Der rettende Weg. Schindlers Liste - Die wahre Geschichte.

Das Buch hat mich so ziemlich betroffen gestimmt. Nicht, weil ich etwas Neues gelesen und erfahren habe, nein, weil die politische Lage mich hier ohnmächtig stimmt. Auch ist sie in meinen Augen total absurd. Es fällt mir schwer, daran zu glauben, dass Menschen anderen Menschen so etwas Bestialisches antun können … Wenn ich mir vorstelle, wie diese Männer sich am 20.01.1942 in einer Luxusvilla über eine schnelle Endlösung beraten haben; ich stelle mir dabei Kinder vor, Säuglinge, selbst davor machten sie keinen Halt. Ich werde nicht viel zu dem Buch schreiben, weil es mir sehr nahegeht.
Interessant fand ich, dass es nicht irgendwelche Männer waren; es waren größtenteils Männer mit einer akademischen Ausbildung. Richtig gescheite Leute, die ihre Intelligenz nutzten, um jüdische Menschen auszurotten.
Zitat:
"15 Männer, darunter zehn mit einem abgeschlossenen Hochschulstudium, unter ihnen wiederum neun Juristen, von den acht einen Doktortitel führten, diskutierten diese Fragen, so ist dem Protokoll zu entnehmen, unter angenehm äußeren Umständen, in einer geradezu idyllischen Umgebung, in engagierter, sachlicher und sachkundiger Form; sie vertraten in Detailfragen durchaus unterschiedliche Standpunkte, ohne dass nur einer das Gesamtprojekt, den Mord an 11 Millionen Juden, infrage stellte." (2016, 8)
Ich versuchte mir so eine Konferenz vorzustellen, mich in diese Männer hineinzudenken. Was macht die Menschen zu dem, was sie sind? Was sind das für Männer, deren Gespräche permanent mit Mordgedanken gefüllt sind? Ein zu planender Massenmord eingeleitet mit verschiedenen Methoden, durch Hunger, Erschöpfung, Krankheit, Erschießung und am Ende durch Vergasung. Es gab in dem Buch noch Textstellen, wo diese Nazis bei der Vergasung unter den Duschen von außen zugeschaut haben, wie diese Menschen an dem Gas erstickt sind.
Auf Heydrich wurde später ein Attentat verübt, der kurze Zeit darauf an den Folgen starb. Kam dieses Attentat zu spät? Es gab genug andere Vertreter, die diese Vernichtungspläne weiter umgesetzt haben.
Zitat:
"Die Wannseekonferenz leitete damit eine Weichenstellung ein, in deren Verlauf das Wann, das Wie und das Wo der >>Endlösung<< neu bestimmt wurde. Die Vernichtung der europäischen Juden wurde nun zu einem Projekt, das nicht mehr in großen Teilen nach Kriegsende, sondern vollständig bereits während des Krieges durchgeführt werden sollte; die >>Endlösung<< der europäischen >>Judenfrage<< sollte nicht mehr in den besetzten sowjetischen Gebieten stattfinden, der Schwerpunkt wurde viel mehr in das besetzte Polen verlegt;" (129f)
Ich ahne, was mit Deutschland und mit dem Rest Europa passiert wäre, hätte Hitler seinen Krieg gewonnen. Nur aussprechen wage ich es nicht.
Mein Fazit zu dem Buch?
Nach dem Lesen und während des Lesens, wie ich oben schon geschrieben habe, konnte ich nicht aufhören, mich in diese Männer hineinzuversetzen. Wenn ich mir vorstelle, tagtäglich mit mörderischen Gedanken beschäftigt zu sein, und das noch über viele Jahre, so frage ich mich, wie eine menschliche Seele nur in der Lage sein kann, solche Energien in sich auszuhalten, und diese nach außen hin zu produzieren? Welche seelische Last tut man sich selber damit an?
Dabei sind in dieser Mordmaschinerie nicht nur sechs Millionen Juden umgekommen, sondern auch andere Menschen, die nicht in diesem Nazi-Regime gepasst haben.
Demnach, auch wenn es belastend ist, wäre das Buch unbedingt zu empfehlen. Der Autor hat seinen Stoff gut verständlich einbringen können. Es geht nicht unbedingt darum, etwas Neues zu erfahren. Es geht um das Erinnern, damit eine belastende Geschichte nicht wiederholt wird. Diese Wannseekonferenz war mir von der Thematik her so noch gar nicht bewusst, welch einem Prozess sich die Nazis ausgesetzt haben, um diese Orgie der Gewalt, die mit dem Tod enden sollte, an Menschen anzuwenden.
Zusätzlich gut fand ich, dass der Autor seine Thematik nicht zu sehr aufgebauscht hat.
Merkwürdig nur, in welchem Gegensatz die schlimmen Ereignisse zu deren Schilderung stehen. Bei Degen hat man häufig den Eindruck, der Krieg sei so etwas wie ein großer Abenteuerspielplatz gewesen, auf dem sich das Gros der harmlosen Deutschen tummelte, eingeschüchtert oder verführt von den Nazis. Sogar der Antisemitismus erscheint nur als Hitlers Privatkrieg gegen den Lieblingsfeind. Die Geschichten kommen meist daher wie ein Kaffeeklatsch über den kürzlichen Zoobesuch am Raubtiergehege und sind entsprechend verharmlosend und verklärend.
Degen meint es gut und will jenen ein Denkmal setzen, die im Kleinen den Kampf gegen das Naziregime aufgenommen haben. Es steht jedoch zu befürchten, daß gerade der "Blick des Jungen", mit dem das Buch geschrieben ist, genau jenen entgegenkommt, die im "Tausendjährigen Reich" alt genug waren, um selber Dreck am Stecken zu sammeln.
