Die Erweiterung

„So geht Politik. Im Grunde ist Politik ein Spiel mit Kulissen, es ist wie im Theater: Vorne hast du symbolische Handlunge, dahinter die Technik.“ (Zitat Pos. 1276)
Inhalt
Begonnen hat alles mit dem Helm des Skanderbeg. Es ist ein ungewöhnlicher Helm mit einem Ziegenkopf auf dem Helmscheitel, zu sehen im Weltmuseum in Wien und ein Symbol für die Geschichte der Skipetaren in Europa. Der Ministerpräsident von Albanien hatte vor seiner Wahl versprochen, sich dafür einzusetzen, dass Albanien Mitglied der Europäischen Union wird. Nun sollen auf Grund der Weigerung Frankreichs nicht einmal die Beitrittsverhandlungen aufgenommen werden. Genau das ist der Moment, in dem Ismael Lani, sein Pressesprecher, den Ministerpräsidenten an Skanderbeg, ihren Nationalhelden, erinnert und Fate Vasa, Künstler und ebenfalls enger Berater des Ministerpräsidenten, die Idee aufnimmt und weiterführt. Albanien fordert die österreichische Regierung auf, den Helm zurückzugeben, was abgelehnt wird. Doch kurz darauf wird der Helm aus dem Museum in Wien gestohlen und rückt so in der Mittelpunkt der Ereignisse rund um die geplante Balkan-Konferenz über eine mögliche EU-Erweiterung.
Themen und Genre
In diesem Roman geht es um Europa und die Europäische Union, um die Politik mit ihren Spielchen und Intrigen, aber auch um gesellschaftliche und persönliche Konflikte, Freundschaft, Familie, Beziehungen. Ein Kernthema ist die wechselvolle Geschichte des Westbalkans.
Charaktere
Auch in diesem Roman bringt der Autor seine unterschiedlichen Figuren auf den Weg, einige völlig unabhängig voneinander, andere gemeinsam, oder ihre Wege kreuzen sich im Laufe der Handlung. Mit charmant-bissiger Eleganz definiert er Charaktere, ihre Wünsche, Träume, oder den Verlust derselben. „Wir sind, sagte er, auf der Stelle tretend einen Schritt weiter.“ (Zitat Pos. 5861)
Handlung und Schreibstil
Die Geschichte spielt während der Jahre 2019 und 2020 und wird ergänzt durch Rückblicke in Form von Erinnerungen und Erzählungen über Ereignisse, die in der Vergangenheit stattgefinden haben. Wir folgen den Hauptfiguren, die abwechselnd im Mittelpunkt der Handlung der einzelnen Kapitel stehen. Der Autor lässt sich Zeit, er schickt seine Figuren los, zeigt sie auch in ihrem persönlichen Umfeld, lässt uns an ihren Alltagsproblemen, Zweifeln und Sehnsüchten teilhaben, gleichzeitig führt er uns mit kritischem Witz durch die vielen Facetten der europäischen Politik. Doch der Schein trügt. Gerade hat man es sich noch im unterhaltsamen Lesevergnügen gemütlich gemacht, neugierig, mal schmunzelnd, mal nachdenklich, folgen wir den Entscheidungen und Wirrnissen der einzelnen Figuren, da wenden sich die Ereignisse und es beginnt ein rasanter Showdown.
Fazit
Was mit „Die Hauptstadt“ begann, wird mit diesem facettenreichen Roman, der auch sprachlich begeistert, genial und großartig weitergeführt.
Autor
Am 14.05.1855 wurde Eduard Heinrich Nikolas Graf von Keyserling auf Tels-Paddern in der russischen Ostseeprovinz Kurland geboren.
Er war das siebte von zehn Kindern von Eduard Ernst Hermann Graf von Keyserling (1809) und seiner Frau Theophile, geb. v. Rummel (1816).
Nach dem Abitur 1875 begann er das Studium der Rechtswissenschaften. 1878 nahm er in Wien und Graz das Studium der Philosophie und Kunstgeschichte auf.
Seine ersten Erzählungen Nur zwei Tränen und Mit vierzig Tagen Kündigung erschienen im Jahr 1882.
Besonders bekannt sind seine Schlossgeschichten, Beate und Mareile, erschienen 1903, Fürstinnen erschienen 1917.
Eduard von Keyserling starb am 28.09.1918 in München.
