Permanent Record
Vor mehr als 20 Jahren hat Stella ihre Tochter verloren. Nur für einen kurzen Augenblick hat sie die einjährige Alice unbeaufsichtigt gelassen. Doch wollte Stella niemals daran glauben, dass Alice ertrunken sei.
Heute ist Stella verheiratet, hat einen Teenagersohn, einen Job als Psychotherapeutin. Als die junge Isabelle zum ersten Mal zu ihrer Sprechstunde kommt, kann Stella kaum glauben, wen sie da vor sich hat.
Elisabeth Norebäck schafft in ihrem Erstling Das Schweigemädchen einen richtig spannenden Einstieg ins Psychothriller Genre. Sie spielt geschickt mit Perspektiven und den Erinnerungen Stellas. Nur der Leser kennt die Stimmen aller Beteiligten, deswegen ist die Entwicklung nicht ganz überraschend. Aber die Autorin beschreibt Charaktere und Emotionen sehr authentisch. Es ist vor allem dieses Eindringen in die Gefühlswelt der Personen, das diesen Thriller ausmacht. Ganz intensiv spürbar wird Stellas Ohmnacht, als niemand ihr glauben will, dass Alice noch am Leben sein könnte. Im Gegenteil glauben alle, die ihr nahe stehen, dass sie am Rande einer Psychose steht. Deswegen bleibt das Buch auch durchgehend bis zum Schluss packend.
Gerne gebe ich dafür eine Leseempfehlung.
„Biedermeier: Als typisch gilt die Flucht ins Idyll und ins Private.“
Livia Klingl scheint sich nur vordergründig ins Privatissimum zurückzuziehen. Denn niemand klinglt bissiger als Livia Klingl. Ihre politisch unkorrekten Betrachtungen zur österreichischen Innenpolitik sind mehr als korrekt. Frau Klingl, bekannt als Journalistin für Kurier und Standard, ehemalige Kriegsberichterstatterin, Autorin, nicht weg zu denkende Stimme in den Social Media Kanälen, mit der Vorliebe für beißenden Sarkasmus, hat kein gutes Wort übrig für den Bubenkanzler und seinen Witze…
„früher hatte ich keinen respekt vor politikern, weil ich jung und ahnungslos war. heute habe ich keinen, weil die jung und ahnungslos sind“
Solche Stimmen braucht unser Land, an jedem Donnerstag, an jedem Tag. Inselverzwergung, Werteverlust, rechte Ecken, Frau Klingl bezieht Position. Auch an der Oppsition, zahnlos, gespalten, lässt sie kein gutes Haar.
Politisch unkorrekt? Mitnichten. Ganz genau schaut sie hin, was in Österreich abgeht, immer schon, seit dem 16. Oktober 2017 ganz besonders.
Biedermeiern ist ein Buch voll großer Wahrheiten, spitzzüngig, wahrhaftig. Danke auch dem Verlag Kremayr & Scheriau, der dieses Buch möglich gemacht hat.
Wisch und weg
Ghosting, das ist der abrupte kommentarlose und vollständige Kontakt- und Kommunikationsabbruch in einer zwischenmenschlichen Beziehung. Einen derartigen Abbruch einer Beziehung gab es wohl schon immer. Die deutsche Journalistin und Autorin Tina Soliman beschäftigt sich im vorliegenden Buch mit dem Phänomen des spurlosen Verschwindens im digitalen Zeitalter.
Das digitale Zeitalter ein einziger Widerspruch. Noch nie war es schwieriger und zugleich einfacher Kontakte zu anderen Menschen zu knüpfen. Die Lebensweise der heutigen Zeit ermöglicht nicht immer die Anbahnung einer Beziehung auf „traditionellem“ Weg. Ungleich schneller und vielfältiger steht das World Wide Web mit seinen unzähligen Datingapplikationen zur Verfügung. Gefällt mir, ja, nein, links, rechts, wisch und weg, so einfach ist es zu wählen oder gewählt zu werden.
Doch ist es das wirklich? Auch hier treffen wir auf Widersprüche. Bindungsangst gegen Trennungsangst, Sehnsucht nach Nähe gegen Unverbindlichkeit, Liebe gegen Sicherheit, Romantik gegen Deal.
Kann das vollständige Abbrechen eines Kontakts nach einer rein virtuellen Kommunikation oder einiger weniger realer Treffen noch als Unhöflichkeit oder der Scheu vor einer Konfrontation interpretiert werden, ist das spurlose Verschwinden aus langanhaltender Beziehung umso unverständlicher.
Die Sehnsucht und Suche nach dem einen, dem einzigen, dem besten Menschen lässt scheinbar alle Optionen offen.
Anhand von Einzelschicksalen bemüht sich die Autorin ein umfassendes Bild vom Phänomen „Ghosting“ zu erzeugen, lässt Betroffene auf beiden Seiten des Geschehens zu Wort kommen. Eine Erklärung für das Phänomen liefert sie nicht, zeigt aber die zahlreichen Facetten des Ghosting und bietet ein wenig Hilfestellung wie die Betroffene damit umgehen können.