Ein ganz neues Leben (Lou, Band 2)

Buchseite und Rezensionen zu 'Ein ganz neues Leben (Lou, Band 2)' von Jojo Moyes

Inhaltsangabe zu "Ein ganz neues Leben (Lou, Band 2)"

Autor:
Format:Taschenbuch
Seiten:528
EAN:9783499291395
read more
 

Todeskäfig (Ein Sayer-Altair-Thriller 1)

Buchseite und Rezensionen zu 'Todeskäfig (Ein Sayer-Altair-Thriller 1)' von Ellison Cooper
4
4 von 5 (1 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Todeskäfig (Ein Sayer-Altair-Thriller 1)"

Aus diesem Käfig gibt es kein Entkommen


In Washington, D.C. wird ein totes Mädchens gefunden. Ihr Mörder ließ sie in einem Tierkäfig verdursten. Ein Fall für FBI Special Agent Sayer Altair. Endlich bekommt sie die Chance, sich zu beweisen. Aber der öffentliche Druck ist enorm, denn bei dem Opfer handelt es sich um die Tochter eines hochrangigen Senators. Als ein weiteres Mädchen verschwindet, beginnt eine wilde Jagd durch die Stadt – auf den Spuren eines erbarmungslosen Killers, der sein Werk um jeden Preis vollenden will.


Der erste Fall für Sayer Altair – Brillante Wissenschaftlerin und schonungslose FBI-Agentin


»Düster und mitreißend. Sie werden bis zum bitteren Ende lesen.« Lisa Gardner

Format:Kindle Ausgabe
Seiten:496
EAN:
read more

Rezensionen zu "Todeskäfig (Ein Sayer-Altair-Thriller 1)"

  1. Überraschend gut!

    Zwei Streifenpolizisten machen in Washington, D.C. eine schreckliche Entdeckung. In einem leerstehenden Haus finden sie ein totes Mädchen. Über Tage wurde das Opfer in einem Tierkäfig gefangen gehalten, bis es letztlich verdurstete. FBI Special Agent Sayer Altair steht vor einer enormen Herausforderung. Es stellt sich nicht nur heraus, dass die Tote die Tochter eines Senators war. Es wird auch ein zweites Mädchen vermisst. Es beginnt ein spannender Wettlauf mit der Zeit.
    Sayer Altair ist eine toughe Heldin. Die FBI Agentin ist nicht nur Ermittlerin, sondern auch Neurowissenschaftlerin. Die politischen Ränke in Washington sind ihr nicht unbekannt, ist sie selbst die Enkelin eines Senators und Tochter eines Afroamerikaners. Eigentlich verkörpert sie alles, was den „alten weißen Männern“ in Politik und FBI ein Dorn im Auge ist. Ich vermute die Ellison Cooper weiß, wovon sie erzählt, denn die Autorin ist Anthropologin und selbst im Polizeidienst von Washington im Dienst gewesen. Der Thriller ist enorm spannend erzählt und wartet mit einigen Überraschungen auf. So wie der Killer immer wieder Hinweise wie Brotkrumen Streut, streut die Autorin dem Leser Sand in die Augen. Lange Zeit hielt ich den Ausgang des Falles für vorhersehbar und wollte ich mich schon beim FBI bewerben. Doch die Autorin konnte mich ganz schön an der Nase herumführen.

    Teilen
 

Lincoln im Bardo: Roman

Buchseite und Rezensionen zu 'Lincoln im Bardo: Roman' von George Saunders
4.75
4.8 von 5 (4 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Lincoln im Bardo: Roman"

Während des amerikanischen Bürgerkriegs stirbt Präsident Lincolns geliebter Sohn Willie mit elf Jahren. Laut Zeitungsberichten suchte der trauernde Vater allein das Grabmal auf, um seinen Sohn noch einmal in den Armen zu halten. Bei George Saunders wird daraus eine allumfassende Geschichte über Liebe und Verlust, wie sie origineller, faszinierender und grandioser nicht sein könnte.

Im Laufe dieser Nacht, in der Abraham Lincoln von seinem Sohn Abschied nimmt, werden die Gespenster wach, die Geister der Toten auf dem Friedhof, aber auch die der Geschichte und der Literatur, reale wie erfundene, und mischen sich ein. Denn Willie Lincoln befindet sich im Zwischenreich zwischen Diesseits und Jenseits, in tibetischer Tradition Bardo genannt, und auf dem Friedhof in Georgetown entbrennt ein furioser Streit um die Seele des Jungen, ein vielstimmiger Chor, der in die eine große Frage mündet: Warum lieben wir überhaupt, wenn wir doch wissen, dass alles zu Ende gehen muss?



Format:Kindle Ausgabe
Seiten:449
EAN:
read more

Rezensionen zu "Lincoln im Bardo: Roman"

  1. Überragend

    „Seltsam, nicht wahr? Dass man sein Leben einem ganz bestimmten Ziel verschreibt, dafür andere Seiten seines Lebens vernachlässigt, und am Ende bleibt von diesem Ziel einfach nichts übrig, die Früchte der eigenen Arbeit geraten restlos in Vergessenheit?“ (S. 270)

    Willie Lincoln – geboren am 21. Dezember 1850, gestorben am 20. Februar 1862. Moment mal – Lincoln? War das nicht…? Ja, genau – der 16. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, Abraham Lincoln, war der Vater des kleinen Willie, der an Typhus gestorben ist. Soweit die Fakten.

    Wie es als Eltern ist, ein geliebtes Kind zu verlieren – nun, diese Erfahrung will man gar nicht erst machen. Doch manchmal schreibt das Leben seine eigenen Regeln.

    Wie sich aber ein Vater fühlen könnte (oder auch getan hat), dem selbiges widerfahren ist, ist Teil von George Saunders überragendem – ja, was ist es eigentlich? Roman? Theaterstück? Ich würde sagen: eine Mischung aus beidem – „Lincoln im Bardo“. Es gibt kaum längere Textpassagen – hier regiert „In der Kürze liegt die Würze“. Das mag auf den ersten Blick verwirrend, zusammenhanglos, zerstückelt wirken, ergibt aber in der Summe ein grandioses Stimmenwirrwarr.

    George Saunders gibt hier nämlich den Toten eine Stimme, die im Bardo „hängen“. „Bardo“ ist die Bezeichnung für die nach der Lehre des Tibetischen Buddhismus möglichen Bewusstseinszustände im Diesseits wie im Jenseits. Klingt skurril? Oh ja, das ist es. Aber es ist mit dem nötigen Respekt geschrieben – Respekt vor den Menschen, die ALLE Fehler haben und damit umgehen müssen (egal ob es ein Reverend ist oder ein Leutnant, ein Druckereiarbeiter oder ein Wissenschaftler, dessen Arbeit nicht anerkannt wurde) und gleichzeitig eben skurril, abgedreht, einzigartig.

