Severins Gang in die Finsternis
Inhalt: Der ehemalige Hacker Axel setzt versehentlich ein Computervirus frei, das unzählige der leistungsfähigsten Rechner auf der ganzen Welt vernetzt. Als sich daraufhin auf allen Kontinenten Störfälle häufen und die Infrastruktur zum Erliegen kommt, die Regierungen sich gegenseitig die Schuld geben und die geopolitische Lage immer gefährlicher wird, stößt Axel gemeinsam mit der undurchsichtigen Giselle auf ein Geheimnis, das unsere Welt für immer verändern wird: In den Computernetzen ist etwas erwacht, und es scheint nicht mehr aufzuhalten zu sein.
Während des Lesens gab es einige Stellen, die ich mir zum Kritisieren markiert hatte, doch jetzt, wo ich fertig bin, will ich das gar nicht mehr. Ich habe dieses Buch regelrecht verschlungen und sogar am Ende, als es einen Durchhänger hatte, war es dennoch spannend genug, dass ich nicht pausierte oder Seiten übersprang. Ja, die letzten Kapitel, in denen die Reise von Hamburg nach Rom beschrieben wird, sind unnötig lang geraten, wohingegen das Ende dann viel zu abrupt und schnell wirkt. Aber das Ende hat es wirklich in sich, war ein positive Überraschung. Aufgrund meines Deus Ex – Hintergrundes hatte ich eine bestimmte Erwartungshaltung und es gab auch einige Momente, die diese zu untermauern schienen. Andere Stellen hingegen ließen mich andere Theorien aufbauen, doch dass es dann so endet, hätte ich nicht gedacht. Als Konsequenz davon könnte man dieses Buch als Prequel zu einem anderen Brandhorst-Roman sehen, nämlich Das Schiff, muss man aber nicht und wird vom Autor auch nirgends erwähnt.
Die Charaktere sind allesamt, außer dem Hauptcharakter Axel, durchaus interessant geschrieben, sind jedoch nicht mehr als Fenster in die Welt. Durch sie sehen wir, was passiert, erfahren wir von der Maschinenintelligenz und wie sich unsere Zivilisation verändert. Und genau das ist das fantastische an diesem Buch. Der Autor hat nämlich genau recherchiert, was er auch im Nachwort erklärt und mit Quellen belegt, wie – und vor allem wie schnell – unsere Zivilisation zusammenbrechen würde, wenn es keine Elektrizität und keine Kommunikationswege mehr auf der gesamten Welt gäbe, wie eine Maschinenintelligenz entstehen könnte und was wohl die möglichen Konsequenzen wären.
Der Plot des Buches birgt eine angenehme Grundspannung bis zum Ende, ist aber nur eine Leinwand, auf welcher der Autor seien Rechercheergebnisse präsentiert, seine Gedanken und Visionen. Wem das Ausgestalten von Szenarien, in diesem Fall realistischen, gefällt, der sollte hier unbedingt zugreifen. Das Buch spielt zehn oder zwanzig Jahre in der Zukunft und behandelt Dinge, vor denen wir heute gewarnt werden: Künstliche Intelligenzen, Klimawandel, zu Kriege ausgeartete Grenzkonflikte. Was die geopolitische Zukunftsvision betrifft, kann ich nicht wirklich übereinstimmen, ich habe da andere Vorstellungen und vermutlich sind beide falsch. Aber die technologische und klimatische Zukunftsvision finde ich sehr interessant und spannend.
Fazit: Sehr zu empfehlen.
Hier geht es zum Originaltext und weiteren Rezensionen: https://meinekritiken.com/2017/12/02/buch-brandhorst-andreas-das-erwachen/
Edgar Allan Poe wurde 1809 in Boston geboren und von der Familie Allan nach dem frühen Tod seiner Mutter aufgenommen. 1826 begann er ein Studium an der University of Virginia und veröffentlichte seinen ersten Gedichtband. 1827 trat er ins Militär ein, um Schulden zu entkommen. Ab 1832 erschienen seine Short-Stories und Gedichte, und mit C. Auguste Dupin schuf er den ersten Detektiv der Weltliteratur. Poe starb 1849 in Baltimore, möglicherweise an Tollwut.
"Meisterzählungen" vereint 14 Erzählungen von Edgar Allan Poe und zeigt eindrucksvoll, warum er als eines der originellsten literarischen Genies Amerikas gilt. Poes Werke, die von scharfsinniger Logik und surrealen Traumwelten geprägt sind, beeinflussten die Literatur des 20. Jahrhunderts nachhaltig und begeistern Leser bis heute. Neben berühmten Geschichten wie "Der Untergang des Hauses Usher" enthält der Band auch weniger bekannte Werke wie "Der Goldkäfer". Obwohl Poe oft als Horrorautor bezeichnet wird, umfasst sein Schaffen auch Abenteuergeschichten, Satiren und die wegweisenden Detektivgeschichten um Dupin, einem Vorläufer von Sherlock Holmes.
Edgar Allan Poe, ein bedeutender Schriftsteller des 19. Jahrhunderts, ist bekannt für seinen einzigartigen Stil, der vor allem düstere Atmosphären und Themen wie Tod und Wahnsinn umfasst. Er verwendet starke Bildsprache, Symbolismus und präzise, kunstvolle Sprache, um unheimliche Stimmungen zu schaffen. In seinen Gedichten legt er großen Wert auf musikalischen Rhythmus und Reime. Poe experimentiert oft mit der Erzählerperspektive, um die psychologische Tiefe seiner Charaktere hervorzuheben. Diese Elemente machen seine Werke zu zeitlosen Meisterwerken der Horrorliteratur und Detektivgeschichten.
