Sag, dass es dir gut geht

"Nur dann, wenn der Sohn euch frei macht, seid ihr wirklich frei." (Johannes 8,36)
Am 8. April 1959 kommt Anatoli Uschomirski in Kiew zur Welt, der neugierige Junge wird schon recht früh mit seinen jüdischen Wurzeln konfrontiert. In der Schule verprügelt und als "Stinkender Jude" tituliert, merkte er schnell, dass er anders ist als die anderen. Ständig hatte er Angst als Jude aufzufallen und verprügelt oder verspottet zu werden. Recht früh stellt er seinen Eltern Fragen, wie: "Was heißt es, ein Jude zu sein? Ist es etwas Schlechtes, ein Jude zu sein? Kann ein Jude ein Nichtjude werden, um sich alle Unannehmlichkeiten im Leben zu ersparen?" Doch seine Mutter kann ihm diese Fragen nicht beantworten. Recht jung und unerfahren heiratet er Irina Kaz und muss schnell feststellen, dass die Ehe kein Abenteuer, sondern ein gegenseitiges Geben und Nehmen ist. Weiterhin will er mehr über seine jüdischen Wurzeln wissen und entdeckte dabei, das viele seiner Verwandten 1941 bei einem schrecklichen Massaker in Babyn Yar (Babyn Jar) ums Leben kamen. Er beginnt die Deutschen zu hassen und begibt sich auf die Suche nach der Wahrheit für sein Leben. Antworten jedoch findet er nicht im Judentum, Philosophie oder Esoterik. Erst als er ein Buch von Stan Telchin entdeckt und liest, werden ihm die Augen geöffnet, wo er Hilfe und Erlösung findet. Er nimmt Jesus als Erlöser an, besucht Gottesdienste von messianischen Juden und reist schließlich 1992 mit seiner Familie nach Deutschland aus, wo sie heute noch leben. Seit 1994 engagiert er sich dort beim Evangeliumsdienst für Israel (EDI), gründete eine jüdisch-messianische Gemeinde und hält viele Vorträge in ganz Europa. Immer davon das sich Juden und Christen annähern und versöhnen sollen.
Meine Meinung:
In dem Buch von Anatolis Lebensgeschichte geht es sehr viel um Versöhnung von Juden und Christen. Es geht darum, wie sein Weg zum Glauben an Jesus geführt hat. Er zeigt Ängste auf, die einige Juden haben, falls sie Jesus als ihren Erlöser annehmen. Schildert von seinen Schwierigkeiten als Jude unter Christen und ebenso als messianischer Jude unter Juden. Anatoli schildert, wie er Menschen hilft die noch immer unter ihrer nationalsozialistischen Vergangenheit leiden und spricht ihnen so weit möglich Vergebung zu. Er berichtet von seinem Theologiestudium und was dieses bei ihm auslöst. Schildert über seinen Glauben an Jesus, wie er befreit und er trotzdem noch Jude sein darf. Auch seine Frau Irina, mit der er inzwischen über 40 Jahre verheiratet ist, kommt mehrmals zu Wort und zeigt, ihre unterschiedliche Sicht. Schön fand ich den Bildteil in der Buchmitte, der das Ganze noch etwas auflockert. Interessante Leserbriefe bei dem es um Belastung und Vergebung geht und er beantwortet Fragen wie: "Was bedeutet es, ein Jude zu sein, der an Jesus glaubt?
Hellenistisches oder hebräisches Denken?"
Im Anhang befindet sich eine Zusammenfassung und weitere Themen:
- Wie Juden und Christen die Bibel verstehen
- Messianische Juden und die christliche Kirche
- Die Verfolgung der Juden im Mittelalter
- Die Aufklärung und die Neuzeit
- Jüdische Wurzeln des christlichen Glaubens ....
Besonders diesen Teil fand ich ein wenig trocken und theoretisch, zudem hatte ich mich über diese Themen schon früher informiert. Jedoch für Leser, die sich mit dieser Thematik noch nicht befasst hat, ist der Anhang sehr wertvoll. Ich für meinen Teil hätte allerdings lieber noch etwas mehr über seine jüdische Familie erfahren. Zusammengefasst ist es ein gutes Buch, dass helfen könnte den Riss zwischen Juden und Christen, etwas schmaler werden zu lassen, darum von mir 4 von 5 Sterne.
Meine Gedanken zum extrem umstrittenen und heftig kritisierten Roman „Stella“ von Takis Würger.
Erst einmal kurz und knapp: der Roman hat mir nicht gefallen und ich empfehle jedem, der sich für die Person Stella Goldschlag und die Themen Nationalsozialismus, Antisemitismus und Berlin im zweiten Weltkrieg interessiert, sich auf die Suche nach anderen, tiefgründigeren, differenzierteren und damit lesenswerteren Werken zu machen.
Was mir ganz gut gefiel, waren die Beschreibung von Friedrichs Kindheit zu Beginn des Romans, die staccatoartigen Blitzlichter zu Beginn jedes neuen Kapitels/Monats des Jahres 1942, die das Nebeneinander von Bedeutungsvollem und Belanglosem illustrieren, die einen interessanten Überblick gestatten und so manchen aha-Effekt bescheren, und die regelmäßig eingestreuten Notizen aus den Prozessakten, die dem Leser gerade zu Beginn des Jahres 1942 in Berlin, als Friedrich und Stella sich gerade kennenlernen, sehr deutlich die Parallelität von Grausamkeit/Gefahr/Tod einerseits
und Luxus/Unbeschwertheit/Leben andererseits vergegenwärtigen.
Das ist für mich ein emotionaler Eindruck, den Takis Würger durch den Aufbau seines Textes (nüchterne erschütternde Prozessakten und Blitzlichter - süffig leichter sex & drugs -Unterhaltungstext) gut vermittelt hat: die Erschütterung durch die Koexistenz diese Extreme.