Die letzten Lebensjahre verbrachte Keyserling erblindet und gelähmt in München. Insgesamt ist über Keyserlings Leben wenig bekannt. Nach seinem Tod wurden alle Aufzeichnungen und Dokumente gemäß seinem Testament von seiner Schwester Hedwig vernichtet.
Quelle: vgl. Zeittafel, in Eduard von Keyserling, Landpartie, Gesammelte Erzählungen, Schwabinger Ausgabe, Herausgegeben und kommentiert von Horst Launiger, Manesse Verlag in der Verlagsgruppe Random House GmbH, 2018.
Inhalt
Beate und Mareile sind Freundinnen. Sie kennen sich seit ihrer Kindheit. Ihre Lebenswege sind unterschiedlich. Beate entstammt einer adligen Familie und heiratet den ebenfalls adligen Günther. Mareile hingegen ist die Tochter des Gutsinspektors. Sie geht nach Berlin und wird eine gefeierte Gesangskünstlerin. Jahre später besucht sie ihre Familie und trifft dabei auf Beate und Günther. Zwischen Günther von Tarniff und Mareile Ziepe entsteht eine heimliche Liebesbeziehung. Der Ehebruch wird von Gattin entdeckt. Mareile und Günther gehen nach Berlin. Nachdem Günther dort bei einem Duell schwer verletzt wird, kehrt er reumütig zurück ins Schloss zu seiner Familie.
Sprache und Stil
Keyserlings erste Schlossgeschichte Beate und Mareile, erschienen im Mai 1903, erzählt von einem „Einbruch des Lebens und der Leidenschaft“. (Zitat: Thomas Mann zum Tode Eduard Keyserlings)
Günther von Tarniff, ein Ulanenoffizier, genießt ein ausschweifendes Leben, immer auf der Suche nach „Abwechslung, Genüssen und Reizen. Seine Tätigkeit ist der Zeitvertreib“ (S. 206) Günthers Wirkung auf Frauen und seine Beziehung zu ihnen bilden das Zentrum seines Lebens. Doch nun befindet er sich in einer Sinnkrise.
„Er war satt. […] Für jede Stimmung das richtige Weib zu finden erschien ihm als die bedeutsame Kunst; und urplötzlich war er der Weiber so müde.“ (S. 16)
Er lernt Beate, die einzige Tochter der Baronin von Loswitz, kennen. Beate wächst wie Günther ohne Vater auf Kaltin dem Stammsitz der Losnitz auf. Die Erziehung von Beate liegt in Händen der verwitweten Mutter und ihrer Schwester Seneide. Beide erziehen sie nach dem System der alten aristokratischen Familie, deren primäres Ziel die Heirat bedeutet.
Günther will durch die Ehe mit Beate einen Abschluss unter sein Junggesellenleben setzen und endlich zur Ruhe kommen. Es wird deutlich, dass sich Günther nach einem Kontrast zu seinem bisherigen Leben sehnt. Dasselbe Kontrasterlebnis, das er bei den „stillen kühlen Marmordamen im Museum“ (S. 16) sucht, vermeint Günther bei Beate, einem „Mädchen mit einer stilvollen Reinheit“ (S. 16 f.) finden zu können. Daher erscheint es Günther, als verspräche Beate ihm ein Glück, „das ihm wirklich bisher unterschlagen worden war.“ (S. 17) Er ist fest entschlossen, „ein glückliches Familienleben nach wohl bewährtem, altadeligem Rezept“ (S. 17) mit ihr zu führen. Beates und Günthers unterschiedliche Vorstellung von einer Ehe lassen in ihrem Verlauf zunehmende Entfremdung entstehen. Beate verkörpert das adlige Leben vollendet mit allen Facetten in Stil, Ästhetik, Kultur und gesellschaftlichen Umgangsformen. Günther bleibt ein nervöser Lebemann, der auf dem kurländischen Anwesen Kaltin ein normales, adliges, feudales und herrschaftliches Leben in aller Abgeschiedenheit versucht zu leben.
Beates strenge moralische Erziehung verhindert ein erfülltes Eheleben mit Günther. Beate kann ihre Wünsche nicht deutlich machen, ihr versagt die Sprache, als sie über ihre „Sinnlichkeit“ spricht.