Poe entfaltet in seinen Kurzgeschichten auf beeindruckende Weise seine dunklen Themen.
Edgar Allan Poes berühmteste Kurzgeschichte „Der Fall des Hauses Usher“ handelt von einem namenlosen Erzähler, der einen Brief von seinem Jugendfreund Roderich Usher erhält, der an einer rätselhaften Krankheit leidet. Daraufhin reist der Erzähler durch eine düstere Landschaft zum unheimlichen Familiensitz der Ushers. Die Ereignisse, die sich dort abspielen, erschüttern ihn tief und hinterlassen eine dauerhafte Veränderung in ihm.
In der Erzählung „Der schwarze Kater“ verfällt ein Mann zunehmend dem Wahnsinn. Nachdem er in einem Anfall von Wut seinen Kater Pluto tötet, wird er fortan von einem ähnlichen Kater verfolgt, der ihn nicht zur Ruhe kommen lässt. In einem weiteren Anfall von Raserei ermordet er schließlich seine Frau und verbirgt ihre Leiche in einer Wand. Doch das unheimliche Miauen des Katers, das hinter der Wand ertönt, führt schließlich zur Entdeckung seines Verbrechens. Die Geschichte besteht hauptsächlich aus dem Monolog des Erzählers, der seine innere Zerrissenheit offenbart. Dialoge sind selten und hauptsächlich auf die polizeiliche Untersuchung beschränkt.
Der Band "Meistererzählungen" bietet einen hervorragenden Überblick über Edgar Allan Poes Kurzgeschichten. Ergänzt durch eine Inhaltsangabe, Anmerkungen und ein Nachwort, werden seine Meistererzählungen umfassend präsentiert.
Ich mag es, wenn mir als Vielleserin mal ein Roman unterkommt, der "anders" ist. Und tatsächlich erfüllte sich hier die Hoffnung, wobei es vor allem die außergewöhniche Atmosphäre war, die mich begeisterte. Ich genoss die Ruhe, das Fließende, das Unaufgeregte - ein wenig, als wäre man in dem Traum eines anderen gefangen, wäre eingetaucht in die Zeitlosigkeit.
Wer hier einen Krimi im Zwischenreich erwartet, der wird enttäuscht sein. In bedächtigem Erzähltempo schwebt zwar durchgehend die Frage im Raum, was denn nun geschehen ist mit Lilli, doch spielt das für sie selbst, da sie jetzt als Geist umherwandelt, kaum noch eine Rolle. Vieles hat seine Bedeutung, Dringlichkeit verloren. Irgendwie erlebt Lilli alles wie in einer Art Traumzustand, und wie in Träumen wechseln auch hier die Szenen oft abrupt - was in einer Szene bedeutsam erscheint, ist gleich in der nächsten schon wieder vergessen. Nur gelegentlich wird Lilli aus ihrer traumartigen Lethargie gerissen.
Was sich hier womöglich etwas langweilig und inhaltsarm liest, beinhaltet jedoch noch ganz andere Themen. Die Vorstellung von einem Leben nach dem Tod, philosophische Anklänge ohne dabei zu ernst zu werden, amüsante Szenen, die die Erzählung auflockern (Selbsthilfegruppen für Geister haben beispielsweise durchaus Unterhaltungswert), eine leise unaufdringliche Liebesgeschichte, und ja, immer wieder auch die Suche nach Lillis Mörder.
Nicht alle Fragen werden gelöst, kleine Logiklücken gibt es auch, manches bleibt im Ungefähren - doch es gibt auch Antworten, und das Ende hat mir sehr gefallen: versöhnlich, tröstlich, passend.
Mir hat der Roman sehr gut gefallen - atmosphärisch, von der Idee her, sprachlich, und hinsichtlich der Verbindung von nachdenklich und leicht. Was bleibt, ist vielleicht weniger die Erinnerung an die Handlung des Romans als vielmehr ein Gefühl. Eine außergewöhnliche Erfahrung...
© Parden
Lilli Ehrlicher ist verwirrt, als sie sich im Park vor ihrer eigenen Leiche wiederfindet. Sie kann sich nicht erinnern, wer sie ist, und noch viel weniger weiß sie, was ihr zugestoßen ist. Schnell wird aber klar, dass sie gewaltsam zu Tode gekommen ist. Andrä, ein ehemaliger Kommissar, der ebenfalls in der Geisterwelt wandelt, bietet ihr seine Hilfe und Gesellschaft an.
„Wir Gespenster“ ist ein Roman von Michael Kumpfmüller.
Der Roman verfügt über eine sinnvolle und nachvollziehbare Struktur: Die insgesamt 30 kurzen Kapitel erstrecken sich über drei Teile. Erzählt wird im Präsens und in chronologischer Reihenfolge abwechselnd aus der Sicht von Lilli und der von Andrä. Die Handlung spielt überwiegend, aber nicht ausschließlich in einer nicht näher bestimmten deutschen Stadt und umfasst einige Monate.
Auf der sprachlichen Ebene gibt sich der Autor keine Blöße. Manche Formulierungen klingen zwar ein wenig altbacken, aber nicht unpassend. Der unaufgeregte Schreibstil glänzt mit flotten Dialogen und anschaulichen Beschreibungen. Besonders gut haben mir die subtilen Referenzen und Verweise unterschiedlicher Art gefallen, mit denen aufmerksame Leser belohnt werden und die ich hier nicht vorwegnehmen möchte. Humorvolle Passagen laden zum Schmunzeln ein und nehmen der Geschichte die Schwere. Allerdings lässt die etwas phlegmatische Erzählstimme bei mir keinen Lesesog entstehen.
