Sieben Sekunden Luft. Roman

Buchseite und Rezensionen zu 'Sieben Sekunden Luft. Roman' von  Luca Mael Milsch
4
4 von 5 (1 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Sieben Sekunden Luft. Roman"

Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:264
Verlag: Haymon Verlag
EAN:9783709982266
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Rezensionen zu "Sieben Sekunden Luft. Roman"

  1. Selig sind die Unwissenden

    Worum es geht:
    Ja, worum geht es hier? Es geht um Selah. Sie ist bei einer alleinerziehenden Mutter groß geworden. Und diese Mutter ist, unter anderem, sehr manipulativ und setzt Selah permanent unter Druck. Es wird aus Sicht von Selah erzählt, was dies bei ihr anrichtet, als Kind und auch als erwachsenen Frau.

    Das Buch wird in unterschiedlichen Zeiten erzählt, was jedoch gar kein Problem darstellt, da das entsprechende Jahr immer angegeben wird. Interessant fand ich, dass in den verschiedenen Zeitzonen auch teilweise ein unterschiedlicher Schreibstil verwendet wurde. Wir erleben hat, wie es Selah mit dieser Mutter und diesem Druck geht. Dabei ist das Buch auf keinen Fall rührselig, vielmehr hat die Schriftstellerin sehr aussagekräftige Sätze gefunden. Dies ist kein Buch, dass man mal so eben nebenher lesen kann. Es ist ein sehr interessantes Buch, in dem die eine oder andere sich auch wiederfinden wird. Allerdings muss ich gestehen, dass es mir zum Ende hin ein bisschen langatmig wurde. Von mir gibt es aber trotzdem eine klare Leseempfehlung.

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Der Friedhofswärter

Buchseite und Rezensionen zu 'Der Friedhofswärter' von Ron Rash

Inhaltsangabe zu "Der Friedhofswärter"

Autor:
Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:300
Verlag: ars vivendi
EAN:9783747206072
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Nach den Fähren: Roman

Buchseite und Rezensionen zu 'Nach den Fähren: Roman' von Thea Mengeler
5
5 von 5 (1 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Nach den Fähren: Roman"

Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:175
EAN:9783835355859
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Rezensionen zu "Nach den Fähren: Roman"

  1. Von Fluch und Segen des Tourismus

    Kurzmeinung: Dieses Büchlein hat mich sehr berührt. Ein Kandidat für den Deutschen Buchpreis 2024.

    Eine Insel im Irgendwo verortet, das heißt, sie könnte überall sein. Eine Insel, die irgendwann einmal von Touristen entdeckt aus ihrem idyllischen Dornröschenschlaf erwacht. Sie wird zunächst als Geheimtipp gehandelt, doch allmählich kommt die Tourismusschwemme. Die Besucher stellen Ansprüche, wollen Komfort und eben das, was sie überall bekommen. Die Inselbewohner liefern. Indem sie jedoch die Ansprüche der Gäste bedienen, verliert die Insel das, was einst ihren Reiz ausmachte und die Gäste bleiben weg. Desaster.

    Der Kommentar und das Leseerlebnis:
    Die Autorin reduziert die wenigen Menschen, die der Insel die Treue halten auf ihre Funktionen, der Hausmeister, die Bäckerin, die Frau des Generals, der Barkeeper, die Fischerin, die Krankenschwester und die Doktorin, die eigentlich eine Dichterin ist. Auch die Handlung wird reduziert auf Begebenheitsorte, die Bar, das gelbe Haus, der Sommerpalast, der Strand, etc. Die Reduktionen, die die Autorin vornimmt, wirken zusammen mit der lyrischen Sprache ungemein reizvoll. Ich bin verliebt in das Büchlein, das einfach alles, was ein guter Roman braucht, auf komprimiertem Raum darstellt: men sieht in den Hintergrund der Personen, kennt ihre Hoffnungen und Wünsche von einst und erlebt das trostlose Leben jetzt, in dem man innerlich nur überlebt, in dem man stoisch an seinen Alltags-Pflichten festhält: Instandhaltung und Versorgung. Mit wenigen Mitteln und ohne pathetische Innenschau bringt die Autorin das Innenleben der Menschen an den Tag und zum Leuchten. Einfach, in dem sie beschreibt, was sie tun. Die spärliche Interaktion der Menschen enspricht dem, was man von wortkargen eigenbrötlerischen Insulanern erwartet. Karge Herzlichkeit. Das, was übrig ist an Menschlichkeit. Thea Mengeler gelingt die Darstellung von Einsamkeit, Verfall, Menschlichkeit, Hoffnung, Wunschdenken mit unglaublich leichter Feder! Natur und Dekadenz. Verlust. Mehrere Kapitel „Einige Verluste,“ sind nichts weiter als Aufzählungen, die Autorin bleibt konsequent dem Konzept von Reduktion treu – und dennoch sind diese kurzen Kapitel besonders berührend.

