Auf der Suche nach dem verlorenen Glück

Buchseite und Rezensionen zu 'Auf der Suche nach dem verlorenen Glück' von Jean Liedloff
5
5 von 5 (1 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Auf der Suche nach dem verlorenen Glück"

Diskussionen zu "Auf der Suche nach dem verlorenen Glück"

Format:Taschenbuch
Seiten:220
Verlag: C.H.Beck
EAN:9783406708657
read more

Rezensionen zu "Auf der Suche nach dem verlorenen Glück"

  1. Ein Gefühl von Richtigkeit

    Empfohlen wurde das Buch von einer YouTuberin und ich bin sehr froh, dass ich es mir gekauft habe, denn schon während des Lesens habe ich das starke Gefühl bekommen, dass es das wichtigste Buch meines Lebens ist. Dieses Gefühl hat sich bis zum letzten Satz nicht verändert. Ich bedauere sogar, es nicht schon viel früher gelesen zu haben.

    Jean Liedloff hat auf einer Expeditionsreise in den venezolanischen Urwald den Yequana-Stamm kennengelernt und war sofort enorm fasziniert davon, wie glücklich diese Menschen sind und welche Zufriedenheit sie ausstrahlen. Weil sie herausfinden wollte, warum es bei den Yequana kein Wort für Unglück oder Unzufriedenheit gibt, ist sie geblieben. Insgesamt 2,5 Jahre lebt und beobachtet sie den venezolanischen Stamm und zieht logische Schlüsse. In dieser Zeit erkennt sie, dass es der Umgang mit den Babys und Kindern ist (der sich zu dem unsrigen größtenteils stark unterscheidet), der sie zu glücklichen, zufriedenen und selbstbewussten Erwachsenen werden lässt.

    Babys sind Traglinge

    Der Zeitraum in der gesamten Menschheitsgeschichte, in dem wir unsere Babys nicht mehr tragen, ist so unbedeutend kurz. Jedes Baby, das heute zur Welt kommt, erwartet getragen zu werden. In seinem inneren Bauplan ist es quasi vorgesehen, so behandelt zu werden wie die Babys vor tausenden von Jahren. Das Gitterbett (alleine in einem anderen Zimmer zu schlafen), Laufställe, Wippen, Autoschalen und nicht zuletzt Kinderwägen, sind höchst unnatürliche, irritierende Dinge für ein Baby. Es sind Erfindungen der Neuzeit/Gegenstände, die einem den Alltag erleichtern sollen. In Wahrheit schaffen sie vor allem eines: Distanz zu deinem Kind. Das schöne, beruhigende Gefühl des Getragenwerdens, das Nähe, Selbstvertrauen, Urvertrauen, Wärme, Liebe, Sicherheit, das Gefühl von Richtigkeit und viele weitere Kompetenzen entstehen lässt, erfahren Babys durch diese Erfindungen nicht. Es gibt genug Babys, die es lautstark einfordern, getragen zu werden. Es gibt leider aber auch viele, die mucksmäuschenstill sind und es nicht einfordern. Letztere erwarten und brauchen das Getragenwerden aber ganz genauso.

    Bis etwa zur Mitte des Buches beschreibt Liedloff das Leben eines Babys bei den Yequana und das Leben eines Babys in der Zivilisation. Die Beschreibungen über das Yequana-Baby fand ich hochinteressant. Ich war erstaunt darüber, dass die Yequana-Babys, bis sie anfangen zu kriechen, in ständigem Körperkontakt mit einem anderen Menschen sind. Wie dieser Stamm mit ihren Babys umgeht, ist faszinierend und hat in mir eine große Motivation und Zustimmung hervorgerufen. Zutiefst anregend ist es, wie das Yequana-Baby seinen Tag verbringt.
    Das Baby hingegen in der Zivilisation ... fürchterlich! (Hinzu kommt hier, dass das Buch in den 1970er-Jahren geschrieben wurde und es da bei uns ja noch gang und gäbe war, seine Babys weinend in andere Zimmer zu schieben, um sie auf keinen Fall zu "verwöhnen"!) Die Autorin schildert das triste, wenig bis gar nicht anregende, Dasein eines Säuglings, der seine ersten Lebensmonate hauptsächlich liegend verbringt. Und das macht sie auf so eindringliche Art und Weise, dass es mich tief berührt und sehr traurig gemacht hat. Wenn man sich in so ein Baby hineinversetzt, was ich getan habe, dann bleibt einem eigentlich auch nichts anderes übrig als zu weinen. Dieser Abschnitt hat mich sehr mitgenommen und mich noch einmal zusätzlich bestätigt, dass ich es ab nun bei meiner Tochter anders machen werde und sie nur mehr getragen wird.