Die Idee des Romans ist nicht gänzlich neu, aber in ihrer Umsetzung dennoch kreativ und interessant ausgearbeitet. Die Überlegungen zur Zwischenwelt der Geister, mit der wir es in der Geschichte zu tun haben, erscheint auf den ersten Blick gründlich durchdacht und nicht komplett abgedreht. Bei genauerem Lesen ergeben sich jedoch kleinere Logiklücken und Widersprüche, die mich gleichwohl nur minimal gestört haben.
Mit Lilli und Andrä gibt es zwei reizvolle Hauptfiguren. Beide sind mit psychologischer Tiefe ausgestattet. Ihre Gefühle und Gedanken werden sehr gut deutlich. Allerdings wirkt insbesondere Lillis Verhalten auf mich kaum realitätsnah. Ihr überwiegendes Desinteresse an ihrem Mörder, der vergleichsweise geringe Schock über den eigenen Tod und ihre gleichgültige Art, die große Teile ihres früheren Lebens betrifft, erscheint mir wenig glaubhaft. Auch die schon im Klappentext angekündigte Romanze zwischen den beiden erschließt sich mir nicht in Gänze.
Wer sich auf die Geschichte einlässt, sollte keinen Krimi oder Thriller erwarten. Zwar geht es auch um die Aufklärung des Mordes beziehungsweise Totschlages. Vielmehr werden aber philosophische Fragen behandelt. Zum Beispiel die, worum es im Leben geht, was davon letztlich bleibt und was danach kommen könnte. Diesbezüglich sind einige kluge Sätze in den Text eingeflochten. So entsteht eine facettenreiche und tiefgründige Mischung.
Auf den rund 240 Seiten ist die Spannung nicht konstant hoch, was für mich allein kein Manko wäre. Die inhaltlichen Wiederholungen in der Geschichte machen manche Kapitel jedoch etwas langatmig. Mit dem letzten Kapitel setzt die Geschichte einen sprachlich wie inhaltlich gelungenen Schlusspunkt. Trotzdem hätte mir das Ende besser gefallen, wenn nicht ganz so viele Fragen offen geblieben wären.
Das Cover ist eine bearbeitete Version eines Werkes von Künstler Jarek Puczel. Es trifft nicht nur optisch meinen Geschmack, sondern passt auch hervorragend zur Geschichte.
Mein Fazit:
„Wir Gespenster“ von Michael Kumpfmüller ist ein fantasievoller und unterhaltsamer Roman, der einen Kriminalfall mit einer Liebes- und Geistergeschichte kombiniert. In mehreren Punkten konnte mich die Geschichte leider nicht überzeugen.
Der Beginn führt den Leser direkt in das Geisterreich ein, denn schnell ist klar, dass es sich bei dem Wesen neben der getöteten Frau um eben diese Frau handeln muss. Ihr selbst ist diese Tatsache allerdings erstmal gar nicht klar, erst nach und nach, und erst durch die Hilfe anderer Geistwesen, allen voran Andrä, stellt sie sich dem unausweichlichen. Sie wurde ermordet, in einem edlen, roten Kleid, welches sie nun auch in dieser Zwischenwelt trägt.
Die Gespenster haben mehrere Selbsthilfegruppen, zur Orientierung, denn auch als Gespenst gilt es einiges zu beachten. So kommen die Erinnerungen bei den meisten erst nach und nach. Auch Lilli ist ahnungslos was ihr angetan wurde, und vor allem wer ihr das angetan hat. Sie kennt weder ihre Familie, noch ist sie in der Lage, zumindest zu Beginn, die Gefühle die angebracht wären, oder besser gesagt uns für angebracht scheinen, nachzuempfinden.
Da Andrä durch seine Tätigkeit als Mensch, er arbeitete bei der Polizei, noch Verbindungen hat, versucht er für Lilli Licht ins Dunkel zu bringen.
Dieses Buch schildert recht amüsant wie es sich abspielen könnte, wenn man der menschlichen Fähigkeiten beraubt wird, und sich nun im Zwischenreich zurechtfinden muss. Schnell wird klar, dass die Gespenster viele Einschränkungen haben, so können sie zum Beispiel keine Türen von sich aus öffnen. Die nächste Ebene die irgendwann als nächste Etappe vorgesehen ist, war aber schwer zu greifen, da man wenig genaues über sie erfährt. So bleiben auch am Ende viele Mysterien, lediglich Lilli bekommt vorher ein paar Antworten. Doch ob eben diese Information sie zum neuen Ort geführt haben lässt sich nur vermuten.
Was steht nun also im Vordergrund? Ein Krimi der anderen Art, oder ein Wegweiser durch die Geisterwelt? Klar lässt sich auch das nicht beantworten, da beides miteinander verwebt ist.
Ich habe den Roman sehr gerne gelesen, viele Ideen fand ich originell und es machte Spaß sich vorzustellen wie es sein könnte, als Geist auf diese Art weiterzuleben. Denn für mich stellte sich das meiste wie ein weiterleben dar, da viele Tätigkeiten der Gespenster dem eines Menschenleben stark ähnelten. Sollte es ein Leben nach dem Tod geben, hat der Autor Michael Kumpfmüller uns vielleicht bereits kleinere Einblicke gewährt? Wir werden es wohl nie erfahren…..
