Revanche. Wie Putin das bedrohlichste Regime der Welt geschaffen hat

Bisweilen frage ich mich, wem auf der Rangliste der größten A...löcher in der deutschen Geschichte der zweite Platz zukommt und schwanke zwischen Alfred Hugenberg und Franz von Papen. Über letzteren hat nun Reiner Möckelmann eine Biographie vorgelegt, die den bezeichnenden Untertitel "Hitlers ewiger Vasall" trägt. Darin beschreibt er den Lebensweg des Kurzzeitkanzlers, Vizekanzlers unter Hitler und Botschafter in der Türkei. Schon als Kanzler trug der antidemokratische und bis ins Mark kaisertreue Papen mit seinem "Preußenschlag", der Absetzung der geschäftsführenden Landesregierung Preußens, maßgeblich zur Zerstörung der Weimarer Republik bei. Nachdem sein kurzlebiges "Kabinett der Barone" sich nicht halten konnte, betrieb der Intrigant seine Wiederernennung als Kanzler, indem er auf das Pferd Hitler setzte. Doch der lehnte als Führer der stärksten Fraktion im antidemokratischen Lager verständlicherweise eine Rolle in zweiter Reihe ab, sodass sich nun Papen mit der Vizekanzlerschaft zufrieden gab, dies in der Hoffnung, Hitler mithilfe seiner konservativen Kabinettskollegen einzurahmen. Das dieser Plan nicht klappte, ist hinlänglich bekannt, zudem zeigte sich in der praktischen Politik nichts von Mäßigung seitens Papens, im Gegenteil, er wirkte an zahlreichen Gesetzen zur Etablierung der faschistischen Regierung aktiv mit, hatte auch nichts gegen antijüdische Maßnahmen. Mit seinem Beitrag zur Reichskonkordat trug er zudem dazu bei, Hitler international hoffähig zu machen. Seine als Akt des Widerstandes geltende Marburger Rede stammt tatsächlich aus der Feder seines Beraters Edgar Jung. Als dieser kurze Zeit später in der "Nacht der langen Messer" nach dem sogennanten Röhmputsch ermordet wurde, folgte keine deutliche Reaktion Papens. Im Gegenteil, weiterhin stellte er seine Dienste Hitler zur Verfügung, zuletzt als Botschafter in der Türkei, wo er den Kriegseintritt dieses Staates auf seiten der Alliierten lange, aber letztendlich nicht erfolgreich verhindern konnte.
Nach dem Krieg stilisierte sich Papen dann in seiner apologetischen Autobiographie "Der Wahrheit eine Gasse" - der Titel ist der reine Hohn - als emsiger Arbeiter für das Wohl Deutschlands und eigentlicher Widerständler dar, der mit seinem Wirken Schlimmeres verhindert habe (was, bitteschön, hätte den noch schlimmer kommen können?). Tatsächlich kannte Papen einige der Widerständler, doch diese trauten ihm - vermutlich zu recht - nicht und vermieden enge Kontakte mit ihm, geschweige denn, dass sie ihn in irgendwelche Pläne eingeweiht hätten. Versuch, nach dem Krieg in die CDU einzureten, wurden vom damaligen Vorsitzenden Adenauer, ansonsten nicht sehr zurückhaltend im Umgang mit ehemaligen Nazifunktionären, aus gutem Grund abgelehnt. So blieb Papen bis zu seinem Ende im Jahr 1969 der ewige Vasall Hitlers, der nicht in der Lage war, sich seiner Vergangenheit in ehrlicher Weise zu stellen und sich stattdessen die Wirklichkeit zurechtbog.
Sicherlich ist Möckelmanns Studie mit 39,95 € (31,96 € für wbg Mitglieder) nicht ganz billig, aber sie ist es wert, gelesen zu werden.
Die deutsche Journalistin und Historikerin Maren Gottschalk zeigt in diesem Buch den Lebensweg der Galionsfigur des kaum vorhandenen Widerstands während der Nazizeit nach. Mit vielen Tagebucheinträgen und Briefen zeigt sie uns ein Bild der jungen Sophie Scholl, die sich zunächst auch von der Nazipropaganda einfangen lässt und ein begeistertes und engagiertes Mitglied der deutschen Hitlerjugend, bzw. dem weiblichen Pendant Bund Deutscher Mädel wird. Auch ihr Bruder Hans, ebenfalls Mitglied der "Weißen Rose", war zu Beginn ein überzeugtes HJ-Mitglied und Gruppenführer. Aber so nach und nach rebellieren die Geschwister gegen diese starre und unnachgiebige Autorität, die selbstständiges Denken und Handeln unterdrücken möchte. Spätestens mit dem Beginn des Zweiten Weltkriegs geht Sophie Scholl in die Meinungsopposition, auch wenn sie diese zunächst nur im engsten Freundes- und Familienkreis äußert. Aber ihre inneren Widerstände gegen das Unterdrückungsregime werden immer größer und so zögert sie kaum, der Gruppe der "Weißen Rose" um ihren Bruder Hans beizutreten und sie tatkräftig zu unterstützen. Die "Weiße Rose" war keine militante Widerstandsgruppe, sie hatte nur versucht, eine andere Meinung oder Wahrheit zu verbreiten, in der Hoffnung viele Menschen zu motivieren es ihnen gleichzutun. Es erforderte viel Mut aller Beteiligten und leider haben sechs junge Menschen diese Kühnheit mit ihrem Leben bezahlen müssen.