„»Und wer...wer sagt dir - dass ich nicht auch heißes Blut habe...dass ich nicht auch..., sie kam nicht weiter. Mit beiden Händen bedeckte sie ihr Gesicht. Sie schämte sich. Die arme geknechtete, verleugnete Sinnlichkeit wollte sich wehren, aber sie schämte sich davor, sich selbst zu bekennen.«“ (S. 158)
Günthers Lebensplan geht nicht auf. Er sucht seine Erfüllung bei der Wirtstochter Eve Manikow.
Keyserling stellt Eve Manikow, die „Rote Eva“, als Gegenpol zu Beate dar. Beate ist blass, farblos, still verschlossen und rein. Für ihren Mann bedeutet sie ein „hübscher, glatter, tiefer Hafen, gut ausgebaggert, man sieht bis auf den Grund.“ (S. 10)
Eve Manikow äußeres Erscheinungsbild ist geprägt von roten Haaren, rotbraunen Augen und einem roten Mund.
„In ihrem kurzen, roten Rock, das rotblonde Haar wirr über dem heißen Gesicht, die nackten Arme, Schultern, Beine vom Ofenlicht beschienen, […]“ (S. 74)
Die Farbe Rot symbolisiert Gefühle, Kraft, Feuer und wilde Leidenschaft, was Günter anzieht, um seine unbefriedigte Sexualität auszuleben und auch seine Macht zu demonstrieren.
„So war’s jedes Mal. Das Starke in diesem wilden Mädchen zog Günther an, aber kaum fühlte er es in seiner Gewalt, dann trieb es ihn, es zu beugen. Er mußte Eve weinen und gehorchen sehen.“ (S. 80)
Sein ambivalentes Verhalten zeigt sich in der Beziehung sowohl bei Beate als auch bei Eve Manikow. Diese Beziehung ist nicht von Dauer. Er sehnt sich zurück nach Beate und der stillen Schlosswelt, wenn er bei Eve sein Verlangen ausgelebt hat. Keyserling nimmt in der Figurenkonstellationen Eve und Günther eine Deutung voraus, die auf die spätere erotische Beziehung zu Mareile hinweist.
Mareile Ziepe, durch ihre Sangeskünste scheinbar gesellschaftsfähig geworden, zeigt deutlich Attribute einer „Femme fatale“. Keyserlings Erzählstrategie verstärkt mit dem Gesang Mareiles den Rausch der Liebe durch erotisch geladene Musik wie bei der Oper Tristan und Isolde von Richard Wagner. Mareile zieht mit ihrem Gesang, in Analogie des Musikdramas, der den Beginn ihrer Liebesbeziehung markiert, in ihren Bann.
Mareile sang:
„Wie sie schwellen, Mich umrauschen, Soll ich atmen?
Soll ich lauschen?
Soll ich schlürfen,
Süß in Düften
Mich verhauchen?
In des Wonnemeeres Wogenden Schwall?“ (S. 101)
Anders als Eve sieht Mareile sich nicht in einer untergeordneten Rolle, sondern versucht Günther ihre Sicht einer Partnerschaft im freien Umgang mit ihrer Sinnlichkeit und Sexualität zu vermitteln. Obwohl Günther von Mareile besessen ist, die alle erotischen und ebenso gesellschaftlichen Anforderungen erfüllt, hindert sein Egoismus ihn, eine beziehungsfähige Partnerschaft einzugehen.
Mareile ist die Starke in dieser Verbindung und nutzt die Konkurrenz zu Beate aus, als sie das Verhältnis mit Günther beginnt. Günthers Zuneigung sieht sie als Triumph gegenüber Beate an.
„Sie fühlte wieder in sich etwas wie den Triumph des kleinen, neidischen Mädchens von früher, das vor Beate auch mal etwas voraus haben wollte.“ (S. 114)
Beate entdeckt den Ehebruch und verweist Mareile aus ihrem Schloss. Mareile geht zurück nach Berlin. Günter jedoch glaubt, ohne Mareile nicht auskommen zu können. Er verlässt Beate und folgt Mareile. Bei einem Duell wird er schwer verletzt und kuriert seine Verletzung im Tarniffschen Haus in Berlin aus. Hier erkennt er, dass Mareile ihm keinen Trost spenden kann. Er verlangt nach Beate. Beate folgt seinem Wunsch, erfüllt ihre Pflichten als Ehefrau und holt ihn nach Kaltin zurück. Wie zu Anfang des Romans sucht der schwer verwundete Günther von Tarniff nach seiner Rückkehr aus Berlin wieder die vertraute, wohl geordnete Umgebung im Schloss.