Michael Degen ist ein beliebter Schauspieler, aus Theater und Fernsehen wohlbekannt. Ich denke, auch mit seinen Kindheitserinnerungen wird er sein Publikum glänzend unterhalten. --Jürgen Grande
Auch dieses Buch von Michael Degen hat mir recht gut gefallen. Der Erfahrungsbericht war sehr glaubwürdig und authentisch geschrieben. Eine wirklich sehr spannende Lebensgeschichte, die schön zu lesen ist, die Mut macht und hoffnungsvoll ist, trotz der sehr traurigen Verluste wichtiger Bezugspersonen. Tut gut zu wissen, dass es viele Deutsche gab, die die Juden nicht ausgeliefert haben, sondern sie zeitlich bei sich aufnahmen, obwohl ihnen bewusst war, dass sie ihr Leben dadurch in Gefahr brachten. Es ist nicht nur ein historisches Buch über den Nationalsozialismus, nein, es ist auch ein Buch über Freundschaften ...
Es ist ein sehr wichtiges Buch, das nie sterben darf , weil womögich die Verkafszahlen zurückgehen…
Die vierköpfige Degenfamilie bestand nur noch aus zwei Personen. Der vier Jahre ältere Bruder, namens Adolf, flüchtete nach Israel, der Vater starb an den Folgen des KZ´.
Warum hat der Vater seinem älteren Sohn den Namen Adolf gegeben, fragt sich Michael.
Zitat:
"Als mein Bruder zur Welt kam, hatte es ja schon viel Geschrei um Hitler gegeben. Ich hätte ihn auch so gerne fragen wollen, weshalb er eine Zeit lang so eine kleine Bartbürste unter der Nase trug. Sollte das eine Art Anpassung oder Tarnung bedeuten?" (List 2015, 126)
Schwierig, darauf eine Antwort zu bekommen, wenn man den Vater nicht mehr fragen kann. Adolf Degen legte den Namen in Israel ab, und eignete sich einen anderen Namen an. Aber das wusste Michael zu der Zeit noch nicht. Michael assoziiert mit Adolf den Führer und gleichzeitig seinen Bruder. Welch eine diskrepante Vorstellung.
Michael ist gerade mal elf Jahre alt, als er mit seiner Mutter über mehrere Jahre im Untergrund lebt. Beide waren schwerem, seelischem Druck ausgesetzt, rappelten sich aber immer wieder hoch ...
Auch Michael und seine Mutter mussten eine neue Identität einstudieren und schlüpften in den Namen Gemeberg. Aus Michael wurde Max Gemeberg. Neue Namen, neue Wohnadresse, neue Herkunft, neuer Beruf, etc. Sie mussten diese Personenbeschreibung auswendig lernen und tief verinnerlichen. Jede Veränderung, wie z. B. den Wohnraumwechsel, musste neu angepasst werden.
Sehr oft begaben sie sich in die Höhle des Löwen, mussten immer wieder persönliche Fragen beantworten und hatten jedes Mal Glück, da sie glaubwürdig erschienen.
Deutsche, die mit ihnen ihren Lebensraum teilten, stellten ihnen politische Fragen, weshalb die Juden sich so unpolitisch verhalten würden, und sich aus allem heraushalten?
Was für eine Kindheit hatte die Jugend im Nationalsozialismus? Michael sammelte mit seinem Freund Granatsplitter, etc. Selbst im Spiel blieb den Kindern permanent der Krieg vor Augen.
Dazu hat mir noch besonders die Freundschaft gefallen, die Michael mit seinem arischen Kameraden Rolf geknüpft hat. Natürlich mussten die beiden erstmal eine Kraftprobe bestehen, die sie über ihre Fäuste austrugen ...
Als Rolf Michael nach Hause einlud, stellte er ihn seinem Vater vor. Doch dieser durchschaute Michael recht schnell, spürte, dass er nicht arisch war, aber er lieferte Michael und dessen Mutter nicht aus ... Im Gegenteil, er nahm die beiden für eine bestimmte Zeit bei sich zu Hause auf. Die Freundschaft der beiden Kinder schweißte sie immer mehr zusammen, doch leider erlitt Rolf beim Granatsplittersuchen einen tödlichen Unfall … Der Tod war allgegenwärtig, er konnte jeden treffen, und machte auch vor Kindern nicht Halt.
Als kurz vor Ende des Krieges die Russen einmarschierten, mussten Michael und seine Mutter die erlernte arische Identität wieder aufgeben. Nun waren sie gezwungen, wieder auf ihre alte Identität zurückzugreifen, wollten sie nicht von den Russen ermordet werden. Russische Soldaten hatten Mühe, Juden, die nicht in die Fänge Hitlers geraten sind, als Juden anzuerkennen. Sie glaubten, dass alle Juden ermordet wurden. Schließlich nahm ein Soldat ihnen die jüdische Herkunft ab. Die Degens machten die Bekanntschaft mit einem weinenden, russischen Soldaten, selber auch Jude, der die Morde an den Juden schwer fassen konnte. Der Soldat war Pianist, der sich mit deutschen Komponisten auskannte:
Zitat
">>Wie kann ein solches Volk so gute Komponisten haben<<, pflegte er immer zu sagen. Er spielte wie ein Gott, und am liebsten hatte ich, wenn er Bach oder Händel spielte und es fertigbrachte, auf dem Klavier ein Cembalo zu imitieren." (2015, 287)
Mein Fazit?