    Saunders verbindet auf grandiose Art und Weise erfundene „Lebensläufe“ mit realen und fiktiven Quellen über den Tod von Willie (wobei die geneigte Leserschaft nie weiß, welche Quellen real und welche erfunden sind), die tief empfundene Trauer von Abraham Lincoln und bindet selbst den zu der Zeit herrschenden Krieg zwischen Nord- und Südstaaten in die Handlung mit ein. Auch bezieht Saunders klar Stellung gegen Rassismus.

    Dieser erschütternde, nichts desto trotz wohlschmeckende Cocktail ergibt das mit Abstand außergewöhnlichste Buch, das ich jemals gelesen habe. Es wird einen Ehrenplatz in meinem Regal erhalten und trotz des immens hohen SuBs DEFINITIV ein weiteres Mal gelesen werden.

    5* deluxe und eine absolute Leseempfehlung!

    ©kingofmusic

    Teilen
  1. 4
    28. Okt 2019 

    Zwischenreich

    Der 11-jährige William Lincoln stirbt im am 20.Februar 1862. Sein Vater Abraham ist Präsident der Vereinigten Staaten. Doch er ist nicht nur Präsident, er ist auch Vater. Und als dieser ist er tieftraurig über den Verlust seines geliebten Sohnes. Nur zwei Tage später wird der Junge bestattet. Und zur ersten Geisterstunde entsteigt er dem Grab, nicht wissend, was passiert ist. Sein Vater, der ihn ein letztes Mal um armen will, besucht die Grabstätte. Obwohl Willie nicht mehr mit seinem Vater sprechen kann, fühlt sich durch dessen Gegenwart wie neu belebt.

    In diesem in allen Bereichen überraschenden Roman entsteigen die Toten ihren Kisten. Ein kunterbunt gemischtes Völkchen tummelt sich auf dem Friedhof. Und ein lebendiger Präsident, der den Verlust seines Sohnes betrauert. Viele Geschichten entfalten sich aus den Gesprächen der Toten. Manche sind schon lange an diesem Ort. Viele kamen und gingen. William ist neu, er muss sich erst zurechtfinden. Doch die jungen gehen meist schnell. Sie alle haben eine Vorgeschichte und natürlich gibt es für jeden einen Grund, warum er hier ist. Der eine wurde von einem Holzbalken erschlagen, der andere brachte sich um und Willie starb an Typhus.

    Aus verschiedensten Richtungen wird die Geschichte beleuchtet, so dass kaum eine Seite ohne neue Entdeckung vergeht. Der bedauernswerte Willie, sein Vater, der sich Vorwürfe macht und gleichzeitig das Land regieren muss. Seine Stellung in der Historie und daneben die des alternden Ehemannes, des jungen Liebhabers. Tragik und Komik sind hier manchmal nahe beieinander. Und Tatsachen wechseln sich mit Erfundenem ab. Es ist ein wahrer Fall von „Die Mischung macht’s“. Man erlebt Höhen und Tiefen, schaut auf unterschiedlichste Lebenswege, man staunt, man empfindet Trauer und Freude. Und irgendwie ist das Leben ein Kreislauf, der mit jeder Generation von Neuem beginnt und der es mit Sicherheit wert ist, gelebt zu werden.

    Ein Buch wie ein Feuerwerk, diese Lektüre lohnt sich.

    4,5 Sterne

    Teilen
  1. 5
    13. Sep 2018 

    Auch Geister haben Gefühle

    Meine übliche Herangehensweise an ein Buch besteht darin, mich grob über den Inhalt zu informieren. Dabei lasse ich Klappentexte, Rezensionen etc. außen vor. Ich möchte mich nicht vorab beeinflussen lassen. Allerdings war mein erster Gedanke, als ich den Roman "Lincoln im Bardo" von George Saunders das allererste Mal aufgeschlagen habe: "Ach, du Schande! Hättest du dich mal vorher schlau gemacht. Da hast du dich wohl von dem Prädikat "Man Booker Prize 2017" blenden lassen."

    Nach den ersten Seiten habe ich dieses Buch gehasst, ein paar Seiten später wollte ich es nicht mehr aus der Hand legen. Und am Ende war ich süchtig danach und habe es in Rekordzeit gelesen.

    Der erste Eindruck deutet darauf hin, dass dieser Roman eine Aneinanderreihung von Gesprächsfetzen ist. Das ist gewöhnungsbedürftig und nicht leicht zu lesen, zumal diese Gesprächsfetzen von einer Vielzahl unterschiedlicher Personen kommen (irgendwo habe ich die Zahl 160 gelesen), die sich gerade am Anfang weder zuordnen noch auseinanderhalten lassen. Hinzu kommen Auszüge aus Texten von fiktiven und realen Chronisten aus der Zeit von Abraham Lincoln (1809 - 1865). Auf den ersten Blick ist das Buch ein großes chaotisches Durcheinander. Es gibt nur selten Fließtext, bestenfalls erinnert die Textform an ein Drehbuch oder ein Theaterstück. Erstaunlich, dass sich beim Lesen ein Sog entwickelt hat, der mich geschmeidig durch die Handlung gleiten ließ.

    "Oh, wie pathetisch! - abgezehrt, von eingegrabenen Zügen unsagbarer Traurigkeit gezeichnet, das Aussehen eines einsamen Mannes, einer Seele mit so tiefem Kummer, so tiefer Bitternis, dass kein menschliches Mitgefühl je heranreichen könnte. Dies war weniger der Präsident der Vereinigten Staaten, besagte mein gewonnener Eindruck, als vielmehr der traurigste Mensch der Welt."

    Und darum geht es in diesem Buch:
    Nachdem Willie, der 11-jährige Sohn von Abraham Lincoln (16. Präsident der USA), gestorben ist, findet er sich auf dem Friedhof wieder. Sein Zustand scheint eine Übergangsstation zwischen dem Leben und dem, was danach kommt, zu sein ( = Bardo: ein Begriff aus dem tibetischen Buddismus, der einen Bewusstseinszustand zwischen dem Diesseits und dem Jenseits bezeichnet - ganz grob erklärt). Hier trifft er auf unzählige Gestalten, die hier ebenfalls wandeln, die Einen bereits seit Jahren, die Anderen erst seit Kurzem. Alle habe eines gemein: sie sehen sich nicht als "tot" an. Stattdessen sind sie in einer Warteposition, um wieder in ihr altes Leben zurückzukehren oder auf, ihnen nahestehende Menschen zu warten, die ebenfalls irgendwann das Zeitliche segnen werden. Willie unterscheidet sich von den anderen Gestalten. Er ist jung, und er erhält Besuch von seinem Vater. In der Nacht nach der Beerdigung seines Sohnes, kommt Lincoln nochmal allein zur Gruft, in der sein Sohn begraben ist. Voller Trauer und Verzweiflung will er Abschied nehmen. Und das, was anschließend in dieser Nacht geschieht, lässt sich nicht mit Vernunft und gesundem Menschenverstand erklären. Nur soviel: auch Geister haben Gefühle.