Manche Kritiker werfen ihm vor, dass er durch diesen
o. g. „süffig leichten Unterhaltungstext“ den Holocaust verharmlose bzw. leichtfertig mit dem Thema umgehe. Das finde ich nicht. Ich glaube, wie gesagt, eher, dass es ein Stilmittel ist: Verdeutlichung durch Gegensätze. Aber Stilmittel hin oder her: mir gefällt nicht, wie dieser „süffig leichte Unterhaltungstext“ geschrieben ist (s. u.).
Takis Würger beschreibt die erschwerten Bedingungen von Friedrichs Kindheit wunderbar (wobei das eig. für den Roman „Stella“ gar nicht besonders von Bedeutung ist):
- Reiche, aber sich nicht liebende und emotional nicht erreichbare bzw. nicht präsente Eltern.
- Seine ihn funktionalisierende und in die Alkoholsucht abdriftende, antisemitisch eingestellte, unterkühlte und selbstbezogene Mutter, mit der er in einer ödipalen Konstellation zusammenlebt, weil der zwar freundliche und verständnisvolle Vater häufig aus geschäftlichen Gründen abwesend ist.
- Den Verlust seines Farbsinns mit ca. 8 Jahren, was zu maximaler Enttäuschung und zur Abwendung seiner Mutter führt, die ihn doch gern als Maler gesehen hätte, weil sie selbst an ihrem Traum gescheitert ist.
- Seine Schuldgefühle, seine Einsamkeit und die Angst um seine Mutter.
Glücklicherweise hatte Friedrich die Köchin, die ihm Aufmerksamkeit schenkte und sich um ihn kümmerte.
Der Autor beschreibt die Familienkonstellation wunderschön, so dass man den Charakter und die Psychodynamik des jungen Friedrich glasklar vor Augen hat und nachvollziehen kann, warum er als junger Mann derart unbedarft und naiv in Berlin ankommt.
Meine einzige Kritik an diesem ersten Teil des Romans ist ein Satz Friedrichs auf Seite 13: „...Angst musste ich noch lernen...“ Bei so einer Aussage sträuben sich bei mir sämtliche Nackenhaare: Angst kann man nicht lernen und Angst muss man nicht lernen. Angst hat man einfach.
Takis Würger wollte da wohl auf poetische, aber letztlich ungeschickte Art ausdrücken, dass der Junge noch recht unerschrocken war.
Was mir auch gut gefiel, war, dass ich so manch Neues durch den Roman gelernt und erfahren habe. Nicht viel, aber dieser Aspekt darf trotzdem nicht unter den Tisch fallen, da ich es schätze, wenn mein Horizont erweitert wird.
- Den Namen Stella Goldschlag und die Begriffe „Greifer“ und „U-Boote“ habe ich vor der Lektüre noch nicht gehört.
- Der Kinderarzt Janusz Korczak, der die Kinder seines Waisenhauses beim Abtransport in ein Vernichtungslager begleitete, obwohl das auch für ihn den Tod bedeutete, war mir vor dem Lesen des Buches kein Begriff.
- Und auch den Autor Ernst Hiemer mit seinem antisemitischen Kinderbuch „Der Giftpilz“ lernte ich erst durch „Stella“ kennen.
Nach der Beschreibung von Friedrichs Kindheit folgt der Hauptteil des Romans: Sein Jahr mit Stella, 1942, in Berlin. An diesem Teil gefielen mir, wie gesagt die Notizen aus den Prozessakten und die Blitzlichter recht gut. Am Rest konnte ich mich nicht besonders erfreuen, da er überwiegend aus kurzen, schlichten Sätzen und dümmlichen, hohlen Dialogen, sowie blassen Protagonisten besteht.
Der Schreibstil und die Sprache gefielen mir nicht. Für mich klang manches kitschig, das Meiste zu konstruiert, bemüht und aufgesetzt. Nach vielen Sätzen drängte sich mir regelrecht ein verblüfftes „Hä?“ auf.
Summa summarum:
Kein must read!
Aber sicherlich nicht so verurteilens- und verdammenswert wie derzeit von den Medien vermittelt.
„Hast du mal Hibiskus blühen sehen?“ […] „So ist die Wahrheit, Junge, wie Hibiskus. Irgendwann wirst du es sehen. In Ägypten findest du ganze Gärten. Wunderschön da. Ganze Gärten findest du. Und der Hibiskus blüht in tausend verschiedenen Arten.“ (S. 25)
Über „Stella“ von Takis Würger ist dieses Jahr schon eine hitzige Diskussion entbrannt…Ob Takis Würger genau diese Diskussion anfachen wollte, weiß ich nicht. Aber nach Ende der (kurzen) Lektüre kann ich sagen: mich hat er nicht für sich gewonnen.
Verpackt in eine fiktive Liebesgeschichte erfährt der Leser von der realen Stella Goldschlag – einer „Greiferin“ der Nazis, die (Mit-)Juden denunziert, verraten und so dem NS-Regime ausgeliefert hat. Und das „nur“, weil sie sich und ihre Eltern vor der eigenen Deportation schützen wollte. Ja, über das im letzten Satz in Gänsefüßchen gesetzte nur kann man sicher auch diskutieren. Keiner von uns weiß letztlich, was wir selber tun würden, um unser Leben und das unserer Lieben zu retten.
Aber hier geht es nicht um die Frage „Darf die das?“, sondern schlicht und ergreifend darum, warum Takis Würger es nicht geschafft hat, mich mit seinem Roman abzuholen. Das Einzige, was er geschafft hat, ist, dass ich mich in geraumer Zeit weiter mit Stella Goldschlag befassen werde.