Ich kann das Buch jedem empfehlen, der sich mit dem Nationalsozialismus beschäftigt. Man kennt viele Bücher, in denen die Juden von den Deutschen verraten wurden. Aber dieses Buch ist anders, zeigt die andere Seite der Realität, dass nicht alle Menschen gleich sind. Nicht alle sind böse, nicht alle waren Fieslinge, nicht alle waren Mörder, wie schon der Buchtitel sagt …
Als 1942 die ersten Bomben auf Berlin fielen, war Michael Degen zehn Jahre alt. Ein Jahr später mussten er und seine Mutter in den Untergrund. Zwei Jahre lang, immer auf der Flucht vor Verrat, Entdeckung und dem sicheren Tod verbrachte Michael Degen seine Kindheit.Einfühlsam, ohne jede Sentimentalität und aus der Sicht des Jungen erzählt der bekannte Schauspieler seine Erlebnisse und erinnert sich liebevoll an die Menschen, denen er eigentlich sein Leben verdankt.
Meine Meinung:
Durch Zufall hatte ich dieses Buch in meiner Ortsbücherei entdeckt und da ich den Schauspieler Michael Degen gerne sehe einfach mal ausgeliehen.
Ich war zum einen erstaunt das er Jude ist und zum anderen hat mich seine Biografie so ergriffen das ich das Buch nicht mehr aus der Hand legen konnte.
Sie gehört sicher zu den Biografien die absolut lesenswert sind. Was er und seine Mutter in der Kriegszeit für Ängste ausstehen mussten, unfassbar.
Ich kann dieses Buch nur empfehlen, wenn man sich nicht scheut über Kriegserlebnisse zu lesen.
Und kann dann auch weiter empfehlen das Buch:
Mein heiliges Land: Auf der Suche nach meinem verlorenen Bruder
Inhalt
Oliver Hilmes stellt die Ereignisse rund um die Olympischen Spiele in kleinen Episoden dar, die er sehr gut recherchiert hat und von die auf Tatsachen basieren. Am Beginn jeden Tages steht der Wetterbericht für Berlin, es folgen unterschiedliche Eindrücke des Tages auf verschiedenen Perspektiven.
Einen roten Faden bilden dabei die Erlebnisse des Schriftstellers Thomas Wolfe, der auf Einladung des Rowohlt-Verlags nach Berlin gekommen ist und dessen anfängliche Begeisterung für diese Stadt und die Organisation der Spiele verblasst. Nach seiner Rückkehr nach Amerika veröffentlicht er eine autobiographische Erzählung, die "einerseits eine Liebeserklärung an Berlin, andererseits (...) eine wortgewaltige Abrechnung mit den Nazis und ihrem Regime" (S.278) ist.
Neben der Sicht des Literaten zeigen Goebbels Tagebuchaufzeichnungen einen nüchternen Blick auf die Spiele und verdeutlichen die gnadenlose Instrumentalisierung des Sportes für die machtpolitischen Ziele des NS-Regimes, auf die Hilmes immer wieder hinweist, indem er zum Beispiel Anweisungen der Gestapo zitiert. Erhellend sind auch die Tagesmeldungen der Staatspolizeistelle Berlins oder die Auszüge der täglichen Anweisungen der Reichspressekonferenz, die verdeutlichen, dass um jeden Preis der schöne Schein aufrecht zu erhalten ist.
Auch die sportliche Ereignisse kommen nicht zu kurz, wie das Ausscheiden der deutschen Mannschaft beim Fußball oder die Alibi-Jüdin der deutschen olympischen Mannschaft, die Fechterin Helene Mayer. Der Unwille Hitlers über die Siege des schwarzen Sprinterstars Jesse Owens dagegen sind hinlänglich bekannt.
Wirklich berühren die Geschichten der sogenannten "kleinen Leute", die im Fahrtwasser der Spiele untergehen. Wie zum Beispiel die kleine Elisabeth, deren Familie, da sie zu den Sinti und Roma gehören, im Rahmen der Olympiade aus dem Zentrum Berlins verbannt werden und unter menschenunwürdigen Bedingungen am Rande der Stadt zusammengepfercht werden. Diese Geschichten hätten noch stärker in den Vordergrund gerückt werden müssen, da sowohl die politischen als auch die sportlichen Ereignisse nicht Neues erzählen.
Die Darstellung der glamourösen Etablissements, denen eine Gnadenfrist während der Olympiade gewährt wird, um das Bild des mondänen Berlins aufrecht zu erhalten, wie das Beispiel des Quartier Latin zeigt, runden die Eindrücke, die Außenstehende während der olympischen Spiele haben, ab.
Der letzte Teil des Buches beleuchtet, was aus den einzelnen Personen nach den Spielen geworden ist.
So entsteht insgesamt ein interessantes Kaleidoskop der Olympischen Spiele in Berlin im Jahre 1936.
Bewertung
Zu Beginn ist es mir schwer gefallen, in den Roman hineinzukommen. Die Episoden sind zunächst sehr kurz, verschiedene Personen tauchen auf, Schicksale werden angedeutet, ein schneller Wechsel der Orte und Perspektiven erfolgt. Bis auf wenige Einzelschicksale tauchen die Figuren jedoch immer wieder auf und es spinnen sich rote Fäden, wie z.B. die Erlebnisse des Autors Thomas Wolfe oder Goebbels Tagebuchaufzeichnungen, die den Roman stringenter werden lassen.
Trotzdem bin ich der Meinung, dass weniger Figuren eine größere Identifikationsfläche geboten hätten und man so eventuell tiefer in das Geschehen hätte eintauchen können. So berühren die Einzelschicksale, der Rest zieht vorüber, ohne tiefere Spuren zu hinterlassen.
Insgesamt entsteht ein facettenreiches "Gemälde" der 16 Tage im August, in denen es den Nationalsozialisten leider gelungen ist, einen Großteil der Besucher im Glauben zu lassen, sie hätten eine friedliche Gesinnung. Das Buch zeigt jedoch auf, dass es durchaus Menschen, wie Thomas Wolfe gegeben hat, die es vermochten, hinter den schönen Schein geblickt haben und verdeutlicht erneut die Unmenschlichkeit und Skrupellosigkeit des NS-Regimes. Dadurch gehört es für mich in die Reihe jener Werke gegen das Vergessen.