    "Während die Toten sich in unvorstellbaren Mengen häuften und sich Kummer zu Kummer gesellte, klagte eine Nation, die bislang wenig Opfer bringen musste, Lincoln wegen schlechter, zaudernder Kriegsführung an."

    Abraham Lincoln erleidet diesen tragischen Verlust zu einer Zeit, in der sein Land zweigeteilt ist und einen Bürgerkrieg führt. Er wird in seiner Rolle als Präsident 100%ig gefordert. Doch hier zeichnet sich ein nahezu unlösbarer Konflikt zwischen trauerndem Vater und Staatsoberhaupt ab. Die politische Lage lässt dem Privatmenschen nicht viel Freiraum. Und doch nimmt er sich die Freiheit zu trauern, wenn auch nur für einen kurzen Moment. Gleichzeitig wird ihm bewusst, welche Auswirkungen der Krieg auf die Bürger seines Landes hat. Mit jedem gefallenen Soldaten gibt es Menschen, welche dieselbe schmerzhafte Trauer erdulden müssen, wie er selbst, durch den Verlust seines Sohnes.

    Eine Besonderheit dieses Romanes sind die Charaktere, i. d. R. sind dies Tote im Bardo. Sie bilden einen Querschnitt der damaligen (oder auch heutigen?) amerikanischen Gesellschaft. Es sind Arme und Reiche, Weiße und Farbige, Ehrenwerte und Kriminelle, Männer und Frauen, Erwachsene und Kinder, Moralische und Unmoralische...
    Und jeder hat eine Geschichte zu erzählen - die Geschichte der letzten Jahre seines Lebens sowie die Umstände des persönlichen Ablebens. Dabei kommen Geschichten zu Tage, die traurig sind, skurril, lustig, abstoßend, Mitleid erregend. Die Geschichten beinhalten sehr viel schwarzen Humor. Doch bei aller Skurrilität, die George Saunders seinen Charakteren angedichtet hat, hat man stets den Eindruck, dass er ihnen sehr viel Sympathie und Verständnis entgegenbringt. Er stellt Fehler in den Vordergrund, welche Menschen menschlich machen.

    "Bei uns allen, die wir hier sind, ist es natürlich für jede Änderung zu spät. Alles ist getan. Wir sind unstoffliche Schatten, und da sich das Urteil darauf bezieht, was wir in der vorherigen (stofflichen) Welt getan (oder nicht getan) haben, befindet sich jegliche Besserung für immer außerhalb unserer Möglichkeiten. Unser Tun dort liegt hinter uns; wir warten nur darauf, dafür zu bezahlen."

    Fazit:
    Ich habe bisher noch nichts Vergleichbares gelesen. George Saunders hat mit "Lincoln im Bardo" eine bizarre Geschichte entworfen. Gesunder Menschenverstand ist hier fehl am Platze. Stattdessen lässt man sich als Leser auf ein eigentlich gruseliges Kammerspiel ein, das die Vorlage für einen Horrorfilm liefern könnte. Belohnt wird man dafür mit einer beeindruckenden Geschichte über einen Vater und seinen Sohn, über einen Staatsmann und seinen Krieg, über Liebe, Verlust, Trauer und Mitgefühl. Eine Geschichte, die unter die Haut geht, die lustig ist, die spannend ist, die schräg ist, die nachdenklich stimmt, und die ich uneingeschränkt empfehlen kann.

    © Renie

    Teilen
  1. Geister in "Kranken-Kisten"

    Obwohl ich viel und quer lese, habe ich solch eine Art zu erzählen noch nicht erlebt. Aus einer historischen Begebenheit strickt Saunders "eine allumfassende Geschichte über Liebe und Verlust, die jede bisher bekannte Form des Romans sprengt." (Klappentext)

    Der historische Hintergrund

    Im amerikanischen Bürgerkrieg, in der Nacht vom 20. Februar 1862, stirbt Abraham Lincolns 11-jähriger Sohn Willie, den er über alles geliebt hat. Lincoln soll nach der Beerdigung zum Friedhof zurückgekehrt sein, um seinen Sohn ein letztes Mal in den Armen zu halten. Während der Vater trauert, wird seine Kriegsführung kritisiert und man unterstellt ihm mangelnde Führung. Auf beiden Seiten sind hohe Verluste zu verzeichnen, daher lässt Saunders Lincoln auf dem Friedhof über den Sinn dieses Krieges reflektieren.
    Die historischen Gegebenheiten sind aus zeitgenössischen Quellen, fiktiven und realen, montiert, die sich wie ein Fließtext lesen lassen - trotz der Quellenangaben.

    Dass diese Quellen nicht immer verlässlich sind, zeigt zum Beispiel eine Gegenüberstellung der Aussagen über das Aussehen des Mondes in der Nacht, in der Lincoln ein Bankett gegeben hat, während sein Sohn schon fieberte.

    "goldene Mond, der pittoresk über der Szenerie hängt - In jener Nacht schien kein Mond" (28)

    Der geisterhafte Hintergrund

    "Willie Lincoln befindet sich im Zwischenreich zwischen Diesseits und Jenseits, in tibetischer Tradition Bardo genannt." (Klappentext)

    Dort geistern die Toten, die ihren Tod nicht wahrhaben wollen und daran glauben, ins Leben zurückkehren zu können. Ihre "Kranken-Gestalt" liegt in einer "Kranken-Kiste". In der Dämmerung wandeln sie in einer Erscheinung über den Friedhof, die ihre Innerstes zum Ausdruck bringt. Erst wenn sie ihre Illusionen verlieren, verschwinden sie mit einem "[d]urch Mark und Bein dringenden Feuerball, der mit dem Phänomen der Materienlichtblüte" (123) einhergeht.

    Die häufigsten Stimmen, die zu Wort kommen, sind die
    von Hans Vollmann, einem Drucker, der von einem Balken erschlagen wurde, kurz bevor seine Frau zugestimmt hat, endlich mit ihm das Bett zu teilen. Eine Erfahrung, auf die er immer noch hofft. Willie beschreibt seine Erscheinung:
    "Ganz schön nackt Glied angeschwollen auf die Größe von Konnte gar nicht woandershin gucken" (40)
    von Roger Bevins III, einem homosexuellen jungen Mann, der sich aus Liebeskummer die Adern aufgeschlitzt hat und der im Moment des Sterbens erkennt:
    "Erst jetzt (wo ich schon fast durch die Tür war, sozusagen) wurde mir klar, wie unsagbar schön alles war, wie akkurat zu unserem Vergnügen eingerichtet, ich begriff, dass ich kurz davorstand, ein wundersames Geschenk zu verschleudern" (37)
    von Reverend Everly Thomas, der weitergegangen ist und zurück in den Bardo gekehrt ist. Was hat er gesehen?
    Das Problem, das die Geister haben, ist, dass Kinder nicht im Bardo verweilen dürfen. Das ist nicht vorgesehen und führt zu drastischen Maßnahmen...
    Willie wartet jedoch auf seinen Vater. Nachdem dieser seine "Kranken-Gestalt" aus der "Kranken-Kiste" genommen, angefasst und versprochen hat, wieder zu kommen, will er bleiben.
    Auch die anderen sind voller Hoffnung und wollen mit diesem Jungen reden, denn noch nie hat jemand die "Kranken-Gestalt" berührt. Sie hoffen vielleicht, dass er zurückkehren kann und sie mitnimmt?

