Ich, ein Sachse

Kurzmeinung: Mit seiner erweiterten Interviewmethode kommt Seewald erstaunlich weit.
Peter Seewald, von Haus aus katholisch, später kirchenkritisch und, laut wiki, linksliberal, hat Benedikt XVI lange begleitet und ihn in seiner Eigenschaft als freier Journalist häufig interviewt. Zitat aus wiki: „Aus einem ausführlichen Interview mit Kardinal Joseph Ratzinger 1996 entstand schließlich Peter Seewalds Buch „Salz der Erde“, das er zusammen mit dem Interviewten herausgab und das den späteren Papst abseits der häufig beschriebenen Rollen porträtiert.“.
In dem vorliegenden Sachbuch „Benedikts Vermächtnis“ gibt Seewald einen Überblick über das Leben Josef Ratzingers. Obwohl es biografische Züge trägt, handelt es sich bei dem Buch „Benedikts Vermächtnis“ nicht um eine richtige Biografie, dafür griffe es zu kurz, hätte es zu viele Auslassungen und Verkürzungen. Dennoch bekommt der Leser einen Einblick in die Tätigkeit eines Priesters und Gelehrten, eines Theologieprofessors, der in Bonn, Münster, Tübingen und Regensburg Katholische Theologie lehrte. Lehre war Ratzingers Liebe. Er hat sie ungern aufgegeben. Seine Leidenschaft war das Bücherschreiben. Diese Leidenschaft, die Leiden schafft (jedenfalls dann, wenn man begründete Sachbücher schreibt), behielt er bis ins hohe Alter bei. Besonders erwähnenswert ist Ratzingers Rolle im Zweiten Vatikanischen Konzil (1962 bis 1965), die ihm schließlich und endlich den Ruf nach Rom eintrug. Dort, als Leiter der Katholischen Glaubenskongregation oblag ihm die Verteidigung des christlichen katholischen Glaubens. Ein undankbarer Job, der für viele Anfeindungen Raum gibt. Das Weitere ist bekannt.
Der Kommentar:
Peter Seewald bereitet die Inhalte seines Buches elegant auf. Fast wie ein Interview gibt es über kleine und noch kleinere Abschnitte Fragen oder Thesen in Kursiv-Schrift, die er dann mit einigen Zitaten oder Fakten unterlegt und beantwortet. So wird das Buch facettenreich und locker.
Die gewählte Form verhindert ein Schürfen in theologische Tiefen, weil sie zwar ein gezieltes Auswählen von Themen ermöglicht, eine solche Auswahl aber auch willkürlich ist und folgerichtig viele Themen ausspart. Und die Antworten unter den kursiven Überschriften einfach zu kurz sind!
Dennoch gelingt es Seewald verblüffenderweise schlaglichtartig einige Probleme von Job, Amt, Persönlichkeit, Kirchenrecht und Glauben so zu unterfüttern, dass „Fleisch auf die Knochen“ kommt. Theologische Einzelprobleme dürften den Laien auch gar nicht interessieren.
Im Schlussteil geht Seewald auf diskriminierende Presse- und Medienkampagnen ein, die den Papst in ein, wie er meint und wie ich ihm zu folgen geneigt bin – unzulässiges falsches Licht stellen, Verkürzungen, bewusste Auslassungen … wir kennen die Mechanismen. Seewald legt Pro und Contra auf den Tisch. Sozusagen ein Faktencheck.
Fazit: Eine kurzweilige Darstellung der Eckpunkte von Josef Ratzingers Leben und Wirken. Wer mehr will, muss Ratzingers Werke lesen.
Verlag: Hoffmann & Campe, 2023
Kategorie: Sachbuch. Katholische Theologie
Ja, wie soll ich das Buch beschreiben, ohne abzuschreiben? Besser als er kann ich das eh nicht.
Da ist zunächst das Layout: Es sieht aus wie ein Gedicht.
Dann der Autor, der früher ein sehr öffentlicher Mensch war, über den man schon recht viel weiß.
