Erste Hilfe für Demokratie-Retter
Neuauflage, übersetzt u.a. von meiner Tante Susanne Hoppmann-Löwenthal, die nach dem Krieg in den USA auswanderte. Der bedeutende jüdische Literatursoziologe analysiert die Mechanismen von Demagogen, die damals wie heute mit Fake News rassistische Hetze betreiben - hochaktuell!
Hier der Klappentext:
Lautstark schwingen sich selbsternannte Tribunen des Volkes, esoterische »Querdenker« und autoritäre Demagogen zu Verteidigern der demokratischen Ordnung auf, deren Werte sie eigentlich ablehnen. Um Gefolgschaft zu organisieren, schüren sie Ängste vor drohendem Chaos und spinnen Verschwörungstheorien über anonyme Mächte, die das Schicksal der Nation bestimmen. Vorschläge zur Lösung komplexer gesellschaftlicher Probleme sind ihre Sache nicht. Vielmehr verlegen sie sich auf eine aggressive Rhetorik des Kampfes gegen »die Politiker«, »die Linken«, »die Flüchtlinge« und immer wieder: »die Juden«.
Was sich wie eine Kurzbeschreibung von Aspekten der politischen Kultur unserer Tage liest, ist Gegenstand eines Buches, das vor mehr als siebzig Jahren geschrieben wurde. In Falsche Propheten analysiert Leo Löwenthal Themen und Techniken politischer Demagogie. Er fragt, warum die immergleichen Phrasen und Phantasmen verfangen, legt dar, weshalb dem Agitator so schwer beizukommen ist, und warnt vor Unterschätzung. Denn nicht selten ist die Agitation »Generalprobe fürs Pogrom«. Falsche Propheten ist ein Klassiker der politischen Psychologie. Inwiefern es auch ein Buch für unsere Gegenwart ist, zeigt Carolin Emcke in ihrem Nachwort zu dieser Neuausgabe.
Das System Putin: Reportagen, Analysen, Berichte, Einschätzungen eines Russlandkenners – sehr aktuell
Wenn ich solche Bücher lese, möchte ich zuerst wissen, wer der Autor ist: Michael Thumann, Chefkorrespondent der 'ZEIT', Leiter des Moskauer Büros, der u.a. dort studiert hat. Also darf ich davon ausgehen, dass er langjähriger Russlandkenner ist. - Aber brauche ich noch ein Buch, wo ich doch gerade einiges zum Thema gelesen habe? Eindeutig JA und ich meine, dass dieses hier das bisher Beste ist. Es hat mir neue Erkenntnisse gebracht und einiges eingeordnet und an seinen Platz gerückt.
Seine Themen: die Fehlentscheidungen deutscher Politiker, vor allem Schröder und Gabriel, russische Narrative erfolgreich in Deutschland, Blick auf den Putsch von 1991 (Gorbatschow auf der Krim festgesetzt; Jelzin), Tschetschenien als Testfeld, Putins 'Freunde' in der Welt, Propaganda, Aufhetzen der Bevölkerung und Informationskrieg, Straflager, gefälschte Wahlen, Missbrauch und Verfälschung der Geschichte, Krieg in der Ukraine, Rache am Westen und persönliche Kränkungen – Wie könnte es enden?
Es fängt leicht und locker an: Thumann spricht mit Bekannten und Freunden in Moskau, er wohnt dort, fährt mit dem Rad und schildert seine Beobachtungen. Das ist leicht zu lesen und obwohl es faktenreicher und komplexer wird, bleibt es gut zu lesen und ich hatte nie den Eindruck, dass es mir zu viel würde.