    Eine Kakophonie aus Stimmen erhebt sich - alle wollen ihre Geschichten erzählen, die die zeitgenössischen politischen, moralischen und religiösen Einstellungen der Zeit widerspiegeln - die Geister als Abbild der amerikanischen Gesellschaft.

    Erzählweise

    Der Roman besteht einerseits aus den montierten Quellen, die die historischen "Fakten" erzählen, andererseits aus den Gesprächen auf dem Friedhof, wobei unter jeder Aussage der Name der Figur zu lesen ist, die gesprochen hat. Das gleicht einem Theaterstück, wobei das Erzählte im Präteritum steht und die Figuren wiedergeben, was andere gesagt haben.

    "Dass du immer noch hier bist, ist beeindruckend, sagte der Reverend zu dem Knaben.
    Heroisch geradezu, fügte ich an.
    Aber unklug, sagte der Reverend.
    hans vollmann" (135)

    Dadurch entsteht eine kritische Distanz, weil das Geschehen nicht unmittelbar "mit-"erlebt wird. Gleichzeitig wird uns die Geschichte aus unterschiedlichen Perspektiven dargestellt, was wiederum zu dem Abbild der Gesellschaft passt.

    Bewertung

    Ein experimenteller Roman, der sich erstaunlich gut lesen lässt und den man, einmal begonnen, nicht mehr aus der Hand legen will. Zu amüsant sind die "Dialoge" zwischen den Geistern, deren Treiben teilweise einem Klamauk gleicht. Das ist jedoch nur vordergründig so. Saunders stellt auch die Vorstellungen von Himmel und Hölle satirisch auf den Kopf und bezieht eindeutig politisch Stellung gegen den Rassismus. Beklemmend ist eine Szene, in der eine ältere schwarze Sklavin für eine stumme, junge schwarze Frau erzählt, wie diese vergewaltigt und misshandelt wurde - wie ein Stück Vieh, weil jeder Weiße es mit ihr machen durfte.
    Oder wie ein Sklave, der immer gut behandelt wurde, erkennt, dass er sein Leben lang nie das machen durfte, was er wollte, sondern Befehlen gehorchte.

    Ein gelungenes Experiment und für mich eine besonderes Lese-Highlight!

    Teilen
 

Durch die Nacht: Roman

Buchseite und Rezensionen zu 'Durch die Nacht: Roman' von Stig Sæterbakken
5
5 von 5 (1 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Durch die Nacht: Roman"

»Einer der wichtigsten Autoren meiner Generation« Karl Ove Knausgård

Karl Meyer ist Zahnarzt und führt ein durch und durch bürgerliches Leben. Doch als sein erst achtzehnjähriger Sohn Ole-Jakob Suizid begeht, droht es die Familie zu zerreißen. Karls Frau Eva steht unter Schock, die Tochter Stine verstummt. Auch Karl ist in seiner Trauer gefangen. Er denkt zurück an sein Kind, vor allem aber an das, was die Familie schon vor dessen Tod auf eine Belastungsprobe stellte: Karls Liebschaft mit der deutlich jüngeren Mona. Ist es diese Affäre, die Ole-Jakob in den Tod getrieben hat? Die Schuldfrage steht im Raum – und Karl läuft davon.
Er begibt sich auf eine Reise in die Slowakei. Dort hofft er, Erlösung zu finden: in einem Haus, in dem man, so heißt es, mit seinen tiefsten Ängsten konfrontiert wird – und das man entweder geheilt oder gebrochen verlässt.
›Durch die Nacht‹ ist die Anatomie eines Trauerprozesses und ein Buch, das unter die Haut geht. Stig Sæterbakken schont seine Leser nicht. Dieser so dringlich erzählte Roman schildert die Abgründe, die in uns allen lauern, und wie leicht wir die verletzen, die uns nahestehen.

Format:Kindle Ausgabe
Seiten:289
EAN:
read more

Rezensionen zu "Durch die Nacht: Roman"

  1. „Die Welt verhöhnte uns.“

    Karl und Eva führen eine Bilderbuchehe, mit den zwei gemeinsamen Kindern Ole-Jakob und Stine. Da ist ganz viel Liebe, das spürt man beim Lesen immer wieder, doch dann gerät alles aus dem Ruder: Karl verlässt die Familie für ein junges Mädchen, tauscht Liebe gegen flüchtige Lust. Wenig später ist Ole-Jakob tot, vermutlich Suizid, und hinterlässt die Hinterbliebenen mit quälenden Fragen.

    Wer ist schuld? Karl flieht vor dieser Frage, flieht vor sich selbst.

    Stig Sæterbakken erzählt die Geschichte einer Familie, die nach dem Selbstmord des 18-jährigen Sohnes Stück für Stück zerbricht. „Durch die Nacht“ nimmt den Leser mit auf eine Reise durch die Schattengründe von Schuld, Trauer, Scham und Zorn, und das ist keine leichte Kost – umso verstörender, wenn man weiß, dass sich der Autor 2012 das Leben nahm, ein Jahr nach Erscheinen des Romans.

    Wer selbst schon einmal einen geliebten Menschen verloren hat – vor allem zu jung, vor allem unerwartet –, kennt dieses Gefühl der fassungslosen Trauer, das hier geradezu die Seiten tränkt. Wie man neben sich steht. Wie man den Eindruck hat, dass die ganze Welt aus dem Takt geraten ist, während man selber versucht, wieder Halt zu finden.

    Die Trauer des Lesers, selbst wenn sie nur noch als leises Echo widerhallt, gibt dieser Geschichte einen tiefen Resonanzboden, und das macht sie in meinen Augen so universell und zeitlos.

    Schon nach wenigen Seiten beschlich mich das Gefühl, dass ich leicht den Tritt verlor, auf trügerischem Gelände ins Rutschen kam. Für einen Augenblick gefangen zwischen dem Impuls, das Buch zur Seite zu legen, und dem, mich fallen zu lassen, las ich dann doch direkt weiter – in der dumpfen Erwartung, dass das Buch den emotionalen Tiefpunkt noch lange nicht erreicht hatte.

    Und damit lag ich richtig.