    Das Gefühl, dass etwas fehlt

    Im zweiten Teil des Buches widmet sich Liedloff sehr viel und ausgiebig den verschiedensten Auswirkungen vom Nichtgetragenwerden/einer nicht artgerechten Erziehung. Und auch das fand ich sehr spannend, denn viele der Gefühle, die beschrieben werden, konnte und kann ich nach wie vor fühlen und das war für mich wie eine Offenbarung. Zu wissen und zu verstehen, warum man sich ab und zu so fühlt, wie sich bestimmt der Großteil der Menschen in unseren Breitengraden fühlt, ist zum Teil tröstlich, zum Teil befreiend.

    Jeder, der ein Baby bzw. Kinder hat oder vorhat, Kinder zu bekommen, sollte dieses Buch lesen! Der Inhalt ist SEHR wichtig und enorm bereichernd und ich würde mir wirklich wünschen, dass er mehr Beachtung erfährt. Am liebsten würde ich ja hergehen und jedem, den ich kenne, dieses Buch schenken.

    Teilen
 

Die Frau, die nicht alterte: Roman

Buchseite und Rezensionen zu 'Die Frau, die nicht alterte: Roman' von Grégoire Delacourt
4
4 von 5 (1 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Die Frau, die nicht alterte: Roman"

Gebundenes Buch
Martine führt mit Ende zwanzig ein glückliches Leben. Sie hat studiert, mit André den Richtigen gefunden, ihn geheiratet und einen Sohn zur Welt gebracht. Die Zukunft ist für sie ein großes Versprechen. Doch als sie mit dreißig plötzlich aufhört zu altern, gerät alles ins Wanken.
Was nach dem unerreichbaren Traum so vieler Frauen klingt, wird für Martine Wirklichkeit - und zu einer ungeahnten Zerreißprobe, auch für ihre Familie. Denn wer will für immer jung sein, wenn die Liebsten, die Freunde, die Verwandten, wenn alle anderen altern? Der neue Roman des Bestsellerautors Grégoire Delacourt ist eine mitreißende Parabel auf unser bizarres Streben nach ewiger Jugend, auf die Schönheit des Alters und die alles überwindende Kraft der Liebe.

Diskussionen zu "Auf der Suche nach dem verlorenen Glück"

Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:176
Verlag: Atlantik
EAN:9783455006513
read more

Rezensionen zu "Die Frau, die nicht alterte: Roman"

  1. Plädoyer gegen den Jugendwahn

    Die Ich-Erzählerin Martine hat eine normale Kindheit. Allerdings verliert ihr Vater ein Bein im Algerienkrieg, über den er nie spricht: „Er verglaste sein Schweigen, verschloss es wie eine Verletzung.“ Darunter leidet die lebenslustige, bildschöne Mutter, die bei einem Autounfall tragisch ums Leben kommt:
    „Sie hatte gerade erst ihren fünfunddreißigsten Geburtstag gefeiert.
    Ich hatte sie für unsterblich gehalten.
    Mit dreizehn Jahren bin ich urplötzlich gealtert.“

    Der Vater zieht sich nun völlig zurück, sein Herz erstarrt zu Eis, er sucht Flucht im Alkohol. Zum Glück errettet ihn Francoise, eine liebenswerte Verkäuferin, mit der er fortan sein Leben teilt und die auch für Martine eine liebevolle Gefährtin wird:
    „Papa liebte sie, aber diese Liebe, das wurde mir nach und nach klar, war anders als das Verzehren, das ihn mit Maman verbunden hatte.“

    Martine studiert in Paris und lernt den Zimmermann André kennen, der den Bauernhof seiner Eltern verlassen hat, um mit Holz zu arbeiten:
    „Plötzlich war alles funkelnagelneu, unberührter Schnee, ich hatte ein Feuer gefunden, mit dem ich nie wieder frieren würde, und ich fing an zu lachen, das Lachen eines Neugeborenen, eine Offenbarung.“
    Martine hat das Lebensgefühl ihrer Zeit, sie tauscht ihren Vornamen in Betty, weil das „richtig stilvoll“ klingt. Mit einundzwanzig Jahren wird sie Grundschullehrerin und heiratet André. Sie bekommen einen Sohn, Sebastién. André ist oft auf Reisen, um andere Holzarten kennenzulernen und sich weiterzubilden. Das tut der Liebe der beiden aber keinen Abbruch.