Auch wenn ich vieles schon weiß, so war ich doch über einiges ziemlich schockiert: z.B. über die Narrative der russischen Propaganda, die auch in Deutschland erfolgreich waren und leider immer noch sind, z.B. 'Die Krim war schon immer Russisch' oder 'Russland hat so gehandelt, weil es sich durch die Nato-Osterweiterung bedroht fühlte.' - Diese Behauptungen, die hier in Deutschland anscheinend auf Unwissenheit beruhen, widerlegt Thumann mit Fakten, zu denen auch nachweisbare Äußerungen von Putin gehören.
Sehr interessant fand ich, wie er Russlands stufenweisen Weg in die totalitäre Diktatur analysiert und zum Heulen schrecklich, wie Russlands Bevölkerung aufgehetzt wird, wie der Völkerfrieden zerstört wird und wie es in Straflagern zugeht. Und bei allem scheinen persönliche und historische Kränkungen des Wladimir Wladimirowitsch Putin eine Rolle zu spielen. Das ist natürlich eine Meinung, eine Einschätzung.
Für dieses Buch kann ich eine ganz große Lese-Empfehlung aussprechen. Für mich ist es das Beste, was ich in letzter Zeit zum Thema gelesen habe und aktuell ist es auch.
6 von 5 Sternen ;-)
Für seine Freunde, die Archäologen Horst und Clothilde, soll Bruno, Chef de Police, als Trauzeuge fungieren. Seine Rede ist im Entwurf schon fertig, da bekommt er die Nachricht, dass am nahen Schloss eine tote Frau gefunden wurde. Erstmal ist das Brunos Sache, denn noch ist nicht klar, ob es sich um einen Unfall oder ein Verbrechen handelt. Im Falle eines Falles wird er J. J., den Kollegen von der Kriminalpolizei hinzuziehen. Aber natürlich wird auch Bruno sein Möglichstes tun, um die Frau zu identifizieren. Dass er die junge Amélie aus dem Ministerium aufs Auge gedrückt bekommt, schmeckt ihm zunächst nicht.
In seinem zehnten Fall hätte Bruno Courreges eigentlich nicht viel mit Verbrechen am Hut, wenn ihm nicht die Realität dazwischen käme. Die Tote, die in der Nähe des Schlosses gefunden wurde, hatte offensichtlich eine Botschaft. Leider hat sie es nicht mehr geschafft, ihre Nachricht zu schreiben. So gibt es also das Rätsel um ihre Identität als auch das Rätsel um das Wort. Brunos neue Beobachterin Amélie erweist sich überraschend als echter Gewinn. Wie versiert ihre Finger über den Bildschirm ihres Handys fliegen und welch erstaunliche Informationen sie dem kleinen Gerät entlockt. Bruno und sie finden heraus, dass es sich bei der Toten um eine Archäologin mit einer Mission handelte.
Egal. ob man die Reihe vollständig kennt oder nicht, man findet sich schnell in Brunos Welt zurecht. Als eine Art Dorfpolizist ist Bruno ein Mittelpunkt des Ortes St. Denis, er kennt jeden und jede und hat freundliche Beziehungen über die Grenzen des Ortes hinaus. Eigentlich im Waisenhaus aufgewachsen, hat er in dem Ort eine Heimat und in seinen Bewohnern eine Familie gefunden. Doch die Wirklichkeit macht auch vor dem beschaulichen Ort nicht Halt und der Tod der Unbekannten erweist sich als Teil eines perfiden Plans. Auch wenn es manchmal so erscheint, als sei Bruno einfach zu gut, so hat man hier eine liebevolle Beschreibung des Lebens in einer geschichtsträchtigen Region in Frankreich und gleichzeitig einen spannenden Kriminalroman, der durchaus einen Bezug zur heutigen Realität hat.
Es ist der 4. Mai 2018. Der Vorarlberger Schriftsteller Michael Köhlmeier hält eine Rede in der Wiener Hofburg anlässlich des Gedenktages gegen Gewalt und Rassismus. Es sind knappe sechs Minuten, in denen er sich an sein Publikum wendet. Ganz klar richtet er seine Worte an die anwesenden hochrangigen Vertreter des Staates.
