Fragen, die mir zum Holocaust gestellt werden
„Das Niedrigste wird aus den Leuten herausgeholt, nicht das Anständige.“
Gertrude Pressburger hat 2016 mit knapp 90 Lebensjahren auf sich aufmerksam gemacht, als sie im Wahlkampf um den österreichischen Bundespräsidenten ein Plädoyer gegen rechts gehalten hat. Das Video wurde viral, die alte Dame war in aller Munde. Nun ließ sie ihre Lebensgeschichte von der Radiojournalsitin Marlene Groihofer aufzeichnen.
Frau Pressburgers Geschichte spricht für sich, sie hat Auschwitz überlebt, ihre Familie nicht. Verfolgung, Flucht, Internierung, menschliche Grausamkeit, Gertrude Pressburger musste als junges Mädchen viel ertragen. Ihre Erinnerungen machen betroffen, bei jedem Wort über ihre Eltern, ihre kleinen Brüder spürt man immer noch die Liebe zu diesen Menschen und die Trauer um deren Verlust.
Trotz all der unfassbaren Erlebnisse, die sie erlebte und überlebte, hat sie ihren Lebensmut nie verloren, blieb sich selbst immer treu. Die Heimkehr nach Wien nach dem Krieg kam ihr die Heimatstadt wie Feindesland vor. Bei Begegnungen mit Fremden, kreisten ständig ihre Gedanken, darum, was der oder diejenige im Krieg getan oder nicht getan hat. Selbst in ihrer Schwiegerfamilie behielt sie lieber Schweigen um ihre Vergangenheit, erst als ihre Tochter alt genug war, begann sie von ihrem Leben zu erzählen.
Heute ist es der alten Dame wichtig, gehört zu werden. Bei ihrer Buchpräsentation stellt sich die 90 jährige einem enormen Publikum. Bald wird es keine Zeitzeugen dieser ungeheuerlichen Zeit geben. Umso wichtiger ist es daher, dass Lebensgeschichten, wie die der Frau Pressburger, weitergegeben werden. Es ist nicht Mitleid, das sie möchte, es ist die Hoffnung, dass die Menschen doch in der Lage sind, aus der Geschichte zu lernen. In diesem Sinne, niemals vergessen.
Ich weiß nicht mehr, wann ich von Victor Jaras Ermordung erfahren habe. Er wurde ein paar Tage vor meinem 9. Geburtstag mit mindestens 44 Schüssen umgebracht. Weil er sich politisch betätigte und für den Frieden sang. So habe ich es damals in der Schule erfahren.
Als Jugendliche habe ich viel seine Musik gehört. Doch dann habe ich ihn aus den Augen verloren. Erst vor einiger Zeit, als ich beim Anaconda-Verlag auf der Suche nach Klassikern war, fiel mir dieses Büchlein auf.
Doch von vorne:
Das Buch beginnt am Mittwoch, 12. September 1973 (acht Tage vor meinem neunten Geburtstag). Die ersten Sätze muten an, als wenn sie aus einem Bericht über den Holocaust stammen:
„Die Schlange der Gefangenen kommt in den Straßen der Stadt nur mühsam vorwärts. Sie wird von Kolbenhieben begleitet, durch die Beschimpfungen der Soldaten bedrängt, von knurrenden Hunden bedroht. Von Zeit zu Zeit bricht ein Festgenommener auf der Straße zusammen, ein anderer begehrt auf. Sie werden sofort beiseitegeschafft und mit einer Kugel in den Kopf hingerichtet.“
Die Chilenen wurden vom Fleck weg verhaftet: aus ihren Häusern, von der Arbeit, von Universitäten. Ein junger Mann widersprach – er wurde zu Tode geprügelt, ein anderer stürzte sich vor Angst in den Tod.
Unter den Gefangenen, die in das Estadio Chile verschleppt werden, befindet sich auch der berühmte Sänger Victor Jara, der, sobald er von einem Offizier erkannt wurde, einen Peitschenhieb gegen die Schläfe bekommt. Von klein auf kennt Victor Jara dieses Stadion. Er weiß gar nicht mehr, wie oft er hier gesungen hat. Erinnerte sich aber an das Jahr 1969: Die schönsten Stimmen der chilenischen Liedersänger ertönten Stunde um Stunde. Und ihre ganze Hoffnung richtete sich auf die kommende Wahl.