Mareile versucht ihn wieder für sich zu gewinnen. Doch er entscheidet sich für sein früheres, ruhiges Eheleben.
Sein Verhältnis zu Mareile existiert nur noch in einer Erinnerung.
„Die Erinnerung an das Glück, welches du mir gegeben, wird mir mein Leben hindurch ein teurer Schatz sein. G.“ (S. 186)
Keyserlings erste Schlossgeschichte „Beate und Mareile“ prägt ein Reigen aus Ehebruch, Verrat und Rache. Erstaunlich offen zu seiner Zeit nimmt er das Thema Sexualität zwischen leidenschaftlicher Erotik und absoluter Unterwürfigkeit auf. Seine Figuren bewegen sich zwischen Verlust, Angst und Hoffnung. Dabei bleibt seine Sprache ruhig, feinsinnig und ironisch. Präzise steigert er mit einem subtilen Stil den Spannungsbogen. Begriffe wie „Ehehafen“ mit dem anzüglichen Verb „ausgebaggert“ mit der Günther von Tarniff seine sensible Frau bezeichnet, trifft den psychologischen Charakter der Figur.
Fazit
In dem Roman „Beate und Mareile“ zeigt Eduard von Keyserling die Morbidität der Adelsherrschaft. Seine Gesellschaftskritik umrahmt er in leuchtende Landschaften, wenn er Äcker in „Seidenstreifen“ glänzen lässt und Günther als „gierigen Lebenstrinker“ bezeichnet. In wenigen Worten verwandelt sich Kurland in ein Gemälde aus Sommer- und Herbststimmung wie aus einer versunkenen Zeit.
Die Welt des baltischen Adels im letzten Jahrhundert seiner Existenz ist die Welt, in der Keyserling selbst gelebt und gelitten hat.
„Aus dem Badezimmer erscholl ein gleichmäßiges Plätschern. Günther von Tarniff saß in seinem rotgelben Badebassin. Er saß da schon geraume Zeit und registrierte die behaglichen Empfindungen, die über seinen Körper hinglitten. Günther pflegte seinen Körper wie ein Brahmane. Er bewunderte ihn und achtete ihn, als die Tafel, auf der das Leben viele, wichtige Genüsse zu verzeichnen hat.“ (S. 5)
Der englische Autor Philip Marsden entführt uns in seinem 1995 erschienenen Roman in einen Landstrich, der sich zum Zeitpunkt der Romanveröffentlichung in Weißrussland befand, zu Zeiten der Romanhandlung aber noch so unterschiedlichen Ländern wie Russland (bzw. der Sowjetunion), Polen, oder auch Litauen zugehörig war. Es geht also in eine Gegend totaler staatlicher und nationaler Instabilitäten.
Der Erzähler Philip lernt als kleiner Junge durch regelmäßige Treffen während des Urlaubs in der Schweiz eine Dame mit Namen Zofia kennen, die aus dieser Gegend vertrieben wurde und auch nach Jahrzehnten einen sehnsuchtsvollen Wunsch nach Rückkehr dorthin verspürt. Die ungewöhnliche Freundschaft der beiden hält über Jahrzehnte an und kulminiert in gemeinsamen Reisen in die Heimat Zofias, die stattfinden, sobald die politischen Verhältnisse in diesem Bereich es nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion einigermaßen sicher zulassen. Gleichwohl sind diese Reisen ein großes Abenteuer.
Und so fahren sie in eine verwunschene, dörfliche Gegend, in der das Gutshaus, das Zofias Zuhause war, den Unbilden der wirren Geschichte längst zum Opfer gefallen ist, die aber trotzdem so voller heimatlicher Orte, Gefühle und Begegnungen ist. Während dieser Reisen rekonstruiert der Erzähler für sich und Zofia das Leben von Zofias Mutter, Helena, zu deren Lebzeiten sich die wechselvolle Geschichte des Landstriches am östlichen Rand Europas besonders intensiv und schädlich auf das Leben der Menschen ausgewirkt hat. Sie ist schon als Kind mit ihrer Familie ständig unterwegs, um irgendwo bei Freunden oder Verwandten zumindest für eine Übergangszeit Frieden zu finden inmitten des Kampfes um Grenzen, bei dem Armeen über sie hinweg- und an ihnen vorbei rollen.