Er ist ein nachdenklicher Mensch, ein nachdenkender Mensch. Er erinnert sich an seine inzwischen gestorbenen Eltern, an das Fremdsein im neuen Land, an all das, was er für die Familie tut (und was sie für ihn tut). Und damit erdrückt sie ihn fast in ihrer Angst. Sie müssen auch recht alte Eltern gewesen sein, er ist lange nach dem Krieg geboren.
Das Buch geht unter die Haut und lässt einen nachdenklich zurück. Würde ich mein USA-Visum zerreißen, weil meine Mutter flüstert: "Willst du uns wirklich alleinlassen?"
Halt gibt ihm schließlich die eigene Familie, die Partnerin, die beiden Kinder. Man könnte fast sagen, Bärbel Schäfer hat ihn gerettet. Und das ist auch gut so.
Eines meiner Jahres-Highlights, eine absolute Leseempfehlung.
Der englische Schriftsteller Ben Macintyre hat schon einige Bücher über Spionage geschrieben. In diesem hier erzählt er detailgenau und spannend die faszinierende Geschichte der Frau, die unter dem Decknamen „ Sonja“ jahrelang als kommunistische Spionin tätig war.
Geboren wurde Ursula Kuczynski, wie sie tatsächlich hieß, 1907 als Tochter einer vermögenden jüdischen Familie in Berlin. Ihr Vater war ein angesehener links stehender Gelehrter. Auch Ursula liest begeistert die Schriften Marx und Engels. Ein Polizeiknüppel auf ihrem Rücken, als sie an einer Demonstration der kommunistischen Jugend mitmarschierte, war die Initialzündung für ihr Engagement. Ihr Kampf galt danach dem Sieg des Kommunismus.
Der führte sie in alle Welt. Die erste Station war Shanghai, zu Beginn der 1930er Jahre eine Stadt der Gegensätze. Das „Paris des Ostens“ war gleichzeitig die „ Hure des Ostens“, ein Zentrum für Drogen und Kriminalität, aber auch der Spionage. Ursula lebt hier mit ihrem ersten Mann, einen Architekten und ihrem kleinen Sohn Michael, als sie Richard Sorge kennenlernt, einer der berühmtesten Spione des 20. Jahrhunderts. Er macht sie nicht nur zu seiner Geliebten, sondern rekrutiert sie auch für den russischen Geheimdienst. In Moskau erhält sie eine Ausbildung als Funkerin. Einsätze folgen in die Mandschurei und nach Polen. 1938 flüchtet Ursula in die Schweiz, wo sie Widerstandsgruppen gegen Nazi- Deutschland aufbaut. Und 1940 kann sie nach England emigrieren, was ihr als Jüdin mehr Sicherheit bietet. Doch auch ihre neue Heimat spioniert sie für die Sowjets aus. Russland befindet sich gerade in einem Wettlauf mit den Amerikanern bei der Herstellung einer Atombombe. Hierzu kann Ursula wertvolle Informationen liefern.
Ein unglaubliches Leben, v.a. wenn man bedenkt, dass Ursula neben ihrer Tätigkeit als Topagentin Hausfrau und Mutter war. Anschaulich beschreibt Macintyre, wie sie versucht, das alles unter einen Hut zu bringen. Die Ehe mit ihrem ersten Mann zerbricht; Ursula bekommt noch in Asien eine Tochter von einem ehemaligen Führungsagenten und in der Schweiz lernt sie einen englischen Kommunisten und Spanienkämpfer kennen. Die Ehe mit ihm verschafft ihr die englische Staatsbürgerschaft. In der ländlichen Umgebung von Oxford führt sie mit Mann und mittlerweile drei Kindern das Leben einer ganz normalen Familie. Die anderen Dorfmitglieder wären sehr überrascht gewesen, hätten sie gewusst, warum ihre nette Nachbarin so oft mit dem Fahrrad unterwegs ist.
