textstellen und dem Literaturverzeichnis ist klar und übersichtlich strukturiert.
Fazit
„Dieses Buch verfolgt eine einzige Spur im Leben Franz Kafkas, es ist die eigentlich naheliegende: Das Schreiben selbst und sein Kampf darum.“ (Zitat Seite 9, Vorbemerkung) Besser als Rüdiger Safranski selbst kann man nicht auf den Punkt bringen, was dieses interessante Buch zu einem beeindruckenden Leseereignis macht.
Zum Autor (Quelle: Wallstein Verlag):
Ernst Toller (1893-1939) Sohn einer jüdischen Kaufmannsfamilie aus Samotschin (Posen), Studium in Grenoble, kehrte 1914 als Kriegsfreiwilliger nach Deutschland zurück, wandelte sich 1916 zum Kriegsgegner, unter dem Einfluss von Kurt Eisner und Gustav Landauer wurde er zum Vertreter eines »ethischen« Sozialismus. Beteiligung an der Münchner Räterepublik, fünf Jahre Festungshaft, 1933 wurden seine Werke in Deutschland verboten, er emigrierte daraufhin über England in die USA, wo er sich 1939 das Leben nahm.
Werke u. a.: Die Wandlung (1919), Masse Mensch (1920), Hinkemann (1923), Hoppla, wir leben! (1927), Eine Jugend in Deutschland (1933), Briefe aus dem Gefängnis (1935).
Mein Hör-Eindruck:
Tollers Aufzeichnungen umfassen die Jahre 1893 bis 1939, und schon in den ersten Sätzen macht er klar, um was es ihm geht: seine persönliche Geschichte ist für ihn typisch für seine Generation in dieser Zeit.
Aufgewachsen in wohlhabenden Verhältnissen, genießt er eine unbeschwerte Kinderzeit. Allerdings erhält er durch seinen Kinderfreund Einblick in andere, kargere wirtschaftliche Verhältnisse, und die ungleiche Verteilung von Geld und Wohlstand beschäftigt ihn. Die Antwort seiner Mutter „Gott will das so“ beruhigt ihn zunächst, aber nicht auf Dauer, und die Beseitigung dieser und anderer Ungleichheiten wird zu seiner Lebensaufgabe werden.
Toller erzählt von der großen Kriegsbegeisterung, mit der seine Generation in den I. Weltkrieg gezogen ist. Im Feld aber kommt die große Ernüchterung er entwickelt sich zum leidenschaftlichen Pazifisten. Weil er als Kriegsursache das Streben der Hochfinanz nach Bodenschätzen und Gewinn erkennt, wendet er sich dem Sozialismus zu.
Sehr lebhaft beschreibt er in der Folge die Revolution, die Bildung der Arbeiter- und Soldatenräte und er bedauert das Zaudern der Revolutionäre vor institutionalisierten Machtstrukturen, die eine gründliche Umwälzung verhindern und das Erstarken der Konterrevolution begünstigen. Das Scheitern der Räterepublik, der Wirrwarr der Revolution, die blutigen Kämpfe zwischen Weiß- und Rotgardisten – Tollers Erzählungen und die eingefügten Augenzeugenberichte lassen diese unruhige Zeit lebendig werden. Ebenso lebendig in ihrer Grausamkeit und ihrer Menschenverachtung wird die Zeit der 5jährigen Festungshaft.
Toller ist ein außergewöhnlicher Mensch, ein leidenschaftlicher und dabei hoch moralischer Mann. Er weiß inzwischen, dass die Aussage seiner Mutter „Gott will es so“ nicht stimmt, und er setzt seine ganze Energie und Wortgewalt ein für eine Zukunft frei von Ungleichheiten, frei von Kriegen und Nationalismus, und für eine Zukunft, in der das Recht unparteiisch ist und nicht, wie er es erlebt hatte, ein Instrument der Macht. Sehr scharfsichtig erkennt er Hitler als einen üblen nationalistischen Agitatoren, der einer solchen Zukunft im Wege steht.
Seine Erinnerungen sind zugleich ein Memento Mori für seine ermordeten Weggefährten, allen voran Eisner, Landauer, Leviné und Erich Mühsam.
Tollers Leidenschaft wird vom Sprecher Richard Barenberg äußerst wirkungsvoll in Sprache umgewandelt.
Hörenswert!!
(Die ISBN des Hörbuchs wird nicht angezeigt.)
Diese mit 44 Fotografien versehene Biographie liest sich gut und ist unterhaltsam. Der Leser begleitet Maria Callas von ihrem Umzug von New York, wo sie aufgewachsen ist, nach Athen im Jahr 1937. Sie ist 14 Jahre alt und wird zusammen mit Mutter und Schwester bis Kriegsende in Athen bleiben. Dort feiert sie sehr jung erste Erfolge als Opernsängerin.
Die Schilderung dieses Karriereanfangs ist der Autorin gut gelungen, erfährt man doch einiges über Callas' familiäre Herkunft und die historischen Hintergründe. Für mich war der Höhepunkt ihrer Karriere, wie sie in der Biographie dargestellt wird, ihr Durchbruch als Medea unter der Leitung von Leonard Bernstein im Dezember 1953. Eine Rolle, die ihr Wesen in all seiner Zerissenheit und Tragik widergespiegelt hat.