    Thea Mengelers „Nach den Fähren“ ist voller Melancholie, die teilweise auf den Erinnerungen "der Übriggebliebenen" fußt und teilweise auf die nicht totzuschlagende Hoffnung, die ein Mensch in sich trägt. Ohne Hoffnung kann man nicht leben. Obwohl es nicht explizit ausgesprochen wird, ist der Roman auch eine Ohrfeige an den unsere Umwelt rücksichtslos ausbeutenden und zerstörerischen Massentourismus.

    Fazit: Ein Juwel.

    Kategorie: Anspruchsvolle Literatur
    Verlag: Wallstein, 2024

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Treibgut

Buchseite und Rezensionen zu 'Treibgut' von Adrienne Brodeur
4
4 von 5 (2 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Treibgut"

Sommer auf Cape Cod. Alle Mitglieder der Familie Gardner verheimlichen etwas. Ken, ein erfolgreicher Geschäftsmann mit Vorzeigefamilie und politischen Ambitionen, versucht mit aller Macht, seine Ehekrise zu verbergen. Abby ist Künstlerin und schämt sich dafür, immer noch auf das Wohlwollen ihres Bruders angewiesen zu sein. Adam, der Vater der zwei, sieht unterdessen seinem 70. Geburtstag entgegen. Um ein letztes Mal als Forscher zu glänzen, setzt der brillante Meeresbiologe heimlich seine Medikamente ab - mit fatalen Konsequenzen. Während Adams Festtag unaufhaltsam näher rückt, verschärfen sich die Konflikte zwischen den Geschwistern. Dann erscheint eine Unbekannte auf der Bildfläche, und bringt alles, woran Abby und Ken geglaubt haben, zum Einsturz.

Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:464
EAN:9783463000565
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Rezensionen zu "Treibgut"

  1. Familie auf Cape Cod

    Adam, ein siebzigjähriger Meeresbiologe, immer noch begeistert von den Schnittpunkten der Mathematik mit der Kunst, der Magie mit den Wissenschaften und den Walen in dem Ozean vor seiner Haustüre auf Cape Cod. In seinen manischen Phasen ist er überzeugt, dass er kurz vor dem Durchbruch zu einer großen Entdeckung ist, die in den Gesängen der Wale schlummert. In seinen depressiven Phasen stürzt er ab, in eine tiefe Schwärze der Sinnlosigkeit von aller Existenz.
    Seine beiden Kinder, Ken und Abby hat er im Sturm dieser Krankheit allein aufgezogen. Die Mutter der Kinder, seine große Liebe, hat er nach der Geburt der Tochter verloren.
    Beide Kinder sind in großer Freiheit, in einer engen Symbiose aufgewachsen, sie hatten sich selbst und gaben sich gegenseitig Halt .
    In diesem einsamen Biotop entwickelten sich seelische Verzweigungen, die die Autorin im Laufe der Geschichte enthüllt, bis zu einem großen Showdown, bei dem sich jeder bekennen muss.
    Der Roman ist eingebettet in die Beschreibungen der eindrucksvollen Natur von Cape Cod. Die Schreibweise der Autorin ist schnörkellos, gleicht der Landschaft, in der sie auch zuhause ist. Ohne Pathos und Überschwang, ohne "tiefgründelnde" Psychoanalyse, einfach und klar beschreibt sie die Personen in ihrem Alltag.
    Das Cover des Buches ist ein Ausschnitt des Gemäldes "Strand bei Ebbe" von Frederick Milner. Es ist ausgezeichnend zu diesem Buch ausgewählt.
    Ein Buch, das dem Leser Lesevergnügen schenkt.
    Mit dem Originaltitel:"Little Monsters" hätte mich das Buch nicht interessiert.
    Gut, dass man für die deutsche Ausgabe einen anderen Titel gewählt hat.

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  1. Ein Sommerstück.

    Kurzmeinung: Müsste man am Meer lesen! Sehr schöner Urlaubsroman - leicht und spannend.