Charakteristisch ist die Situation ihrer Heirat, die lange geplant und vorbereitet, dann aber doch genau auf den Tag fällt, an dem Russen in Litauen einmarschieren. Und so bleibt die gesamte Verwandtschaft aus Wilna (dem heutigen Vilnius) der Hochzeit fern. Irgendwie bleibt so keine Lebenssituation Helenas von den Wirren der Geschichte unberührt. Und so geht es letztlich jedem in diesem Landstrich. Das führt zu einem erstaunlichen Maß an Fatalismus und dennoch gezeigter Lebensenergie und -freude, die Philip und mit ihm den Leser stark beeindruckt.
„Die hiesige Bevölkerung hat so viele Invasionen erlebt, dass sie sie einfach nicht mehr beachtet.“ (179)
So haben auch Zofias Eltern sich lange Zeit nicht beirren lassen und ihr Haus Mantuski am Ufer des Njemen, dem Fluss, den wir Deutschen unter dem Namen Memel kennen, immer wieder aufgebaut, wenn es in den Kriegswirren beschädigt oder gar ganz zerstört wurde. Auch wenn nie klar sein konnte, wie lange sie in relativer Normalität darin werden wohnen können.
Da ist Glück klein und etwas besonders Kostbares, das es zu feiern gilt:
„‘Mein Gott,“ sagte sie, ‚denk nur, wieviel Glück wir alle gehabt haben! Was für ein verzaubertes Leben wir hatten!‘
‚Glück?‘ platzte ich heraus. ‚Wie kannst du das nur sagen, Zosia!‘
Sie schüttelte den Kopf. ‚Nein, Phiilip: Bedenk doch. Warum sind denn wir verschont geblieben, wo all die andere zugrunde gegangen sind?‘“ (197)
Philip erhält so durch seine Freundschaft und Erlebnisse mit Zofia einen enormen Perspektivenwechsel, der ihm deutlich machen muss, „dass sie alle von geborgter Zeit lebten.“ (222)
FAZIT:
Dieser Roman schafft nicht nur beim Erzähler Philip eine große Perspektivenerweiterung, sondern auch beim Leser. In einer Region, die nach dem Text der zum Glück Historie gewordenen alten deutschen Nationalhymne noch zum Rand eines deutschen Reiches zählen soll, schlagen sich Armeen um Meter und Kilometer und lassen verbrannte Erde, Dörfer und zerstörte Leben und Schicksale zurück. Grenzen bringen hier auf jeden Fall keine Sicherheit. Im Gegenteil: sie schaffen künstliche Feindschaften und bringen den Menschen Unglück und Leid. Ist das bei anderen Grenzen anders? Schaut man auf die Befürchtungen der Briten zu wiederaufflammenden Kämpfen angesichts einer wieder möglichen starken Grenzziehung zwischen Irland und Nordirland, bin ich geneigt, das als generelles Phänomen zu werten und bin dankbar für die Entführung in diese so unbekannte Gegend durch Philip Marsdens Roman „Das Haus der Bronskis“.
5 Sterne für diese aufwühlende Reise.
»Wann immer ich an die Flucht meiner Mutter denke, sehe ich das Sonnenblumenfeld vor meinem Auge. Und irgendwo darin stelle ich mir meine schlafende Mutter vor und den Hund und die Grenzsoldaten. Eigentlich hat meine Mutter nie wirklich von früher erzählt. Nicht von ihrer Kindheit als Deutsche in Jugoslawien, nicht von der Flucht, nicht vom Ankommen in Deutschland. Für sie war das Dorf, in dem sie geboren wurde, ein untergegangener Sehnsuchtsort. Kann ein Ort Heimat sein, an den man sich kaum erinnert?«
Jahrzehntelang hat Andreas Wunns Mutter dazu geschwiegen, wie sie nach dem Zweiten Weltkrieg aus dem Gebiet Jugoslawiens nach Deutschland floh. Auch über ihre Wurzeln — jene der Donauschwaben im Banat — sprach sie nicht viel. 2017 endlich, genau 70 Jahre nach ihrer Flucht, beschließt Wunn, zusammen mit ihr eine Reise in die Region ihrer Kindheit zu machen: entlang ihrer damaligen Fluchtroute, die heute als »Balkan-Route« bekannt ist. Ihre Reise führt Mutter und Sohn über Süddeutschland, Österreich und Ungarn bis nach Serbien. Entstanden ist die anrührende Erzählung eines Nachkriegsschicksals, aber auch die persönliche Wiederentdeckung eines fast vergessenen Stücks deutscher Geschichte, die vor Jahrhunderten begann und nach dem Zweiten Weltkrieg endete.