    Betty freundet sich mit der Parfümerieverkäuferin Odette an, deren Freund Portraitfotograf ist. Er arbeitet an einem Fotoprojekt über den Alterungsprozess von Frauen. Jedes Jahr schießt er eine identische Aufnahme. Betty fotografiert er erstmalig mit 30 Jahren. Sie hat die Schönheit ihrer Mutter geerbt und ist glücklich:
    „Aber das Glück, das weiß jedes Kind, ist ein wunderlicher Gast. Man verlässt den Tisch ohne Vorwarnung, ohne Grund.“

    Betty muss in den kommenden Jahren, belegt durch die Fotografien, feststellen, dass sie äußerlich nicht mehr altert. Was am Anfang durchaus reizvoll ist, entwickelt mehr und mehr eine eigene Dynamik, wird zur Pein. Ihr Mann hat Schwierigkeiten, sich mit einer so jungen Frau zu zeigen, die keinerlei Zeichen gelebten Lebens im Gesicht hat, ihr Sohn traut sich nicht, sie als seine Mutter vorzustellen, Arbeitgeber vermuten, gefälschte Papiere vorgelegt zu bekommen und so weiter. Schließlich hält sogar ihr dementer Vater sie auch noch für die verstorbene Mutter und will sie küssen.
    Das alles ist sehr belastend für Betty. Während sie an ihrer immerwährenden Jugendlichkeit leidet, will ihre Freundin Odette dem eigenen Altern mithilfe von Kosmetika und Chirurgie ein Schnippchen schlagen:

    „Die Schönheitschirurgie ist eine Droge, weckt endlose Hoffnungen, nach dem Gesicht die Lippen, nach den Lippen die Lider, nach den Lidern die Brüste, nach den Brüsten der Bauch, nach dem Bauch die Knie, und die Zeit verstreicht, und zum Zeitvertreib beginnt man wieder von vorn, man hält sich für immer jünger und schöner, immer perfekter, während die anderen einen für das Bild des Jammers halten.“

    Der Autor verflechtet diese beiden Frauengeschichten sehr geschickt in seinem Roman, Streben nach ewiger Jugend ist ein Trend unserer Zeit. Beauty- und Wellness-Angebote prägen das Bild, die Suche nach der Unsterblichkeit hat schon die alten Alchimisten beschäftigt. Anhand von Bettys Leben wird nun das „Was wäre wenn…“, durchgespielt - mit all seinen Nachteilen und Verlusten, die es bringt. Zum Glück ist sie eine starke Frau, die in der Lage ist, auch Brüche zu verkraften und sich neu aufzustellen.

    Mir hat der Roman sehr gut gefallen. Delacourt hat eine einzigartige, poetische Sprache, die es vermag, auch Schweres leicht auszudrücken, ohne ihm die Tiefe zu nehmen. Ich hoffe, mit den zitierten Sätzen wird deutlich, was ich meine.
    Ich verstehe den Roman als Plädoyer, nicht mit dem Lebensalter und den damit einhergehenden Fältchen, Besenreißern etc. zu hadern. Unser Gesicht und unser Körper tragen Zeichen des gelebten Lebens, das auf andere Weise attraktiv macht. Für Betty führt die weit verbreitete Wunschvorstellung vom „Forever Young“ wahrlich nicht zum erfüllten, glücklichen Leben.

    Dieser Roman ist wunderbar geschrieben und strahlt viel Lebensweisheit aus. Er hat in der Print-Version nur 176 Seiten. Damit eignet er sich gut für zwischendurch, ohne ein Leichtgewicht zu sein. Ich gebe gerne meine Lese-Empfehlung.

    Teilen
 

Mutter brennt

Buchseite und Rezensionen zu 'Mutter brennt' von Sophie Reyer
3
3 von 5 (1 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Mutter brennt"