Neben sich hört Victor Jara die Stimme eines 15-Jährigen: „Ich habe Angst. Ich will nicht sterben.“ Noch ist er überzeugt, hier schnell wieder wegzukommen, da die Augen der ganzen Welt auf Chile gerichtet ist. Doch schon ist der Offizier wieder bei ihm, schlägt ihn zusammen und fordert, dass man ihn in das Quartier für die gefährlichen Gefangenen führt.
Als Victor wach wird, liegt er auf der blanken Erde, kann sich kaum rühren, der Körper schmerzt. Aber die Gedanken fliehen zu Menschen, denen er nahesteht: Joan, die Frau, die er liebt, seine Töchter Amanda und Manuela. Er denkt an Salvador Allende und Pablo Neruda, dessen Rückkehr nach Chile gerade gefeiert worden war.
Erinnerungen auch an die Kindheit, die Geschwister, die schon als Sechs- und Siebenjährige mitarbeiten mussten, um die Familie ernähren zu können.
Der Vater war Analphabet, der den Schulbesuch, für den die Mutter sorgte, missbilligte. Dass Victor Jara der geworden ist, der er war, hat viel mit seinem Vater und dessen Verhalten der Familie gegenüber zu tun. Und da geht es um oft düstere Stunden, die Erinnerung daran rief Victor Jara in einem seiner ersten Lieder, „La luna es siempre muy linda“ (Der Mond ist immer sehr schön), wach.
Von der Mutter hatte er die panische Angst, den Teufel zu treffen, was sich leider noch bewahrheiten sollte. Sie brachte ihm auch das Gitarrespielen bei und machte ihn mit traditionellen Instrumenten, Liedern und der Kultur der Mapuche vertraut.
Später sollte Victor Jara auch noch das Elend der Stadtbewohner kennenlernen und als er 17 Jahre jung war, starb seine Mutter, die sich für die Familie quasi totgearbeitet hat.
Wann immer Victor Jara Ungerechtigkeiten sieht oder von Gewalt gegen seine Mitmenschen erfährt, greift er zur Gitarre. Und er prangert die Täter namentlich an.
Mitte der 60er-Jahre fragte ihn ein Journalist, warum er sein Leben von nun an dem Singen widmen wollte:
„Was um mich herum geschieht, berührt mich immer mehr. Die Armut in meinem eigenen Land, in ganz Lateinamerika und in anderen Ländern der Welt. Ich brauche das Holz und die Saiten einer Gitarre, um meiner Freude und Traurigkeit freien Lauf zu lassen.“
Seine Auftritte waren nicht ungefährlich für ihn und seine Mitkünstler. Bei einem Konzert an einer Schule wurden sie von den Extremen fast gelyncht.
Doch er ist vor der Gefahr, die gegen ihn gerichtet war, nie zurückgewichen. Im Gegenteil „ist er gegenüber der Intoleranz standhaft geblieben, er hat den Hass der anderen ertragen, ohne den Blick zu senken, und er hat mit seinen Wünschen und Taten die Entstehung der Demokratie begleitet“.
Und damit schließe ich und lege euch dieses Büchlein über einen wunderbaren Menschen ans Herz.
In dem Wikipedia-Artikel zu Victor Jara erfahrt ihr Näheres über die Aufarbeitung seiner Ermordung: Aktuell wurden am 4. Juli 2018 weitere acht ehemalige Offiziere wegen des Mordes an Victor Jara und den Gefängnisdirektor Littré Quiroga Carvajal zu 15 Jahren und einem Tag Gefängnis verurteilt. Dabei handelt es sich um Hugo Sanchez Marmonti, Raul Jofre Gonzalez, Edwin Dimter Bianchi, Nelson Haase Mazzei, Ernesto Bethke Wulf, Juan Jara Quintana, Hernan Chacon Soto und Patricio Vásquez Donoso. Ein weiterer Offizier, Rolando Melo Silva, wurde wegen Beihilfe zu fünf Jahre und 61 Tage verurteilt.
Hier findet ihr sein letztes Gedicht, das er vor seinem Tod im Fußballstadion von Santiago de Chile im September 1973 geschrieben hat.