Leise erinnerte ich mich an die Diskussionen um "Mischa und der Meister", hatte das Buch auf der Wunschliste, wo es unter ungeklärten Umständen und unbesorgt wieder verschwand, doch mit "Wir Gespenster" aus dem Hause Kiepenheuer und Witsch hatte ich jetzt die Gelegenheit den Autoren endlich kennenzulernen. Auch das Setting, eine Frau schaut auf ihren eigenen leblosen Körper und kann sich an nichts, noch nicht einmal an ihren Namen erinnern, schien mir vielversprechend. Begeisterte mich doch erst vor kurzem ein ähnliches Szenario in der Zwischenwelt von Leben und Tod und die ungeahnten Möglichkeiten, das eigene Ableben noch einmal in Ruhe betrachten zu können, vielleicht sogar noch ein paar Dinge geregelt zu bekommen, aber zumindest bewusst entscheiden zu können, auf welche Seite man sich schlagen möchte.
Dinge bekommt Lilli nicht mehr wirklich geregelt, denn sie hat alles komplett vergessen, wer sie ist, was sie an diesem Morgen in einem auffallend roten Kleid im Wald wollte und warum sie nun tot am Boden liegt. Aber sie kann sehen und hören. Nach kurzer Zeit scheint sich dieses Verbrechen auch in der Geisterwelt herumgesprochen zu haben, viele eilen zum Tatort und so lernt sie Andrä kennen. Andrä ist schon seit 10 Jahren ein Gespenst. Er war Kommissar und in dieser Mission nimmt er Lilli in Obhut. Er geht regelmäßig zu seinen Kollegen aufs Präsidium und verfolgt dort die neuesten Ermittlungsergebnisse. Er findet Lillis Namen heraus, ihre Adresse, aber die Suche nach dem Mörder scheint ins Stocken geraten zu sein.
Kumpfmüllers Zwischenwelt ist für die Gespenster eine Herausforderung. Sie können selbst keine Türen öffnen, keine Wände durchschreiten, keine Verkehrsmittel bewegen, keine Plätze mit den Lebenden teilen. Viele von ihnen wandeln umher, auf der Suche nach Antworten, manche verschwinden irgendwann auf nimmer Wiedersehen. Manchmal schaffen sie es, den Lebenden etwas zuzuflüstern, doch dazu bedarf es der kindlichen Phantasie, emotionaler Belastung, oder einfach nur der Euphorie.
Lilli ist ziellos und lässt sich von Andrä mitziehen, sie sind einander zugeneigt, suchen sich ihre Schlafplätze zusammen und wenden sich auch anderen Suchenden zu, doch die Aufklärung des Mordes gewinnt erst wieder Fahrt, als zufällig ein Zeuge zu ihnen stößt. Dass diese Seele jetzt bei ihnen ist, daran scheint Lilli nicht ganz unschuldig zu sein.
Meine Erwartungen eines körperlosen Detektivgespanns, das sich einmischt, oder wenigstens für ein wenig Durcheinander sorgt, hat sich nicht erfüllt. Die Verbrecherjagd, die dann doch auf eine sehr substanzlose Weise stattfand, stand nicht im Mittelpunkt, sondern wurde vom Wesen dieses ätherischen Zwischenreichs, den Möglichkeiten und den Prioritäten der Dahingeschiedenen verdrängt.
Letztendlich "ist es etwas ganz anderes, das am Ende wichtig ist", es wird sogar im Rückentext explizit erwähnt, unterstützt vom Paar auf dem Cover, das weder Mund noch Nase, dafür aber Augen und Ohren hat, doch hat sich mir diese Botschaft leider nicht erschlossen. Natürlich ist es nicht wichtig, wie wir aussehen, was wir für Kleidung tragen, was wir im Leben anstellen, aber wenigstens den Sinn des Lebens schlechthin hätte mir Kumpfmüller lassen können. Einige mögen darin Trost finden, dass alles schließlich egal ist, aber doch hätte ich gern noch einen kleinen Ansporn, trotzdem weiterzumachen, gut gefunden.
Man muss schon in der Stimmung sein, dieses Buch zu genießen, denn in seinem Phlegma gibt es durchaus schöne und nachdenkenswerte Sätze. Doch meine Erwartungen waren gänzlich andere, was mich aber nicht abhält, es nochmal auf einem anderen Weg mit diesem Autor zu versuchen.
Lilli erwacht im Park zwischen Bäumen. Nicht weit entfernt liegt eine Leiche ohne Schuhe, bekleidet mit einem auffällig roten Kleid. Plötzlich wird ihr klar, dass sie das selbst ist. Doch was ist passiert? Lilli hat eine komplette Amnesie, was ihr Leben, ihre Herkunft und ihre Todesumstände betrifft. Zum Glück nimmt sich Andrä, Kommissar im Ruhestand, ihrer an, so dass sich Lilli nicht ganz so verloren in dieser neuen Welt fühlen muss, in der es vor Gespenstern nur so wimmelt und wo sie sich nur langsam einfinden kann.
