Idaho: Roman

Buchseite und Rezensionen zu 'Idaho: Roman' von Emily Ruskovich

Inhaltsangabe zu "Idaho: Roman"

Format:Kindle Ausgabe
Seiten:417
Verlag: Hanser Berlin
EAN:
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I Saw a Man: Roman

Buchseite und Rezensionen zu 'I Saw a Man: Roman' von Owen Sheers
3
3 von 5 (1 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "I Saw a Man: Roman"

Autor:
Format:Taschenbuch
Seiten:304
EAN:9783328101109
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Rezensionen zu "I Saw a Man: Roman"

  1. 3
    20. Jun 2016 

    Der Witwer

    Caroline Turner war Journalistin, ihr Anliegen war es, die Wahrheit zu erzählen. Ihren Wunsch nach Wahrheit bezahlt sie mit ihrem Leben. Zurück bleibt ihr Mann Michael, der ihren Tod lange nicht verwinden kann. Michael zieht nach London in eine beschauliche Nachbarschaft. Schnell findet er Kontakt zu den Nachbarn, der Familie Nelson. Josh, seine Frau und die beiden kleinen Töchter werden fast so etwas wie eine Ersatzfamilie. Bei ihnen findet Michael ein wenig Halt und Trost. Leider besteht dieses Idyll nicht sehr lange. Das Schicksal hält einen weiteren Schlag bereit.

    Welche extremen Veränderungen muss ein Mensch durchmachen, der einen geliebten Menschen plötzlich verliert. Die Lebensplanung wird durch den Verlust jäh angehalten, die Neuorientierung ist nicht möglich und auch nicht gewollt. Lediglich oberflächlich entsteht mit der Zeit wieder eine Art Normalität. Doch unter der Oberfläche brennt der Gedanke an den unerträglichen Verlust. Das Wissen um das Geschehen hilft nicht, macht es doch nur die Unsinnigkeit des Todes deutlich. Und die Auswirkungen reichen weit. Etwas, worüber man sich nie genug Gedanken machen kann, welche Auswirkungen hat das eigene Tun. Auf der anderen Seite darf man sich manchmal genau darüber keine Gedanken machen.

    Genau darum scheint es in diesem von Devid Striesow sehr eindringlich vorgetragenen Roman zu gehen. Der Autor gibt seinen Lesern einiges zu knacken, eine extreme Situation mündet schließlich in einer Katastrophe, an der niemand wirklich schuld ist. Oder ist wirklich niemand schuld. Was ist Ursache, was ist Wirkung. Zwei Welten, zwischen denen kaum ein Zusammenhang besteht. Nur leider ist es dem Autor nicht ganz gelungen, den Leser bzw. Hörer emotional zu packen. Keiner der Hauptakteure weckt tiefe Sympathie, am ehesten noch der Fernste handelt integer. Doch Gefühle und Handlungen, die einem eigentlich nahe gehen sollten, bleiben fern und kühl. Ist man möglicherweise durch gute Besprechungen neugierig auf dieses ungewöhnliche Buch geworden, könnte man eine kleine Enttäuschung erleben.

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Nur diese eine Liebe

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Rezensionen zu "Nur diese eine Liebe"

  1. Ein sehr emotionales Buch

    Krischan ist nun seit über vier Wochen tot und Greta ist in ihre Trauer eingeschlossen.Ihre einsamen Tage verbringt sie weitgehends allein und betäubt.Sie zählt die Tage nach seinem Tod.Bis Greta in Kirsten eine neue Freundin findet.Wird sie Krischan loslassen können?Gibt es für Greta überhaupt eine positive Zukunft,wenn sie mit knappen 36 Jahren schon Witwe geworden ist?

    Der Erzählstil ist ruhig und leicht zu lesen.Die Protagonisten sind sympathisch und authentisch dargestellt.Die Spannung hält sich eher im Hintergrund ist aber immer präsent.

