Ein Tag im Leben von Abed Salama

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Rezensionen zu "Ein Tag im Leben von Abed Salama"

  1. Israelisch-palästinensischer Konflikt –halb Info, halb Erzählung

    Nahostkonflikt/Westjordanland – Unrecht an den Palästinensern gestern und heute – halb Info, halb Schicksale verschiedener Personen

    Ich klappe das Buch erleichtert zu; zurück bleibt bei mir ein wirrer Eindruck, so unstrukturiert, wie ich das Buch im Ganzen empfinde. Dabei lässt die Kapiteleinteilung genau wie der Titel anderes vermuten. Laut Autor ist es ein Tatsachenbericht, ein erzählendes Sachbuch. So ist es auch und weil er sich mit Quellen anscheinend viel Arbeit gemacht hat, tut es mir besonders leid, dass ich es nicht sonderlich erhellend finde.

    Dabei fängt es spannend an, mit der Erwähnung eines Schulbusunglücks, bei dem möglicherweise Abed Salams fünfjähriger Sohn Milad betroffen ist. Im folgenden soll dann seine Odysee, ihn zu finden, geschildert werden: Ein Tag im Leben von Abed Salama – wie der Titel angibt. Die letzten Sätze in diesem Prolog fragen nach der möglichen Strafe für eine Schuld Abeds.

    So erfahren wir also im folgenden seine Lebensgeschichte mit besonderem Fokus auf seinen 'Heiratsgeschichten', die ihn in meinen Augen nicht gerade sympathisch machen. Er lässt seine erste große Liebe Ghazl kommentarlos fallen, lediglich aufgrund eines einzigen Satzes seiner Schwägerin, der sich später zudem noch als Lüge herausstellt. Er heiratet überstürzt eine andere, die Ehe ist unglücklich, bringt aber vier Töchter hervor. Scheidung und erneute Heirat. So ausführlich hätte ich es nicht wissen müssen und ich sehe auch nicht, was es zum Thema des Buches beiträgt.

    Interessant ist die Beschreibung seines Wohnortes Anata, östlich von Jerusalem und überhaupt die Darstellung der Situation im Westjordanland, der Wandel von einer ländlich geprägten Gegend zu einer verstädterten unübersichtlichen Lage: Hochhäuser, Sperranlagen, Checkpoints der Israelis, was eine enorme Benachteiligung der palästinensischen Bevölkerung durch die Einschränkung ihrer Bewegungsfreiheit nach sich zieht. In einem späteren Kapitel wird ausführlich auf 'die Mauer' eingegangen, die Sperranlagen, das größte Infrastrukturprojekt Israels, gedacht als Schutz vor palästinensischen Terroranschlägen, am schwierigsten im Großraum Jerusalem. Leider ist das Ganze sehr unstrukturiert und nicht chronologisch erzählt, so dass es der Leser schwer hat, sich ein Bild zu machen.

    Wir lernen verschiedene Personen kennen, die an dem Unfall beteiligt waren oder geholfen habe, wir erfahren ihre Lebensgeschichte, immer auf dem Hintergrund des israelisch-palästinensischen Konflikts. Erst spät, in Kap. 11, wendet sich das Buch wieder Abed Salama - der eigentlich die Hauptperson hätte sein sollen - und seiner Suche nach dem Sohn zu.

    Ein wesentliches Anliegen des Buches scheint mir die Kritik an der israelischen Siedlungspolitik zu sein und den Einschränkungen, denen die palästinensische Bevölkerung durch die Sperranlagen erfährt. Das war mit ein Grund, warum nach dem Schulbus-Unfall das Chaos ausbrach und die Zuständigkeiten völlig verworren waren.

    Der Buchtitel ist irreführend, das Buch wegen zu vieler Personen und der nicht chronologischen Erzählweise, gespickt mit nicht Relevantem für den Fortgang der Geschichte, schwierig zu lesen, dazwischen sehr komprimierte Erwähnungen poliitscher Faktoren wie Oslo-Verträge, Fatah, PLO, etc.

    Es werden unglaublich viele Ortsnamen erwähnt. Dazu gibt es Karten, die aber im Buch verteilt sind und wo ich immer wieder suchen musste, welche Karte denn jetzt zum Text passt. Sehr mühsam.