    Cape Cod. Schöne Gegend. Die Wohlhabenden wohnen hier, die beinahe Wohlhabenden machen hier Ferien. Sonne. Strand. Wind. Segelboote, Möwen, alte Villen, Künstler und Walbeobachtung. Das ist das Ambiente des Romans „Treibgut“. Dort lebt auch laut Klappentext die Autorin, weswegen die Atmosphäre der Insel völlig authentisch wirkt.
    Ein alternder Professor für Meeresbiologie und seine Entourage. Obwohl der Professor Monologe über Wale liefert, und damit der Autorin Gelegenheit bietet, einige Informationen über diese großartigen Meeressäuger einfließen zu lassen, ist Adam Gardener nicht der Wissenschaftler, den man so erwartet, akkurat, rational, faktenorientiert. Denn Gardener leidet an einer bipolaren Störung und ist lustig selbstverliebt. Er hat seine Krankheit einigermaßen im Griff, aber eben nur einigermaßen, es gibt noch genug weiße Flächen in seinem Leben, denen er eben nicht Herr geworden ist und das ist seine Familie. Freilich ist er außerstande, seine Mankos zu erfassen. Zum Leidwesen seiner Kinder. Zur Erheiterung der Leser.
    Selbstbild und Fremdwahrnehmung des Meeresbiologen klaffen also erheblich auseinander. Adam Gardener ist selbstbezogen, hält sich für ein Genie und denkt, er sei ein wunderbarer Vater gewesen. Womanizer. Mehrmals verheiratet. Auf dem Höhepunkt seiner Schaffenskraft. In Wirklichkeit aussortiert, da er mit der modernen Zeit nicht mithalten kann und, mit Verlaub, einfach zu alt ist. Er wird 70 Jahre alt und aus diesem Anlass soll seine Schwiegertochter ein großes Fest organisieren, das natürlich ein Fiasko wird. Adam hat immer dann geistige Höhenflüge, wenn er seine Medikamente absetzt. Und er findet immer wieder eine Rechtfertigung dafür, dies zu tun. Mit Medikamentation hat er Depressionen und sein Denken und Fühlen ist verlangsamt. Ohne Medis aber, fängt die Welt an zu schwingen. Nur dumm, dass er dann nicht mehr schlafen kann und ellenlange sinnentleerte Monologe hält, so dass alle schnell weglaufen.
    Bipolarität ist eine schwere Persönlichkeitsstörung, die den Betroffenen das Leben zur Hölle machen kann. Es ist ein tragisches Krankheitsbild. Diese Tragik kommt in dem Roman zu kurz. Man amüsiert sich eher als dass man mitleidet. Für die Tragik brechen sich alte Familiengeheimnisse allmählich Bahn. Die erwachsenen Kinder Ken und Abby haben ihre Jugend am Meer sehr unterschiedlich verarbeitet. Der frühe Verlust der Mutter hat beiden einen Knacks versetzt. Ken versucht mithilfe seines Psychiaters seine Jugend aufzuarbeiten. Abby bannt in eigenartigen großflächigen Bildern ihre Erinnerungen auf die Leinwand, was Ken einen Höllenschrecken einjagt.

    Der Kommentar und das Leseerlebnis:
    Die Protagonisten auf Cap Cod setzt die Autorin hübsch in Szene. Mit einem Menschen von außen, Steph, bekommt die Leserschaft nicht nur den inneren Blick der Familie durch den Sohn Ken, den Vater Adam und Tochter Abby und durch Jenny (Kens Frau), sondern auch einen Blick von außen geliefert.
    Die Familiengeheimnisse sind, was sie immer sind. Ich will sie nicht verraten, aber es gibt nicht so viel Auswahl. Sie sind immer schmutzig und immer schmerzlich.