Der fiktive Friedrich (Sohn reicher Eltern aus der Schweiz) kommt 1942 nach Berlin, um sich von den Gerüchten über die (Ab-)Transporte selbst ein Bild zu machen. Vorher erfährt der Leser von seinem (tragischen) Leben als Kind, warum er eine Narbe im Gesicht hat und farbenblind ist. So weit so gähn. Hat man schon oft in besser verpackten Geschichten zu lesen bekommen. Aber irgendwie muss man ja den Bogen zu dem naiven 20-jährigen schlagen.
In Berlin trifft er auf Kristin aka Stella und einen mir von vornherein unglaublich unsympathischen SS-Schergen namens Tristan von Appen, der mir mit seiner Attitüde (schön, reich und „Ich genieße das Leben, auch wenn Krieg ist.“) ziemlich auf die Nerven ging. Vielleicht wollte Takis Würger mit seinen (fiktiven) Charakteren genau das Erreichen: alle Schichten der (damaligen) deutschen Gesellschaft aufzeigen: Menschen, die blind vor Liebe oder Naivität ihre Augen (zwar nicht) vor dem offensichtlichen verschließen, dennoch aber wenig bis gar nichts unternehmen (ein zärtliches „Das muss aufhören.“ ist hier eindeutig zu wenig!!!) sowie schmierig-schleimige Anzugträger, die nur sich selbst lieben…Trotzdem oder gerade deswegen: nein, mit Reißbrett-Charakteren kriegt man mich nicht.
Die Original-Zitate aus den Prozessakten gegen Stella Goldschlag sind für sich gesehen durchaus interessant, machen auf mich aber eher den Eindruck, als wenn sie lieb- und ziellos ohne Bezug zum Text einfach der Authentizität wegen abgedruckt wurden.
Wie man neben historisch interessante (und für mich neue) Informationen wie „Die 10 Gebote für jeden Nationalsozialisten des Dr. Josef Goebbels“ banale und völlig uninteressante Dinge wie Fußballergebnisse stellen kann, ist mir schleierhaft und hat mich bei der Lektüre zunehmend geärgert.
Nur für die historisch wertvollen und wirklich interessanten Informationen gibt es von mir 2* - mehr kann ich beim besten Willen nicht geben.
Ehrlich gesagt ist mir der Aufruhr rund um das Buch etwas entgangen. Meine Neugier war aufgrund des sehr hübschen Covers und des recht knappen Klappentextes geweckt. Mich fesseln Geschichten aus dem zweiten Weltkrieg und so begann ich gespannt mit der Lektüre und wurde regelrecht überrollt.
In der Geschichte geht es um den Schweizer Friedrich, der den Gerüchten, die er aus Deutschland hört, einfach nicht glauben kann. Er macht sich auf dem Weg nach Berlin, um die Wahrheit herauszufinden. Doch was er dort findet ist nicht nur die Liebe, sondern auch die Grausamkeit. Wie wird er damit bloß weiterleben können?
Mich hat beim Roman vor allem die doch recht nüchterne Schreibweise und die klare Struktur angesprochen. In jedem Kapitel erfahren wir zunächst etwas über die damalige Zeit und was im jeweiligen Monat und Jahr geschah. Wer wurde geboren, welche technischen Entwicklungen gab es, welche Gesetze wurden erlassen und ähnliches. So spürt man als Leser deutlich wie sich die Lage im damaligen Deutschland immer mehr zuspitzt. Gerade die Rationierung von Lebensmitteln und Gegenständen des alltäglichen Bedarfs ist für mich heute nur schwer vorstellbar, wo es alles im Überfluss gibt.
Dann berichtet uns Friedrich als Ich- Erzähler was er in Berlin alles erlebt und zu guter Letzt liest man immer mal wieder Auszüge aus Gerichtsprotokollen, bei denen man am Anfang nur erahnen kann, was sie zu bedeuten haben.
Der nüchterne, teils gefühllose Schreibstil Würgers sorgte bei mir gerade erst deswegen für jede Menge Emotionen. Man wird berührt auf eine ganz besondere Art, die ich nur schwer beschreiben kann. Anders als bei schlimmen Nachrichten, die man im TV sieht oder in der Zeitung liest und dann schnell wieder vergisst, bleibt das Schicksal Friedrichs und seiner Liebe im Herzen des Lesers erhalten.
Anfangs störten mich die Auszüge aus den Gerichtsakten ein wenig, da sie mich im Lesefluss störten, aber man sollte sie zum Innehalten und Nachdenken nutzen.
Die zarte Liebesbeziehung, die sich da zwischen Friedrich und seiner Angebeteten anbahnt, zeigt sehr deutlich über was man alles hinwegsehen kann, wenn man die rosarote Brille auf hat.
Die im Buch vorkommenden Charaktere sind alle sehr speziell und sorgten bei mir teils für Wut, teils für Zuneigung und positive Emotionen. Gerade Friedrichs Vater hatte es mir angetan, dass er trotz der Haltung seiner Frau und ihres Alkoholkonsums, sie immer noch liebt, gerade weil sie so viele Fehler hat.
Friedrich selbst habe ich als sehr angenehme Figur erlebt. In ihm habe ich mich am meisten wiedergefunden, da auch ich stark dazu neige die Fehler meiner Liebsten zu ignorieren und alles für sie zu tun, damit sie es gut haben und dabei manchmal mich selbst ein wenig vergesse. Etwas schade fand ich, dass seine Farbenblindheit im späteren Verlauf der Geschichte keinerlei Bedeutung mehr hat.
Stella als Figur kommt in meinen Augen alles andere als schlecht weg. Sicherlich ist erschreckend, was sie getan hat, aber trotzdem hat man irgendwie Verständnis für sie. Interessant fand ich ihr reges Konsumverhalten, was mich stark an unsere heutige Gesellschaft denken ließ.
Ich hatte bis dato noch nie etwas von Stella Goldschlag gehört und mir war auch nicht bewusst, dass es solche Denunzianten gegeben hat.