    Fazit:Es geht immer mal wieder in die glückliche Vergangenheit von Krischan und Greta zurück. Es wird aus Sicht Greta's berichtet.Die einzelnen Kapitel werden wieder durch Tage unterteilt so wie bei den Vorgängerbüchern auch.Es geht zwar emotional und in gewissen Momenten traurig zu aber in meinen Augen wirkt diese Geschichte nicht bedrückend.Es werden viele Emails und WhatsApp Nachrichten hin und herverschickt so dass ich das Gefühl hatte dass dieser Roman eine sehr persönliche Note hat.Ich finde dieses Band fast noch besser als die Vorgängerbücher.Die Autorin hat die Trauerbewältigung und das langsame wiederauftauchen in das Leben und zugleich die emotionsvolle Vergangenheit sehr gut dargestellt.Das Ende ist so unendlich traurig,gleichzeitig so schön einfach herrlich.
    Es ist der dritte Band einer bisher dreiteiligen Reihe. Er ist in sich abgeschlossen und es gibt genügend Rückblenden aber ich würde doch zuerst die Vorgängerbücher lesen um das Geschehen richtig zu verstehen.

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Bis ans Ende aller Fragen

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Rezensionen zu "Bis ans Ende aller Fragen"

  1. Bis ans Ende aller Fragen

    Das Cover ist schlicht und klar, hat mE aber wenig Bezug zur Geschichte. Worum gehts? Maxi ist in den 40ern und anders, als sie es sich als Kind immer wünschte, ist sie Single, kinderlos und Besitzerin eines Cafés. Ihre Familie übernimmt gern Kuppelversuche und letztenendes hat sie es ihrer Nichte Summer zu verdanken, dass sie sich als "trauernde Witwe" in einer Trauergruppe wiederfindet, um dort Mr Right zu treffen. Ein kleines Lügengespinst, dass allerlei Verwirrung nach sich zieht.
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    Maxi ist total authentisch. Sie lässt den Leser an ihren Gedanken teilhaben. Schön finde ich es, dass die Geschichte auf ihre Tagebucheinträge Bezug nimmt. Gelegentlich lösen alte Tagebuchseiten die einzelnen Kapitel - da erkennt der Leser auch, was sie sich wünschte, für wen sie schwärmte und was sie sich für die Zukunft vorgestellt hatte.

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  1. Kurzweilig und mit viel Her(t)z

    „Bis and Ende aller Fragen“ ist ein von mir seit langem erwartetem Roman des Autorenduos Frauke Scheunemann und Wiebke Lorenz. Die Beiden Schwester schreiben unter dem Pseudonym Anne Hertz und habe mich schon in vielen Büchern begeistert. Auch hier ist es ihnen wieder gelungen.
    Worum geht’s? Für die über 40 Jährige Maxi ist das Leben etwas anders gelaufen als gedacht. Statt Ehemann und einer Horde Kinder oder einer steilen Karriere ist Maxi Single und arbeitet in einem Café. Ihre Nichte Summer hat allerdings einen Plan, der schnell zum Selbstläufer wird. Tante Maxi gibt sich als Witwe in einer Trauergruppe aus! Denn wo gibt es sonst noch traurige Witwer mit Anhang, um Maxis Familienträume wahr werden zu lassen?
    Ich muss sagen, dass ich die Idee des Buches sehr charmant fand. Auch der Schreibstil der Autorenschwestern ist wie gewohnt spritzig und kurzweilig. Man findet gut ausgearbeitete Charaktere und eine beschwingte Story. Besonders klasse fand ich Summer, Maxis Nichte, die durch ihre unnachahmliche Art einiges ins Rollen gebracht hat. Aber auch Maxi kommt nicht wie die klassische Ü40erin daher, sondern wirkt deutlich jünger. Sympathisch ist sie aber allemal.
    Was mir nicht so besonders gefallen hat war, dass die Story teilweise schon echt etwas abgefahren war. Das war mir einen Hauch zu unrealistisch – das mag aber auch an mir liegen. Mathematiker sind schon eher Realisten. Empfehlen werde ich das Buch aber in jedem Fall, weil es mir einfach Freude bereitet hat und ich es gerne gelesen habe. Wer also Lust auf eine seichte und beschwingte Geschichte hat, ist hier goldrichtig.