"Erwarten Sie nicht von mir, dass ich mich dumm stelle.", beginnt er seine Ansprache.
Köhlmeier hat sich gut überlegt, was er zu jenen sagen will, die einer Partei der Ausgrenzung, des Fremdenhasses, der rassistischen, antisemitischen und rechten Parolen angehören.
„Zum großen Bösen kamen die Menschen nie mit einem großen Schritt, sondern mit vielen kleinen, von denen jeder zu klein schien für eine große Empörung.“
Mit den anschließenden Reaktionen – Standing Ovations und harscher Kritik – kann der Autor umgehen. Worte sind seine Berufung und an seinen Worten hält er fest.
„Jedes Wort ist zugleich ein Zuwenig und ein Zuviel. Aber wir haben nur Worte, Worte, Worte.“
Es ist ein schmaler Band mit dieser und weiteren politischen Reden des Autors. Es sind Reden gegen das Vergessen. Denn…
„Wo nicht erzählt wird, wird vergessen. Wer das Erzählen aufgibt, begeht Selbstauslöschung. Und wer das Erzählte, das Erdichtete, das Buch verbrennt, der will auch noch das Gedächtnis an den löschen, den er bereits ausgelöscht hat.“
Köhlmeier sieht sich selbst nicht als politischen Aktivisten. Nicht liegt ihm ferner als politische Kategorien, wenn in ihm eine Geschichte entsteht. Doch er ist aufmerksam und unduldsam, wenn Sprache missbraucht wird, um Verunsicherung zu schüren und gegen Minderheiten und ausgewählte Bevölkerungsgruppen zu hetzen.
Wenn Michael Köhlmeier eingeladen wird, eine politische Rede zu halten, erzählt er von Menschen, die seinen Lebensweg kreuzten oder vom Schmerz darüber, dass eine Begegnung nicht mehr möglich war. Menschen haben Geschichten, und Menschen haben Geschichten, die nicht gelebt werden durften, weil sie im Getriebe zynischer Systeme ausgelöscht wurden.
„Wo Michael Köhlmeier … erzählt, da ist »zu Hause«, und zwar für jeden. Und sei es zwischen zwei Buchdeckeln. Und sei es in einer politischen Rede.“
»Ein leidenschaftliches Erinnerungsbuch über Deutschland.« Neil MacGregor
In den 1920er-Jahren war das Holzhaus am idyllischen See von Groß Glienicke das Ferienparadies für die jüdische Familie Alexander gewesen. Für Elsie Alexander, die Großmutter von Thomas Harding, blieb es trotz Verfolgung und Vertreibung durch die Nazis ein Ort für die Seele. Wie durch ein Wunder steht das Haus noch immer, über Jahrzehnte Zufluchtsort für fünf Familien, deren Schicksale das deutsche 20. Jahrhundert spiegeln. Nach Kriegsende lag es auf DDR-Gebiet. Die Mauer wurde durch den Garten gebaut, am Seeufer entlang. Zuletzt stand es leer, verfiel und sollte abgerissen werden. Doch Thomas Harding und seine Mitstreiter vor Ort sorgten dafür, dass dies nicht geschah. Er beschloss, dem Haus seine Geschichte wiederzugeben.
Das „aristokratische“ Moment
Kurzmeinung: Ein kleines Büchlein gegen Politikverdrossenheit. Sehr ermutigend!
Jürgen Wiebicke macht sich Sorgen. So wie wir alle, die wir die Demokratie als Rechtsstaat lieben und nicht nur als utopische Idee. Der Rechtsruck, der durch ganz Europa geht, der Schrei nach Autokratie ist immer dann am lautesten, wenn es Probleme gibt und keine schnellen Lösungen in Sicht sind. Sei trotzdem optimistisch, bittet Wiebicke.