Die Olympischen Spiele der Nationalsozialisten in Berlin 1936 gelten bis heute als Musterbeispiel staatlicher Propaganda. Nie zuvor war eine Veranstaltung mit soviel technischem und personellem Aufwand so perfekt inszeniert worden. Die Welt sollte beeindruckt sein - und sie war es auch. Bis heute wird Leni Riefenstahls Propagandafilm „Olympia“, die Dokumentation jener Tage und finanziert von Propagandaminister Joseph Goebbels, kontrovers diskutiert.
Der Historiker Oliver Hilmes berichtet in „Berlin 1936 - 16 Tage im August“ über diese scheinbaren Tage der Normalität in einer pulsierenden Metropole. Unzählige ausländische Besucher sind in die Stadt gekommen, denen die Nazis Weltoffenheit demonstrieren wollen. Die „Juden verboten“-Schilder sind für gut zwei Wochen verschwunden.
Jedem dieser 16 Tage ist ein eigenes Kapitel gewidmet, angefüllt mit Anekdoten zu mehr oder minder bekannten Persönlichkeiten der damaligen Zeit. Der Leser erfährt Details über den Tagesablauf des amerikanischen Autors Thomas Wolfe, der sich in der Stadt aufhält und die legendären Feiern und Saufgelage bei Verleger Ernst Rowohlt. Amüsant ist auch die Geschichte des unehelichen Sohnes Heinz Ledig. Verleger und Sohn wollen die Geschichte geheim halten, tatsächlich kennt sie der ganze Verlag. Hilmes zitiert auch aus den Tagebuchaufzeichnungen von Goebbels. Der Seitensprung seiner Frau und das sehr spezielle Verhältnis von beiden zum Führer werden beleuchtet. Das alles ist interessant und von Hilmes hervorragend recherchiert, bleibt aber immer seltsam oberflächlich.
Es gibt in diesem Buch viele Anekdoten über Diplomaten, Komponisten, Schriftsteller und Nachtclubbesitzer, die sich während dieser Tage in der Stadt tummeln und das Partyleben der mondänen Clubs geniessen. Die Opfer der Nazis oder wie es um diesen Staatsapparat tatsächlich bestellt ist, werden eher nebenbei abgehandelt. So wird beispielsweise der damals schon berühmte Thomas Wolfe von einer Begleitung darüber aufgeklärt, dass in Deutschland unbequeme Personen schnell im Konzentrationslager landen. Das alles wird aber nur in wenigen Sätzen abgehandelt.
Ja, man fühlt sich durch die vielen kurzen Geschichten wirklich ins Berlin des Jahres 1936 versetzt. Aber ein Buch über eine Diktatur im Pausenmodus ist dieses Buch nicht. „Ein Sommer der Widersprüche: Im Olympiastadion jubeln die Massen, und vor der Stadt entsteht das KZ Sachsenhausen“, beschreibt der Klappentext. Die Geschichte der Konzentrationslager beginnt bereits 1933. 1936 sind Hunderttausende inhaftiert und der Willkür ihrer Bewacher ausgesetzt. Was ist eigentlich mit denen? Das erfahren wir nicht, nur ansatzweise, nicht aber detailliert anhand von Einzelschicksalen. Das Los, der Überlebenskampf dieser Personen vor der Fassade von Olympia 1936 wäre sicher interessanter und beeindruckender gewesen als noch eine Anekdote mehr über den Nachtclub Sherbini und seinen zwielichtigen Betreiber.
Hätte sich da nicht der eine oder andere Zeitzeuge finden lassen, der in diesen 16 Tagen um den verschleppten Bruder, die verschleppte Schwester gebangt hat oder vielleicht selber schon in der Zelle der Gestapo sass? Dann hätte „Berlin 1936 - 16 Tage im August“ ein berührendes Werk werden können - schade.
Es gibt sehr viele Bücher und Filme über den Nationalsozialismus, und ich bin immer wieder erstaunt darüber, dass noch mehr Bücher dazu geschrieben werden. Es zeigt, dass man nie fertig ist mit dieser Thematik.
"Berlin 1936" hat mir auch recht gut gefallen.
Ich denke, dass es dem Historiker Oliver Hilmes ziemlich gut gelungen ist, zu den Olympischen Spielen 1936 hinter die Kulissen zu schauen. Am 1. August begann die Eröffnungsfeier und endete mit einer Abschlussfeier am 16. August. Adolf Hitler bzw. das Deutsche Reich ist Gastgeber gewesen.
Die sechzehn Tage werden jeweils in einzelne Kapitel gegliedert. Zu Beginn eines neuen Tages gibt es einen kleinen Wetterbericht.
Neben den sportlichen und politischen Ereignissen beschreibt Hilmes auch das Berliner Stadtleben, in dem viele Feierlichkeiten in Bars und gehobenen Tanzlokalen stattgefunden haben ...
Der Autor hat die Propagandapolitik gut beschreiben können. Viele interessante Zitate aus verschiedenen Tagebüchern der Akteure wie z. B. Hitler, Goebbels und diverse andere Tagebuchschreiberlinge können dem Buch entnommen werden.
Was sehr nachdenklich stimmt, ist, dass nicht nur das deutsche Volk manipulierbar gewesen ist, sondern auch die Sporttouristen. In diesem Sinne wurden die Olympischen Spiele zu politischen Zwecken im Nazi-Deutschland instrumentalisiert.