    Die Autorin hatte mich lange Zeit am Bändel, ihre Figuren hatten interessante Berufe und interessante Probleme. Kens widerwillige psychiatrische Sitzungen mit seinem Psychiater sind wirklich erheiternd, sein Charakter widerspenstig. Abby, ist unsere Hero, strahlend reine Weste, eine gläserne Villa in den Dünen und Frida, the Hund machen uns Spaß. Adam mit seinen selbstverliebten Gedanken, fern jeder Realität sowieso. Lebendige Dialoge. Aber nach zwei Dritteln verliere ich das Interesse. Warum ist das so?
    Erstens wegen der Geheimnisse. Zu durchschaubar und nachdem sie nun einmal an den Tag getreten sind, gibt es keine Interaktion mehr unter den Figuren. Die Interaktion ist überhaupt der schwächste Punkt des Romans. Auch schon vor der Aufdeckung. Zweitens wegen der Geheimnisse. Schlimme Familiengeheimisse sind immer ein Schwachpunkt. Schwierig, Klischees dabei zu vermeiden. Falls ihr unter 35 seid, versäumt es nicht, eure Eltern zu fragen, ob ihr irgendwo geheime Geschwister habt, ob sie (oder auch Tanten, Onkel und Großväter) Nazis gewesen sind oder Kommunisten und ob sich auf dem Dachboden ein Koffer mit kompromittierenden Briefen befindet oder mit Falschgeld. Und dann gibt es noch sexuelle Geheimnisse. Also, wie gesagt, die Auswahl ist eigentlich gar nicht so groß. Aber das nur am Rande. Ein weiterer Schwachpunkt ist der Transport von Gefühlen. Seid ihr über 35 lohnt sich die Aufdeckung von Familiengeheimnissen meines Erachtens nicht mehr, nehmt alles hin, wie es eben ist. Es sei denn, ihr bekommt von irgendwo her eine Million vererbt oder ein Cottage in Südengland. Aber, wie gesagt, das nur am Rande. Das mit dem Cottage, sorry, tut mir wirklich leid, ist sehr unwahrscheinlich.
    „Treibgut“ macht Spaß, es ist ein Roman, der einen vorwärtsstrebenden Plot hat, es ist immer etwas los, obwohl es auch erhellende Rückblenden gibt. Aber es fällt der Autorin schwer, die Gemütslage der Protagonisten anders darzustellen als durch einige Äußerlichkeiten, Alkohol, Distanzierung, Selbstgespräche, Hund. Und dann hätten wir noch die Natur. Obwohl die Naturpassagen wirklich schön sind, treten sie kaum in Bezug zu den Protagonisten.

    Fazit: Stilsicher und ziemlich amüsant, bis die Familiengeheimnisse zu sehr Raum greifen und dann doch nicht wirklich besprochen werden.

    Kategorie: Sommerroman. Gute Unterhaltung.
    Verlag: Kindler, 2024

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Der kretische Gast: Roman

Buchseite und Rezensionen zu 'Der kretische Gast: Roman' von Klaus Modick

Inhaltsangabe zu "Der kretische Gast: Roman"

Autor:
Format:Taschenbuch
Seiten:592
EAN:9783462051056
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Das Buch der Unruhe des Hilfsbuchhalters Bernardo Soares

Buchseite und Rezensionen zu 'Das Buch der Unruhe des Hilfsbuchhalters Bernardo Soares' von Fernando Pessoa

Inhaltsangabe zu "Das Buch der Unruhe des Hilfsbuchhalters Bernardo Soares"

Format:Taschenbuch
Seiten:640
EAN:9783596903092
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Ein Toter lag im Treppenhaus: Kriminalroman

Buchseite und Rezensionen zu 'Ein Toter lag im Treppenhaus: Kriminalroman' von Andreas Neuenkirchen

Inhaltsangabe zu "Ein Toter lag im Treppenhaus: Kriminalroman"

Format:Taschenbuch
Seiten:272
Verlag: GRAFIT
EAN:9783986590215
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Gute Ratschläge: Roman

Buchseite und Rezensionen zu 'Gute Ratschläge: Roman' von Jane Gardam
4
4 von 5 (1 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Gute Ratschläge: Roman"

Mit "Gute Ratschläge" beweist Jane Gardam einmal mehr ihre erzählerische Meisterschaft: Einer der geistreichsten und unterhaltsamsten Briefromane, die Sie je gelesen haben. Eliza, 51, schreibt Briefe an Joan, die Nachbarin, die offenbar ihren Mann und ihre Kinder verlassen hat, und die sie eigentlich kaum kennt. Briefe mit besten Ratschlägen – voller ungeschminkter Wahrheiten, schlafwandlerisch sicher gesetzter Seitenhiebe und Exzentrik. Antwort bekommt Eliza nie, was ihre Schreibwut eher anstachelt. Als ihr Mann Henry plötzlich auszieht, geraten die Briefe zu immer wilderen, fiebrigen Bekenntnissen einer zutiefst einsamen, in ihrem Leben gefangenen Frau, der nicht unbedingt zu trauen ist. Mit „Gute Ratschläge“ beweist Gardam einmal mehr ihre erzählerische Meisterschaft und den scharfen Blick für die grausame Scheinheiligkeit der postviktorianischen Gesellschaft, in deren diskretem Schweigen manches unschöne Geheimnis schlummert.