Es scheint sich um eine Art Zwischenwelt zu handeln, in der all diejenigen Geistwesen zu Hause sind, die noch etwas zu erledigen haben. Wobei das mit dem Erledigen leichter gesagt ist als getan, denn die Gespenster müssen sich auf menschliche Weise fortbewegen, ihre schwerelose Gestalt bringt es mit sich, dass sie nicht einmal eine Tür öffnen können. Das Gespensterleben ist befristet, sein Ende wird von Geheimnissen umwölkt: Von Zeit zu Zeit verschwindet jemand - mehr weiß man nicht. Andrä begleitet Lilli zu ihrer trauernden Familie, zu ihrem Mann und zu ihrem Herzensfreund Edgar. Die Erinnerung an all diese Menschen kehrt nur bruchstückhaft zu Lilli zurück. In welchem Verhältnis stand sie zu ihnen? Was war sie für ein Mensch?
Kumpfmüller gelingt es, in Sprache und Stil die anfängliche Unsicherheit, Verwirrung und Verzweiflung Lillis darzustellen. Die junge Frau greift nach jedem Strohhalm, belauscht Gespräche oder versucht sich den Lebenden verständlich zu machen, was nur selten gelingt. Ab und zu streift sie ein Bild aus der Erinnerung. Nicht immer gelingt es Lilli, es zu ergreifen, zu schwach ist ihre Konzentrationsfähigkeit. Doch in der Zwischenwelt hat man keine Eile. Andrä nimmt mit seinen ehemaligen Kollegen die Spur von Lillis Mörder auf. Der Kriminalfall wabert durch den Roman, niimmt interessante Wendungen, ist jedoch im Grunde nur eine Dreingabe ebenso wie die Liebesgeschichte, die sich sukzessive entwickelt.
Ernstes wechselt sich mit Leichtem, Skurrilem und Humorvollem ab. Schnell ist man von der Gespensterwelt gefangen, kann sich diese liebenswerten Geschöpfe, ihre kleinen und großen Probleme sowie die leicht surreale Atmosphäre wunderbar vorstellen. Das Vage, Flüchtige, Getupfte der gespenstischen Daseinsform wird höchst anschaulich kolportiert. Immer wieder blitzen kluge Sätze im Text auf, die spritzigen Dialoge passen dazu und machen die Figuren nahbar.
Der Roman hat mir Spaß gemacht, weil er mal völlig vom Gewöhnlichen abweicht. Der Leser betritt eine andere Welt, in der er sich zwangsläufig mit den großen Fragen des Daseins und dem Leben nach dem Tod beschäftigen muss. Man bekommt vor Augen geführt, wie schnell es vorbei sein kann. „Nutze den Tag“, könnten die Geister uns aus dem Jenseits zurufen, „was danach kommt, ist ein großes Rätsel!“
Mein Lese-Eindruck:
Eine Frau wird ermordet, und nun muss sie sich in ihrem neuen Zustand zurechtfinden. Was offensichtlich nicht leicht ist. Ihr vergangenes Leben ist ihr fremd geworden und ihr neues Dasein als Geistwesen zwingt ihr neue Lebensregeln auf. Daher nimmt sich ein anderes Geistwesen, der ehemalige Kommissar Andrä, ihrer an. Über ihn erfahren sie und damit auch der Leser ihren Namen: Lilli. In kleinen Etappen nähert Lilli sich ihrem alten Leben an, und dieses Zögerliche und Bruchstückhafte, mit dem sie ihre Vergangenheit teilweise erkennt, zeigt sich sehr schön im Erzählen. Vor allem ist es die Zeit: Gespenster haben alle Zeit der Welt. Und diese Zeit-Losigkeit spiegelt sich in der Langsamkeit, mit der der Autor die Begegnungen und die Handlungen entwickelt.
Andrä nimmt auch die Suche nach Lillis Mörder in die Hand. Wer nun einen handfesten Krimi erwartet, wird enttäuscht werden. Die Suche nach Lillis Mörder ist eigentlich nur der Aufhänger für die Beschreibung des Lebens nach dem Tod, in dem sich die Seelen in einem Zwischenreich befinden. In diesem Zwischenreich haben die Geistwesen die Möglichkeit, noch unerledigte Dinge zu klären, bevor sie weiterziehen dürfen.
Das hört sich schwergewichtig an, aber Kumpfmüller gelingen hier ungemein poetische Beschreibungen, wenn er mit einer meisterhaft leichten, wie hingetupft wirkenden Sprache das Schwebende und Schwerelose der neuen Existenz wiedergibt. Originelle Figuren und fantasievolle Vorstellungen dieser Zwischenwelt machen das Lesen zu einem Vergnügen.
Damit bekommt die ernste Frage nach den letzten Dingen – und um die geht es schließlich – eine ganz besondere Mischung aus Melancholie und Ernst auf der einen sowie Heiterkeit und Sorglosigkeit auf der anderen Seite, die den Leser optimistisch in die Zukunft blicken lässt.
Eine Frau betrachtet gedankenverloren, wie gerade erwacht, eine Tote. Nach und nach realisiert sie, dass sie selbst es ist, die da ermordet auf dem Waldboden liegt. Anstatt panisch zu reagieren, nimmt sie dieses seltsame Ereignis mit einer ruhigen Verwunderung wahr und merkt, dass sie unter einer Art Amnesie leidet. Nicht einmal an ihren Namen kann sie sich in dieser mysteriösen Zwischenwelt erinnern. Schon bald tauchen weitere Gespenster auf, besonders der ehemalige Kriminalkommissar Andrä nimmt sich ihrer an. Auf dieser Basis entfalten sich auf unaufgeregte, leichte und humorvolle Weise sowohl ein Kriminalfall als auch eine zarte Liebesgeschichte.