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Was man von hier aus sehen kann: Roman

Buchseite und Rezensionen zu 'Was man von hier aus sehen kann: Roman' von Mariana Leky
4.35
4.4 von 5 (3 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Was man von hier aus sehen kann: Roman"

Autor:
Format:Kindle Ausgabe
Seiten:321
Verlag:
EAN:
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Rezensionen zu "Was man von hier aus sehen kann: Roman"

  1. Eine herrliche Symphonie aus Grün, Blau und Gold

    "Wir lebten in einer malerischen Gegend, in einer wunderschönen, einer paradiesischen, so stand es auch in geschwungener Schrift auf den Postkarten, die der Einzelhändler auf der Ladentheke liegen hatte. Kaum jemand im Dorf aber nahm das wahr, wir übergingen und übersprangen die Schönheit, wir ließen sie rechts und links liegen, wären aber die ersten gewesen, die sich lautstark beschwert hätten, wenn die Schönheit um uns herum eines Tages nicht aufgetaucht wäre. Der Einzige, der wegen des täglichen Übergehens der Schönheit manchmal ein schlechtes Gewissen hatte, wae der Optiker. [...] >>Nun schaut doch mal, wie unglaublich schön das alles ist<<, sagte er dann und zeigte mit großer Geste auf die Tannen, auf die Ähren, auf den ausgiebiegen Himmel darüber, >>Eine herrliche Symphonie aus Grün, Blau und Gold.<<" (S.60)

    Ein merkwürdiges Buch. Es geht hauptsächlich um Luise und die Liebe. Aber es geht auch um den Tod. Und es geht auch immer wieder um das, was wir sehen oder nicht sehen. Aber der Reihe nach:
    "Was man von hier aus sehen kann" von Mariana Leky ist in einem Dorf im Westerwald angesiedelt und in drei Teile gegliedert. Im ersten Teil ist Luise, die Ich-Erzählerin, zehn Jahre alt. Sie pflegt eine innige Beziehung zu ihrer Großmutter Selma. Der Optiker des Dorfs ist ein enger Freund Selmas und ersetzt Luise den Großvater, welcher schon vor Luises Geburt gestorben ist. Luises bester Freund ist der zehnjährige Martin. "[...] dann nahm Martin meinen Kopf und drückte mein Gesicht an seinen Hals. >>Schau nicht hin<<, sagte er. [...] Ich beschloss, Martin später zu heiraten, weil ich fand, der Richtige sei der, der einem das Hinsehen erspart, wenn die Welt ihren Lauf nimmt." (S.39) Der Aufhäger des ersten Teils ist der, dass Selma von einem Okapi geträumt hat. Immer wenn das passiert, stirbt kurz darauf jemand im Dorf. Ich werde an dieser Stelle mal nicht verraten, wen es trifft... Tatsächlich stirbt in jedem der drei Roman-Teile eine Person im Dorf.
    Im zweiten Teil ist Luise zweiundzwanzig Jahre alt und trifft Frederik. Frederik ist eigentlich aus Hessen, lebt aber als buddhistischer Mönch in Japan. Luise ahnt schon bei der ersten Begegnung, dass Frederik "das ganze großflächige Leben in einer einzigen Bewegung umdrehen" wird. (S.96) Sie telefonieren und schreiben sich Briefe und es beginnt eine Zeit des Hoffens und Bangens. Das ganze Dorf verfolgt die Annäherungen der beiden mit Spannung. Im dritten Teil ist Luise zweiunddreißig Jahre alt. Die Geschichte verdichtet sich zum großen Finale, durch Rückblenden erfahren wir mehr über Selma und schließlich kommt auch Frederik wieder ins Dorf.