    Der Autor schont weder seine Charaktere noch den Leser (und beim Schreiben sicher auch sich selber nicht).

    Zitat:
    „Kälte kam und ging. Wärme kam nie. Es gab nur Kälte und die Abwesenheit von Kälte.“

    Dennoch will man wissen, muss man wissen, wie es weitergeht. ‚Sogwirkung‘ ist ein überstrapazierter Begriff, aber er trifft es am ehesten: dieses Gefühl der Unvermeidlichkeit und gleichzeitig der gespannten Erwartung.

    Sæterbakken schreibt Charaktere, die man sicher nicht immer mögen muss, die sich aber geradezu schmerzhaft authentisch lesen. Selbst in ihren Fehlern und Schwächen sind sie einfach durch und durch menschlich – man kann ihnen als Leser daher alles verzeihen, auch wenn sie sich selbst rein gar nicht verzeihen können.

    Zitat:
    „Tausend Mal am Tag vergaß ich, dass Ole-Jakob tot war. Tausend Mal am Tag fiel es mir plötzlich ein. Beides war unerträglich.“

    Besonders Karl, der trauernde Vater, ist sicher kein strahlender Held. Er setzt seine Familie auf Spiel, wirft die Liebe seines Lebens weg, und wofür? Für eine Affäre, die nicht mehr ist als eine erotische Stichflamme, eine oberflächliche, kurzlebige Verliebtheit. Und dann ist es passiert: Ole-Jakob ist tot und Karl muss sich fragen, ob er seinen Sohn in den Selbstmord getrieben hat. Dennoch konnte ich für ihn nichts empfinden außer ehrliches Mitleid und den Wunsch, er möge in irgendeiner Form seinen Frieden finden – angesichts seiner Trauer wird alles andere bedeutungslos.

    Zitat:
    „Während ich so dastand, ging die Sonne unter, und es wurde Nacht. Seitdem ist Nacht.“

    Tatsächlich verliert er jedoch den Halt und damit jeden Bezug zur Realität.

    Denn sein Freund Boris erzählt ihm von einem Haus in der Slowakei, das man als geläuterter Mensch verlässt – sofern man es im Vollbesitz der geistigen Kräfte überlebt, was nicht gewährleistet ist. Urban Legend? Schauergeschichte? Ammenmärchen? Egal. Karl sieht nur noch diese eine Möglichkeit, die quälenden Schuldgefühle hinter sich zu lassen. So oder so.

    Er bricht auf, dieses Haus zu suchen – den Ort, wo „Hoffnung zu Staub wird“. Die Handlung kippt, während Karl sich zunehmend in Selbstauflösung befindet. Was danach wirklich passiert und was seiner wahnhaften Depression entsprungen ist, dessen kann man sich als Leser nie hundertprozentig gewiss sein.

    Die Geschehnisse lesen sich zunehmend unwirklich und alptraumhaft, Kafka und Edgar Allan Poe lassen grüßen.
    Sæterbakken balanciert gekonnt zwischen Realität und Surrealität, mit ausdrucksstarken Worten voller Dringlichkeit und Atmosphäre. Einfache Antworten liefert er nicht – tatsächlich fühlte ich mich vom Ende im ersten Moment geradezu vor den Kopf gestoßen! –, dafür aber eine Vielzahl möglicher Interpretationen. Zentral steht meines Erachtens auf jeden Fall die Frage, was der Selbstmord eines geliebten Menschen im Leben der Hinterbliebenen anrichtet.

    FAZIT

    Ole-Jakob war erst 18, doch Ole-Jakob ist tot. Zurück bleiben seine Eltern und seine Schwester, die sich fragen müssen, warum er außer dem Freitod keine Lösung sah. Vater Karl geht zugrunde an seiner Schuld, als sein bester Freund ihm von einem geheimnisvollen Haus erzählt, das jeden Besucher von seinen tiefsten Ängsten läutert – oder ihn in den Wahnsinn treibt. Verzweifelt bricht Karl auf zu einer Reise, bei der es für ihn um alles oder nichts geht.

    Das Buch hat mich zutiefst erschüttert – nicht nur, weil ich immer im Hinterkopf hatte, dass sich der Autor etwa ein Jahr nach Veröffentlichung das Leben nahm. Es ist schon ungeachtet dessen sicher keine leichte Lektüre für nebenher. Zum einen atmen die Worte geradezu Trauer und Schmerz, und zum anderen nimmt die Geschichte immer surrealere Wendungen – bis hin zu einem Ende, nach dem ich alles hinterfragte, was ich über die Geschichte zu wissen glaubte.

    Ich erwäge, das Buch direkt noch einmal zu lesen, um zu schauen, wo und wie sich dieses Ende angekündigt hat. Noch einmal durch die Nacht.

    #ThePassionWeShare
    #ReadingThroughTheNight
    #DurchDieNachtLesen

    Teilen
 

Die Chaos-Götter 3: Götter an Bord (3)

Buchseite und Rezensionen zu 'Die Chaos-Götter 3: Götter an Bord (3)' von Maz Evans

Inhaltsangabe zu "Die Chaos-Götter 3: Götter an Bord (3)"

Autor:
Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:368
Verlag: Chicken House
EAN:9783551521101
read more
 

Dieser eine Augenblick: Roman

Buchseite und Rezensionen zu 'Dieser eine Augenblick: Roman' von Renée Carlino
3
3 von 5 (1 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Dieser eine Augenblick: Roman"

Als Charlotte auf Adam trifft, ist es, als würden sie sich schon ewig kennen. Sie verbringen eine wunderbare Nacht zusammen, am nächsten Morgen jedoch ist er wie verwandelt und zeigt ihr die kalte Schulter. Aber Charlotte kann den mysteriösen Fremden nicht vergessen, der ihr in nur einer Nacht das Herz gebrochen hat. Sie macht sich auf die Suche nach ihm, um endlich Klarheit zu bekommen. Doch sie ahnt nicht, dass Adam ein Geheimnis hat, das ihr Leben für immer verändern wird.

Format:Kindle Ausgabe
Seiten:321
EAN:
read more

Rezensionen zu "Dieser eine Augenblick: Roman"

  1. Hat mich emotional nicht richtig gepackt

    Charlotte und Adam fühlen sich bereits beim ersten Treffen sehr vertraut miteinander, als wenn sie sich schon ewig kennen. Sie verbringen eine wundervolle Nacht miteinander. Aber am nächsten Tag ist Adam wie ausgewechselt und zeigt Charlotte die kalte Schulter. Doch sie kann ihn nicht vergessen und macht sich auf die Suche nach ihm und nach Antworten.