    Lobend zu erwähnen ist ein nach Kapiteln geordnetes Personenverzeichnis und ausführliche Quellenangaben (Hinweise auf Bücher und Artikel in englischer Sprache, für mich nicht nachprüfbar).

    Fazit
    Weil mir nicht klar geworden ist, was die ein oder andere Hintergrundgeschichte zum Thema des Buches – wenn es denn eines gibt – beiträgt, fand ich es mühsam zu lesen. Es hat leider keinen geordneten Eindruck bei mir hinterlassen.

    Erwähnt werden muss noch, dass der amerikanische Autor Nathan Thrall mit seiner Familie in Jerusalem lebt und dass sein Buch mit dem Pulitzer-Preis in der Kategorie General Nonfiction ausgezeichnet wurde.

 

Kleine Geschichte Taiwans (Beck Paperback)

Buchseite und Rezensionen zu 'Kleine Geschichte Taiwans (Beck Paperback)' von Gunter Schubert

Inhaltsangabe zu "Kleine Geschichte Taiwans (Beck Paperback)"

Format:Taschenbuch
Seiten:185
Verlag: C.H.Beck
EAN:9783406813924
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Deutsche und Polen: Geschichte, Kultur, Politik

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Ein Hof und elf Geschwister

Buchseite und Rezensionen zu 'Ein Hof und elf Geschwister' von Ewald Frie
4
4 von 5 (2 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Ein Hof und elf Geschwister"

Die stolze bäuerliche Landwirtschaft mit Viehmärkten, Selbstversorgung und harter Knochenarbeit ist im Laufe der Sechzigerjahre in rasantem Tempo und doch ganz leise verschwunden. Ewald Frie erzählt am Beispiel seiner Familie von der großen Zäsur. Mit wenigen Strichen, anhand von vielsagenden Szenen und Beispielen, zeigt er, wie die Welt der Eltern unterging, die Geschwister anderen Lebensentwürfen folgten und der allgemeine gesellschaftliche Wandel das Land erfasste. Zuchtbullen für die monatliche Auktion, Kühe und Schweine auf der Weide, Pferde vor dem Pflug, ein Garten für die Vorratshaltung – der Hof einträglich bewirtschaftet von Eltern, Kindern und Hilfskräften. Das bäuerliche Leben der Fünfzigerjahre scheint dem Mittelalter näher als unserer Zeit. Doch dann ändert sich alles: Einst wohlhabende und angesehene Bauern gelten trotz aller Modernisierung plötzlich als ärmlich und rückständig, ihre Kinder riechen nach Stall und schämen sich. Wege aus der bäuerlichen Welt weist die katholische Kirche mit neuer Jugendarbeit. Der Sozialstaat hilft bei Ausbildung und Hofübergabe. Schon in den Siebzigerjahren ist die Welt auf dem Land eine völlig andere. Staunend blickt man zurück, so still war der Wandel: "Mein Gott, das hab ich noch erlebt, das kommt mir vor wie aus einem anderen Jahrhundert." Ewald Frie hat seine zehn Geschwister, geboren zwischen 1944 und 1969, gefragt, wie sie diese Zeit erlebt haben. Sein glänzend geschriebenes Buch lässt mit treffsicherer Lakonie den großen Umbruch lebendig werden.

Autor:
Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:191
Verlag: C.H.Beck
EAN:9783406797170
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Rezensionen zu "Ein Hof und elf Geschwister"