Hitler und Goebbels waren eigentlich gegen die Olympischen Spiele. Goebbels äußerte sich in seinem Tagebuch recht abfällig dazu und dass er froh sei, wenn alles wieder schnell vorbei ginge. Manche Beteiligte bezeichnete er als "Zirkusflöhe."
Goebbels und Hitler fühlten sich in ihrer Politik gestört, niemand sollte dahinterkommen, dass sie antisemitische Politik betreiben. Während der Olympischen Spiele setzte die Politik kurzweilig aus. Anderenorts wurde sie im Untergrund heimlich weiter betrieben. 1936 gab es schon vereinzelt KZ.
Hitlers Auftreten in der Öffentlichkeit zeugte von großer Sympathie bei den Touristen. Seine Ausstrahlung war geprägt von väterlichem Charisma. Nur wenige konnten hinter seine Fassade schauen.
Hilmes stellt sich die Frage, ob Hitler sich sogar als getarnter Friedensstifter ausgab, als dieser zu den verschiedenen Nationen spricht:
>>Wir wollen uns kennen und schätzen lernen und dadurch eine Brücke bauen, auf der die Völker Europas sich verständigen können. << (2016,106)
Oliver Hilmes gebraucht den Begriff Das Spiel als Massensuggestion.
Dazu ein kritisches Zitat der Sportjournalistin Bella Fromm aus ihrem Tagebuch:
>>Die Ausländer werden verwöhnt, verhätschelt, umschmeichelt und getäuscht (…). Indem man die Olympischen Spiele als Vorwand benutzt, versucht die Propagandamaschine bei den Besuchern einen günstigen Eindruck vom Dritten Reich zu schaffen.<< (105)
Was hat mich persönlich berührt?
Tief berührt hat mich der amerikanische Sportler Jesse Owens, schwarze Hautfarbe, der in den Olympischen Spielen mit mehreren Goldmedaillen ausgezeichnet wurde, über die sich Hitler massiv erregt hat. Hitler konnte nicht verstehen, dass die Amerikaner Schwarze für sich kämpfen ließen. Dass Jesse Owens so athletisch war, erklärte Hitler damit, dass Schwarze (Nigger) gegenüber der weißen Rasse keine fairen Konkurrenten abgeben würden, da die Schwarzen aus dem Dschungel kommen würden. Als würden die Menschen dort wie Affen nur auf Bäumen klettern ... Wobei der dunkelhäutige Athlet Amerikaner ist und nicht aus Afrika kommt.
Auf Seite 206 findet man ein kritisches Gedicht mit dem Titel Nazi-Olympiade von dem Schriftsteller Alfred Kerr, der in London im Exil lebte. In seinem Gedicht hat er den Rassismus gegenüber Juden und Schwarzen deutlich gemacht.
Dazu dritter Vers:
"Der >>Führer<< ächzt: >>Die Olympiad´
(Das ist schon durchgesickert)
Scheint ganz wie der Franzosenstaat
Verjuddet und Verniggert<<.
Er stöhnt: >>Gott, du Gerechter!<<
(Olympisches Gelächter)."
Der amerikanische Schriftsteller Thomas Wolfe hat mich auch beschäftigt. Wolfe liebte Berlin so sehr, dass er erst Probleme hatte, die rassistisch gefärbte Politik, auch gegen andersgeartete Menschen, in Deutschland wahrzunehmen. Zu sehr idealisierte er das Land. Später kommt er zu einer anderen Erkenntnis:
Ihm wird klar, dass die Nationalsozialisten dieses Land, das Tom so sehr liebt, schleichend mit ihrem Gift durchsetzen, dass sie es zerstören wollen: >>Es war eine solche Leistung -unsichtbar, aber unverkennbar, wie der Tod. (214f)
Mein Fazit?
Oliver Hilmes bestätigt meine Theorie, dass in den Sportmeisterschaften die Menschen hochgradig manipulierbar sind, und dass die Spiele aus meiner Sicht auch heutzutage noch politisch instrumentalisiert werden, weshalb ich mich selbst nicht für Sport interessiere. Fußball-WM und -EM können Sportdesinteressierten dadurch völlig kalt lassen. Man kann aber bei der Vorstellung, wenn die Masse vor dem Kasten sitzt und sie sich von dem Spiel und dem Sportmoderator emotional hochkochen lässt, leicht Gänsehaut bekommen, weil es deutlich macht, wie sehr der Mensch sich davon beeindrucken und beeinflussen lässt ...
Nun habe ich durch dieses Buch jene Sportattraktionen im Nazi-Deutschland mitbekommen. Das hatte ich bisher neben den vielen anderen Nationalsozialistischen Büchern, die ich gelesen habe, noch nicht gehabt.
Das Buch ist gut geschrieben, leicht verständlich, sehr interessant und gut recherchiert.
Inhalt
Oliver Hilmes stellt die Ereignisse rund um die Olympischen Spiele in kleinen Episoden dar, die er sehr gut recherchiert hat und von die auf Tatsachen basieren. Am Beginn jeden Tages steht der Wetterbericht für Berlin, es folgen unterschiedliche Eindrücke des Tages auf verschiedenen Perspektiven.
Einen roten Faden bilden dabei die Erlebnisse des Schriftstellers Thomas Wolfe, der auf Einladung des Rowohlt-Verlags nach Berlin gekommen ist und dessen anfängliche Begeisterung für diese Stadt und die Organisation der Spiele verblasst. Nach seiner Rückkehr nach Amerika veröffentlicht er eine autobiographische Erzählung, die "einerseits eine Liebeserklärung an Berlin, andererseits (...) eine wortgewaltige Abrechnung mit den Nazis und ihrem Regime" (S.278) ist.