Mich hat das Buch sehr nachdenklich gestimmt, da man sich selbst fragt was man für seine Liebsten tun würde, um diese zu retten. Und was moralisch noch erlaubt wäre oder eben nicht? Der Roman wird mich wohl noch eine ganze Weile verfolgen.
Fazit: Ein Roman, der mitten ins Herz trifft. Ich kann nur eine Leseempfehlung aussprechen. Bildet euch bitte eine eigene Meinung. Gute Unterhaltung!
Berlin im Kriegsjahr 1942: Friedrich, ein stiller junger Mann aus wohlhabendem Haus, kommt nach Nazi-Deutschland. In einer Kunstschule trifft der Schweizer, dessen Mutter sich als Künstlerin definiert, die attraktive Kristin. Die Blondine nimmt Friedrich mit in die verbotenen Jazzclubs. Sie singt. Beide trinken und feiern zusammen. Bei ihr kann er sich einbilden, der Krieg sei weit weg. Die beiden werden zu einem Paar. Doch eines Morgens klopft Kristin an seine Tür, verletzt, mit Striemen im Gesicht. Sie gesteht: „Ich habe dir nicht die Wahrheit gesagt." Sie heißt Stella, ist Jüdin und hat ein furchtbares Geheimnis…
„Stella“ von Takis Würger ist ein sehr besonderer historischer Roman.
Meine Meinung:
Erzählt wird in der Ich-Perspektive aus der Sicht von Friedrich. Jedes Kapitel beginnt mit einer Aufzählung von historischen Ereignissen in diesem Monat. Eingebettet sind Briefe und die protokollierten Zeugenaussagen aus einem Prozess. Darüber hinaus endet der Roman mit einem Epilog. Dieser Aufbau funktioniert gut.
Der Schreibstil wirkt recht reduziert und schnörkellos, aber dennoch intensiv und fesselnd. Mit nur wenigen Worten und Sätzen entfaltet sich immer wieder eine Sprachgewalt, die das Können des Autors eindrucksvoll demonstriert. Viel wörtliche Rede, eine dichte Atmosphäre und pointierte Formulierungen kennzeichnen den Roman.
Mit Friedrich und Stella stehen zwei reizvolle, recht unterschiedliche Charaktere im Mittelpunkt. Beide habe ich als interessant empfunden. Auch die übrigen Personen wirken authentisch.
Fakten und Fiktion werden auf gekonnte Weise miteinander verwoben. Gut gefallen hat mir, dass der Roman mit Stella Goldschlag eine historische Persönlichkeit in den Fokus nimmt: die jüdische Gestapo-Kollaborateurin, die während des Zweiten Weltkriegs versteckte Juden in Berlin aufspürte und sie denunzierte. Der Roman hat mich dazu inspiriert, mehr über diese Frau erfahren zu wollen.
Darüber hinaus bietet die Geschichte viel Stoff zum Diskutieren und Nachdenken. Es geht um Schuld, Verrat, Moral, Liebe und den Kampf ums Überleben in einer grausamen Zeit. Immer wieder wird die Frage aufgeworfen: Wie hätte ich selbst gehandelt? Das macht den Roman zu einer anspruchsvollen und schwer verdaulichen, aber auch lohnenden Lektüre.
Das kontrastreiche Cover und die tolle Aufmachung des Hardcovers sind äußerst gelungen. Auch der prägnante Titel passt gut zum Inhalt und trifft meinen Geschmack.
Mein Fazit:
„Stella“ von Takis Würger ist ein sprachlich herausragender, aufwühlender und berührender Roman. Eine beeindruckende Lektüre, die ich wärmstens empfehlen kann und die noch eine Weile bei mir nachhallen wird.
Takis Würger kann schreiben und den Leser mitreißen. Dieses Talent nutzt er, um in seinem neuen Roman einen Blick auf die historische Person Stella Goldschlag zu werfen. Stella Goldschlag arbeitete in den 1940ern als sog. Greiferin für die Gestapo. D.h. sie ermöglichte die Verhaftung und Verschleppung hunderter Juden. 1994 beging sie Selbstmord. Takis Würger versucht eine Annäherung, jenseits von Schwarz- und Weißmalerei. Dies hat ihm harrsche Kritik aus mehreren, völlig unterschiedlichen Lagern eingebracht. Die einen werfen ihm, einen zu leichtfertigen Umgang mit den Verbrechen der Nazis vor. Er habe einen Liebesroman im Stile Rosamunde Pilchers verfasst und mit dem Holocaust aufgemotzt, um die Verkaufszahlen zu steigern. Andere haben Takis Würger wegen des Verdachts der Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener angezeigt. Ich kann keinen dieser Kritikpunkte teilen.
Zum Buch: Die Geschichte wird aus der Ich-Perspektive von Friedrich erzählt. Friedrich ist in der Schweiz aufgewachsen. Seine Familie ist wohlhabend. Dennoch hat Friedrich schon als Kind lernen müssen, wie schnell Glück und Geborgenheit in Unglück und Tragödien umschlagen können. Bei einer Schneeballschlacht wird ein Kutscher von einem Schneeball getroffen. Als Friedrich gesteht, der Werfer gewesen zu sein, zerfetzt ihm der Kutscher mit einem Ambosshorn das Gesicht. Friedrich verliert zwei Backenzähne und ist für den Rest seines Lebens gezeichnet. Zudem kann er keine Farben mehr sehen. Für seine alkohlkranke Mutter, die ihren unerfüllten Traum von einer Karriere als Malerin über Friedrich ausleben wollte, ist das eine zusätzliche Katastrophe. Die Familie zerfällt.