Garbo, so wird er von den Engländern genannt: Joan Pujol Garcia. Der Spanier, Katalane, zog zusammen mit den Briten ein umfassendes Spionagenetz um ganz Grossbritannien und berichtete über Madrid nach Berlin. So dachten die Deutschen. In Wirklichkeit war Joan Pujol Garcia das einzige existierende Mitglied seines Spionagerings. Seine Informationen, die er den Deutschen weitergab, erhielt er vom britischen Geheimdienst. Einige erfand er auch ganz einfach. – Die Deutschen schätzten die Qualität seiner Meldungen als gut ein, so dass er imstande war, zusammen mit seinen Freunden vom Geheimdienst den Deutschen eine ganze Reihe von gezielten Informationen weiterzugeben, die diese zum Beispiel im Glauben bestärkten, dass die Invasion auf dem Festland nur beim Pas de Calais geschehen werde.
Der Untertitel “Das Geheimnis des D-Day” bezieht sich auf einen kleinen, aber wichtigen Teil des Buches. Der ganze Rest zeigt, wie Garbo, der bei den Deutschen Alaric Arabel hiess, sein Netz und seine Bedeutung für die Deutschen auf- und ausbaute, mit dem Ziel, sie das tun zu lassen, was für die Briten wichtig war. Das Buch selbst liest sich beinahe wie ein Roman, flüssig, mit ein paar retardierenden Elementen, wenn wieder jemand zu zweifeln begann.
Fragen und Antworten einer Zeitzeugin
"Der Sinn des Lebens ist es, Gutes zu tun, gute Taten zu vollbringen, seinem Nächsten zu helfen, denn dann geht es einem selbst auch gut." (Nuruddin Farah)
Hédi Fried eine Überlebende des Holocaust, erzählt von ihren Erlebnissen und beantwortet seit über 30 Jahren in Schulen und Universitäten Schwedens Fragen rund um den Holocaust, Antisemitismus und Rassismus. Sie ist einer der wenigen noch lebenden Zeitzeugen, die 1944 nach Auschwitz deportiert wurden. Zusammen mit ihrer Schwester und gleichzeitig einzigen Überlebenden ihrer Familie ging sie anschließend nach ihrer Befreiung nach Schweden. Eindringlich und sehr ausführlich beantwortet sie hier Fragen von Schülern, die immer wieder an sie gestellt werden.
Meine Meinung:
In diesem recht kurzen Buch werden sehr detaillierte Fragen die von einzelnen Schülern an Hédi Fried gestellt wurden von ihr beantwortet. Das tut sie aber nicht mit einem kurzen Satz, sondern die Autorin beantwortet diese recht ausführlich, wobei sie schon einmal bei einzelnen richtig in die Tiefe geht. Das Wichtigste bei diesen Fragen jedoch ist der Autorin, das die Menschen die Ereignisse der Nazizeit und ihre Gräuel nie vergessen sollen. Denn wie schnell könnten sie vergessen werden und sich alles wiederholen. Hédi Fried wurde 1924 im rumänischen Sighet geboren und aufgewachsen, wo sie bis zur Deportation ihrer Familie ein gutes Leben führten. Die Psychologin hat im Laufe ihres Lebens einige Bücher geschrieben, unter anderem auch die Biografie "Nachschlag für eine Gestorbene: Ein Leben bis Auschwitz und Ein Leben danach". Sie wurde inzwischen mit mehreren Auszeichnungen für ihr Engagement gewürdigt. Ich habe schon sehr viele Bücher über den Holocaust gelesen. Immer wieder erfahre ich etwas Neues, so auch in diesem Buch. Da sich dieses Jahr die Befreiung Auschwitz zum 75-mal jährt, passt dieses Buch sehr gut. Es gibt nicht nur einen Einblick in das Leben der Autorin, sondern auch in vieles Allgemeines. So werden Fragen wie:
Warum hasste Hitler die Juden?
Hatten Sie Angst vor dem Tod?
Gab es nette SS-Soldaten?
Erkennen Sie sich in den Flüchtlingen von heute wieder? ....
Trotz der Kürze dieses Buches war ich beeindruckt, wie ausführlich und ohne jeglichen Hass gegenüber den Deutschen Hédi Fried hier alle Fragen beantwortet. Manche sind eher kindlich naiv, manche deutlich direkt gestellt, manche mit Interesse zu ihrer Person, andere eher allgemein betreffend und trotzdem nimmt sie alle Fragen sehr ernst. Ein Buch sehr gut für den Geschichtsunterricht das einen Einblick in die grausamen Taten der Nazizeit gibt. Von mir eine Empfehlung und 5 von 5 Sterne.
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