Autor:
Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:320
Verlag: Hanser Berlin
EAN:9783446279575
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Rezensionen zu "Gute Ratschläge: Roman"

  1. Abgründe

    Klappentext:

    Mit "Gute Ratschläge" beweist Jane Gardam einmal mehr ihre erzählerische Meisterschaft: Einer der geistreichsten und unterhaltsamsten Briefromane, die Sie je gelesen haben.

    Eliza, 51, schreibt Briefe an Joan, die Nachbarin, die offenbar ihren Mann und ihre Kinder verlassen hat, und die sie eigentlich kaum kennt. Briefe mit besten Ratschlägen – voller ungeschminkter Wahrheiten, schlafwandlerisch sicher gesetzter Seitenhiebe und Exzentrik. Antwort bekommt Eliza nie, was ihre Schreibwut eher anstachelt. Als ihr Mann Henry plötzlich auszieht, geraten die Briefe zu immer wilderen, fiebrigen Bekenntnissen einer zutiefst einsamen, in ihrem Leben gefangenen Frau, der nicht unbedingt zu trauen ist. Mit „Gute Ratschläge“ beweist Gardam einmal mehr ihre erzählerische Meisterschaft und den scharfen Blick für die grausame Scheinheiligkeit der postviktorianischen Gesellschaft, in deren diskretem Schweigen manches unschöne Geheimnis schlummert.

    Mein Lese-Eindruck:

    Eliza Peabody, Anfang 50, Diplomatengattin, Expat: das ist die Protagonistin. Eliza langweilt sich und schreibt Briefchen an die Nachbarschaft mit guten Ratschlägen, aber auch ein nicht erbetener Rat-Schlag ist ein Schlag. Eliza weiß alles besser.

    Gnadenlos nimmt die Autorin in diesen Briefen das Leben und Wirken der besseren Mittelstandsdamen aufs Korn. Da wird gegärtnert, Clubs werden besucht, man übt sich in Charity-Aktionen, verteilt unerwünschte Babies junger Mütter in kinderlose Familien, trifft sich zu Lese-Abenden und dergleichen mehr. Elizas Briefe mutieren sehr schnell zu einem Tagebuch, voll mit witzigen Beobachtungen, aber vor allem bösen Seitenhieben auf ihresgleichen. Hinter der zur Schau getragenen Wohlanständigkeit verbergen sich jedoch Abgründe.

    Und ein solcher Abgrund öffnet sich auch, was Eliza angeht. Von Anfang an scheint sie eine unzuverlässige Erzählerin zu sein, und Stück für Stück kommen ihre Phantasien und ihre Wunschvorstellungen heraus – und auch ihre Traumatisierung. Ihr trubeliges Leben an der Seite ihres Mannes half ihr dabei und zwang sie zugleich, ihre seelischen Wunden zu verstecken und zu verdrängen.

    Eliza erzählt, dass sie in einem Hospiz arbeitet; aber dass sie dort lediglich die Geschirrspülmaschinen füllt, erfährt der Leser eher am Rande. Im Hospiz trifft sie auf Barry, einen an AIDS sterbenden jungen Mann. Barry könnte ihr Sohn sein – und ihm öffnet sie schließlich ihr Herz und kann von ihrem großen Schmerz und ihren schlimmen Verlusten erzählen, die sie jahrelang unter Verschluss halten musste.

    Jane Gardams Roman erschien 1992 und handelt von einer Welt, die dem heutigen Leser fremd vorkommt. Die vielen überwiegend schrägen Personen wirken abgehoben, und das Verständnis wird zusätzlich erschwert durch Elizas Fieberphantasien und die Unzuverlässigkeit ihres Erzählens. Jane Gardams Sprache aber ist wie gewohnt ein Erlebnis: leicht, pointiert, ironisch bis sarkastisch, mit überraschenden Wendungen und makabren Effekten.

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Doppelporträt: Drei Novellen (dtv Literatur)

Buchseite und Rezensionen zu 'Doppelporträt: Drei Novellen (dtv Literatur)' von Margriet de Moor

Inhaltsangabe zu "Doppelporträt: Drei Novellen (dtv Literatur)"

Format:Taschenbuch
Seiten:224
EAN:9783423119221
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Der Ursprung

Buchseite und Rezensionen zu 'Der Ursprung' von Ayn Rand

Inhaltsangabe zu "Der Ursprung"

Autor:
Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:1022
EAN:9783940431660
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