Friedrich, der wohlhabend genug ist, keiner Arbeit nachgehen zu müssen, entschließt sich, 1942 nach Berlin zu gehen. Er ist angezogen vom Glanz der Metropole, die der Krieg noch nicht erreicht hat. Außerdem will er „die Deutschen“ von Nahem sehen. Friedrich schreibt sich in einer Zeichenschule ein. Dort lernt er das Modell Kristin kennen. Er verliebt sich in Kristin und zieht mit ihr durch die Clubs, trinkt zu viel und hört verbotene Musik. Bei Bombenalarm sitzen sie im Bunker des Hotels, in dem Friedrich wohnt, und trinken Champagner. Ansonsten bekommt Friedrich vom Krieg und der Not in der Stadt nicht viel mit. Denn wer genug Geld hat, der kann sich auch zu diesen Zeiten noch fast alles kaufen.
Dann verschwindet Kristin. Als sie nach mehreren Tagen wieder auftaucht, ist sie zerschlagen und verletzt. Sie gesteht Friedrich ihre wahre Identitität. Sie ist Stella Goldschlag, eine Jüdin. Aufgrund ihres Aussehens - sie ist groß, blond und sehr attraktiv - hat sie sich bisher erfolgreich als Deutsche ausgeben können. Doch sie wurde verraten und von der Gestapo verhaftet und gefoltert. Die Nazis wollen, dass sie ihnen beim Aufspüren versteckter Juden hilft. Sie hat zugesagt - auch weil ihre Eltern noch in den Kellern der Gestapo sitzen und man ihr versprochen hat, sie vorerst nicht zu deportieren.
Friedrich will mit Stella in die Schweiz. Aber Stella will ihre Eltern nicht zurück lassen. Beide versuchen sich zu arrangieren und ihre vermeintlich unbeschwerte Liebesbeziehung fortzusetzen. Doch man kann nicht ewig die Augen verschließen.
Zum Aufbau: Der Roman beginnt mit der Rückblende in die Kindheit von Friedrich. Danach werden die Geschehnisse im Berlin des Jahres 1942 in monatlichen Kapiteln erzählt. Die Kapitel beginnen jeweils mit einer Zusammenschau von historischen Ereignissen des Monats. Dabei stehen Informationen über den Kriegsverlauf und die Greultaten der Nazis neben Banalitäten. Diese Zusammenstellung ermöglicht zum einen eine zeitliche Verortung des Romangeschehens und zeigt zum anderen nochmals die Willkürlichkeiten, die unsere Geschichte durchziehen. Normalität und Grausamkeit sind immer nah beeinander.
Einstreut in den Text sind außerdem Auszüge aus den Akten des Militärgerichts, vor dem sich die historische Stella Goldschlag nach dem Krieg verantworten musste. Die vernommenen Zeugen berichten darin, wie Stella Goldschlag an Verhaftungen mitgewirkt hat und, sofern bekannt, was mit den Verhafteten danach passierte.
Meine Bewertung: In dem Roman werden weder die Ideologien der Nazis verherrlicht noch der Holocaust ausgeschlachtet. Die historische Stella Goldschlag ist eine umstrittene Person. Der Roman wirft die Frage auf, wie ihre Motive moralisch zu werten sind. Diese Frage zu stellen ist weder verboten noch verwerflich. Die Antwort des Autors ist weder schwarz noch weiß.
Wenn ich an dem Buch etwas kritisieren möchte, dann nur einen Punkt: Zwischen den eingestreuten Auszügen aus den Prozessakten und der Romanfigur Stella baut sich keine Verbindung auf. Es ist schwer zu glauben, das es sich um dieselbe Person handeln soll. Eventuell wollte der Autor damit die zwei Gesichter der Stella zum Ausdruck bringen. Dies ist für mich aber nicht richtig klar geworden.
Fazit: Takis Würger hat sich ein schwieriges Thema gewählt und dieses in einer leicht lesbaren Form zu Papier gebracht. Das kann ihm nicht zum Vorwurf gemacht werden. Je mehr Leser sich dadurch angesprochen fühlen, umso besser. Sachliche Diskussionen verhindern das Vergessen. Von mir gibt es daher 5 Sterne und eine Leseempfehlung.
Ja, er kann schreiben, der Herr Würger. Schon "Der Club" hat mir gefallen. Aber jetzt bei "Stella" merkt man, er kann noch mehr Tiefe herstellen in seiner Charakterzeichnung. Und ich muss sagen, Hut ab vor jemandem, der es wagt zu so einem Thema einen Roman zu schreiben. Und an den Diskussionen sieht man wieder, ein großer Teil von uns neigt zu Schubladendenken, Schwarz- oder Weiß-Einteilung. Tja, so einfach ist das aber nicht!
Ich bewerte hier den Roman "Stella", nicht die Person Stella. Und ich muss sagen, der Roman "Stella" hat mir gefallen. Es hat für meine Begriffe nur wenig zu einer 5 Punkte Bewertung meinerseits gefehlt. Der Charakter Stella im Roman hat mich gefangen genommen, Takis Würger ist es gelungen uns einen Menschen mit Gefühlen zu zeigen. Warum auch nicht? Jeder Mensch hat diese. Auch eine Stella Goldschlag wird ihre Eltern geliebt haben, wird ein Leben gehabt haben, wird Männer geliebt haben, wird ihr eigenes Leben geliebt haben. Dieses Buch empfand ich als einen Versuch eines Blickes auf Stella, einen gelungenen Versuch. Ein Versuch, der in mir Mitgefühl für Stella hochkommen ließ. Erstaunlich und ein Zeichen dafür, dass der Autor sein Handwerk versteht. Die Person des Friedrich fand ich ebenso interessant, die Zeichnung der Kindheit, die Rollen der Mutter und des Vaters und das Kind dazwischen. Den Einfluss, den die Eltern auf das Kind haben und was dieser Einfluss mit dem Kind macht. Die Liebe und was diese mit Friedrich macht. Das Hin- und Herschwanken des verliebten Friedrich mit seinem Wissen um die Taten der Stella. Kennen wir das nicht alle, dass wir eine geliebte Person anders sehen, anders sehen wollen? Und erst später Wahrheiten zulassen. Warum soll das bei einer Stella Goldschlag und ihren Geliebten anders gewesen sein? Wegen ihrer schlimmen Taten? Können wir die Liebe steuern oder steuert die Liebe uns? Die Figur des Tristan fand ich interessant, aber definitiv noch ausbaufähig. Soll sie uns die Figur des mitlaufenden Deutschen mit Schwächen präsentieren? Ich weiß nicht. Ich stelle mir die vollkommen Überzeugten immer als sehr überkorrekte Menschen vor. Aber jeder Mensch hat Fehler, auch die Überkorrekten, vielleicht auch gerade diese.