Gebundenes Buch
Luise ist Mutter zweier Kinder, aber es ist ungewiss, ob Ina und Clemens ihre Kinder sind oder ob sie sich diese Kinder nur einbildet. Ihr Exmann erinnert sie immer wieder daran, dass Luise keine Kinder hat. Doch ihr Alltag nach der Trennung ist erfüllt und gehalten von der Sorge um diese Kinder. Als ihr alles zu viel wird, gönnt sie sich mit einer Freundin einen Trip nach Cannes. Dort lernt sie Mark kennen, der weiß, dass Luise das Kind eines Franzosen ist ...
Eva, die Großmutter, ist die beherrschende Frau - bereits tot, mischt sie sich als Bedrohung in das Leben der Protagonisten, vor allem von Clemens ("Clemens ist ratlos. Immer hat er eine Tote im Rücken, die ihm ihre Geschichte erzählen möchte." - Zitat). Ihr Leben wird in Rückblenden aufgerollt, bis zu dem Punkt, an dem sie von einem Franzosen schwanger wird ...
Eine kluge, sorgfältig komponierte philosophische Zusammenschau von in- und übereinandergelegten Szenarien und Geschichten: die Geschichte von Luise, zwischen Alltagsbewältigung mit zwei Kindern und ihrer neuen Liebe Mark;
die Entwicklung von Clemens, mit der Geschichte der Großmutter; und die Geschichte von Ina - eine Pubertätsgeschichte in allen Ausfaltungen.

Diskussionen zu "Auf der Suche nach dem verlorenen Glück"

Autor:
Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:248
EAN:9783903144859
read more

Rezensionen zu "Mutter brennt"

  1. Ein rätselhafter Roman

    In dem Roman „Mutter brennt“ läßt die Autorin die Geschichte von zwei Kindern erzählen, die es gar nicht gibt. Clemens und Ina sind die beiden abgetriebenen Kinder von Luise, mit denen Luise spukhaft in ihrer Wohnung lebt. Von ihrem Mann hat sie sich schon lange getrennt.

    Die handelnden Personen, Luise, die Mutter und Eva, welches die verstorbene Großmutter ist, und Elmira, die sich spät und spukhaft ins Geschehen schiebt und ein Geist aus der Vergangenheit ist, werden überlappend erzählt. Jede Frau könnte auch genau so gut die andere sein. Wie schreibt die Autorin im Epilog: „Sie ist die Summe aller Möglichkeiten, die sie gehabt hätte.“ So weit, so gut.

    In Sophie Reyers Sprache, die eine verdichtete und seltsam luzide Atmosphäre vermittelt, drängen sich leider auch viele Wiederholungen, zu viel Seufzen, zu viel Beine an den Bauch ziehen, überhaupt ist der Bauch ein geliebter Erzählort, da wallt es, dass es eine Freude ist. Sexualität ist ein Heilmittel, läßt die Autorin ihre Figuren sagen. Schade, dass sich das Frauenbild der Autorin fast ausschließlich über Männer definiert. Da ist zwar auch immer eine beste Freundin, die aber verblasst, sobald was Männliches auftaucht. Am Ende stellt sich heraus, dass der Roman weit in die Zeit der Inquisition hineinreicht als irgendeine Vorfahrin Luises als Hexe verbrannt worden ist. „Bis der Schmerz geheilt ist, wird es viel Zeit brauchen.“

    Zu Anfang entwickelt sich durchaus ein Lesesog. Warum hat Luise Panikattacken, wenn sie das Haus verläßt, warum will sie die Wohnung in Brand stecken, warum kann nur Clemens die tote Geistoma sehen und warum ist Ina magersüchtig. Aber man bekommt keine Antworten.

    DIE EIGENTLICHE KRITIK:

    Ich weiß nicht, was ich von der Idee halten soll, dass ein Geist aus der Vergangenheit sich fluchhaft in das Leben sämtlicher weiblicher Nachfahren drängt. Das mag man. Oder man mag es nicht. Zu kritisieren ist es im Prinzip nicht. Doch hätte man als Leser viel früher Erhellendes dazu geliefert bekommen müssen. Doch die Autorin läßt die Leserschaft bis zuletzt im Regen stehen. Und das mag man nicht! Zumal es nicht stimmig ist, dass der Geist lediglich die Frauen verfolgt und nicht die Männer, die ihr das Leid angetan haben und dieser Schmerz über das Leben Elmiras hinaus sämtliche Frauen der Ahnenreihe in den Wahnsinn treibt.

    FAZIT: Eine undurchsichtige Geistergeschichte mit einem ebenso undurchsichtigen Frauenbild vermag nicht wirklich zu überzeugen, obwohl die Story an und für sich, wenn man von kleineren Schwächen absieht, ziemlich gut geschrieben ist.