Die Sprache des Romans spiegelt die Situation der Gespenster wider, die sich in einer unerwarteten Zwischenwelt wiederfinden, deren Regeln ihnen fremd sind. Die Verwirrung und Unsicherheit der Geister zeigt sich in der sprachlichen Gestaltung durch zahlreiche Konjunktive, Inversionen und Wiederholungen. Die Gespenster müssen sich durch Wiederholen von Begriffen immer wieder der neuen Realität versichern und der Bedeutung der Wörter nachspüren. Gleichzeitig schwingen auch leise Ironie und damit augenzwinkernde Reflexion der ach so wichtigen Geschäftigkeit im Diesseits mit. Trotz des Ernsts der Umstände fehlt dem Roman jede Schwere, was sich auch im ruhigen Schreibfluss niederschlägt. Im Gegenteil lockert so manche humorvolle Szene und Anspielung diese Welt in eine friedliche Unaufgeregtheit auf, die, wenn die Hinterbliebenen von ihr wüssten, ihnen so manche Sorge um die Verstorbenen nehmen könnte.
Die Darstellung der Zwischenwelt überrascht und weicht durch jede Abwesenheit von Horror, Grusel und Gewalttätigkeit von den gängigen Erwartungen ab. Wozu genau diese Welt dient, bleibt weitgehend der Interpretation der Leserschaft überlassen, sie scheint jedoch dazu zu dienen, Unerledigtes zu Ende zu bringen.
Auch wenn der Roman einige Geheimnisse um die Geister ungelöst lässt und nicht jedes logische Rätsel aufklärt, schafft es Kumpfmüller, eine subtile, aber konstante Spannung aufrechtzuerhalten. Der Roman endet poetisch und findet in einem wunderschönen, versöhnlichen Abschluss seine Vollendung.
Insgesamt kann ich den Roman uneingeschränkt empfehlen als eine kurzweilige, vergnügliche und etwas nachdenklich machende Lektüre.
Wo sind wir, wenn wir sterben? Können wir uns unser Leben nochmal von außen anschauen, eventuell sogar noch ungeklärte Fragen lösen?
Hierzu hat Michael Kumpfmüller in seinem Roman „Wir Gespenster“ eine Antwort: Gespenster leben noch so lange unter uns, bis sie alles erledigt haben.
Erzählt wird die Geschichte von Lilli, die eines Tages feststellen muss, dass sie nur noch ein Gespenst ist, weil ihr Körper im Park getötet worden ist. Sie leidet unter posttraumatischer Amnesie, kann sich weder an ihr Leben noch an ihren Tod erinnern. Hilfe erhält sie von Kommissar Andrä, der bereits seit zehn Jahren tot ist. Er hilft ihr sowohl, sich nach und nach an ihr früheres Leben zu erinnern, als auch dabei, sich in ihrem Leben nach dem Tod zurechtzufinden. Zwischen den beiden entwickelt sich eine zarte Liebe.
Obwohl der Roman mit einem Mord beginnt und in der Welt der Toten spielt, ist er weder brutal noch wirklich traurig. Kumpfmüller gelingt es, mit viel Gefühl und einer zauberhaften Sprache eine geisterhafte Stimmung zu erzeugen, die immer wieder auch komische Momente enthält, ohne albern zu werden. Das Erzähltempo ist dabei den Gespenstern angepasst sehr ruhig, fast meditativ.
Für mich hat die hier gezeichnete Zwischenwelt etwas sehr Tröstliches. Die Gespenster bekommen die Chance, sich noch in aller Ruhe von ihrem Leben zu verabschieden und noch alles zu erledigen, bevor sie weiterreisen.
Mich hat dieser Roman im wahrsten Sinne des Wortes begeistert, so dass ich ihn uneingeschränkt weiterempfehle.
Eine Frau erwacht in einer neuen Welt, die doch die alte ist. Im Roman „Wir Gespenster“ von Michael Kumpfmüller erlebt die Protagonistin Lilli das Unfassbare. Eine Metamorphose in die Nachwelt des Lebens, einem Art Scheintod. Gewaltsam getötet realisiert sie erst allmählich, dass sie nicht mehr am Leben ist. Ein Gespenst unter vielen in der Parallelwelt der Menschheit, welches sich von Zärtlichkeit und Leichtigkeit umgeben fühlt. Lilli fehlt zunächst die Orientierung, doch mit Hilfe des verstorbenen ehemaligen Kommissars Andrä an ihrer Seite, entwickelt sie ein Interesse an Vergangenem und an Neuem. Gemeinsam knüpfen sie eine zarte Bande und verlieben sich ineinander. Nur die Aufklärung von Lillis Tod liegt wie ein Schatten über diese flüchtige Zweisamkeit. Warum musste sie sterben und welches Schicksal erwartet sie? Oder erwartet das Schicksal etwa sie?
Wir Gespenster ist ein einfühlsamer Liebesroman mit skurrilen Ideen, die die Welt mit Gespenstern bevölkert, welche genauso unterschiedlich sind wie die Lebenden. Das ernste Thema, was folgt auf den Tod, wird meisterhaft in einer leichten, humorvollen Erzählkunst verwoben. Die Sprache ähnelt früher Werke eines Dürrenmatts, klug, manchmal weise, immer unaufdringlich. Die Texte holpern absichtlich über Ellipsen und Redundanzen und lassen den Leser gleich mit stolpern. Trotz oder gerade wegen dieser Erzähltechnik lockt einen der Stoff von Anfang bis zum Ende. Dramaturgisch hält er nicht immer die Spannung. Der eher flache Romanverlauf gewinnt hauptsächlich an Steigung, weil sich von Beginn an eine Erwartungshaltung ergibt, den kriminalistischen Hintergrund an Lillis Tötung zu entlarven. Leider fliegt man im letzten Romandrittel nur bis zu einem flachen Höhepunkt. Ein Kriminalstück ist diese Geschichte eben nicht, sondern eine wundervolle Liebesromanze. Versöhnlich dann das Ende, dass Raum für positiv gestimmte Gefühle lässt.