Ursula versuchte immer, ihren Kindern eine gute Mutter zu sein. Das ging nicht ohne Kompromisse. Ihr ältester Sohn Peter sagt später einmal: „ In ihrem Leben gab es zwei wichtige Dinge, ihre Kinder und die kommunistische Sache. Ich weiß nicht, was sie getan hätte, wenn sie sich für eines von beiden hätte entscheiden müssen.“ Der Autor hat aus gutem Grund seinem Buch den Untertitel „ Kommunistin, Mutter, Topspionin“ gegeben.
Auch schwerwiegende Maßnahmen der sowjetischen Regierung zerstörten nicht ihren Glauben an die kommunistische Idee. Das eine waren Stalins Säuberungsaktionen, denen unzählige Genossen zum Opfer fielen. Ursula versuchte zu verdrängen, dazu kam ihre Angst, selbst fälschlicherweise unter Verdacht zu geraten. Doch der Hitler- Stalin- Pakt 1939 schockierte Ursula zutiefst. Der Kommunismus machte gemeinsame Sache mit Nazi- Deutschland, das sie zutiefst hasste und bekämpfte. Aber auch hier konnte sie sich arrangieren.
Obwohl der britische Geheimdienst auf Ursula aufmerksam wurde, geriet sie nie ernsthaft in Verdacht. In der Männerwelt der Spionage und der Spionageabwehr war es unvorstellbar, dass eine Hausfrau und Mutter gleichzeitig eine große Agentin sein kann.
Ben Macintyre hat für dieses umfangreiche Buch akribisch recherchiert. Dazu standen ihm eine Unmenge an Quellen zur Verfügung, darunter auch Ursulas Autobiographie, die sie unter dem Namen Ruth Werner 1977 in der DDR veröffentlicht hat: „ Sonjas Rapport“. Der englische Autor erzählt noch von Ursulas Leben nach Beendigung ihrer Agententätigkeit. 1950 zog Ursula mit ihrem Mann und ihren Kindern nach Ostdeutschland, wo sie unter ihrem neuen Namen Kinderbücher schrieb. Im Juli 2000 starb Ursula Kuczynski im Alter von 93 Jahren.
Diese Biographie liest sich wie ein Roman. Trotz der vielen Informationen , die das Buch liefert, entsteht ein fesselndes und lebendiges Bild einer ungewöhnlichen Frau. „ Ursula wurde dem Proletariat und der Revolution zuliebe eine Spionin; doch sie tat es auch für sich selbst, getrieben von einer außerordentlichen Kombination aus Leidenschaft, Romantik und Abenteuerlust, die in ihr sprudelten.“
Neben Ursula porträtiert der Autor auch zahlreiche Weggenossen, die für sie bedeutsam waren, Ehemänner, Liebhaber, Freunde und Feinde. Der historische Hintergrund, vor dem die Figuren agieren, fließt organisch in die Handlung ein. Gleichzeitig bekommt der Leser ein authentisches Bild von der Welt der Spione.
Lobenswert und der Veranschaulichung dienlich sind auch die vielen Photographien, die dem Text beigefügt sind.
Ein äußerst lesenswertes Buch für Leser von Biographien und für historisch Interessierte.
Im Grunde kenne ich die Geschichte von Sonja - oder Ruth Werner - oder Ursula Kuczynski schon recht gut. Sonjas Rapport habe ich gelesen und auch die Bücher von Ruth Werner, in die ja zum Teil auch autobiografische Inhalte mit einflossen.
Aber umso neugieriger war ich auf dieses Buch. Meine Hoffnung war zu erfahren, wie sie sich zu der bewundernswerten Frau entwickelt hat. Ist es dem Autor gelungen? Auf jeden Fall!