    Ich fand das Buch an vielen Stellen sehr witzig. Das Setting des kleinen Dorfes und seiner Bewohner hat etwas von einer Komödie. Die meisten Figuren sind wenig komplex und durch eine einzige, prägende Eigenschaft beschrieben, zum Beispiel gibt es die stets mit sich selbst beschäftigten, nie verfügbaren Eltern Luises, die fürsorgliche Selma, den belesenen Optiker, die abergläubische Elsbeth, die traurige Marlies und so weiter. Interessant sind auch die übernatürlichen Elemente wie zum Beispiel Selmas Träume vom Okapi und der scheinbar unsterbliche Hund Alaska. Ich denke, was die zahlreichen Verweise auf das Sehen angeht, hat das Buch auch noch eine höhere Deutungsebene, die mir teilweise entgeht. Potenzial für Diskussionen mit Mitlesern wäre also auch da. Alles in allem ist "Was man von hier aus sehen kann" eine interessante und witzige Lektüre gewesen.

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  1. Wie naive Kunst: Herzig.

    Endlich hab ich es auch gelesen und es hat mir einige sehr nette Stunden beschert.

    Es gibt Romane, die (von mir) immer mehr Punkte oder Sterne bekommen, je länger ich nach dem Lesen über sie nachdenke, weil sie nachwirken und es gibt Romane, die immer weniger Punkte oder Sterne (von mir) bekommen, je länger ich über sie nachdenke. Darum wird es Zeit, dass ich meine Rezension für „Was man von hier aus sehen kann“ schreibe, bevor es Tag wird und die Sterne am Himmel völlig verblassen.

    Was mich sofort „gezogen“ hat oder hübscher gesagt für das Buch eingenommen hat, ist die wunderbare Art der Autorin zu erzählen.

    Dass „Was man von hier aus sehen kann“ kein Roman ist, dessen Inhalt man Eins zu Eins auf der Realitätswage wiegen kann, ist von Anfang an klar. Muss ja nicht. Also klopfen wir nichts auf Wahrscheinlichkeit ab. So ein Buch ist das nicht.

    In der naiv wirkenden Erzählweise der nicht weniger naiv wirkenden Icherzählerin Luise verbirgt sich trotzdem oder auch gerade manche Lebensweisheit und sehr viel feiner Humor.

    Als Luise eines Tages von jemandem eröffnet wird: „Ich muss dir etwas sagen!“ lässt die Autorin Luises Alarmglocken wie folgt schrillen:

    „Ich dachte daran, was in Selmas Vorabendserien mit dem Satz "Ich muss euch was sagen" eingeleitet wurde. Wir sind bankrott, ich verlasse dich, Matthew ist nicht dein Sohn. William ist klinisch tot. Wir stellen jetzt die Maschinen ab.“

    Das ist Humor vom Feinsten und gut beobachtetes Alltagsleben.

    Um was geht es eigentlich? Grob gesagt um das Dorfleben im Westerwald. Wie die Menschen dort miteinander umgehen. Nur passt der Ton irgendwie nicht zum Westerwald. Ich meinte mich die ganze Zeit nach Brasilien versetzt zu sehen. Das Buch erinnerte mich vom Flair her an „Blumentochter“ von Vanessa da Mata. Aber Westerwald? Niemals. Dort ist der Menschenschlag viel schwerer, ebenerdiger.

    Der Humor hat mir sehr gefallen und die Schreibweise rührt mich an. Nur dass halt Hübsches, wenn es zu oft wiederholt und präsentiert wird, dann weniger hübsch wird. Wiederholungen nutzen ab.

    Im Prinzip konnte ich alle Wahrscheinlichkeiten und Unwahrscheinlichkeiten akzeptieren, den Schluß fand ich jedoch zu schwach für den Roman, weil die Autorin, um nicht in die Falle des Süßlichen zu tappen, ein halbherziges HappyEnd fabrizierte. Obwohl ein HappyEnd ja gut gepaßt hätte. Zu dieser Art des Erzählens. Es ist eben ein herziges Buch.