Andreas Wunn, geboren 1975, leitet die Redaktion des ZDF-Morgenmagazins und des ZDF-Mittagsmagazins. Für beide Sendungen steht er auch als Moderator vor der Kamera. Zuvor war er sechs Jahre lang Südamerika-Korrespondent des Senders und Leiter des ZDF-Studios in Rio de Janeiro. Seine TV-Dokumentationen wurden mehrfach ausgezeichnet. Seine Bücher über Brasilien waren Bestseller. Wunn lebt mit seiner Familie in Berlin.
»Wann immer ich an die Flucht meiner Mutter denke, sehe ich das Sonnenblumenfeld vor meinem Auge. Und irgendwo darin stelle ich mir meine schlafende Mutter vor und den Hund und die Grenzsoldaten. Eigentlich hat meine Mutter nie wirklich von früher erzählt. Nicht von ihrer Kindheit als Deutsche in Jugoslawien, nicht von der Flucht, nicht vom Ankommen in Deutschland. Für sie war das Dorf, in dem sie geboren wurde, ein untergegangener Sehnsuchtsort. Kann ein Ort Heimat sein, an den man sich kaum erinnert?«
Jahrzehntelang hat Andreas Wunns Mutter dazu geschwiegen, wie sie nach dem Zweiten Weltkrieg aus dem Gebiet Jugoslawiens nach Deutschland floh. Auch über ihre Wurzeln — jene der Donauschwaben im Banat — sprach sie nicht viel. 2017 endlich, genau 70 Jahre nach ihrer Flucht, beschließt Wunn, zusammen mit ihr eine Reise in die Region ihrer Kindheit zu machen: entlang ihrer damaligen Fluchtroute, die heute als »Balkan-Route« bekannt ist. Ihre Reise führt Mutter und Sohn über Süddeutschland, Österreich und Ungarn bis nach Serbien. Entstanden ist die anrührende Erzählung eines Nachkriegsschicksals, aber auch die persönliche Wiederentdeckung eines fast vergessenen Stücks deutscher Geschichte, die vor Jahrhunderten begann und nach dem Zweiten Weltkrieg endete.
Andreas Wunn, geboren 1975, leitet die Redaktion des ZDF-Morgenmagazins und des ZDF-Mittagsmagazins. Für beide Sendungen steht er auch als Moderator vor der Kamera. Zuvor war er sechs Jahre lang Südamerika-Korrespondent des Senders und Leiter des ZDF-Studios in Rio de Janeiro. Seine TV-Dokumentationen wurden mehrfach ausgezeichnet. Seine Bücher über Brasilien waren Bestseller. Wunn lebt mit seiner Familie in Berlin.
1942 wurde Lale Sokolov nach Auschwitz deportiert. Seine Aufgabe war es, Häftlingsnummern auf die Unterarme seiner Mitgefangenen zu tätowieren, jene Nummern, die später zu den eindringlichsten Mahnungen gegen das Vergessen gehören würden. Er nutzte seine besondere Rolle und kämpfte gegen die Unmenschlichkeit des Lagers, vielen rettete er das Leben.
Dann, eines Tages, tätowierte er den Arm eines jungen Mädchens – und verliebte sich auf den ersten Blick in Gita. Eine Liebesgeschichte begann, an deren Ende das Unglaubliche wahr werden sollte: Sie überlebten beide.
Eindringlich erzählt Heather Morris die bewegende, wahre Geschichte von Lale und Gita, die den Glauben an Mut, Liebe und Menschlichkeit nie verloren.
Inhalt
1942 wird ein junger slowakischer Jude nach Auschwitz deportiert. Von nun an ist Lale Sokolov der Gefangene 32407. Die SS macht ihn zum Tätowierer: Er muss die Häftlingsnummern in die Unterarme seiner Mitgefangenen stechen. Eines Tages tätowiert er die Nummer 34902 auf den linken Arm eines jungen Mädchens – und verliebt sich auf den ersten Blick in Gita.
Meine Meinung
Ich möchte vorweg betonen, dass jedes Buch das über diese schreckliche Zeit, handelt und aufgeklärt, unbedingt seine Berechtigung hat und im besten Falle gelesen werden sollte. Ich habe in der Vergangenheit schon sehr viele Holocaust Romane gelesen, teilweise Romane die einen, ob der Tragik und des Schmerzes der Menschen, mir beinahe die Luft zum Atmen genommen haben.