    Kategorie: Belletristik
    Auf der Longlist des österreichischen Buchpreises 2019
    Verlag: Edition Keiper, 2019

    Teilen
 

Aufruhr in mittleren Jahren: Roman

Buchseite und Rezensionen zu 'Aufruhr in mittleren Jahren: Roman' von Nina Lykke
5
5 von 5 (1 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Aufruhr in mittleren Jahren: Roman"

Ingrid und Jan sind seit 25 Jahren verheiratet und führen in Oslo, Norwegen, ein Leben in Wohlstand. Doch Ingrid kann nicht mehr - sie sieht alles schwarz. Die freudlose Ehe frustriert sie, das Engagement am Arbeitsplatz ist nur geheuchelt, und von den halbwüchsigen Söhnen ist kein Trost zu erwarten. Während Ingrid eine Therapie beginnt, schlittert Jan in eine Affäre mit seiner jungen Kollegin Hanne. Das dauert ein Jahr, dann zwingt Hanne den zaudernden Jan, Ingrid zu verlassen. Diese reagiert gelassen, zieht kurzerhand mit einer Matratze in ihr Auto und fühlt zum ersten Mal seit langem eine tiefe Zufriedenheit. Mitreißend und voll schwarzem Humor erzählt Nina Lykke vom Drama einer Familie - mit fast versöhnlichem Ausgang.

Diskussionen zu "Auf der Suche nach dem verlorenen Glück"

Autor:
Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:272
EAN:9783312010608
read more

Rezensionen zu "Aufruhr in mittleren Jahren: Roman"

  1. Glück kommt, Glück geht

    Ein eingefahrenes Paar Anfang 50 und eine junge Frau mit einsetzender Torschlusspanik sind die Protagonisten im Debütroman der 1965 geborenen Norwegerin Nina Lykke. Stünde das gestickte Haus auf dem ins Auge fallenden Cover nicht in Flammen, man könnte an eine Idylle denken – so idyllisch, wie das Leben der 50-jährigen Ingrid auf den ersten Blick: Studienrätin mit attraktivem Arbeitsplatz, gutverdienender Ehemann, zwei erwachsene Söhne ohne offensichtliche Probleme, bürgerliche Existenz, schönes Haus in einem Osloer Vorort, Mitgliedschaft im Lesekreis. Nichtsdestotrotz steht Ingrid vor dem Burnout. Zuhause ist sie nicht mehr als die Putzfrau ihrer verwöhnten Söhne, die sich im Hotel Mama bequem eingenistet haben, ihre Ehe ist bis ins Detail durchorganisiert und vorhersehbar, ihr Einfühlungsvermögen und Mitleid für Schüler und Kollegen aufgebraucht, Müdigkeit und Wut haben Besitz von ihr ergriffen und jeder Tag fühlt sich wie ein Hindernislauf an:

    "Nichts in ihrem Leben war mehr eine Frage der Lust, dennoch tat sie, was verlangt wurde, weil es zu unangenehm wäre, es zu unterlassen. [...] Man beißt die Zähne zusammen. Schläft regelmäßig mit seinem Mann, hält sich und seine Umgebung in Ordnung, geht zu Konferenzen und Terminen, spricht freundlich mit seinen Kindern, benimmt sich anständig, pinkelt nicht in die Hose und schlägt nicht leck."

    Die Bombe explodiert
    Für Ingrid, die ihr Leben lang mit Katastrophen gerechnet hat, kommt der große Schlag völlig überraschend: Ihr Mann Jan, gerade erst zum Referatsleiter im Ministerium befördert, beichtet ein 18 Monate währendes Verhältnis mit einer seiner Referentinnen und verlangt eine Auszeit. Entscheiden zwischen der Bequemlichkeit seiner Ehe, in der er nie unzufrieden war, und dem Reiz des Neuen mag er sich nicht sofort, manchmal sehnt er sogar eine plötzliche Erkrankung herbei, die ihm die Entscheidung abnimmt und ihn zurück an den heimischen Herd katapultiert. Bei der leicht neurotischen 35-jährige Hanne mit der immer lauter tickenden biologischen Uhr, die in den letzten Jahren neunmal ihre Wohnung und wesentlich öfter ihre Partner gewechselt hat, fühlt er sich wieder jung und potent. Er weiß, dass sie ihn auf Haus und Kind festnageln wird, doch als sie ihm die Pistole auf die Brust setzt, zieht er trotz Bedenken bei ihr ein:

    "Seine Gier kannte keine Grenzen, er wollte haben, was er sich wünschte, ohne dafür zu bezahlen. Er wollte schlicht und einfach alles haben."