Die Einschübe mit den historischen Daten fand ich sehr gut gemacht. Das hat immer wieder den furchtbaren Hintergrund vor dem geistigen Auge entstehen lassen. Und damit vielleicht auch den Druck unter dem die Menschen damals gestanden haben.
Womit wir bei der Bewertung des damaligen Geschehens wären. Natürlich gibt es Taten die definitiv verachtungswürdig sind. Trotzdem sollten wir uns vorsehen allzu viel des damaligen Geschehens bewerten zu wollen. Es gibt die Bezeichnung des Glücks der späten Geburt. Und wir alle haben wirklich Glück später geboren zu sein. Ich habe in einer Doku gesehen/gehört, dass eine Frau in Nürnberg zu zwei Jahren Zuchthaus verurteilt wurde, weil sie geweint hat, als eine Gruppe jüdischer Häftlinge an ihr vorbeigetrieben wurde. Der Druck, unter dem die Bevölkerung damals gestanden hat, wird ein Großer gewesen sein. Und Druck verändert. Genauso wenig wissen wir alle, oder ein Glück die meisten von uns, was wir bereit sind zu tun, wenn Menschen die wir lieben bedroht sind oder unser eigenes Leben bedroht ist.
Und noch etwas, ich finde auch die Diskussionen um dieses Buch teilweise als unsinnig. In diesem Buch wird meiner Meinung nach nichts verharmlost oder negiert oder verkitscht!
Ja, er kann schreiben, der Herr Würger. Schon "Der Club" hat mir gefallen. Aber jetzt bei "Stella" merkt man, er kann noch mehr Tiefe herstellen in seiner Charakterzeichnung. Und ich muss sagen, Hut ab vor jemandem, der es wagt zu so einem Thema einen Roman zu schreiben. Und an den Diskussionen sieht man wieder, ein großer Teil von uns neigt zu Schubladendenken, Schwarz- oder Weiß-Einteilung. Tja, so einfach ist das aber nicht!
Ich bewerte hier den Roman "Stella", nicht die Person Stella. Und ich muss sagen, der Roman "Stella" hat mir gefallen. Es hat für meine Begriffe nur wenig zu einer 5 Punkte Bewertung meinerseits gefehlt. Der Charakter Stella im Roman hat mich gefangen genommen, Takis Würger ist es gelungen uns einen Menschen mit Gefühlen zu zeigen. Warum auch nicht? Jeder Mensch hat diese. Auch eine Stella Goldschlag wird ihre Eltern geliebt haben, wird ein Leben gehabt haben, wird Männer geliebt haben, wird ihr eigenes Leben geliebt haben. Dieses Buch empfand ich als einen Versuch eines Blickes auf Stella, einen gelungenen Versuch. Ein Versuch, der in mir Mitgefühl für Stella hochkommen ließ. Erstaunlich und ein Zeichen dafür, dass der Autor sein Handwerk versteht. Die Person des Friedrich fand ich ebenso interessant, die Zeichnung der Kindheit, die Rollen der Mutter und des Vaters und das Kind dazwischen. Den Einfluss, den die Eltern auf das Kind haben und was dieser Einfluss mit dem Kind macht. Die Liebe und was diese mit Friedrich macht. Das Hin- und Herschwanken des verliebten Friedrich mit seinem Wissen um die Taten der Stella. Kennen wir das nicht alle, dass wir eine geliebte Person anders sehen, anders sehen wollen? Und erst später Wahrheiten zulassen. Warum soll das bei einer Stella Goldschlag und ihren Geliebten anders gewesen sein? Wegen ihrer schlimmen Taten? Können wir die Liebe steuern oder steuert die Liebe uns? Die Figur des Tristan fand ich interessant, aber definitiv noch ausbaufähig. Soll sie uns die Figur des mitlaufenden Deutschen mit Schwächen präsentieren? Ich weiß nicht. Ich stelle mir die vollkommen Überzeugten immer als sehr überkorrekte Menschen vor. Aber jeder Mensch hat Fehler, auch die Überkorrekten, vielleicht auch gerade diese.
Die Einschübe mit den historischen Daten fand ich sehr gut gemacht. Das hat immer wieder den furchtbaren Hintergrund vor dem geistigen Auge entstehen lassen. Und damit vielleicht auch den Druck unter dem die Menschen damals gestanden haben.
Womit wir bei der Bewertung des damaligen Geschehens wären. Natürlich gibt es Taten die definitiv verachtungswürdig sind. Trotzdem sollten wir uns vorsehen allzu viel des damaligen Geschehens bewerten zu wollen. Es gibt die Bezeichnung des Glücks der späten Geburt. Und wir alle haben wirklich Glück später geboren zu sein. Ich habe in einer Doku gesehen/gehört, dass eine Frau in Nürnberg zu zwei Jahren Zuchthaus verurteilt wurde, weil sie geweint hat, als eine Gruppe jüdischer Häftlinge an ihr vorbeigetrieben wurde. Der Druck, unter dem die Bevölkerung damals gestanden hat, wird ein Großer gewesen sein. Und Druck verändert. Genauso wenig wissen wir alle, oder ein Glück die meisten von uns, was wir bereit sind zu tun, wenn Menschen die wir lieben bedroht sind oder unser eigenes Leben bedroht ist.