  1. Ein Hof und elf Geschwister

    Ich komme selbst von einem Bauernhof, auch aus einer kinderreichen Familie, und finde das Buch über das bäuerliche Leben der Familie Frie sehr gelungen. Der Deutsche Sachbuchpreis ging kürzlich an den Autor.
    Sachlich, mit historischen Kenntnissen, berichtet er vom Leben mit elf Geschwistern. Der Vater ist Rinderzüchter und von schwerer Arbeit gezeichnet. Er wünscht seinen Kindern ein besseres Leben, besonders die Mutter legt Wert auf Bildung, auch für Mädchen, was in der damaligen Zeit nicht immer üblich war.
    Bauernfamilien, einst angesehen, erleben den Niedergang und den Strukturwandel der bäuerlichen Gesellschaft.Sie gelten jetzt als ärmlich, der Kinderreichtum wird belächelt.
    In Gesprächen mit seinen zehn Geschwistern befragt er sie nach ihren Erinnerungen und ihrem Werdegang, über den Wandel von der harten bäuerlichen Arbeit zur technologisierten Landwirtschaft. Die kleinen Betriebe verschwinden, es erfolgt eine Spezialisierung auf einen Bereich mit größeren Flächen. Hilfskräfte sind nicht mehr bezahlbar, dafür verzehnfacht sich die Zahl der Trecker von 1949 - 60 allein in Westfalen.
    Die Landflucht der Kinder, ihre Berufsausbildungen und die Bevorzugung des Stadtlebens schildert er treffend, wie ich es aus eigenem Erleben bestätigen kann.
    Mit Respekt und Dankbarkeit blickt Frie auf das Leben seiner Eltern. Ihre Arbeit ordnet der Autor als ebenbürtig mit anderen beruflichen Tätigkeiten ein. Ein berührendes, schlaues Buch auf weniger als 200 Seiten.

  1. Von Viechern, dem Katholizismus und dem Landleben.

    Kurzmeinung: Von den 1950ern bis zur Jetztzeit.

    Die Fries gelten was in der Gegend um Nottuln herum, es sind freie Bauern, die erfolgreich wirtschaften. Warum die Bauernschaft und das Dorf, das Nottuln damals in den 1950ern war, zunächst kaum Berührungspunkte miteinander hatten, die Bauernschaft aber die Tonangebenden waren, weil sie wirtschaftlich die Oberhand hatten, und wie sich dann das Machtverhältnis, wenn man es so nennen will, allmählich umkehrte, davon erzählt Ewald Frie in seinem Buch, einer Mischung aus Erlebnisbericht und Sachbuch. Ein reines Sachbuch ist das Werk nicht mehr und ein Roman noch nicht.

    Der Kommentar:
    Das Büchlein liest sich leicht, ich mag es, und es erhielt aufgrund seiner Thematik den Deutschen Sachbuchpreis 2023. Dieser Preis existiert erst seit 2021, er war überfällig. „Ein Hof und elf Geschwister“ von Ewald Frie hat den Preis verdient, auch wenn ich das Buch nicht uneingeschränkt empfehlen kann. Die Thematik ist wichtig und spannend und geht uns alle an, weil sie unsere Vergangenheit spiegelt, im deutschen Literaturraum wird das bäuerliche Leben unterbelichtet behandelt.

    Dennoch: als Sachbuch fehlt mir ein weiterer Blick in das Bauernwesen und als Roman ein tieferer Blick in das Geschwisterleben. Sehr schön herausgestellt ist, wie das Elternhaus seine Kinder loslässt und in die weite Welt hinaus freigibt; dass Eltern ihre Kinder dazu ermutigen, ihre eigenen Wege zu gehen, ist keineswegs selbstverständlich, um so mehr, wenn sie eigentlich zuhause gebraucht würden. Zu gerne hätte man aber mehr erfahren von den Geschwistern, es ist gut und schön, mitzuverfolgen wie ihre Berufswahl stattfand, aber sonst so? Insgesamt ist es doch magere Kost, was Ewald Frie liefert. Vielleicht ist er zu nah dran.

    Fazit: Leicht zu lesender, netter Erfahungsbericht darüber, wie sich eine bäuerliche Großfamilie verändert. Aber ein bisschen magere Kost ist das Büchlein schon. Ich will mehr.

    Kategorie: Sachbuch. Lebenswelten
    Sieger Deutscher Sachbuchpreis, 2023.
    Verlag: C.H. Beck, 2023

 

Das Schloss der Schriftsteller: Nürnberg '46

Buchseite und Rezensionen zu 'Das Schloss der Schriftsteller: Nürnberg '46' von Uwe Neumahr
5
5 von 5 (2 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Das Schloss der Schriftsteller: Nürnberg '46"

Autor:
Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:304
Verlag: C.H.Beck
EAN:9783406791451
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Mein Prag: Erinnerungen

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