Dieses Buch ist so anders. Es lässt sich aus meiner Sicht in kein Genre einordnen. Phasenweise liest es sich wie eine Biographie, dann vermischen sich die historischen Ereignisse mit in die Geschehnisse. Vielleicht durch diese gelungene Mischung gelang es mir einen tieferen Einblick in das Leben von Ursula Kuczynski zu bekommen. Und beim Lesen bin ich hin- und hergerissen. Da ist zum einen dieses wirklich aufregende Leben der Frau, die als überzeugte Kommunistin alles riskiert um die Sowjetunion damals mit wichtigen Informationen zu versorgen. Auf der anderen Seite ist sie eine Mutter, die trotz der Liebe zu ihren Kindern es sich nicht nehmen lässt zur Ausbildung auch mal mehrere Monate in ein fremdes Land zu gehen und die Kinder bei den Großeltern dabei zurücklässt.
Sie ist sich des Risikos bewusst, auch dass sie mit ihrer Spionagetätigkeit durchaus nicht nur ihr Leben, sondern auch das Leben ihrer Kinder in Gefahr bringt. Und doch ist da eine Energie in ihr, die sie weitermachen lässt. Im Nachhinein stellte sich dann auch heraus, dass sie nicht nur einmal enormes Glück gehabt hatte und so einer Enttarnung entgangen ist.
Interessant fand ich auf jeden Fall, dass ihre Kinder erst viele Jahre später erfahren haben, was ihre Mutter in ihrer Jugend für ein interessantes und aufregendes Leben hatte. Sie hat für ihre Überzeugung gekämpft und sich von niemals von ihrem selbst gewählten Weg abbringen lassen.
Ob ihre Kinder unter dieser Situation gelitten haben? Vermutlich nicht, denn sie kannten es ja nicht anders.
Von mir gibt es für dieses außergewöhnliche Buch über eine bewundernswerte Frau eine unbedingte Leseempfehlung.
Ausser Mata Hari kannte ich bisher keine real existierende Agentin beim Namen. Und da auch nicht die reale Geschichte, eher den Mythos.
Was kann einen Menschen zum Agenten machen? Ein wenig hat für mich schon das Cover eine Antwort gegeben. Schwarz, Weiß und Rot sind hier die Farben. Für mich symbolisieren sie das Schwarzweißdenken einer Person, für die nur das eine richtig und das andere falsch ist und Rot für die Kommunistische Partei.
Passt Agent Sonja, alias Ursula Kuczynski, in dieses Schema?
Vielleicht, ist hier die Antwort.
Die zeitlichen Umstände und die famliären Hintergründe haben sicherlich zu der politischen Einstellung Sonjas beigetragen. Die dann einfach aufzugeben mag ihr schwer gefallen sein. Gleichzeitig schafft sie es ein scheinbar alltägliches Frauenleben mit Mutterschaft, Kindern etc zu führen.
Getragen wird dies sicherlich auch durch ihre Auszeichnungen und Anerkennungen in der Kommunistischen Gesellschaft, den besonderen Stellenwert, den sie sonst nie erreicht hätte.
Warum ein Buch über diese Agentin? Die Beweggründe kann ich da nicht nachvollziehen, es gibt keinen aktuellen Bezug. Zumindest kann es heutzutage diese Art von Spion kaum noch geben, da hat das Digitale Zeitalter ganz andere Möglichkeiten.
Eine wahre Geschichte nachvollziehbar und spannend erzählt.
Schon das Cover:
eine Frau mit Fahrrad... sehr pragmatisch gestaltet.
Mit der knallroten Farbgebung zielt der Titel sehr auf das kollektive Gedächtnis einer Nation ab.
Kommunismus und eine Frau, die als Agentin immer noch andere Adjektive, bedienen konnte und wollte.
Der Autor Ben Macintyre, ein sehr bekannter Journalist, der sich durch seine Arbeit für die BBC und die New York TImes, einen Namen gemacht hat. Dieser neue Roman "Agent Sonja" reiht sich ein, in die vielen von ihm veröffentlichten Agentenromane.
Zum Inhalt:
"Agent Sonja" handelt von einer Jüdischen Frau, die durch ihre eigenes Erleben der Zeit von Krieg und politischen Unruhen, in ihrem Inneren geprägt wurde.