    Eine bissige Ehe- und Gesellschaftssatire
    Auch wenn die Ausgangslage in diesem Roman keineswegs neu ist, die Erzählweise, die messerscharfe Beobachtungsgabe und die bissige Ironie Nina Lykkes haben diesen intelligenten Roman zu einer äußerst vergnüglichen, spannenden Lektüre für mich gemacht. Die Handlung wird in zehn Kapitel nicht streng chronologisch, dafür abwechselnd aus der recht unterschiedlichen Sicht der drei Protagonisten erzählt - mit großem Unterhaltungswert. Obwohl die Figuren nie bloßgestellt werden, machte die Schadenfreude für mich einen nicht unerheblichen Teil des Lesevergnügens aus.

    Wie so viele wunderbare Bücher habe ich auch "Aufruhr in mittleren Jahren" beim großartigen Gastlandauftritt Norwegens auf der Frankfurter Buchmesse 2019 entdeckt.

    Teilen
 

Der entfesselte Globus: Reportagen

Buchseite und Rezensionen zu 'Der entfesselte Globus: Reportagen' von Ilija Trojanow

Inhaltsangabe zu "Der entfesselte Globus: Reportagen"

Diskussionen zu "Auf der Suche nach dem verlorenen Glück"

Format:Taschenbuch
Seiten:256
EAN:9783596298174
read more
 

Der überflüssige Mensch

Buchseite und Rezensionen zu 'Der überflüssige Mensch' von Ilija Trojanow

Inhaltsangabe zu "Der überflüssige Mensch"

Diskussionen zu "Auf der Suche nach dem verlorenen Glück"

Format:Taschenbuch
Seiten:96
EAN:9783423348546
read more
 

Die Zukunft der Erdbewohner: Ein Manifest

Buchseite und Rezensionen zu 'Die Zukunft der Erdbewohner: Ein Manifest' von Marc Augé

Inhaltsangabe zu "Die Zukunft der Erdbewohner: Ein Manifest"

Diskussionen zu "Auf der Suche nach dem verlorenen Glück"

Autor:
Format:Taschenbuch
Seiten:94
EAN:9783957577016
read more
 

Ich diene Deutschland

Buchseite und Rezensionen zu 'Ich diene Deutschland' von Nariman Hammouti-Reinke

Inhaltsangabe zu "Ich diene Deutschland"

Ein Plädoyer für die Bundeswehr - und warum sie sich ändern muss
Broschiertes Buch
Was läuft schief in der Bundeswehr? Eine Soldatin mit Migrationshintergrund spricht Klartext.
Neonazis und sadistische Offiziere: So sieht das Bild aus, das viele von der Bundeswehr malen. Natürlich gibt und gab es Skandale, die scharf zu verurteilen sind - aber Nariman Hammouti-Reinke weiß: Das ist nicht das ganze Bild, sondern nur ein Bruchteil dessen, was die Bundeswehr ausmacht. Wie wäre es, wenn man sich einmal ohne ideologische Scheuklappen mit dem auseinandersetzt, was die Bundeswehr tut? Woran es liegt, dass Soldaten eine solche Verachtung entgegenschlägt? Und wo liegt die gesellschaftliche Verantwortung jedes Einzelnen? Nariman Hammouti-Reinke, Soldatin und Muslima, hat darauf Antworten - denn für sie ist es "die höchste Form der Integration, dass ich in der Bundeswehr diene und bereit bin, für Deutschland zu sterben".

Diskussionen zu "Auf der Suche nach dem verlorenen Glück"

Format:Broschiert
Seiten:256
EAN:9783499633966
read more
 

Ich, Birgit, Autistin und Psychotherapeutin

Buchseite und Rezensionen zu 'Ich, Birgit, Autistin und Psychotherapeutin' von Birgit Saalfrank

Inhaltsangabe zu "Ich, Birgit, Autistin und Psychotherapeutin"

Gebundenes Buch
Birgit Saalfrank ist Psychotherapeutin. Jahrelang lebt sie in verschiedenen Rollen: Leistungssportlerin, liebevolle Partnerin, erfolgreiche Leiterin eines Psychosozialen Zentrums - bis alles zu viel wird. Sie bekommt eine schwere Depression. Zufällig liest sie ein Buch über eine Frau mit Asperger-Syndrom und erleidet einen Schock: "Das bin ja ich!" Aber eine autistische Psychotherapeutin - das kann nicht sein! Birgits Welt bricht in Stücke. Gleichzeitig beginnt sie, sich selbst besser zu verstehen: ihre Beziehungsprobleme, die ständige Überforderung im Beruf, ihre Depressionen - all das macht jetzt plötzlich Sinn. In ihrem sehr persönlichen Buch beschreibt Birgit, wie sie durch verschiedene Psychotherapien, vor allem eine psychoanalytische Behandlung, immer mehr zu sich selbst findet. Sie lernt, sich so zu akzeptieren, wie sie ist, und kann schließlich ein glückliches Leben führen, auch wenn sie ihren Beruf als Psychotherapeutin aufgeben muss