Der Schreibstil des Buchs ist sehr nüchtern und sachbuchartig, aber trotzdem konnte ich es zum Ende hin kaum aus der Hand legen, obwohl mir der Ausgang der Geschichte natürlich schon bekannt war.
Am 9. Mai 2021 wäre Sophie Scholl 100 Jahre alt geworden. Sie wurde im Alter von 21 Jahren von den Nazis ermordet, weil sie so mutig war, in dieser Zeit der Unterdrückung und Gewalt, ihre Meinung laut zu äußern. Wir sollten Sie und ihre Mitstreiter niemals vergessen!
"Der Sinn des Lebens ist es, Gutes zu tun, gute Taten zu vollbringen, seinem Nächsten zu helfen, denn dann geht es einem selbst auch gut." (Nuruddin Farah)
Hédi Fried eine Überlebende des Holocaust, erzählt von ihren Erlebnissen und beantwortet seit über 30 Jahren in Schulen und Universitäten Schwedens Fragen rund um den Holocaust, Antisemitismus und Rassismus. Sie ist einer der wenigen noch lebenden Zeitzeugen, die 1944 nach Auschwitz deportiert wurden. Zusammen mit ihrer Schwester und gleichzeitig einzigen Überlebenden ihrer Familie ging sie anschließend nach ihrer Befreiung nach Schweden. Eindringlich und sehr ausführlich beantwortet sie hier Fragen von Schülern, die immer wieder an sie gestellt werden.
Meine Meinung:
In diesem recht kurzen Buch werden sehr detaillierte Fragen die von einzelnen Schülern an Hédi Fried gestellt wurden von ihr beantwortet. Das tut sie aber nicht mit einem kurzen Satz, sondern die Autorin beantwortet diese recht ausführlich, wobei sie schon einmal bei einzelnen richtig in die Tiefe geht. Das Wichtigste bei diesen Fragen jedoch ist der Autorin, das die Menschen die Ereignisse der Nazizeit und ihre Gräuel nie vergessen sollen. Denn wie schnell könnten sie vergessen werden und sich alles wiederholen. Hédi Fried wurde 1924 im rumänischen Sighet geboren und aufgewachsen, wo sie bis zur Deportation ihrer Familie ein gutes Leben führten. Die Psychologin hat im Laufe ihres Lebens einige Bücher geschrieben, unter anderem auch die Biografie "Nachschlag für eine Gestorbene: Ein Leben bis Auschwitz und Ein Leben danach". Sie wurde inzwischen mit mehreren Auszeichnungen für ihr Engagement gewürdigt. Ich habe schon sehr viele Bücher über den Holocaust gelesen. Immer wieder erfahre ich etwas Neues, so auch in diesem Buch. Da sich dieses Jahr die Befreiung Auschwitz zum 75-mal jährt, passt dieses Buch sehr gut. Es gibt nicht nur einen Einblick in das Leben der Autorin, sondern auch in vieles Allgemeines. So werden Fragen wie:
Warum hasste Hitler die Juden?
Hatten Sie Angst vor dem Tod?
Gab es nette SS-Soldaten?
Erkennen Sie sich in den Flüchtlingen von heute wieder? ....
Trotz der Kürze dieses Buches war ich beeindruckt, wie ausführlich und ohne jeglichen Hass gegenüber den Deutschen Hédi Fried hier alle Fragen beantwortet. Manche sind eher kindlich naiv, manche deutlich direkt gestellt, manche mit Interesse zu ihrer Person, andere eher allgemein betreffend und trotzdem nimmt sie alle Fragen sehr ernst. Ein Buch sehr gut für den Geschichtsunterricht das einen Einblick in die grausamen Taten der Nazizeit gibt. Von mir eine Empfehlung und 5 von 5 Sterne.
„Das Niedrigste wird aus den Leuten herausgeholt, nicht das Anständige.“
Gertrude Pressburger hat 2016 mit knapp 90 Lebensjahren auf sich aufmerksam gemacht, als sie im Wahlkampf um den österreichischen Bundespräsidenten ein Plädoyer gegen rechts gehalten hat. Das Video wurde viral, die alte Dame war in aller Munde. Nun ließ sie ihre Lebensgeschichte von der Radiojournalsitin Marlene Groihofer aufzeichnen.