Detailliert führt der Roman, den Leser durch die verschiedenen Stufen ihrer emotionalen und politischen Orientierung bishin zu ihrem aktiven Agentinnenleben.
Der Fokus liegt auf der umfassenden Erläuterungen zu dem Leben und Wirken der Ursula Kuczynski.
Deutsche Übersetzung: Kathrin Bielfeldt und Jürgen Bürger
Mein persönliches Leseerlebnis
Zum allgemeinen Verständnis, vorab eine persönliche Anmerkung:
Das Thema rund um Politik und Spione gehört nicht zu meinen beliebten Romanerzählungen.
Häufig sind sie mir zu trocken und zu "steril".
Die Coveraufmachung und die knappen Stichworte auf eben diesem, haben mich jedoch "magisch"angezogen.
Ich kontte feststellen, dass ich noch kein Buch dieser Fasson gelesen hatte...
Konstruktion, Erzählstil, Lesefluss:
Die gesamte Buchkonstruktion ist sehr logisch und nachvollziehbar aufgebaut.
Es sind keinerlei Vorabkenntnisse über Weltkriege, das Leiden der Menschen, die insich unterscheidene Population und anderes notwendig, um dieser Geschichte folgen zu können.
Die Kapitel sind nach essentiellen Ereignissen in Sonjas Leben eingeteilt worden. Ihre gesamte Persönlichkeitsentwicklung enfaltet sich vor meinen Augen.
Auch der Zwiespalt zwischen dem der eigenen Wurzeln und denen ihrer Familie sowie Freundes - & Bekanntenkreis, kann ich nun nachvollziehen.
Ich lese über das Leben und Wirken einer Frau, deren Erlebnisse mir so sicher nie bekannt geworden wären.
Zusammenfassung:
Eine sehr gut strukturierte Biographie, die mich auf die "Lebensreise" von
Ursula Kuczynski, mitnahm und sicher lange Zeit in meiner Erinnerung bleiben wird.
Gekennzeichnet von realen Ereignisberichten, Quellennachweisen und einem sehr flüssig lesbarem Schreibsstil, ist dieses Buch ein Gewinn für alle, die es lesen können.
Fazit:
Eine Biographie, die fesselnde, spannende Lesetunden bereiten wird.
Ein weiterer "Stepstone" der internationalen Strasse, des politischen Verstehens und dessen Auswirkungen, auf das persönliche Leben und Wirken des Einzelnen.
Ich vergebe sehr gerne 4* Lesesterne und empfehle diese Lektüre jedem der sich politisch interessiert und spannend unterhalten werden möchte.
ISDN: 978-3458643463
Deutsche Veröffentlichung: 30.Okt.2022
Formate: elektr. & Paperback
Verlag: INSEL
Herzlichen Dank für das Vorableseexemplar.
„Das Leben der anderen, da möchte ich reingucken, das ist es vielleicht auch, was mich zu Büchern hinzieht. Lesen, wie es auch gehen kann mit dem Leben.“ (Zitat Pos. 129)
Inhalt
In fünfzehn Kapiteln, von denen jedes als Überschrift ein Zitat von einem Schriftsteller oder einer Schriftstellerinnen zum Thema Bücher trägt, schreibt Christine Westermann über ihr Leben. Ihre Geschichte beginnt mit den zwei sehr unterschiedlichen Bücherregalen ihrer Kindheit und Jugend, eines in der Wohnung ihrer Mutter und das andere in der Wohnung ihres Vaters. Sie schildert ihren Werdegang als Journalistin, wobei sie ursprünglich nicht damit gerechnet hatte, dass ihre beruflichen Wege sie zu den Büchern führen würden und dass es ihr gelingen würde, Menschen für Bücher zu begeistern. Ihr Schwerpunkt waren immer Romane, in denen es um Menschen, Familien, Beziehungen ging und siebenundvierzig davon stellt sie in diesem Buch vor. Sie hat nie negative Bewertungen geschrieben, ihr war und ist es wichtig, Bücher zu empfehlen und dabei zu erklären, warum ihr ein Roman gefallen hat und ihre Gedanken und Eindrücke während des Lesens zu schildern.