In diesem Buch ist es etwas anders. Ich habe Hochachtung vor Lale und Gita, sie haben schreckliches erlebt, aber die Erzählung der Autorin war mir beinahe zu oberflächlich. Ich finde die Geschichte hätte unbedingt mehr Details gebraucht, auch wenn dies bedeutet hätte, dass das Buch 200 Seiten mehr hätte. Definitiv hätten es sich Lale und Gita mehr Tiefe verdient, dabei meine ich nicht unbedingt mehr detaillierte Grausamkeiten, sondern einfach mehr Details zu den einzelnen Passagen. Viele Szenen kamen mir zu kurz. Mir fehlte einfach etwas, aber vielleicht habe ich für mich selber schon ein Schema für derartige Roman zurechtgelegt, aus dem ich auch nur schlecht ausbrechen kann.
Am Ende gab es dann noch einen Epilog, in dem uns die Autorin mitteilt, wie es zu der Geschichte kam und wir lernten Lale Sokolov kennen. Der Epilog ging mir mehr unter die Haut als die Geschichte an sich. Ich denke in diesem Roman wäre mehr potential darin gewesen.
Trotz allem, von mir gibt es dennoch 5 Sterne, weil alles darunter würde Lale und Gita und den Millionen anderen nicht gerecht werden.
"Ein Leben ohne Hoffnung ist wie ein Vogel ohne Schwingen. Ein Leben ohne Liebe ist wie ein Himmel ohne Sterne." (Ernst Thälmann)
Als man 1942 Ludwig Eisenberg auch Lale genannt nach Auschwitz deportierte wurde, ahnte er noch nicht das er dort auch die Liebe seines Lebens kennenlernen würde. Schnell bekam er dort die Aufgabe des Tätowierers, er musste jeden Mitgefangenen eine Nummer tätowieren. Jene Nummer, unter der die Gefangenen in jener Zeit registriert wurden und bei der man später erkannte, das die Person in Auschwitz gewesen war. Seine Arbeit als Tätowierer bracht jedoch für Lale auch Vorteile, den er bekam eine besondere Schlafstätte und bessere Essensrationen wie andere. Eines Tages dann tätowiert er einer jungen Frau ihre Nummer in den Arm und sofort verliebt er sich in ihre wunderschönen Augen. Schnell erfährt er, das sie Gita heißt und wo sie untergebracht ist. Lales Einfluss ermöglicht es ihm, das er für Gita eine leichtere Arbeit in der Schreibstube bekommt. Die beiden verlieben sich ineinander, auch wenn sie wissen, dass es für sie vielleicht nie eine Zukunft geben würde. Lales Lebenswille, sein Mut und die Hoffnung sind es schlussendlich, die auch Gita am Leben erhalten und selbst als sie getrennt werden wieder zueinanderfinden lassen. Eine bewegende Liebesgeschichte in Zeiten des Todes, Elends und der Unmenschlichkeit, bei denen der Mut, Hoffnung und die Menschlichkeit nie verloren gingen.
Meine Meinung:
Ein bemerkenswertes Cover nicht wegen der Pforte vom KZ Auschwitz-Birkenau, sondern wegen den verschlungenen Händen mit der Nummer, passten gut zu dieser Lebensgeschichte. Dieses Lebensbild von Ludwig Eisenberg der sich später Lale Sokolov nannte, besticht zum einen durch seine Arbeit, die er in Auschwitz machen musste. Ich habe ja inzwischen schon viel über Auschwitz und den Holocaust gelesen, wusste aber bis dato nicht, das die Juden selbst ihre Mithäftlinge tätowieren mussten. Besonders imponierte mir jedoch in dieser Geschichte Lales Mut, das er mit seinem wenigen zusätzlichen Essen noch andere Mitbewohner versorgte. Selbst als er von polnischen Bewohnern Essen bekommt, ist er nicht selbstsüchtig, sondern teilt seine Rationen und half dadurch sicher einigen Menschen zu überleben, allen voran Gita. Das Lale nicht nur einmal einen Schutzengel hatte, der ihn vor dem Tod bewahrte, hat ebenfalls etwas mit seiner Großzügigkeit zu tun. Die Todeszelle und die Mauer von Auschwitz an der viele Menschen zu Tode kamen, hatte ich bildlich vor Augen. Den vor einigen Jahren bei meinem Besuch des KZ konnte ich mir selbst ein Bild davon machen, wie grausam man die Menschen behandelt hatte. Am meisten jedoch hatte mich gefreut, dass selbst in Zeiten der Not und Entbehrung die Liebe niemals verloren geht. Das sich Lale und Gita bei Ende des Kriegs, nach Trennung und Verschleppung in Pressburg je wiedersehen würden, hätte ich nicht für möglich gehalten. Und das ihre Liebe auch noch bis zu ihrem Tod anhielt, wie man im Nachwort liest, ist das schönste der ganzen Geschichte. Trotzdem lässt mich wieder einmal vieles fassungslos zurück, von dem was Lale in diesem Buch und in den 3 Jahren Auschwitz zu erzählen hatte. Besonders als er erwähnte, dass ihm mehrmals Dr. Mengele begegnet war, lief mir ein Schauer über den Rücken. Mit diesem Lebensbericht hat australische Autorin Heather Morris erneut ein Zeichen gesetzt "Gegen das Vergessen", möge es wirklich helfen. Für mich ist das Buch definitiv empfehlenswert und sollte von jedem gelesen werden, damit der Holocaust niemals in Vergessenheit gerät und darum gebe ich 5 von 5 Sterne.