    Fazit: Herziges Buch, das Spaß macht, aber halt nicht hängen bleibt. Eigentlich wie Naive Kunst: Nett anzuschauen, bleibt aber nicht auf der Netzhaut bei Licht aus.

    Kategorie: Gute Unterhaltung.
    Verlag, Dumont 2017

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  1. Das gefürchtete Okapi

    Es gibt Zeiten, da erfährt das ganze Dorf im Westerwald, das Selma mal wieder von einem Okapi geträumt hat. Danach herrscht unbändige Unruhe im Dorf und auch in der nächsten Gegend. Denn, wenn Selma ein Okapi sieht, dann stirbt jemand. Das war schon immer so und wird auch weiterhin so bleiben. Wen es trifft, das erfährt man in etwa den nächsten 48 Stunden. Da hilft auch kein tricksen oder wegrennen.

    Aber dieses Dorf wäre nichts besonderes, wenn die Bewohner dort nicht immer irgendwie zusammen agieren. Jeder hängt mit jedem zusammen und wenn da einer aus einem anderen Teil von Deutschland kommt und nach Japan geht hängt er auch mittendrin. Er kann noch so weit weg sein, wie der der Sohn von Selma z.B., der die Welt hereinlassen will in sein Leben und selten da ist oder der Mönch Frederik, der vom Dach eines Klosters in Japan lebt.

    Es sind alles liebenswerte Personen, die die Autorin erschaffen hat. Selmas
    Enkelin, die einen Mönch liebt, der Optiker, der Louises Großmutter liebt, es
    ihr aber nie gesagt hat und sich auch jetzt nicht traut. Louises Vater ist auf
    Dauer-Reise und ihre Mutter liebt den italienischen Eisverkäufer. Da gibt es
    Martin, den Kinderfreund von Louise und sein Vater Palm, der dem Alkohol
    verfallen ist. Louise ist mehr ihrer Großmutter und ihrem besten Freund dem
    Optiker zugetan, denn die haben sich mehr um sie gekümmert, als ihre
    Eltern.

    Dieses Buch beinhaltet so viele Lebensweisheiten und auch übersinnliche
    Begebenheiten. Man möchte mehr davon haben. Es macht viel Freude es zu
    lesen. Allerdings fiel es mir schwer, die Dorfgemeinschaft altern zu sehen.
    Es ist zwar der Lauf der Dinge, aber irgendwie waren sie für mich alterslos.
    Wie im wahren Leben gehen sie dann doch davon und das Buch endet leider.

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Deine Seele in mir

Buchseite und Rezensionen zu 'Deine Seele in mir' von Susanna Ernst

Inhaltsangabe zu "Deine Seele in mir"

Format:Kindle Ausgabe
Seiten:480
Verlag:
EAN:
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Ein Blick in deine Augen: Roman

Buchseite und Rezensionen zu 'Ein Blick in deine Augen: Roman' von Nicole Walter

Inhaltsangabe zu "Ein Blick in deine Augen: Roman"

Format:Taschenbuch
Seiten:352
EAN:9783426524244
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Die See: Roman

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Rezensionen zu "Die See: Roman"

  1. Wer bin ich?

    Inhalt
    Max Morden kehrt an einen Ort (Ballyless) seiner Kindheit, an "Die See" zurück. Dort hat er immer seine Ferien in einem kleinen Chalet gemeinsam mit seinen Eltern verbracht.

    "Wir kamen jeden Sommer im Urlaub hierher, viele Jahre lang, viele Jahre, bis mein Vater uns sitzen ließ und nach England ging, wie Väter es bisweilen taten, damals und eigentlich auch noch heute. Das Chalet war ein klassisches Holzhaus nur in verkleinertem Maßstab." (S.33)

    Auslöser für die Rückkehr ist der Tod seiner Frau Anna, die nach schwerer Krankheit von ihm geht und um die er trauert.