Neben der Sicht des Literaten zeigen Goebbels Tagebuchaufzeichnungen einen nüchternen Blick auf die Spiele und verdeutlichen die gnadenlose Instrumentalisierung des Sportes für die machtpolitischen Ziele des NS-Regimes, auf die Hilmes immer wieder hinweist, indem er zum Beispiel Anweisungen der Gestapo zitiert. Erhellend sind auch die Tagesmeldungen der Staatspolizeistelle Berlins oder die Auszüge der täglichen Anweisungen der Reichspressekonferenz, die verdeutlichen, dass um jeden Preis der schöne Schein aufrecht zu erhalten ist.
Auch die sportliche Ereignisse kommen nicht zu kurz, wie das Ausscheiden der deutschen Mannschaft beim Fußball oder die Alibi-Jüdin der deutschen olympischen Mannschaft, die Fechterin Helene Mayer. Der Unwille Hitlers über die Siege des schwarzen Sprinterstars Jesse Owens dagegen sind hinlänglich bekannt.
Wirklich berühren die Geschichten der sogenannten "kleinen Leute", die im Fahrtwasser der Spiele untergehen. Wie zum Beispiel die kleine Elisabeth, deren Familie, da sie zu den Sinti und Roma gehören, im Rahmen der Olympiade aus dem Zentrum Berlins verbannt werden und unter menschenunwürdigen Bedingungen am Rande der Stadt zusammengepfercht werden. Diese Geschichten hätten noch stärker in den Vordergrund gerückt werden müssen, da sowohl die politischen als auch die sportlichen Ereignisse nicht Neues erzählen.
Die Darstellung der glamourösen Etablissements, denen eine Gnadenfrist während der Olympiade gewährt wird, um das Bild des mondänen Berlins aufrecht zu erhalten, wie das Beispiel des Quartier Latin zeigt, runden die Eindrücke, die Außenstehende während der olympischen Spiele haben, ab.
Der letzte Teil des Buches beleuchtet, was aus den einzelnen Personen nach den Spielen geworden ist.
So entsteht insgesamt ein interessantes Kaleidoskop der Olympischen Spiele in Berlin im Jahre 1936.
Bewertung
Zu Beginn ist es mir schwer gefallen, in den Roman hineinzukommen. Die Episoden sind zunächst sehr kurz, verschiedene Personen tauchen auf, Schicksale werden angedeutet, ein schneller Wechsel der Orte und Perspektiven erfolgt. Bis auf wenige Einzelschicksale tauchen die Figuren jedoch immer wieder auf und es spinnen sich rote Fäden, wie z.B. die Erlebnisse des Autors Thomas Wolfe oder Goebbels Tagebuchaufzeichnungen, die den Roman stringenter werden lassen.
Trotzdem bin ich der Meinung, dass weniger Figuren eine größere Identifikationsfläche geboten hätten und man so eventuell tiefer in das Geschehen hätte eintauchen können. So berühren die Einzelschicksale, der Rest zieht vorüber, ohne tiefere Spuren zu hinterlassen.
Insgesamt entsteht ein facettenreiches "Gemälde" der 16 Tage im August, in denen es den Nationalsozialisten leider gelungen ist, einen Großteil der Besucher im Glauben zu lassen, sie hätten eine friedliche Gesinnung. Das Buch zeigt jedoch auf, dass es durchaus Menschen, wie Thomas Wolfe gegeben hat, die es vermochten, hinter den schönen Schein geblickt haben und verdeutlicht erneut die Unmenschlichkeit und Skrupellosigkeit des NS-Regimes. Dadurch gehört es für mich in die Reihe jener Werke gegen das Vergessen.
Die Olympischen Spiele der Nationalsozialisten in Berlin 1936 gelten bis heute als Musterbeispiel staatlicher Propaganda. Nie zuvor war eine Veranstaltung mit soviel technischem und personellem Aufwand so perfekt inszeniert worden. Die Welt sollte beeindruckt sein - und sie war es auch. Bis heute wird Leni Riefenstahls Propagandafilm „Olympia“, die Dokumentation jener Tage und finanziert von Propagandaminister Joseph Goebbels, kontrovers diskutiert.
Der Historiker Oliver Hilmes berichtet in „Berlin 1936 - 16 Tage im August“ über diese scheinbaren Tage der Normalität in einer pulsierenden Metropole. Unzählige ausländische Besucher sind in die Stadt gekommen, denen die Nazis Weltoffenheit demonstrieren wollen. Die „Juden verboten“-Schilder sind für gut zwei Wochen verschwunden.
Jedem dieser 16 Tage ist ein eigenes Kapitel gewidmet, angefüllt mit Anekdoten zu mehr oder minder bekannten Persönlichkeiten der damaligen Zeit. Der Leser erfährt Details über den Tagesablauf des amerikanischen Autors Thomas Wolfe, der sich in der Stadt aufhält und die legendären Feiern und Saufgelage bei Verleger Ernst Rowohlt. Amüsant ist auch die Geschichte des unehelichen Sohnes Heinz Ledig. Verleger und Sohn wollen die Geschichte geheim halten, tatsächlich kennt sie der ganze Verlag. Hilmes zitiert auch aus den Tagebuchaufzeichnungen von Goebbels. Der Seitensprung seiner Frau und das sehr spezielle Verhältnis von beiden zum Führer werden beleuchtet. Das alles ist interessant und von Hilmes hervorragend recherchiert, bleibt aber immer seltsam oberflächlich.
Es gibt in diesem Buch viele Anekdoten über Diplomaten, Komponisten, Schriftsteller und Nachtclubbesitzer, die sich während dieser Tage in der Stadt tummeln und das Partyleben der mondänen Clubs geniessen. Die Opfer der Nazis oder wie es um diesen Staatsapparat tatsächlich bestellt ist, werden eher nebenbei abgehandelt. So wird beispielsweise der damals schon berühmte Thomas Wolfe von einer Begleitung darüber aufgeklärt, dass in Deutschland unbequeme Personen schnell im Konzentrationslager landen. Das alles wird aber nur in wenigen Sätzen abgehandelt.