Mich hat der Roman Wir Gespenster von Kumpfmüller überzeugt. Ein belletristisches Poesiealbum mit leichten, beschwingten Zwischentönen, fantasievollen Ausschmückungen einer Gespensterwelt und einer philosophischen Liebeserklärung an die Endlichkeit des Lebens. Etwas, dass wir uns immer wieder vor Augen führen sollten – ob lebend oder als Geist.
Als Lilli ihren leblosen Körper dort im Stadtpark liegen sieht, glaubt sie ihren Augen kaum. Diese Leiche dort, das kann doch nicht wirklich sie sein? Doch nach und nach dämmert ihr, dass sie tatsächlich einem Mord zum Opfer gefallen ist. Erst durch die Hilfe von Andrä, einem vor zehn Jahren erschossenen Kommissar, findet sie sich so langsam zurecht in dieser Zwischenwelt, der Welt der Gespenster. Währenddessen sucht Andräs Nachfolger Bertram nach dem Mörder - so erfolglos, dass irgendwann die Gespenster die Dinge selbst in die Hand nehmen...
"Wir Gespenster" ist der neue Roman von Michael Kumpfmüller, der bei Kiepenheuer & Witsch erschienen ist. Ihm gelingt darin der Spagat zwischen einer eigentlich tieftraurigen Grundhandlung und überraschend heiteren Momenten, ohne sich auch nur ansatzweise über eine der Figuren lustig zu machen. Im Gegenteil, Kumpfmüller nimmt die Toten mit all ihren Sorgen und Problemen genauso ernst wie die Lebenden, was ein großes Plus des Romans ist. Und es gibt auch gar keinen Grund, sie zu verraten, denn mit Lilli und Andrä hat Kumpfmüller zwei bemerkenswert liebenswerte Hauptfiguren erschaffen. Während sich Lilli fast kindlich-naiv erst zurechtfinden muss in ihrer neuen Rolle als Gespenst, sich gefangen wähnt zwischen Leben und Tod, ist Andrä so etwas wie der starke Gegenpart, der sich routiniert um die kürzlich Verstorbenen kümmert und gar eine Selbsthilfegruppe für Gespenster leitet.
Die Geschichte glänzt zudem nicht nur mit einer aufregenden Grundidee, sondern auch immer wieder mit überraschenden Einfällen und höchst originellen Nebenfiguren. Da sind beispielsweise Karl & Karl, zwei Corona-Tote in ihren Neunzigern, die sich als Andräs Assistenten förmlich aufgedrängt haben und für zahlreiche Schmunzler sorgen. Da ist der junge Ivo, ein Fahrradliebhaber, der in beiden Welten eine ganz besondere Rolle spielen soll. Oder Solveig, die mit 15 Jahren von ihrem Vater ermordet wurde, und die wohl tragischste Figur des gesamten Buches ist. Spannend auch, wie Kumpfmüller nach und nach enthüllt, welche Fähigkeiten die Gespenster haben und welche eben nicht, wo sie auf die Welt der Lebenden angewiesen sind. Dabei erfahren wir als Leser:innen immer eben genauso viel oder wenig wie die Gespenster selbst.
Rein sprachlich wirkt "Wie Gespenster" im positiven Sinne manchmal ein wenig wie aus der Zeit gefallen. Da wird geseufzt, ein "Ach" folgt einem "Oh weh" und man wähnt sich gelegentlich in einem Drama des Sturm & Drang. Doch wirkt dies gar nicht antiquiert, sondern passt ganz hervorragend zu dieser emotionalen Ballade aus dem Jenseits, das in diesem Roman doch fast gleichzeitig das Diesseits ist. Gerade in den Beschreibungen der Annäherung zwischen Andrä und Lilli, die übrigens auch hervorragend zum elegant-geheimnisvollen Cover passen, finden sich zahlreiche zärtliche Momente, die zudem vollkommen ohne Kitsch auskommen.
Das Gelungenste überhaupt ist jedoch die Atmosphäre. Kumpfmüller erzählt äußert langsam, um sie entfalten zu können. Das merken auch die Figuren, die oft genug betonen, wie viel Zeit sie doch hätten. In seiner Grundstimmung erinnert "Wir Gespenster" atmosphärisch ein wenig an die melancholische Jakob Franck-Reihe von Friedrich Ani, in den Zweifeln der Gespenster an ihrer (Nicht-)Existenz blickt auch David Lowerys genialer Film "A Ghost Story" immer mal wieder durch - beides also ganz hervorragende Referenzen. Da stört es kaum, dass sich die Mördersuche im letzten Drittel ein wenig hinzieht. Auch Krimileser:innen ohne Scheuklappen dürften also auf ihre Kosten kommen.
Insgesamt ist "Wir Gespenster" ein melancholischer und philosophischer Roman über das Leben und den Tod, der zudem immer wieder auch etwas zutiefst Tröstliches hat. So fragen sich nicht nur die Gespenster irgendwann, wer eigentlich die Traurigeren sind: die Lebenden oder die Toten?