    Auf dieses Buch habe ich mich sehr gefreut, weil ich das Cover einfach wunderschön fand und die Beschreibung mich bereits sehr berührt hat. Leider konnte das Buch meine Erwartungen dann nicht vollständig erfüllen.
    Der Schreibstil hat mir richtig gut gefallen, denn ich kam sofort in die Geschichte rein und konnte bestens folgen. Das Buch ließ sich so leicht und flüssig lesen, dass die Seiten nur so dahin flogen.
    Charlotte und Adam wurden gut skizziert, so dass ich sie mir gut vorstellen konnte. Mit der Hauptprotagonistin Charlotte bin ich leider nicht richtig warm geworden. Sie hat sich teilweise sehr unschön und egoistisch verhalten, was ich einfach nicht mochte. 
    Die Geschichte entwickelte sich nach dem schönen Beginn anders, als ich es erwartet habe. Auch fand ich, dass die Story zu schnell war und auch einige eher unrealistische Szenen dabei waren.
    Was mir gut gefiel war die Dramatik und es gab auch viele schöne und romantische Momente. Dennoch schaffte es die Story leider nicht, mich komplett emotional einzufangen, so dass ich richtig mitfiebern und mitfühlen konnte.

    Die Geschichte konnte mich nicht vollständig überzeugen, so dass ich 3 von 5 Sternen vergebe.

    Teilen
 

Mercy Seat: Roman

Buchseite und Rezensionen zu 'Mercy Seat: Roman' von Elizabeth H. Winthrop

Inhaltsangabe zu "Mercy Seat: Roman"

Louisiana, die 1940er-Jahre, ein elektrischer Stuhl wird in die kleine Stadt St. Martinsville gebracht für die geplante Hinrichtung eines jungen Schwarzen namens Will, der ein weißes Mädchen vergewaltigt haben soll. In Wirklichkeit ist sie seine Geliebte gewesen, die sich aus Verzweiflung umgebracht hat und ihm nun nicht mehr helfen kann. Alle wissen, dass das Todesurteil ein Skandal ist, aber sogar Will selbst hat aus Trauer und Schuldgefühlen innerlich eingewilligt, und weiße Wutbürger drohen dem zweifelnden Staatsanwalt mit der Entführung seines Sohnes.
Nach einer wahren Begebenheit, psychologisch fein und in einer an William Faulkner erinnernden multiperspektivischen Intensität erzählt Elizabeth Winthrop die tragischen Ereignisse bis zum überraschenden Ende. Ein meisterhaftes Buch, das man nicht mehr aus der Hand legt und das niemanden kaltlassen wird.

Format:Kindle Ausgabe
Seiten:251
Verlag: C.H.Beck
EAN:
read more
 

Levi

Buchseite und Rezensionen zu 'Levi' von Carmen Buttjer
4
4 von 5 (1 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Levi"

Levi hat auf der Beerdigung seiner Mutter die Urne geklaut. Jetzt versteckt er sich auf einem Hausdach mitten in Berlin.
Zwar wohnt ein paar Stockwerke unter seinem Lager immer noch sein Vater, aber von dem hat er noch nie viel mitbekommen. Und jetzt, nachdem er die Urne seiner Mutter auf der Beerdigung gestohlen hat, kann er sich sowieso nicht mehr blicken lassen.
Tigerschatten springen zwischen den Dächern, sitzen Levi im Nacken und streifen um die Urne – derselbe Tiger, der seine Mutter getötet hat, davon ist Levi überzeugt, auch wenn er in letzter Zeit viel zu schnell erwachsen werden musste und es eigentlich besser weiß. Im Kampf mit dem Verlust sucht der Junge sich seine eigenen Verbündeten: Da ist der mysteriöse Vincent, der mit ihm durch die Stadt fährt und im selben Haus wohnt, aber bis auf ein paar zwielichtige Geschäfte kaum etwas von sich preisgibt. Und Kolja, der Kioskbesitzer, für den Gedächtnisschwund noch immer die beste Art ist, sein Leben zu bewältigen – ausgelöst durch jede Menge Whiskey. Aber die Erinnerungen tauchen genauso hartnäckig aus der Vergangenheit auf wie Koljas Bilder aus seiner Zeit als Kriegsfotograf, die er in einem Hinterzimmer seines Kiosks immer noch entwickelt.

Format:Kindle Ausgabe
Seiten:272
EAN:
read more

Rezensionen zu "Levi"

  1. 4
    18. Sep 2019 

    Schattentiger

    Levi will überhaupt nicht, dass seine Mutter tot ist. Das macht sie aber auch nicht wieder lebendig. Levi will weder zur Beerdigung, noch will er die Sachen anziehen, die sein Vater ihm bereitgelegt hat, Levi will nich, dass seine Mutter beerdigt wird. Levi klaut die Urne und haut ab. So hat seine Mutter zumindest eine ungewöhnliche Trauerfeier. Der 11jährige Levi muss es ertragen, seine Mutter verloren zu haben. Sein häufig abwesender Vater ist keine große Hilfe. Mehr Hoffnung setzt der Junge da auf Vincent, der im selben Haus wohnt oder Kolja, der einen Kiosk betreibt und eigentlich Fotograph ist.

    Mit diesem Debüt ist die Autorin für den Aspekte Literaturpreis nominiert und das wohl zurecht. Mit großem Einfühlungsvermögen versetzt sie sich in Levis Welt, die in Trümmern liegt. Ebenso unerträglich wie es für Eltern ist, ihre Kinder zu verlieren, so unerträglich ist es auch für kleine Kinder und Jugendliche ihre Eltern zu verlieren. Aus den Erinnerungen Levis, seinen Gesprächen mit Vincent und Kolja und seinem Misstrauen dem Vater gegenüber entspinnt sich eine Geschichte, die einem die Haare zu Berge stehen lässt. Jeder hat seine eigenen Probleme und Levi hat es besonders arg getroffen. Niemand ist da, an den er sich lehnen kann. Die sehr indirekte Entwicklung des Geschehens verleiht der Story tatsächlich einen besonderen Reiz. Als Leser fühlt man sich in seinem Innersten angesprochen von diesem Jungen, der Unerträgliches ertragen musste. Levi ist mit einer Wirklichkeit konfrontiert, die für ihn kaum zu fassen ist, die er aber nicht ändern kann. In diesem tollen Roman wird ein Junge viel zu früh in die Welt der Erwachsenen gestoßen. Mit beinahe detektivischen Geschick versucht er, sich selbst die Fragen zu beantworten, die sich nach diesem großen Verlust stellen.

    Ein toller Debütroman, der einen etwas überrollt und in weiten Teilen sehr berührt. Die Stimmung des Buches ist ausgesprochen gut eingefangen durch die Leserin des Hörbuchs Jasna Fritzi Bauer.

    4,5 Sterne

    Teilen
 

Die Dorfhexe: Roman

Buchseite und Rezensionen zu 'Die Dorfhexe: Roman' von Linda Olsson

Inhaltsangabe zu "Die Dorfhexe: Roman"

Welchen Preis hat das Glück? Zwei Frauen, zwei Lebensgeschichten – und eine Begegnung, die alles zum Guten wendet.