Überhaupt gewinnt man bei der Lektüre einen guten Eindruck vom Charakter dieser legendären Sängerin. Launisch, ich bezogen und verletzlich auf der einen, divenhaft, verwöhnt, herrisch, dabei überaus ehrgeizig und diszipliniert arbeitend auf der anderen Seite. Für mich keine Sympathieträgerin. Ihre Ehe, ihre Beziehung zu den Eltern, zur Schwester, zu den wenigen Freunden, zu Kollegen wird beschrieben bis hin zu ihrer großen Liebe Onassis. Desgleichen erfährt man viel über die Musikszene, die Welt der Oper vor und hinter den Kulissen. Das alles zu lesen hat Spass gemacht.
Mit dem Auftauchen von Onassis lernt der Leser die Welt des internationalen Jet Sets kennen. Der Hochadel, glamouröse Filmstars, schwerreiche Unternehmer, Staatsoberhäupter, Luxusjachten, ebensolche Hotels, Restaurants und sündhaft teure Immobilien, Juwelen, elegante Garderobe: das ist die Welt der Callas. Allerdings unerbittlich verfolgt von der Presse, Opfer von Intrigen der Musikszene, aber vor allem Opfer ihres Ehrgeizes, ihrer Sucht nach Anerkennung und ihrer Suche nach Liebe und Geborgenheit, das ist das Bild der Callas, wie es von der Biographin gezeichnet wird und, wie gesagt, unterhaltsam zu lesen ist. Die historischen Hintergründe sind zudem sehr gut recherchiert.
Ein anspruchsvolles literarisches Werk ist es nicht, wirken die Stationen des Lebens der Callas gerade in der zweiten Hälfte des Buches etwas hölzern, aber sehr detailreich, aneinander gereiht. Ich habe viel über das Leben Maria Callas' erfahren, was ich bisher nicht wusste. Die Biographie ist für Liebhaber der großen Oper und ihren Stars sehr zu empfehlen.
Ich vergebe knappe vier Sterne.
Das Leben einer faszinierenden Frau
Cover:
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Das gemalte Portrait der Frau, um die es in diesem Buch geht, macht neugierig und ist passend für diesen historischen Roman gewählt. Auguste Adenauer sieht dem Betrachter direkt ins Gesicht, sodass ich mich auf den ersten Blick angesprochen fühlte.
Inhalt:
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Auguste "Gussie" Adenauer ist die zweite Frau des ehemaligen Politikers Konrad Adenauer.Nachdem seine erste Ehefrau verstarb, heiratete sie ihn mit nur 24 Jahren und wurde im selben Moment Stiefmutter seiner drei Kinder und später noch Mutter von 5 weiteren gemeinsamen Kindern. Nach schönen, aber auch schwierigen Zeiten liegt sie gezeichnet von einer Krankheit im Sterben und lässt ihr Leben in Rückblenden passieren.
Mein Eindruck:
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"Die Neugier hat sie immer begleitet, das Unbekannte hat ihr nie Angst gemacht. Auch jetzt macht es ihr keine Angst. Das einzige Unbekannte, das noch vor ihr liegt, ist der Tod. Sie weiß nicht, was danach kommt. Aber wenn es etwas gibt, wird es gut sein. Die sichtbare und die unsichtbare Welt. So viele Fragen, so wenige Antworten. Ihr Vater sagte immer: »Es kommt nicht auf die Antworten an, es kommt darauf an, die richtigen Fragen zu stellen.«Damals hat sie das nicht verstanden, jetzt weiß sie, was er damit meinte."
Der Roman spielt sich ausschließlich in den Erinnerungen von Gussie ab. Jedes Kapitel beginnt mit einem Zitat, das meistens aus einem der Briefwechsel zwischen Gussie und ihrem Vater stammt. Die Handlung wird dabei im Wesentlichen in den beiden Zeitebenen Aufenthalt im Krankenhaus 1948 und der Vergangenheit erzählt. Die Vergangenheit ist nicht immer chronologisch, aber man findet sich anhand der Zeitangaben gut zurecht.
Mir gefielen die Einblicke, die man nicht nur in die Familiengeschichte Konrad Adenauers, sondern auch in das Innenleben von Gussie erhält. Dem Autor ist es gelungen, ihren Charakter so zu beschreiben, dass man sich in die Person einfühlen kann. Trotz des Altersunterschiedes zwischen den beiden und den widrigen Umständen (Eltern anfangs gegen die Vermählung, Stiefkinder, Tod des ersten eigenen Kindes, Verfolgung durch das Nazi-Regime), ist es Gussi immer wieder gelungen, aufzustehen und den Widrigkeiten zu trotzen. Sie hat es verstanden, sich in die Menschen einzufühlen, sie mit ihrem Lachen und ihrer Musik für sich einzunehmen und hatte den Mut zu handeln, um den Nazis Widerstand zu leisten. Eine starke und bewundernswerte Frau!
Der Schreibstil hat mich sofort gefesselt. Die Zitate machen neugierig und die Erinnerungen, gemischt mit den Gefühlen und Gedanken Gussies, bilden eine gute Mischung, um in die Vergangenheit einzutauchen und sich von den Ereignissen fesseln zu lassen. Vor allem die klugen poetischen Gedanken, die sich Gussi über ihr Leben und das im Allgemeinen macht, haben mich gerührt. Ich musste mir einige Zitate notieren.
Fazit:
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Eine gelungene Romanbiografie über das Leben und den Charakter einer starken und mutigen Frau!