Umsetzung
Mir gefällt die ungewöhnliche Art, wie Christine Westermann ihr Buch aufgebaut hat. Viele Jahrzehnte lang hat sie sich buchstäblich um den dicken Wälzer hinter Glas im Regal herumgeschlichen, „Der Zauberberg“ von Thomas Mann. Als sie begonnen hat, an diesem Buch zu schreiben, hat sie auch begonnen, "Der Zauberberg" zu lesen, in kleinen Schritten, mit Unterbrechungen, knapp vor dem Scheitern und dies ist so etwas wie eine Rahmenhandlung zu den Geschichten ihres Lebens in Büchern. Christine Westermann berichtet über Erlebnisse während ihrer Lesereisen, über die vier Jahre als Mitglied des „Literarischen Quartett“, über ihre Sendungen in Radio und Fernsehen, ihre Kolumnen. Sehr spannend und interessant ist das Kapitel über ihre Teilnahme am Deutschen Literaturpreis als Mitglied der Jury. Ich konnte mir nie vorstellen, wie es funktioniert, im ersten Durchgang Hunderte von Büchern zu lesen, hier bekommt man einen Einblick und sieht die Arbeit der Jury und die komplizierten Auswahlverfahren der einzelnen Listen nun mit anderen Augen.
Die siebenundvierzig in diesem Buch besprochenen Romane sind je nach Stichwort in die Texte eingebunden, im Anhang findet sich eine Liste aller Romane, geordnet in der Reihenfolge, in der sie im Buch vorgestellt werden. Das Kapitel fünfzehn beginnt mit folgendem Zitat: „Wenn der Funke nicht überspringt, ist nichts zu machen. Die Klassiker liest man nicht aus Pflicht oder Respekt, sondern nur aus Liebe.“ Italo Calvino (Zitat Pos. 2159). Damit schließt sich der Kreis zu Thomas Mann und dem Zauberberg.
Fazit
Eine unterhaltsame, interessante Zeitreise durch die Geschichten eines Lebens als Journalistin, Moderatorin, Autorin, Leserin und Vorleserin. Die Art, wie sie Bücher vorstellt, macht neugierig auf jene Romane, die man noch nicht kennt, die persönliche Wunschliste wird auch mit diesem Buch wieder länger – und bei mir der Vorsatz, trotzdem, den Zauberberg auch aus meinem Regal zu nehmen und endlich zu lesen.
Kurzmeinung: Wer sich gerne von Prominenten beraten lassen möchte ...
Christine Westermann ist mir ein Begriff durch die Sendung „Zimmer frei“ und ich habe ihr auch gerne im Literarischen Quartett zugehört. Ihr emotionaler Zugang zu Büchern war oft erfrischend gegenüber der intellektuell/abgehobenen Herangehensweise der anderen Teilnehmer in der Runde, die ich jedoch auch zu schätzen wusste.
Christine Westermann hat schon mehrere Bücher geschrieben und bei ihrem neuesten (2022) habe ich meiner Neugier nachgegeben und es aufgeschlagen und zu Ende gelesen. Außerdem brauchte ich Ablenkung von anderer schwerer literarischen Kost, ja, es war mir klar, ich hatte keine Hochliteratur zu erwarten. Trotzdem.
Ich mag Christine Westermann, ehrlich, aber ihr erstes Buch von ihr wird auch mein letztes bleiben. Dabei kann sie eigentlich erzählen. Ihr familiärer Hintergrund ist tatsächlich spannend, sie lässt ihn zuweilen einfließen. Und sie mag Bücher, insoweit muss sie ja als Mensch sympathisch sein. Aber wenn sich ein sowie so schon schmales Büchlein zu vier Fünftel mit Inhaltsangaben anderer Bücher/Romane beschäftigt, von denen ich manche gelesen habe, dann langweile ich mich. Sicher, es ist noch einigermaßen interessant, ob wir Schnittmengen haben und ob wir Literatur ähnlich oder ganz verschieden beurteilen, aber warum sollte ich ihre ein-Seitigen Zusammenfassungen von Romanen lesen wollen, da es zu jedem von ihr vorgestellten Romane wunderbare Rezensionen von geschätzten Rezensenten gibt, die wesentlich mehr aussagen? Und die mir näher stehen als Christine Westermann. Oder Elke Heidenreich. Same.