Winter, ein altes Haus irgendwo in Schweden. Hierher ist die junge Veronika in einer Lebenskrise geflüchtet. Hier will sie Ruhe finden und ihren neuen Roman schreiben. Das Nachbarhaus scheint leer zu stehen, schwarze Fensterhöhlen, abgeblätterte Farbe. Die Dorfhexe wohnt dort, wird Veronika im kleinen Laden des Ortes erzählt. Und dann, Veronika liegt schon seit Tagen mit Fieber im Bett, steht die alte Frau am Herd und backt ihr Pfannkuchen. Eine zarte und wunderbare Freundschaft entspannt sich zwischen den zwei so unterschiedlichen Frauen. Sie essen zusammen, unternehmen schweigend Spaziergänge und hören Brahms. Eine Freundschaft ist das, an der Veronika gesundet und in deren Rahmen die alte Frau zum ersten Mal ihr schreckliches Geheimnis offenbart, das sie vor Jahren in die Isolation getrieben, ja tief verbittert hat. Einst hat sie aus Angst, nicht genug lieben zu können, ihr Leben dem Hass und der Rache geweiht. Doch nun will sie noch einmal alles ändern, will lieben, für jemanden da sein und das Leben erfahren. Als der Frühling kommt und das Eis bricht, bedeutet dies einen Neuanfang für beide Frauen …

Autor:
Format:Kindle Ausgabe
Seiten:253
Verlag: btb Verlag
EAN:
read more
 

Das wilde Leben der Cheri Matzner

Buchseite und Rezensionen zu 'Das wilde Leben der Cheri Matzner' von Tracy Barone
4
4 von 5 (3 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Das wilde Leben der Cheri Matzner"

Der Radiologe Solomon Matzner und seine italienische Frau freuen sich auf ihr Kind. Da erleidet Cici eine Fehlgeburt, die sie so verstört zurücklässt, dass Sol sich nicht anders zu helfen weiß, als hinter ihrem Rücken schnellstens ein Ersatzkind zu adoptieren: Cheri. Ein rebellisches Mädchen, das auch später als Frau nicht ansatzweise dazu bereit ist, die Erwartungen anderer zu erfüllen. Ein Buch über die Familie, an der man sich die Zähne ausbeißt und ohne die man trotzdem nicht sein kann.

Autor:
Format:Kindle Ausgabe
Seiten:486
EAN:
read more

Rezensionen zu "Das wilde Leben der Cheri Matzner"

  1. Ein Leben lang auf der Suche

    Ein Leben lang auf der Suche

    Das wilde Leben der Cheri Matzner von Tracy Barone

    Als der Radiologe Solomon Matzner und seine Frau Cici ihr ersehntes Kind verlieren, rutscht Cici in eine tiefe Depression. Sol, dessen Ehe mit der Italienerin in seinen Augen nahezu perfekt war, will alles versuchen ihr wieder einen Sinn zu geben. Doch wie soll dies nur gelingen, wenn nicht mit einem anderen Kind, welches sie, die nun keine Kinder mehr bekommen kann, über den Verlust hinwegtrösten kann. Sol ist so verzweifelt, dass er genau dies tut. Er macht sehr viel Geld locker und das Schicksal spielt ihm in die Hände, denn ein kleines Mädchen wurde von seiner süchtigen Mutter, ohne korrekter Angabe des Vaters, in einem Krankenhaus zurückgelassen und kann bei der Pflegefamilie nicht länger bleiben.
    So kam die kleine Cheri in das Leben von Cici und Sol. Cici wurde eine überfürsorgliche Mutter und hatte für Sol kein großes Interesse mehr. Cheri merkt schon früh, dass ihre Eltern sich nicht einig sind, und rebelliert dementsprechend. Die große Frage, wem sie ähnelt und nach wem sie schlägt, spielt eine zentrale Rolle in ihrem Leben. Auch als junge Erwachsene ist sie sehr rebellisch und setzt ihren Kopf durch.
    Im weiteren Verlauf erlebt der Leser wie Cheri mit ihrer Ehe und mit ihrem Beruf umgeht, und wie sie irgendwann anfängt sich mit allem auseinanderzusetzen.

    Tracy Barone hat einen einnehmenden Erzählstil, der mir die Gefühle und das Leben der Protagonistin Cheri sehr gut näher bringen konnte. Sie hat ein Gespür dafür, nicht zu dick aufzutragen, aber dennoch alles auf den Punkt zu bringen. Ein Roman, der nicht nur wilde Seiten eines Menschen aufzeigt. Vorausgesetzt man kann überhaupt davon sprechen, dass Cheri wild war. Vielleicht hat ihr in ihrem Leben einfach zu lange etwas gefehlt!? Wer den Roman liest, wird am Ende genau wissen, wovon ich spreche. Es lohnt sich!

    Teilen
  1. Weiche Schale, harter Kern

    „Alles, was wir haben, ist unsere Fähigkeit, jeden Morgen aufzustehen und zu entscheiden, wie wir leben wollen, was wir erleben wollen – Gutes oder Schlechtes. Ohne das sind wir nichts.“ (S. 277)

    Wenn eine Autorin (in diesem Fall Tracy Barone) ihrem Roman „Das wilde Leben der Cheri Matzner“ (im Original „Thanksgiving“ bzw. „Happy Family“) den ersten Satz eines Weltliteraturklassikers (Anna Karenina) voranstellt, weckt das seitens der Leser*innen evtl. gewisse Erwartungen bzgl. Inhalt und/ oder Brillanz (okay, etwas überspitzt ausgedrückt). Nun, was haben wir 141 Jahre nach Anna Karenina?

    - Wir haben einen Familienroman.
    - Wir haben Liebe und Sex.
    - Wir haben unterschiedliche Gesellschaftsschichten.
    - Wir haben Tod, Trauer und Verlust.

    Haben wir es also bei Cheri Matzner mit einer modernen Anna Karenina zu tun? Nein, mitnichten. Ich glaube aber auch nicht, dass Tracy Barone mit diesem Anspruch an das Schreiben ihres Erstlingswerks gegangen ist.

    Vielmehr wollte die studierte Religionswissenschaftlerin

    „Religion gehört im Grunde zu den vielseitigsten Gebieten; es überschneidet sich mit Geschichte, Kunst, Sprache, Politik. Kriege werden immer wegen der Religion geführt. Die Leute behaupten hartnäckig, die eine wäre besser als die andere, dabei geht es bei allen um das Gleiche.“ (S. 302)

    und Drehbuchautorin aufmerksam machen auf Drogenmissbrauch, Verlust oder Tod eines Kindes oder eines anderen Familienangehörigen, Adoption, die dadurch (möglichen) Schwierigkeiten und Zusammenbrüche einer Familie…Dass alles vorgetragen in einer leichtfüßigen, dennoch nie oberflächlichen Erzählweise.