Hohe Politik
Bei der EU-Behörde in Brüssel bearbeiten einige der Beamten den Beitrittsprozess einiger Balkanstaaten. Allerdings geht es nicht so schnell voran wie von den Kandidaten insbesondere Albanien gewünscht. Der Präsident Albaniens hat gewissermaßen die Schnauze voll. Er will doch derjenige sein, der sein Land nach Europa führt. Doch der Apparat ist so langsam und immer gibt es neue Forderungen. Der Pole Adam, der kurz bevor das sozialistische Regime in Polen viel im Widerstand war, hofft in seinem Freund Mateusz, der inzwischen Staatsführer von Polen ist, einen Verbündeten zu haben. Doch weit gefehlt. Mateusz verfolgt andere Ziele.
Mit diesem Roman hat der Autor eine Fortsetzung seines preisgekrönten Romans „Die Hauptstadt“ geschaffen. Und dieser Band ist für den Österreichischen Buchpreis nominiert. Man begibt sich erneuten in die Mühlen der Brüsseler Europapolitik. Strukturen, die nicht leicht zu durchschauen sind. Klare Worte spricht am ehesten der Präsident Albaniens, dem der Verhandlungsprozess zu langsam geht. Er muss seinem Volk etwas bieten. Welche Idee einer seiner Berater, ein Dichter, ein Quereinsteiger, hervorbringt, ist beinahe unglaublich und schräg und gerade damit einnehmend. Dass sich daraus ein Kriminalfall entwickeln kann, war wirklich nicht vorhersehbar. Die diplomatischen Kanäle laufen heiß und größerer Schaden muss abgewendet werden.
Vermutlich konnte der Autor beim Schreiben des Romans nicht wissen, welche Bedeutung die Beitrittsersuchen der Balkanstaaten inzwischen gewonnen haben. Es wäre einem beim Lesen sicher nicht so gegenwärtig gewesen, wie hingehalten sich die Staaten vorkommen, wenn es nicht in der derzeitigen politischen Situation noch einmal deutlich geworden wäre. Gerade deshalb ist die Lektüre von besonderem Interesse. Die Trägheit des Prozesses, die Eigenheiten der Beamten hier und dort, Ausschnitte aus der Geschichte Albaniens. Gerne liest man von ungewöhnlichen Persönlichkeiten. Intrigante Staatenlenker, denen wenigstens relativ aufrechte Beamte gegenüber stehen, die sich wie im wahren Leben meist nicht durchsetzen können. Besonders zu Beginn ist es eine Freude vom Aberwitz des Beamtenapparates zu lesen und so manches Mal zu schmunzeln. Ein wenig fraglich ist es allerdings, ob der weitere Verlauf so gelungen ist, denn auch da könnte die Entwicklung inzwischen weiter sein. Vielleicht könnte sich die Frage stellen, ob gewisse Absichten anderer Staaten hinter den Ereignissen liegen, nur ein vager Gedanke, der vielleicht etwas weit hergeholt ist. Unter dem Eindruck des gesamten Werkes handelt es sich jedoch um eine tolle Groteske über den Politikbetrieb, dessen Ausuferung sich irgendwie nicht wieder einfangen lässt.
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