    Aus der Ich-Perspektive von Max werden in verschiedenen Zeitebenen die Erinnerungen an längst vergangene Ereignisse wach.
    Manchmal springt der Ich-Erzähler unvermittelt von der Gegenwart in die Vergangenheit, wobei die Gedanken inhaltlich zusammengehören.
    Auch innerhalb dessen, was geschehen ist, erinnert er sich nicht chronologisch. So setzt sich wie ein Puzzle die Vergangenheit - ein Sommer an der See, den Max als Junge erlebt hat - Schritt für Schritt zusammen, was er als Erzähler selbst kommentiert:

    "Und warum sollte ich mich wohl, anders als jeder dahergelaufene Melodramatiker, der Forderung verschließen, dass die Geschichte zum Schluss noch eine ordentlich überraschende Wendung braucht?" (S.196)

    Eine große Bedeutung kommt in jenem längst vergangenen Sommer der Familie Grace zu. Bestehend aus den Eltern Carlo und Conny und den Zwillingen: der stumme Myles und die knabenhafte Chloe, sowie der Gouvernante Rose, die in die Villa "Zu den Zedern" einziehen. Ihre gesellschaftliche Stellung, die der Max´ überlegen ist, übt auf ihn eine besondere Faszination aus.

    An jenen Ort kehrt auch der Witwer Max zurück.

    "Die Villa heißt Zu den Zedern, wie eh und je." (S.9)

    Inzwischen ist es eine Pension, geleitet von Miss Vavasour und dauerhaft bewohnt vom alten Colonel Blunden.
    Max Tochter Claire begleitet ihn zunächst an die See. Einerseits liebt er sie, andererseits scheint er auch von ihr enttäuscht zu sein, da sie keine zweite Anna ist, und äußert sich abfällig über sie.

    Außergewöhnlich gut gelingt es Banville die Atmosphäre, die Präsenz der See erlebbar zu machen, sie ist allgegenwärtig, man schmeckt sie, fühlt den Wind und hört die Wellen.

    "An der See besteht alles aus schmalen Waagerechten, die ganze Welt reduziert sich auf ein paar lange, gerade, zwischen Erde und Himmel gezwängte Linien." (S.14)

    Und man kann sich in die Gedanken und die erotischen Träume des 11-jährigen Max hineinversetzen, die sich zunächst um Conny Grace drehen, dann aber von der Mutter auf die Tochter übergehen.
    Mit Chloe wird er zur eigenständigen Person, entdeckt zum ersten Mal sich selbst.

    "Indem sie mich von der Welt loslöste und mich dadurch erkennen ließ, dass ich ein losgelöstes Wesen war, schloss sie mich von dem Gefühl der Immanenz allen Seins aus, von dem Allsein, das mich umfangen hatte, in dem ich bis dahin in mehr oder minder glücklicher Unwissenheit gelebt hatte." (S.142)

    Neben diesen Erinnerungen an das, was in dem Sommer geschehen ist, wandern Max´ Gedanken immer wieder zur gemeinsamen Vergangenheit mit Anna. Wie sie sich kennen gelernt haben, ihre Heirat, die Beziehung zu ihrem Vater, wie sie von ihrer Krankheit erfahren haben und zu ihrem Tod und seiner Hilflosigkeit.

    "Wir tragen die Toten nur so lange bei uns, bis wir selber sterben, und dann sind wir diejenigen, die eine kleine Weile mit herumgetragen werden, und dann ist es an denen, die uns tragen, selbst umzufallen und so geht es immer weiter, von Generation zu Generation, bis in unvorstellbare Ewigkeiten." (S.100)

    Die Identitätssuche des Protagonisten ist meines Erachtens der Mittelpunkt des Romans. Max hinterfragt sein Handeln, reflektiert sein Verhalten und gelangt zu Erkenntnissen über sich selbst.
    Den Fragen, wer er sein will, wer er geworden ist und welche Bedeutung Anna und die Ereignisse um Chloe in seinem Leben gespielt haben, nähert er sich langsam an.