Ja, sagt Wiebicke, und wir nicken, denn wir wissen es, Demokratie ist langsam und kennt selten Schnellschüsse. Denn Demokratie ist das Aushandeln des besten Weges für möglichst viele. Demokratie ist anstrengend, denn sie verlangt es, einander auszuhalten und damit auch das Aushalten völlig anderer Meinungen und Ansichten. Aber wenn ich das öffentliche Vertreten fremder Meinungen unterbinde, dann unterbinde ich damit auch meine eigene Freiheit, denn morgen schon kann es sein, dass meine Meinung zu derjenigen zählt, die unbeliebt und unbequem ist. Demokratie ist meine Freiheit, ja, und gleichzeitig die Freiheit des anderen. Das vergessen heute viele, wenn sie in bestimmten Bereichen Leute mundtot machen wollen, Menschen, gewaltsam davon abhalten, Vorträge zu halten, etc. etc. Um die Freiheit eines anderen zu beschneiden, braucht es Fakten, nämlich Gesetzesverletzungen, Verletzt sein allein ist kein politisches Argument. Und wenn wir Menschen für ein Amt danach auswählen, ob sie nett sind, sympathisch wirken und zu unserer Blase gehören, anstatt danach, was auf ihrem Zettel steht, und in diesem Fall ist der Zettel das Parteiprogramm, dann ist die Demokratie schon fast am Ende.
Das ist das eine. Demokratie erfordert Engagement und Mut und Resilienz. Ist eigentlich selbstverständlich. Einige wenige entschlossene Leute können ein Blatt wenden, nicht d a s Blatt, aber ein Blatt und Wiebke führt Beispiele dafür auf. Er nennt es, das „aristokratische Prinzip“. Letztlich hat Veränderung immer schon vor allem an einzelnen gelegen, die vorangehen. Die eine Idee haben, dafür brennen und andere dafür begeistern. Das war nie anders. Die Masse per se ist träge.
Politikverdrossenheit und lauthalses Schimpfen auf die Menschen, die Politik machen, führt in die falsche Richtung. Wir leben, demokratisch gesehen, in den besten Zeiten ever. Natürlich läuft nicht alles rund. Man kann immer alles besser machen. Es hilft aber nichts, gleich alles niederzumachen und Demokratiepessimismus zu verbreiten. Wollen wir in Ungarn leben, in Russland, in China, in Nordkorea? Lebt es sich in einer Diktatur besser?
Politikverdrossenheit plus die Sehnsucht nach einfachen überschaubaren Lösungen, spielen den Rechten in die Hände, die alles versprechen und nichts halten. Und auch den extremen Linken, die in einer Utopie leben. Einfache, überschaubare und einfache Lösungen sind in einer komplex gewordenen globalen Welt eine Illusion.
Allerdings, warnt Jürgen Wiebke davor, nicht alles in den selben Topf zu werfen. Rechtskonservativ ist nicht rechtsextrem. Weder eine liberale noch eine konservative Einstellung sind zu verteufeln. Es wird Zeit, dass wir wieder Respekt für den politischen Gegner zeigen. Politische Gegner sind keine Feinde, sonden nur Menschen, die eine andere Einstellung haben. Mit einem politischen Gegner misst man sich auf einem bestimmten politischen Feld, das heißt, es geht um die Sache, das ist alles. Feindschaft ist persönlich. Und hat in der Politik und in der Gesellschaft nichts zu suchen.
Jürgen Wiebicke schrieb 2017 ein ähnliches Büchlein: "Zehn Regeln für Demokratie-Retter" - inzwischen hat er die eine oder andere Meinung u.a. wegen des Erfolgs der AfD revidieren müssen.
Fazit: Letztendlich muss man sich politisch und weltanschaulich auseinandersetzen, den Diskurs nicht aus Faulheit oder Wut verweigern und den Kopf aus dem Sand heben.
Kategorie. Sachbuch. Politik
Kiepenheuer & Witsch, 2024