    „[…] Es gibt keine Antworten, nur dass jedes Leben, egal, wie lang oder kurz, ein wertvolles Geschenk ist. Nicht die Länge der Zeit, die wir auf Erden verbringen, ist bedeutsam, sondern wie wir sie nutzen, wie wir leben.“ (S. 339)

    Es ist aber auch die Suche nach sich selbst, nach seinen Wurzeln – Fragen, die sich wohl insbesondere adoptierte Kinder immer wieder im Lauf ihres Lebens stellen. Und so darf Cheri Matzner am Ende Frieden mit sich, ihrer „wilden“ Welt, ihren Ängsten schließen.

    „Während Michael kreuz und quer durch Amerika fuhr, um nach Antworten in Bezug auf sein nahendes Ende zu suchen und seinen eigenen Weg zu finden loszulassen, hatte er gleichzeitig dafür gesorgt, dass Cheri eine Wegbeschreibung zu ihren Wurzeln erhielt.“ (S. 477)

    4* für eine nie oberflächliche Familiengeschichte mit viel Herz und Verstand!

    Teilen
  1. Komplexer Familienroman

    Tracy Barone – Das wilde Leben der Cheri Matzner

    Der vorliegende Roman wurde aus dem Englischen übersetzt und trägt den Original-Titel „Happy Family“. Dazu passend stellt die Autorin den berühmten ersten Satz des Klassikers „Anna Karenina“ von Tolstoi voran: „Alle glücklichen Familien ähneln einander. Jede unglückliche Familie ist auf ihre eigene Art unglücklich“.
    Es ist mir nach der Lektüre des Romans ein komplettes Rätsel, wie man daraus „Das wilde Leben der Cheri Matzner“ machen kann. Dieser trivial anmutende Titel in Zusammenhang mit dem Bildnis einer eher mondänen Frau in Badekleidung auf dem Cover könnte komplett die falsche Zielgruppe für diesen vielschichtigen , lesenswerten Familienroman ansprechen, was zwangsläufig Unzufriedenheit beim Leser nach sich ziehen könnte.

    Nun zum Inhalt: Der erste Teil führt in den August 1962 und ist einigermaßen losgelöst von den übrigen drei Teilen. Miriam, eine drogenabhängige junge Frau, kommt in die Trenton-Klinik, um ihre Tochter auf die Welt zu bringen, die sie schließlich im Krankenhaus zurücklassen wird. Sie wird dabei von Billy Beal beobachtet, der dort gerade Sozialdienst ableistet und auch selbst kein einfaches Leben hat. Billy sorgt dafür, dass das kleine Mädchen als Pflegekind von seiner Mutter Sylvia übernommen wird.

    Parallel zu dieser Handlung freut sich das gut situierte Paar Dr. Solomon und Cici Matzner auf die Geburt seines ersten Kindes. Kurz vor dem Termin kommt es jedoch zu Komplikationen: Cici erleidet eine Fehlgeburt. Das zusätzlich Dramatische: ihr muss die Gebärmutter entfernt werden, so dass sie nie wieder wird Kinder bekommen können. Cici fällt in tiefe Depressionen.

    Ihr Mann Solomon sieht als einzigen Ausweg, ein Kind zu adoptieren. Ohne Wissen seiner Frau lässt er seine Kontakte spielen und organisiert ein kleines, neu geborenes Mädchen, dem der Name Cheri gegeben wird. Hier laufen die beiden Erzählstränge zusammen. Cici nimmt das Kind von Herzen an, kann es sogar noch stillen. Von Beginn an fühlt sich der Vater ausgegrenzt, weil Cici das Baby völlig für sich vereinnahmt. Eine Tatsache, die im Verlauf der Geschichte bedeutsam sein wird.

    Der zweite Teil springt ins Jahr 2002, wir lernen die erwachsene Cheri Matzner kennen, die als Professorin für Altorientalistik und Fachfrau für alte Keilschriften an der Universität Studenten unterrichtet. Sie ist mit einem deutlich älteren Mann verheiratet. Die Ehe erscheint nicht glücklich. Ebenso ist das Verhältnis zur Mutter alles andere als entspannt…

    Nach und nach erfährt der Leser Details über die Herkunftsfamilien des jüdischen Solomon und der katholischen Italienerin Cici. Auch dort war nichts einfach, Konflikte schwelen über Jahrzehnte hinweg. Die Autorin arbeitet mit spannenden Rückblicken, die Brüche im Leben der Protagonisten aufzeigen.

    Cheri war ein wilder Teenager, noch heute wird sie von Piercings und Tattoos geziert – doch das ist nur die Oberfläche. Sie ist eine Frau, die schon vor dem ein oder anderen zwischenmenschlichen Problem geflohen ist, anstatt es zu klären und zu lösen. Das liegt insbesondere an ihrer mangelnden Bereitschaft zur Kommunikation. Eisiges Schweigen herrscht nicht nur in der Beziehung zu ihrem Mann Michael, sondern auch zu ihrem Vater. Der Mutter geht sie lieber aus dem Weg, da diese sie mit ihrer Überliebe zu erdrücken droht. Damit einher geht bei Cheri eine bedingungslose Kompromisslosigkeit, was schon zu einem kompletten Neuanfang im Berufsleben und zum Bruch mit dem Vater führte.

    Der Leser bekommt immer wieder interessante Einblicke in die Vergangenheit, die diesen komplexen Charakter Cheris aufzeigen und erklären. Das gestaltet die Familiengeschichte ungeheuer spannend. Hinzu tritt die aktuelle Problematik, dass ihre Universität eine Untersuchung durchführt, die beweisen soll, dass Cheri sich einem Studenten gegenüber diskriminierend verhalten hat. Auch in diesem Zusammenhang handelt sie unglaublich geradlinig, will sich nicht verbiegen lassen, und das, obgleich ihre Karriere damit am seidenen Faden hängt. Leider treten auch in ihrer Ehe treten tragische Veränderungen ein…

    Die Geschichte liest sich leicht, der Inhalt ist es aber nicht. Es geht um Verfehlungen, Untreue, Verrat, um Abschied und Trauer. Es geht um das, was eine Familie ausmacht und was sie zusammenhält. Es geht auch um Verzeihen und Neuanfang.
    Inwiefern sind ererbte DNA und Herkunft für unser Sein verantwortlich, inwiefern Umfeld, Erziehung und Sozialisation?

    Der Roman verzeichnet viele Wendungen und Themen, die ihn sehr kurzweilig machen, dabei aber stetig zum Nachdenken über das Gelesene anregen. Ich habe das Buch sehr gerne gelesen. Abgesehen vom Titel möchte ich nichts kritisieren und vergebe mit vier Sternen gerne eine Lese-Empfehlung - insbesondere an jene, die komplexe Familiengeschichten lieben.

    Teilen
 

Seiten