Und noch etwas, ich finde auch die Diskussionen um dieses Buch teilweise als unsinnig. In diesem Buch wird meiner Meinung nach nichts verharmlost oder negiert oder verkitscht!
Der Roman „Stella“ von Takis Würger erzählt die tragische Liebesgeschichte des Schweizers Friedrich und der jüdischen Denunziantin Stella im Berlin von 1942. Es ist eine spannende, erschreckende und fast unglaubliche Geschichte, ein dunkles Kapitel deutscher Vergangenheit über ein Opfer, das zur Täterin wird und über einen jungen Schweizer, der sich in einer Fantasiewelt der Wirklichkeit zu entziehen versucht, immer mit dem Privileg der Flucht durch seinen Pass im Hinterkopf.
1942 kommt Friedrich, ein stiller junger Schweizer, nach Berlin und trifft an der Kunstschule Kristin. Mit ihr beginnt ein aufregender nächtlicher Weg durch Berlins Jazzclubszene. Der Krieg scheint weit weg zu sein im luxuriösen Hotel am Potsdamer Platz, wo es bei Bombenalarm Champagner und Geigenmusik im Keller gibt. Doch alles ändert sich für Friedrich, als Kristin eines Morgens zerschunden ins Hotel kommt und gesteht, sie sei Jüdin, heiße Stella und sei von der Gestapo zu einem Pakt zur Denunziation versteckter Juden gezwungen worden, um ihre Eltern vor den Todeslagern der SS zu retten.
Takis Würger spielt in dem Roman mit einer wahren Geschichte, nämlich der von Stella Goldschlag, der jüdischen Kollaborateurin, die Hunderte Juden aufspürte und an die Gestapo verriet und damit den Vernichtungslagern auslieferte. Stella Goldschlag lebte von 1922 bis 1994.
Es ist ein Zwiespalt und ein wackeliger Pfad, auf den man vom Autor als Leser geschickt wird. Einerseits ist Verrat auf den ersten heutigen Blick natürlich tabu und verurteilungswürdig, aber Takis Würger gelingt das große Kunststück, beim Leser Verständnis für Stellas Situation und ihr Verhalten zu wecken, indem er Ihre menschliche Seite zeigt und sie selbst auch als Opfer der Nazis vorführt. Zum einen möchte man sie unbedingt verurteilen, weil sie lieber deutsch als jüdisch sein möchte, weil sie versucht, sich an das herrschende System anzupassen, und natürlich weil sie andere Juden verrät. Andererseits stellt sich die Frage, ob Stella jemals wirklich eine Wahl hatte und ob man sie überhaupt verurteilen und schuldig sprechen darf, wenn sie Juden aufspürt, um die Haut ihrer Eltern zu retten.
Verzweifelt, voller Melancholie und Sehnsucht, aber auch ausschweifend und obsessiv sind die Facetten, in denen sich Stella dem Leser zeigt. Friedrich ist ihr vom ersten Moment an verfallen, und man versteht ihn. Seine Suche ist die nach dem Leben, ein Versuch des Ausbruchs aus dem Goldenen Käfig in der Schweiz. Naiv und aufgeregt auf der Spur von Verbotenem bewegt er sich wie in einer Twilight-Zone zur Realität, privilegiert und abgeschottet im Luxushotel und im nächtlichen Berliner Untergrund, gleichzeitig voller Wahn und abhängig von einer Frau, die ihn nahezu handlungsunfähig macht.
Es ist eine Geschichte der Grautöne, man bekommt vom Autor allerdings heftige Lektionen zur Realität und Objektivität durch eingeschobene Verhörprotokolle realer Prozessakten, in denen sich schwarz und weiß klar abzeichnen. Und gerade deshalb ist es trotz der Grauzeichnung eine sehr moralische Geschichte, die fesselnd, eindringlich und aufrüttelnd ist und mich voller Nachdenklichkeit zurück gelassen hat. Großer Applaus von mir dafür, verbunden mit einer dringenden Empfehlung zur Lektüre diese famosen Buches.
Es ist 1942, mitten im Krieg zieht der junge Schweizer Friedrich nach Berlin. Dort begegnet und verliebt er sich in das Aktmodell und Barsängerin Kristin. Doch eines Tages steht die junge Frau vor seiner Tür, geschlagen und kahl rasiert. „Ich habe dir nicht die Wahrheit gesagt!“, gesteht sie, die eigentlich Stella Goldschlag heißt, Jüdin ist und für die Gestapo als Greiferin arbeitet.