    "Früher habe ich mich stets als eine Art Freibeuter gesehen, einen der jedermann mit dem Entermesser zwischen den Zähnen begegnet, aber heute muss ich eingestehen, dass das eine Selbsttäuschung war. Versteckt, beschützt, behütet sein, mehr habe im Grunde nicht gewollt." (S.54)

    Bewertung
    Über den Charakter des Protagonisten haben wir in der Leserunde am meisten diskutiert. Ist Max sympathisch? Zumindest ist er ein ambivalenter Charakter, der sehr darunter leidet, in eine Gesellschaftsschicht hinein geboren zu sein, in der er sich nicht zugehörig fühlt. Die Bekanntschaft mit den Graces führt ihm vor Augen, was er sein will und wohin er möchte. Insofern ist seine Heirat mit Anna, die aufgrund der illegalen Geschäften ihres Vaters Geld zur Verfügung hat, opportunistisch, andererseits liebt er sie und verzweifelt an ihrem Tod zutiefst.

    Letztlich ist die Frage nach der Sympathie zweitrangig. Die Auseinandersetzung mit seinem Leben, die Suche nach Identität, das Rätsel um jene schrecklichen Ereignisse, die an der See geschehen sind, die Beziehung der Figuren zueinander in jenem Sommer, die Schritt für Schritt aufgedeckt werden, erzeugen einen Lese-Sog - trotz der Reflexionen und der Sprünge zwischen und innerhalb der Zeitebenen.
    Die außergewöhnliche bilderreiche Sprache lädt dagegen immer wieder dazu ein innezuhalten und über das Gelesene nachzudenken.

    Ein besonderer Roman und sicherlich nicht der letzte, den ich von John Banville gelesen habe. Vielen Dank an @Literaturhexle, die mich auf die Leserunde aufmerksam gemacht hat und die genau wie ich von der wunderbaren Sprache des Romans angetan ist.

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  1. 5
    04. Nov 2017 

    Ein wirklich würdiger Preisträger

    2005 bekam John Banville für dieses Buch den Man Booker Prize verliehen - völlig zu recht wie ich finde. Auch im Deutschen (dank der herausragenden Übersetzerin Christa Schuenke) fühlte ich mich beim Lesen, als ob ich an der Seite des Protagonisten wäre. Ich roch und schmeckte das Meer, den Herbst, den Sommer. Es gibt sicherlich nur wenige Bücher, in denen ich so unmittelbar am Erleben der Figuren teilgenommen habe wie hier.
    Die Geschichte an sich ist eher unauffällig: Ein Mann, Max Morden, ein Kunsthistoriker in den Sechzigerin, verliert seine Frau durch eine Krankheit und fährt in seiner Trauer an einen Ort seiner Kindheit; dort, wo er die Ferien verbrachte. Hier erinnert er sich an längst und jüngst Vergangenes, an die Urlaube als Kind, die letzten Monate während der Krankheit seiner Frau, ihre erste gemeinsame Zeit. Alles fließt ineinander über und doch sind die verschiedenen Lebensabschnitte leicht voneinander zu unterscheiden. Fast wirkt es wie im Film, wenn durch geschickte Überblendungen der Wechsel in eine andere Zeitebene erfolgt - John Banville beherrscht diese Kunst grandios. Max' Erinnerungen, wiederholt ausgelöst durch Vergleiche mit der bildenden Kunst, nimmt er auch zum Anlass, sich Selbstreflektionen hinzugeben, die teilweise zu philosophischen Betrachtungen werden. Wann entsteht Bewusstsein? Das Bewusstsein seiner Selbst? Was ist Arbeit? Banville besitzt unter anderem nicht nur ein bewunderswertes Wissen über Kunst, sondern beispielsweise auch über Neurophilosophie, an dem er die Lesenden teilhaben lässt.
    Doch über Allem steht dieser wunderbare Schreibstil, der exemplarisch zeigt, zu was Sprache fähig ist. "Sommerlicht, dick wie Honig ...", "Draußen gab es noch mehr Palmen, zerzauste, gakelige Dinger, deren graue Borke dick und zäh wie Elefantenhaut aussah." Banville ist ein unglaublich aufmerksamer Beobachter mit einem Blick für kleinste Details, die er in solch bildhafte Worte fasst, dass man wirklich Alles vor sich sieht.
    Bemerkenswert empfand ich auch die Darstellung des Protagonisten. Max, der einen von Beginn an durch seine schon fast poetische Sprache praktisch völlig für sich einnimmt, sich jedoch entlarvt durch kleine Nebensätze als ein nicht gerade sympathisches Exemplar seiner Gattung. Amüsant empfand ich seine Abneigung gegenüber Männern, an denen er exakt das missbilligte, was er darstellte: das Vortäuschen einer Figur, die er nicht ist, was mir jedoch erst gegen Ende bewusst wurde.
    Ein Buch, in dem so viel mehr steckt als nur die Geschichte eines trauernden Mannes. Ganz große Kunst!