Diskussionen zu "Auf der Suche nach dem verlorenen Glück"

Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:264
Verlag: Patmos Verlag
EAN:9783843611176
read more
 

Viga-Ljot und Vigdis: Roman

Buchseite und Rezensionen zu 'Viga-Ljot und Vigdis: Roman' von Sigrid Undset
4.5
4.5 von 5 (2 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Viga-Ljot und Vigdis: Roman"

Diskussionen zu "Auf der Suche nach dem verlorenen Glück"

Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:208
EAN:9783455006124
read more

Rezensionen zu "Viga-Ljot und Vigdis: Roman"

  1. Kraftvoller Bilderbogen aus dem mittelalterlichen Norwegen

    "Am Waldrand stand ein helbraunes Pferd, es war nicht bei der Herde, sondern blieb in der Nähe der Häuser, es wollte immer wieder schmusen, vor allem mit Vigdis. Nun kam es her und schnupperte an ihr, es stand über ihr, während sie dort lag. Als die Wehen ein wenig nachließen, erhob sie sich mühsam und ging weiter über die Weide; das Pferd war die ganze Zeit bei ihr. Immer wenn eine Wehe kam, legte sie ihm die Arme um den Hals und hielt sich an im fest, und dann bewegte es den Kopf, berührte ihre Schulter und ihren Rücken und blieb ganz stilll stehen. (...) Hoch am Himmel gab es einen blauen Fleck zwischen den Wolken, der sich im See spiegelte, alles andere war schwarz und schrecklich. Einmal schrie sie laut, doch der Widerhall om Felsvorsprung auf dem jenseitigen Ufer klang so furchtbar, dass sie es mit der Angst zu tun bekam, und sie stopfte sich einen Zipfel ihre Umhangs in den Mund."

    Wir befinden uns in Norwegen im Mittelalter. Der junge Isländer Ljot, wegen seiner Tapferkeit Viga-Ljot genannt (viga bedeutet in altnorwegisch soviel wie Kampf) kommt mit seinem Verwandten Veterlide auf einen norwegischen Hof, "um Bauholz zu kaufen" - das war auf Island vermutlich immer knapp. Dort begegnet er der Tochter des Hofbesitzers, der schönen Vigdis. Die beiden machen Eindruck aufeinander, Vigdis darf ihren Gatten frei wählen (hat ihr Vater ihr versprochen), einer Werbung steht also nichts im Wege. Leider ist Viga-Ljot ein Heißsporn, geprägt von der zeittypischen übertriebenen Empfindlichkeit, was seine "Mannesehre" betrifft, und er muss sich gegen Mitbewerber durchsetzen. Eine Reihe von Auseinandersetzungen mit Vigdis - wenn man solche Beschwichtigungsgespräche überhaupt Auseinandersetzung nennen kann - endet mit einer Vergewaltigung. Diese Tat ändert alles zwischen den beiden und bestimmt fortan ihr ganzes Leben.

    Für Vigdis ist nichts, wie es vorher war: "Jetzt bin ich wie ein Vogel, der mit seinen gebrochenen Schwingen schlägt; er kann (...) nur noch so weit sehen, wie das Blut fließt. Wenn ich daran denken möchte, was früher war, sehe ich immer nur, was jetzt ist." Um ihre Schwangerschaft zu verbergen, zieht sie sich vor ihrer Familie zurück, aber es gibt Gerede, weitere Ehrverletzungen und daraus folgende Gewalttaten, und schließlich muss sie mit ihrem Kind fliehen. Die Beschreibung dieser Flucht ist eine wahre tour de force, die die Leserin schaudern macht. Aber es ist nicht nur Vigdis, die leidet; auch Viga-Ljot hat mit dem Bewusstsein seiner Tat jede Aussicht auf Frieden verspielt.