Ja, man fühlt sich durch die vielen kurzen Geschichten wirklich ins Berlin des Jahres 1936 versetzt. Aber ein Buch über eine Diktatur im Pausenmodus ist dieses Buch nicht. „Ein Sommer der Widersprüche: Im Olympiastadion jubeln die Massen, und vor der Stadt entsteht das KZ Sachsenhausen“, beschreibt der Klappentext. Die Geschichte der Konzentrationslager beginnt bereits 1933. 1936 sind Hunderttausende inhaftiert und der Willkür ihrer Bewacher ausgesetzt. Was ist eigentlich mit denen? Das erfahren wir nicht, nur ansatzweise, nicht aber detailliert anhand von Einzelschicksalen. Das Los, der Überlebenskampf dieser Personen vor der Fassade von Olympia 1936 wäre sicher interessanter und beeindruckender gewesen als noch eine Anekdote mehr über den Nachtclub Sherbini und seinen zwielichtigen Betreiber.
Hätte sich da nicht der eine oder andere Zeitzeuge finden lassen, der in diesen 16 Tagen um den verschleppten Bruder, die verschleppte Schwester gebangt hat oder vielleicht selber schon in der Zelle der Gestapo sass? Dann hätte „Berlin 1936 - 16 Tage im August“ ein berührendes Werk werden können - schade.
Es gibt sehr viele Bücher und Filme über den Nationalsozialismus, und ich bin immer wieder erstaunt darüber, dass noch mehr Bücher dazu geschrieben werden. Es zeigt, dass man nie fertig ist mit dieser Thematik.
"Berlin 1936" hat mir auch recht gut gefallen.
Ich denke, dass es dem Historiker Oliver Hilmes ziemlich gut gelungen ist, zu den Olympischen Spielen 1936 hinter die Kulissen zu schauen. Am 1. August begann die Eröffnungsfeier und endete mit einer Abschlussfeier am 16. August. Adolf Hitler bzw. das Deutsche Reich ist Gastgeber gewesen.
Die sechzehn Tage werden jeweils in einzelne Kapitel gegliedert. Zu Beginn eines neuen Tages gibt es einen kleinen Wetterbericht.
Neben den sportlichen und politischen Ereignissen beschreibt Hilmes auch das Berliner Stadtleben, in dem viele Feierlichkeiten in Bars und gehobenen Tanzlokalen stattgefunden haben ...
Der Autor hat die Propagandapolitik gut beschreiben können. Viele interessante Zitate aus verschiedenen Tagebüchern der Akteure wie z. B. Hitler, Goebbels und diverse andere Tagebuchschreiberlinge können dem Buch entnommen werden.
Was sehr nachdenklich stimmt, ist, dass nicht nur das deutsche Volk manipulierbar gewesen ist, sondern auch die Sporttouristen. In diesem Sinne wurden die Olympischen Spiele zu politischen Zwecken im Nazi-Deutschland instrumentalisiert.
Hitler und Goebbels waren eigentlich gegen die Olympischen Spiele. Goebbels äußerte sich in seinem Tagebuch recht abfällig dazu und dass er froh sei, wenn alles wieder schnell vorbei ginge. Manche Beteiligte bezeichnete er als "Zirkusflöhe."
Goebbels und Hitler fühlten sich in ihrer Politik gestört, niemand sollte dahinterkommen, dass sie antisemitische Politik betreiben. Während der Olympischen Spiele setzte die Politik kurzweilig aus. Anderenorts wurde sie im Untergrund heimlich weiter betrieben. 1936 gab es schon vereinzelt KZ.
Hitlers Auftreten in der Öffentlichkeit zeugte von großer Sympathie bei den Touristen. Seine Ausstrahlung war geprägt von väterlichem Charisma. Nur wenige konnten hinter seine Fassade schauen.
Hilmes stellt sich die Frage, ob Hitler sich sogar als getarnter Friedensstifter ausgab, als dieser zu den verschiedenen Nationen spricht:
>>Wir wollen uns kennen und schätzen lernen und dadurch eine Brücke bauen, auf der die Völker Europas sich verständigen können. << (2016,106)
Oliver Hilmes gebraucht den Begriff Das Spiel als Massensuggestion.
Dazu ein kritisches Zitat der Sportjournalistin Bella Fromm aus ihrem Tagebuch:
>>Die Ausländer werden verwöhnt, verhätschelt, umschmeichelt und getäuscht (…). Indem man die Olympischen Spiele als Vorwand benutzt, versucht die Propagandamaschine bei den Besuchern einen günstigen Eindruck vom Dritten Reich zu schaffen.<< (105)
Was hat mich persönlich berührt?
Tief berührt hat mich der amerikanische Sportler Jesse Owens, schwarze Hautfarbe, der in den Olympischen Spielen mit mehreren Goldmedaillen ausgezeichnet wurde, über die sich Hitler massiv erregt hat. Hitler konnte nicht verstehen, dass die Amerikaner Schwarze für sich kämpfen ließen. Dass Jesse Owens so athletisch war, erklärte Hitler damit, dass Schwarze (Nigger) gegenüber der weißen Rasse keine fairen Konkurrenten abgeben würden, da die Schwarzen aus dem Dschungel kommen würden. Als würden die Menschen dort wie Affen nur auf Bäumen klettern ... Wobei der dunkelhäutige Athlet Amerikaner ist und nicht aus Afrika kommt.
Auf Seite 206 findet man ein kritisches Gedicht mit dem Titel Nazi-Olympiade von dem Schriftsteller Alfred Kerr, der in London im Exil lebte. In seinem Gedicht hat er den Rassismus gegenüber Juden und Schwarzen deutlich gemacht.