Aber dann wird mir klar, dass Christine gar keinen ROMAN geschrieben hat, sondern nur Buchempfehlungen gibt, so wie sie es in anderen Formaten auch macht/e, also ein Buch voller Leseappetithäppchen. Mag ich das? Nein, das mag ich nicht. 47 Kurzempfehlungen sind es insgesamt, Westermannsche Familenschnippsel dazwischen gestreut, und Ansichten über Lesereisen. Buchempfehlungen, egal, von wem, haben einen großen Nachteil: sie sind Schnee von gestern, weil sie das Buch von gestern empfehlen. Aber Bücher haben doch kein Verfallsdatum? Irgendwie inzwischen schon.
Und Thomas Manns „Zauberberg“, wenn wir schon beim Buch von vorvorgestern sind, dem Roman, mit dem sie sich während wir i h r Buch lesen, herumschlägt, echt, Christine, solche Kost muss man in jungen Jahren lesen oder gar nicht mehr. Oder man kommt zu unbilligen Ergebnissen. Und Proust muss man hören, nicht lesen. Es gibt eine ganz feine Hörausgabe davon. Ich nehme einmal an, Proust haben nicht viele Leute gelesen/gehört (muss man auch nicht), aber er hat schon mehr zu bieten als die Schilderung einer in Tee getunkten Madeleine (Gebäck aus Frankreich) und mich hat er fasziniert. Prousts Romane sind wie eine Zeichnung. Man sieht ein Gemälde einer vergangenen Epoche. Proust ist Kunst. Muss man aber nicht mögen.
Auch der Zauberberg hat mir seinerzeit gefallen. Mit Betonung auf „seinerzeit“. Das wäre heute nicht mehr so. Wenn man älter ist, wird die Lebenszeit knapp und auch die Lesezeit und man kann sich auf Wortanhäufungen nicht mehr so unbekümmert einlassen wie früher als man noch Zeit im Überfluss hatte, als man zwar intellektuell wusste, dass alle Lebenszeit eine endliche ist, aber glaubte, für einen selbst hätte diese Tatsache nichts zu bedeuten.
Lest darum die Klassiker am besten, solange ihr unter zwanzig seid, dann werdet ihr glücklich mit ihnen. Danach lasst besser die Finger davon. Querlesen bei Thomas Mann hieße, die Atmosphäre nicht in sich aufzunehmen. Und die ist das Wichtigste. Diese Morbidität. Diese Überheblichkeit. Diese Dekadenz. Jajaja. Man kann so darüber denken und so. Heutzutage lese ich keinen Thomas Mann mehr.
Fazit: Ich mag Christine Westermann, ehrlich, aber eine große Literatin ist sie meiner Meinung nach nicht. Für Vielleser ist ihr Buch überhaupt nix. Für Manchmalleser ist es nett, mehr nicht. Meine Sympathie für Westermanns Humor ist ungebrochen, aber lesen muss ich nichts mehr von ihr.
Kategorie: Launige Buchempfehlungen. Leichte Unterhaltung.
Verlag: Kiwi, 2022
Die Autorin spürt ihrer Familiengeschichte nach, indem sie den Fluchtweg ihres damals neunjährigen Vaters aus Schlesien allein und zu Fuß nachgeht. Sie trifft auf dem Weg in Polen und Tschechien Menschen, mit denen sie über Flucht und Vertreibung redet und bei der Gelegenheit über deren eigene Herkunft aus dem Osten Polens und der Ukraine erfährt. Parallel erzählt sie ihre eigene Familiengeschichte, die geprägt ist von Traumata und Verdrängung, der Suche nach Heimat und dem Wunsch, dazuzugehören. Im Mittelteil werden auch die geschichtlichen Hintergründe beleuchtet, das Potsdamer Abkommen, die Oder-Neiße-Linie, die Umsiedelungen.