    Kristof Magnusson betont in seinem Vorwort zu dem Roman, wie sehr Undset auf die Stellung der Frau in der mittelalterlichen Gesellschaft fokussiert, und zieht Parallelen zur heutigen #metoo-Bewegung, dem victim blaming, sogar zu Game of Thrones und Tarantino. Ich würde das Vorwort nicht gerade total daneben nennen, aber es ist mir bei weitem zu einseitig. Vor allem demonstriert Undset, in welchem Grade die Gewalttat, der Impuls eines Augenblicks, das ganze Leben der Protagonisten bestimmt. Es gibt etliche Begegnungen, auch später noch, an denen noch alles gut hätte werden können. Aber so funktioniert das Leben nicht. Beide sind fürs Leben gezeichnet, aber auch fürs Leben aneinander gebunden.

    Man muss schon sehr betonen, wie sparsam der Stil der damals noch jungen Autorin ist. Das Buch erschien 1909, als Undset 27 Jahre alt war. Neunzehn Jahre später bekam sie für "Kristin Lavranstochter", auch ein Mittelalter-Roman, den Nobelpreis. Das ist nun ein dreibändiges, ausuferndes Werk - "Viga-Ljot und Vigdis" kommt dagegen mit 190 Seiten aus, obwohl darin das Schicksal zweier Generationen erzählt wird und die Autorin eine unglaubliche Kraft der Schilderung entfaltet. Kaum jemand kann mit so einfachen Mitteln eine solche erzählerische Wucht erzielen wie Sigrid Undset. Gabriele Haefs ist eine ausgezeichnete Übersetzung gelungen.

    Dicke Leseempfehlung für dieses Buch. Ein schönes Buch übrigens, das Druckbild gefällt mir besonders.

    Teilen
  1. Nordische Sagen sind nicht rosarot!

    Nordische Sagen lesen sich in etwa wie griechische Mythologie. Spannend, aber ohne große Emotionen. Allerdings sind die nordischen Sagen viel düsterer. Mord und Totschlag ist an der Tagesordnung.

    Die Neuübersetzung durch Gabriele Haefs macht Sigrid Undsets sperrige Romane endlich lesbar. Kristof Magnusson schreibt dazu zum vorliegenden Roman „Viga-Ljot und Vigdis“ ein sehr gutes Vorwort.

    Die Saga Viga-Ljot und Vigdis, im frühen Mittelalter spielend, ist grausig genug und zeigt, was dabei herauskommt, wenn man Gewalt mit Gewalt beantwortet. Denn Vigdis wird von ihrem bevorzugten Verehrer Viga-Ljot vergewaltigt, wird schwanger und verlangt später von ihrem Sohn, seinen Vater zu ermorden.

    Die Handlung so im Groben darf man ausnahmsweise einmal verraten, weil es sich um ein uraltes Buch handelt, das bereits 1909 erschienen ist und die Handlung auch schon intensiv im Vorwort besprochen wird.

    Einer Sage angemessen ist dann auch Sprache und Erzählung nicht so emotional, dass man in Tränen ausbrechen würde, sie ist jedoch schlicht und kraftvoll. Man kann die Geschichte lesen, wie man ein Märchenbuch lesen würde, nur dass die nordischen Sagen eben düster sind und nicht rosenrot.

    Die Charaktere:
    Ist die Frauengestalt Vigdis wirklich so beeindruckend und führt Vigdis ein selbstbestimmtes Leben, was außergewöhlich für jene Zeit gewesen ist, wie die Ausleger behaupten? Ja und Nein. Sie entscheidet, nie zu heiraten. Das konnte sie nur, weil sie wohlhabend war. Ein armes Ding hätte nie selbstbestimmt leben dürfen oder können.

    Aber Vigdis war nicht in der Lage, ihr Kind mehr zu lieben als sich selbst und ihm nicht die Bürde der Rache aufzuerlegen. Insofern habe ich sie eher als schwache Person erlebt. Jemand, der nicht im Ansatz dazu bereit war, zu verzeihen und dessen Verbitterung viel Unglück für alle nach sich zog. Mehr beeindruckt hat mich die männliche Rolle. Viga-Ljot durchläuft eine Entwicklung. Aber Vigdis stagniert. Dennoch sind beide Opfer ihrer Zeit. So ist es ja oft.

    Charmant sind die lose eingestreuten Sagen, die man einander am Lagerfeuer abends erzählte und die immer die Richtung vorgaben, welche Handlungs- und Denkweise die Richtige und wünschenswerte sei und dennoch den Anwesenden die Freiheit ließ, selbst zu entscheiden.

    Fazit: Wenn man nordische Literatur liest, muss man immer auf Düsterkeit und harte Charaktere gefasst sein.

    Kategorie: Anspruchsvoller Roman
    Verlag: Hoffmann und Campe, 2019

    Teilen
 

Seiten