Frau Pressburgers Geschichte spricht für sich, sie hat Auschwitz überlebt, ihre Familie nicht. Verfolgung, Flucht, Internierung, menschliche Grausamkeit, Gertrude Pressburger musste als junges Mädchen viel ertragen. Ihre Erinnerungen machen betroffen, bei jedem Wort über ihre Eltern, ihre kleinen Brüder spürt man immer noch die Liebe zu diesen Menschen und die Trauer um deren Verlust.
Trotz all der unfassbaren Erlebnisse, die sie erlebte und überlebte, hat sie ihren Lebensmut nie verloren, blieb sich selbst immer treu. Die Heimkehr nach Wien nach dem Krieg kam ihr die Heimatstadt wie Feindesland vor. Bei Begegnungen mit Fremden, kreisten ständig ihre Gedanken, darum, was der oder diejenige im Krieg getan oder nicht getan hat. Selbst in ihrer Schwiegerfamilie behielt sie lieber Schweigen um ihre Vergangenheit, erst als ihre Tochter alt genug war, begann sie von ihrem Leben zu erzählen.
Heute ist es der alten Dame wichtig, gehört zu werden. Bei ihrer Buchpräsentation stellt sich die 90 jährige einem enormen Publikum. Bald wird es keine Zeitzeugen dieser ungeheuerlichen Zeit geben. Umso wichtiger ist es daher, dass Lebensgeschichten, wie die der Frau Pressburger, weitergegeben werden. Es ist nicht Mitleid, das sie möchte, es ist die Hoffnung, dass die Menschen doch in der Lage sind, aus der Geschichte zu lernen. In diesem Sinne, niemals vergessen.
Russlands Weg in die Diktatur
Das System Putin: Reportagen, Analysen, Berichte, Einschätzungen eines Russlandkenners – sehr aktuell
Wenn ich solche Bücher lese, möchte ich zuerst wissen, wer der Autor ist: Michael Thumann, Chefkorrespondent der 'ZEIT', Leiter des Moskauer Büros, der u.a. dort studiert hat. Also darf ich davon ausgehen, dass er langjähriger Russlandkenner ist. - Aber brauche ich noch ein Buch, wo ich doch gerade einiges zum Thema gelesen habe? Eindeutig JA und ich meine, dass dieses hier das bisher Beste ist. Es hat mir neue Erkenntnisse gebracht und einiges eingeordnet und an seinen Platz gerückt.
Seine Themen: die Fehlentscheidungen deutscher Politiker, vor allem Schröder und Gabriel, russische Narrative erfolgreich in Deutschland, Blick auf den Putsch von 1991 (Gorbatschow auf der Krim festgesetzt; Jelzin), Tschetschenien als Testfeld, Putins 'Freunde' in der Welt, Propaganda, Aufhetzen der Bevölkerung und Informationskrieg, Straflager, gefälschte Wahlen, Missbrauch und Verfälschung der Geschichte, Krieg in der Ukraine, Rache am Westen und persönliche Kränkungen – Wie könnte es enden?
Es fängt leicht und locker an: Thumann spricht mit Bekannten und Freunden in Moskau, er wohnt dort, fährt mit dem Rad und schildert seine Beobachtungen. Das ist leicht zu lesen und obwohl es faktenreicher und komplexer wird, bleibt es gut zu lesen und ich hatte nie den Eindruck, dass es mir zu viel würde.
Auch wenn ich vieles schon weiß, so war ich doch über einiges ziemlich schockiert: z.B. über die Narrative der russischen Propaganda, die auch in Deutschland erfolgreich waren und leider immer noch sind, z.B. 'Die Krim war schon immer Russisch' oder 'Russland hat so gehandelt, weil es sich durch die Nato-Osterweiterung bedroht fühlte.' - Diese Behauptungen, die hier in Deutschland anscheinend auf Unwissenheit beruhen, widerlegt Thumann mit Fakten, zu denen auch nachweisbare Äußerungen von Putin gehören.
Sehr interessant fand ich, wie er Russlands stufenweisen Weg in die totalitäre Diktatur analysiert und zum Heulen schrecklich, wie Russlands Bevölkerung aufgehetzt wird, wie der Völkerfrieden zerstört wird und wie es in Straflagern zugeht. Und bei allem scheinen persönliche und historische Kränkungen des Wladimir Wladimirowitsch Putin eine Rolle zu spielen. Das ist natürlich eine Meinung, eine Einschätzung.
Für dieses Buch kann ich eine ganz große Lese-Empfehlung aussprechen. Für mich ist es das Beste, was ich in letzter Zeit zum Thema gelesen habe und aktuell ist es auch.
6 von 5 Sternen ;-)
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