Überlebenskampf - Eine Reise durch das Leben mit Handicap & 4x Krebs
Ein lustiges Cover und mal sehen, was Niclas Seydack so zu berichten hat. Er schreibt, das Buch solle unter anderem die Eltern verstehen lassen, warum die Millennials so sind wie sie sind. Da bin als Leser ja gerade richtig.
Das Cover repräsentiert nach Aussage des Autors wie sich das Leben seiner Generation so anfühlt. Glücklich sieht er nicht gerade aus. Konfirmationsschuhe und unzählige Schwimmreifen und Rollkragen, wie ich das sehe. Reifen, die einengen? Vor der Flut schützen?
Was mir hauptsächlich in Erinnerung bleibt ist das Krabbenpulen, die Erklärung findet sich im Buch. Und nicht nur einmal. Auch noch mit viel Qualm der Raucher und viel Schnaps und Erwachsenengesprächen dabei. Und es braucht mehr Krabbenpulen. Selten sah er so glückliche Menschen.
Er schreibt, für seine Generation ist die Welt schon immer kaputt gewesen. HÄ? Was ist mir der Kriegsgeneration, ich habe im Kalten Krieg noch in der Schule Unterricht gehabt wie man sich bei ABC Alarm verhält. Es gab oberiridische Atomversuche. Und meine Mutter durfte nur mit Erlaubnis des Ehemanns arbeiten gehen. etc etc.
Ein bischen zu viel Gejammer um das Buch aus Elternsicht als gut zu betrachten.
Meine Millennium Tochter blätterte drin herum: geil, weißt du noch die Schnüre ? und dies und jenes.
Dieses Buch ist in seiner Thematik schon etwas besonders und auch ein wenig speziell. Es beschreibt eine wirklich" Geile Zeit". Die sogenannten Millennials, aufgewachsen in den 90er Jahren, die letzte Generation, die das analoge Leben noch gnadenlos mitbekommen hat.
Ich selbst bin Baujahr 1973, also noch viel älter, als der Autor, aber auch ich konnte mich in diesem Buch sofort wohlfühlen, auch wenn ich die wirklich einschneidenden Erlebnisse wie z. B. 9/11 völlig anders wahrgenommen habe. Dieses Buch zu lesen war wie ein kuscheliger Sonntagmorgen auf der Couch. Man kann sich an all die Begebenheiten, von denen der Autor berichtet sofort nachvollziehen, und hat es selber gegebenenfalls genauso erlebt. Den Arbeitsmarkt (Kein Vergleich zu heute),das analoge Miteinander (schaut man sich in Zügen, oder Wartezimmern um, gibt es das gar nicht mehr heute), und die Sorgen vor dem Versagen der Weltpolitik.( Okay, das ist aktueller denn je :(.
Ich fand die Schreibweise des Autors sehr authentisch, wenngleich oft ein wenig zu brachial, und sehr einfach. Was dem Leser natürlich ein unvergleichlich geniales Leseverständnis beschert. Zudem ist es tatsächlich so , dass damals noch nicht gegendert werden musste, und die literarische Wortwahl noch nicht durch die Politik zensiert wurde. Ein Zigeunerschnitzel , war...ja richtig ein Lebensmittel, und kein Politikum.
Der Autor hat das Augenmerk auf das Lebensgefühl dieser Zeit gelegt, was ich gut und richtig finde, und mir einen unglaublichen Lesespaß bereitet hat. Auch die Zeit seiner Berufstätigkeit wird angesprochen, inklusive Pandemie und deren Folgen.
Und ich könnte mir sehr gut vorstellen einen Folgeband zu lesen, der vergleichenderweise diese Jahre in Verbindung setzt zum heutigen Leben. Was war besser, was schlechter?
Dieses Buch ist wirklich empfehlenswert, für alle, die einmal abtauchen möchten in ihre Vergangenheit und die Vergangenheit dieser Generation.
Porträt (m)einer Generation
Niclas Seydack schreibt in Geile Zeit quasi eine Autobiographie der Millenials, also genau der Generation, zu der ich auch gehöre. Klar, dass man da neugierig ist.
Und so taucht man in anekdotischen Kapiteln in die Kindheit und Jugend, sowie das Erwachsenwerden und Erwachsenenleben des Autors ab und erkennt sich oft selbst wieder, Die Erfahrungen, die der Autor mit pointiertem Stil beschreibt, hat man oft genau so oder so ähnlich gemacht, die Identifizierung ist also groß. An vielen Stellen hatte ich den Impuls, das Buch meinen Eltern oder anderen "Boomern" unter die Nase zu halten und zu sagen, lest das, genau so ticken wir!
An vielen Stellen wurde mir der Text dann vielleicht ein wenig zu deprimierend und da hat mich der Autor oft verloren. Denn klar, unsere Generation ist mit Krisen aufgewachsen und das Wohlstandsversprechen früherer Generationen wird sich für die meisten von uns nicht einlösen. Mir hat hier aber eine tiefere Auseinandersetzung mit dem Thema der Generationengerechtigkeit gefehlt. Die "Schwarzmalerei" des Autors traf zwar meinen Nerv, dennoch bleibt er mir eine Erklärung schuldig, wie die Gesellschaft sich weiterentwickeln könnte.
Insgesamt ein treffendes Bild unserer Gesellschaft in teils vulgärer, aber zum Zeitgeist gehörender Sprache, die mich unterhalten konnte, die aber an mancher Stelle den Mehrwert vermissen lässt.