Dabei findet Frau Hoffmann eingängige Bilder für Orte und Menschen und beschreibt in einer fast poetischen Sprache ihre Gefühle und Empfindungen sowie ihr Familien-„Gepäck“ eines Flüchtlingskinds. Die Ebene wechselt immer wieder entlang des Wegs von der Gegenwart in die Vergangenheit, vom eigenen Wandern in den Flüchtlingstreck, von eigener Erfahrung ins Allgemeine. Interessant fand ich vor allem, dass gerade in Polen bei der älteren Generation die Angst vor Russland vorherrschte, gar nicht mal die negativen Gefühle den Deutschen gegenüber; man war ja aus Ostpolen selbst in den Westen des Landes zwangsumgesiedelt worden.
Ich habe ein E-Book aus der Onleihe gelesen, empfehle das Buch und vergebe fünf Sterne.
Die Autorin ist heute stellvertretende Sprecherin der Bundesregierung.
Eine ganz besondere Geschichte!
Klappentext:
„Die unglaubliche, aber wahre Geschichte eines Aufstiegs und Falls – und einer schwierigen Wiederauferstehung
Samuel Meffire wuchs als Afrodeutscher in der DDR auf und wurde allen Widrigkeiten zum Trotz der erste Schwarze Polizist Ostdeutschlands. In seinem Buch gewährt er einen intimen Einblick in seine Gefühlswelt, schonungslos offen, unterhaltsam und witzig. Er berichtet packend von seiner Tour de Force über mehrere Kontinente und erzählt im Rückblick auf sein bisheriges Leben zugleich einen oft übersehenen Teil deutsch-deutscher Geschichte.“
Die Geschichte von Samuel Meffire ging mir tief unter die Haut. Ich hin selbst ein Kind der DDR und weiß nur noch zu gut als Kinder mit anderer Hautfarbe im Kindergarten oder in der Schule sich dazu gesellten. Was aus Jedem aber dann später geworden ist, dafür war dann jeder selbst für sich verantwortlich.
Meffire erzählt uns hier seine ganz persönliche Geschichte die mehr als viele Höhen aber um so größere Tiefen hatte. Dies alles zu beurteilen steht uns Leser überhaupt nicht zu - wir sind hier stille „Zuhörer“ einer Lebensgeschichte die klar aufzeigt: man kommt irgendwie aus allen Tälern wieder raus aber man kann auch schnell wieder hineinfallen. Meffire hat bislang viel erlebt in seinem Leben und musste bereits früh schon sehr heftige Schicksalsschläge ertragen. Das prägt und was auch noch prägt ist seine Hautfarbe - da kann komme was wolle. Rassismus in jeder Art und Weise schwelt immer wieder mal mehr mal weniger auf und zeigt, man kann auch daran zerbrechen. Meffire befasst sich aber nicht nur damit, es geht auch um die geschichtlichen Geschehnisse wie eben Gastarbeiter in der DDR, die Entwicklung von Kindern die in einem geteilten Deutschland aufgewachsen sind und die Vereinigung dieser bewusst miterlebt haben und es geht auch um seine Mutter. Viele Parts werden hier hart und deutlich beschrieben, bei anderen wird der Autor philosophisch und sehr nachdenklich. Seine Geschichte ist eine ganz besondere und jeder Leser wird sie für sich anders aufnehmen. Ich finde es sehr stark das Meffire hier so offen mit seinen Problemen umgeht aber auch aufzeigt, man kann sie bezwingen. Ist das Buch ein Mut-mach-Buch oder eben eine reine Biografie? Es ist viel mehr als das aber lesen Sie selbst!
5 Sterne mit Leseempfehlung!
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