Dazu dritter Vers:
"Der >>Führer<< ächzt: >>Die Olympiad´
(Das ist schon durchgesickert)
Scheint ganz wie der Franzosenstaat
Verjuddet und Verniggert<<.
Er stöhnt: >>Gott, du Gerechter!<<
(Olympisches Gelächter)."
Der amerikanische Schriftsteller Thomas Wolfe hat mich auch beschäftigt. Wolfe liebte Berlin so sehr, dass er erst Probleme hatte, die rassistisch gefärbte Politik, auch gegen andersgeartete Menschen, in Deutschland wahrzunehmen. Zu sehr idealisierte er das Land. Später kommt er zu einer anderen Erkenntnis:
Ihm wird klar, dass die Nationalsozialisten dieses Land, das Tom so sehr liebt, schleichend mit ihrem Gift durchsetzen, dass sie es zerstören wollen: >>Es war eine solche Leistung -unsichtbar, aber unverkennbar, wie der Tod. (214f)
Mein Fazit?
Oliver Hilmes bestätigt meine Theorie, dass in den Sportmeisterschaften die Menschen hochgradig manipulierbar sind, und dass die Spiele aus meiner Sicht auch heutzutage noch politisch instrumentalisiert werden, weshalb ich mich selbst nicht für Sport interessiere. Fußball-WM und -EM können Sportdesinteressierten dadurch völlig kalt lassen. Man kann aber bei der Vorstellung, wenn die Masse vor dem Kasten sitzt und sie sich von dem Spiel und dem Sportmoderator emotional hochkochen lässt, leicht Gänsehaut bekommen, weil es deutlich macht, wie sehr der Mensch sich davon beeindrucken und beeinflussen lässt ...
Nun habe ich durch dieses Buch jene Sportattraktionen im Nazi-Deutschland mitbekommen. Das hatte ich bisher neben den vielen anderen Nationalsozialistischen Büchern, die ich gelesen habe, noch nicht gehabt.
Das Buch ist gut geschrieben, leicht verständlich, sehr interessant und gut recherchiert.
Historische Einordnung
"Unter entsprechender Leitung sollen im Zuge der Endlösung Juden in geeigneter Weise im Osten zum Arbeitseinsatz kommen. In großen Arbeitskolonnen, unter Trennung der Geschlechter, werden die arbeitsfähigen Juden in diese Gebiete geführt, wobei zweifellos ein Großteil durch natürliche Verminderung ausfallen wird.
Der allfällig verbleibende Restbestand wird, da es sich bei diesem zweifellos um den widerstandsfähigsten Teil handelt, entsprechend behandelt werden müssen, da dieser, eine natürliche Auslese darstellend, bei Freilassung als Keimzelle eines neuen jüdischen Aufbaues anzusprechen ist".
Dieser ebenso verschleiernde als auch verräterische Auszug aus dem einzig erhalten gebliebenen Protokoll der Wannsee-Konferenz markiert nach gängiger Auffassung der Fachwissenschaft den Wendepunkt zur systematisch vollzogenen Judenvernichtung. In der prächtigen Villa am Wannsee trafen sich am 20.1.1942 auf Einladung und unter Federführung Reinhard Heydrichs fünfzehn hochrangige Vertreter aus Ministerien, Partei und der SS um die sogenannte "Endlösung" der Judenfrage zu besprechen. Longerich versucht in seiner detailreichen Studie nachzuweisen, dass die Wannsee-Konferenz zwar eine wichtige Bedeutung in der Geschichte der Judenverfolgung hat, aber längst nicht die bisher angenommene eines Wendepunktes. Dafür spricht zum einen, dass das Mordprogramm längst angelaufen war, zum anderen, dass es dem Initiator des Treffens, Heydrich, darum ging, die Fäden für das Vernichtungsprogramm in seiner Hand zu vereinigen. Dabei gab es allenfalls graduelle Unterschiede, so soll Heydrich selbst die Vernichtung der Juden erst für die Zeit nach dem Krieg ins Auge gefasst haben, während sein Vorgesetzter und Konkurrent in dieser Frage, der SS-Chef Heinrich Himmler, bereits im Krieg alles dafür tat, dass kein Jude überleben solle. Entschieden worden sei diese Frage letztendlich durch den frühen Tod Heydrichs, der in der besetzten Tschechoslowakei einem Attentat zum Opfer fiel. Viel auffälliger finde ich es als Leser, dass keiner der Anwesenden auch nur einen zaghaften Versuch unternahm, etwas gegen das Mordprogramm zu unternehmen. Lediglich hinsichtlich der sogenannten Mischlinge ersten Grades erhoben Vertreter des Innen- bzw. des Justizministerium Einwände in die geplante Aufnahme ins Vernichtungsprogramm, ihrer Meinung nach hätte es ausgereicht, diese sterilisieren zu lassen(!).
Insgesamt gelingt es Longerich eindringlich, die Vorgeschichte und die Folgen der Konferenz zu beschreiben, wobei ich es vermisse, dass er den Werdegang der Teilnehmer nach dem Ende des Dritten Reiches nicht mehr schildert. Beim eigenen Nachforschen stellte ich fest, dass einige den Krieg nicht überlebt haben, andere verurteilt wurden, allerdings für andere Gräueltaten, nicht für die Teilnahme an dieser mörderischen Konferenz. Eine dritte Gruppe lebte relativ unbehelligt nach dem Krieg in der Bundesrepublik, einer wurde von einer Spruchkammer als "minderbelastet" eingestuft, wurde Berater Adenauers und bekam sogar das Bundesverdienstkreuz. Aber das ist ein anderes (bitteres) Kapitel der Nachkriegsgeschichte.
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