Stellas Geschichte basiert auf wahren Begebenheiten. Takis Würger verpackt diese Geschichte, spielt mit Fakten und Fiktion. Zart und brutal, dekadent und voller Verzweiflung, obsessiv und sehnsüchtig, die Palette an Gefühlen dieses Romans ist so vielfältig, wie die Farben, die Friedrich aufgrund einer Kindheitsverletzung nicht mehr sehen kann. Es ist auch ein guter Teil des Romans, der sich mit Friedrichs Biografie beschäftigt. Einsamkeit war dem jungen Friedrich nicht fremd, aufgewachsen in einem Chalet, der Vater wohlhabend aber kaum anwesend, die Mutter übermächtig und Alkoholikerin. Es ist die Suche nach „der Wahrheit“, die den jungen Mann nach Berlin treibt, aber gleichzeitig auch ein Ausbruch aus dem goldenen Käfig, trotz aller Naivität das Aufstöbern der niedrigsten Instinkte Das Verbotene treibt ihn an, der Besuch von Jazzclubs im Untergrund, Alkohol, Drogen. Nahezu obszön empfand ich die Beschreibung von Nächten im Bombenkeller bei Schampus und Geigenmusik. Der Schweizer Pass als Joker ständig im Hinterkopf. Ein wenig wirkt das Erzählte wie aus einem Paralleluniversum
Auf den Boden der Tatsachen kehrt man zurück durch kleine Chroniken historischer Fakten und Randnotizen, die immer wieder eingeschoben werden. Und natürlich der Paukenschlag über Stellas wahres Gesicht. Opfer oder Ungeheuer? Bei dieser Geschichte gibt es kein schwarz oder weiß. Wie weit kann man gehen, sein Leben, das Leben von Angehörigen zu retten. Wie weit kann Liebe über Schuld hinweggesehen. Friedrich erzählt aus seiner Kindheit, dass er die Einsamkeit ertrug, weil er nicht vermissen konnte, was er nicht kannte. Stella sagte später: „Noch schlimmer als die Angst war die Einsamkeit.“
Die Liebesgeschichte von Stella und Friedrich ist tragisch, hoffnungslos, und konnte nur fatal enden. Wenn die Not über die Moral siegt, bleibt die Menschlichkeit auf der Strecke.
Aufrüttelnd und ehrlich...
Barbara Bišický-Ehrlich zeichnet als Chronistin ihrer eigenen Familiengeschichte ein mehrfaches Generationenporträt, angefangen bei ihren Urgroßeltern in der ehemaligen Tschechoslowakei, über die Zeit ihrer Großeltern und Eltern, bis hin zu ihren eigenen Erfahrungen als Enkelin von Holocaust-Überlebenden – ausgerechnet in der Bundesrepublik Deutschland. Immer wieder kreuzt die Weltgeschichte den Weg dieser Familie. Schreckensnamen wie Bergen-Belsen und Theresienstadt sind damit ebenso verknüpft wie die Zeit des Kommunismus nach 1945 in der CSSR und der Prager Frühling. Die Gefahr eines gewaltsamen Todes hängt beständig wie ein schwarzer Schatten über allen Familienmitgliedern. Entwurzelung, Neuanfang und erneute Entwurzelung sind die Folgen.
Diese Geschichte erzählt vom einem Leben zwischen den Extremen, mit unerwarteten Wendungen, mit Traumata, die an Kindern vererbt werden und mit dem unglaublichen Überlebenswillen eines jeden Nachkommen. Barbara Bišický-Ehrlich lässt den Leser durch die Schilderung ihres Familienschicksals mühelos Jahrzehnte überbrücken und in die Zeitgeschichte eintauchen. Sie schafft eine Nähe, die dem Leser erlaubt an den Ängsten und Hoffnungen der Menschen teilzuhaben, die sich nichts sehnlicher wünschen als Frieden auf Erden. Zwischen Prag und Frankfurt am Main, zwischen Gefahren, Bedrohungen und den großen Katastrophen des 20. Jahrhunderts, schwebt die eine große Frage: »Wie gehe ich mit Vergangenheit um?«.
Dieser Klappentext schildert hervorragend, worum es in diesem Buch geht. Barbara Bišický-Ehrlich erzählt hier eine sehr besondere Familiengeschichte, die aufzeigt, wie sich erlebte Traumata durch die Generationen ziehen und damit Auswirkungen auch auf die Nachkommen haben.
"Mirek weinte bitterlich, drückte seine Tochter und sagte: 'Falls wir uns nie wieder sehen, wünsche ich dir ein schönes Leben.'"
Dabei werden nach und nach alle Mitglieder der weitverzweigten Familie beleuchtet, was zeitweise etwas verwirrend für mich war. Der bebilderte Familienstammbaum zu Beginn sorgte dann aber für ausreichende Orientierungsmöglichkeiten. Durch zahlreiche Fotos aus dem Familienalbum bekommen die Namen in dem Buch auch ein wirkliches Gesicht. Und letztlich zeigte sich die Schilderung der einzelnen Schicksale doch auch als bedeutsam für das Verständnis der Verhaltensweisen und Ängste der Autorin selbst. Auch als Urenkelin der Opfer des Holocaust leidet sie noch unter dessen Auswirkungen.
Die Zeit des Kommunismus nach 1945 in der Tschechoslowakai und der Prager Frühling verschärften die Lage zusätzlich - die Enteignung der Juden ging beispielsweise damit einher. In der Folge emigrierten die Eltern der Autorin - ausgerechnet nach Deutschland. Die Entwurzelung, die Suche nach einer neuen Identität, die Sehnsucht nach der Heimat - das Schicksal der Migranten. Alles zusammen ein schweres Erbe, das ohne Zweifel Spuren hinterlassen hat.
"Manchmal denke ich, dass es mögicherweise als reflektierender und hinterfragender Mensch sogar schwerer ist, mit einer 'Tätervergangenheit' der Familie klarzukommen, als in einer Opferfamilie groß zu werden. (...) Wir mussten mit den Traumata klarkommen, die Täterangehörigen mit der Schuld. Da ist es klar, wem das Solidarisieren leichter fiel."
Schonungslos ehrlich schildert die Autorin die Folgen all dieser Ereignisse für sich und ihre Familie, und jenseits von Schuldzuweisung oder Abrechnung schafft sie den Spagat zwischen Verständnis und - ja, auch Verzeihen. Dabei lassen trotz der distanziert geschilderten Ereignisse des Holocaust einzelne Szenen beim Lesen den Atem stocken.
Aufrüttelnd und ehrlich erscheint dieses Familienportrait, das die Autorin im Andenken an ihre Familie geschrieben hat, nicht zuletzt aber auch für sich und für ihre Standortbestimmung im Leben. Unbedingt lesenswert!
© Parden
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