In seinem aktuellen Roman setzt Michael Kumpfmüller die Idee um, dass Verstorbene nach ihrem Tod noch weiterhin die Erde mit den Lebenden teilen. Sie existieren neben den Lebenden her und nach einer gewissen Zeit verschwinden sie dann doch von der Erde. In „Wir Gespenster“ trifft Lilli auf Andrä. Sie, frisch verstorben, betrachtet noch ihren toten Körper, der scheinbar gewaltsam umgekommen ist, und er, schon ein alter Hase und seit etwa zehn Jahren tot, hilft als ehemaliger Kommissar der Mordkommission den Verstorbenen dabei, sich selbst und die Umstände des Todes aufzuklären. Denn wenn man als Gespenst wiederkommt, fehlt die Erinnerung an das Leben „davor“, selbst der Name fällt einem nicht mehr ein. So nähern sich Lilli und Andrä auf der Jagd nach ihren Mörder immer weiter an und beweisen, dass auch Gespenster Gefühle entwickeln können.
Mit recht simpler Sprache nähert sich Kumpfmüller geduldig dem Thema des Lebens nach dem Tod und neben den Lebenden an. Dabei werden Themen gestreift, die durchaus sehr interessant sind. Zum Beispiel wie so ein totes Leben neben den tatsächlich Lebenden aussehen kann, wo ruhen Tote, wenn die Welt doch von Lebenden besetzt ist. Das sind die rein praktischen Fragen. Aber auch psychologisch geht es beispielsweise darum, wie relevant es überhaupt ist, dass man herausfindet, wer einem in einem nun vergangenen Leben etwas angetan hat. Ist dies notwendig zu wissen, um im Tod weiterleben zu können? Auch streift er das Themengebiet des Suizids und wie die Verstorbenen nach ihrer Tat über die Entscheidung denken. Das sind alles interessante Gedankengänge, die durch den Roman angeregt werden, darin allerdings recht oberflächlich umgesetzt scheinen. Hier hätte ich mir mehr Tiefe erhofft.
Letztlich wirkte für mich der Roman nach dem Schließen der Buchdeckel als ob er sich nicht recht entscheiden kann. Will er ein literarischer Roman sein, der kriminalistische Elemente enthält und Denkanstöße gibt? Dafür ist er mir ehrlich gesagt nicht literarisch genug ausgefallen. Oder trifft es nicht besser zu, dass es sich um einen tiefgründigeren Krimi mit einem eher unkonventionellen Setting handelt? Ich hatte ersteres erhofft und zweiteres bekommen.
Die Figuren bleiben mir zu „durchscheinend“, wenn man beim Thema Gespenster bleiben möchte, zu flach und damit auch wenig damit identifizierbar. Das kann auch genau so von Kumpfmüller gewollt sein, keine Frage, mich konnte es allerdings nicht mitreißen durch diesen Schreibstil.
So könnte ich mir gut vorstellen, das Krimileser:innen, die mal einen ganz anderen Ansatz für eine Kriminalgeschichte suchen, hier voll und ganz auf ihre Kosten kommen. Mich hat der Roman allerdings nur in einzelnen Facetten ansprechen können, die ich gern noch besser ausgeleuchtet gesehen hätte. Letztlich konnte mich die Sprache von Kumpfmüller nicht überzeugen, wobei ich nicht sagen kann, ob dies seinem Stil im Allgemeinen entspricht, da dies die erste Lektüre eines seiner Werke für mich ist.
Insgesamt handelt es sich meines Erachtens also um ein gutes, solides Buch, welches einer interessanten Prämisse folgt, aber leider in seiner Gesamtheit nicht meinen Geschmack treffen konnte.
Abschließend möchte ich allerdings noch anmerken, dass ich die Covergestaltung bezogen auf den Inhalt des Buches wirklich sehr gelungen finde!
3/5 Sterne
Die Freundin des Killers
Waldesroda 2004: Sie waren eine eingefleischte Clique bis sich Norah in den vier Jahre älteren David verliebte. Nach einer grausamen Tat flüchtet er über die Ostsee und gilt seitdem als verschollen. Jetzt fast 20 Jahre später erhält Norah Drohbriefe, die ganz nach David klingen.
Erzählt wird die Geschichte in zwei Zeitebenen. Damals 2004 und in der Gegenwart. Durch den permanenten Wechsel erfährt der Leser nach und nach was damals in Waldesroda passiert ist. Immer mehr Geheimnisse kommen ans Tageslicht mit denen Norahs Jugendfreund konfrontiert wird. Die zwischendurch eingestreuten statistischen Informationen zu Gewalttaten waren sehr interessant.
Der fesselnde und wortgewandte Schreibstil sorgt für fast durchgehenden Spannungsaufbau. Trotzdem gab es immer wieder ein paar Längen, die meine Gedanken zwischenzeitlich etwas abdriften ließen.
Linus Geschke hat seine beiden Hauptcharaktere mit seiner klaren Wortwahl gut in Szene gesetzt, sodass sie vor den Augen des Lesers äußerst lebendig wirken, allerdings fehlte mir bei den anderen Protagonisten, die ebenso wichtig für den Handlungsverlauf sind, das gewisse Etwas.
Bis zum Schluss sorgt dieser Thriller immer wieder für Überraschungen und bringt die tiefen Abgründe aus der Vergangenheit ans Tageslicht. Schade, aber die Auflösung wer am Ende hinter den Drohbriefen steckt, hat mich leider überhaupt nicht begeistert.