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Die kanadische Nacht: Roman

Buchseite und Rezensionen zu 'Die kanadische Nacht: Roman' von Jörg Magenau
4.5
4.5 von 5 (2 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Die kanadische Nacht: Roman"

In Kanada liegt der Vater im Sterben. Die Nachricht trifft seinen Sohn in einer Krise. Hinter ihm liegt ein gescheitertes Buchprojekt. Seit Jahrzehnten hat er den fernen Vater nicht gesehen, nun überquert er Atlantik und Rocky Mountains, um ihn hoffentlich noch lebend anzutreffen. Doch was ist überhaupt ein Leben? Was weiß man von einem fremd gebliebenen Vater, von der Liebe der anderen und der eigenen? Und wie schreibt man darüber? Die Fahrt durch die kanadische Nacht führt den Erzähler immer tiefer in die eigene Herkunft und hinaus ins Offene. Als er den Vater erreicht, geht etwas zu Ende, aber etwas Neues beginnt auch: die Suche nach dem, was trotz aller Vergänglichkeit bleibt.

Format:Kindle Ausgabe
Seiten:143
Verlag:
EAN:
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Rezensionen zu "Die kanadische Nacht: Roman"

  1. Aus dem Ende entsteht ein Anfang

    !ein Lesehighlight 2021!

    Klappentext:

    „In Kanada liegt der Vater im Sterben. Die Nachricht trifft seinen Sohn in einer Krise. Hinter ihm liegt ein gescheitertes Buchprojekt. Seit Jahrzehnten hat er den fernen Vater nicht gesehen, nun überquert er Atlantik und Rocky Mountains, um ihn hoffentlich noch lebend anzutreffen. Doch was ist überhaupt ein Leben? Was weiß man von einem fremd gebliebenen Vater, von der Liebe der anderen und der eigenen? Und wie schreibt man darüber? Die Fahrt durch die kanadische Nacht führt den Erzähler immer tiefer in die eigene Herkunft und hinaus ins Offene. Als er den Vater erreicht, geht etwas zu Ende, aber etwas Neues beginnt auch: die Suche nach dem, was trotz aller Vergänglichkeit bleibt.“

    Die Reise des Sohnes zu seinem sterbenden Vater ist eigentlich der Hauptteil dieses Buches. Autor Jörg Magenau nimmt den Leser auf eine ganz ruhige Reise mit über den großen Teich. Seine Worte wählt er für seinen Protagonisten mit Bedacht und größter Sorgfalt aus. Laute und kräftige Wörter wären bei diesem Schritt im Leben sowieso der falsche Weg. Hier stimmt alles! Wir begleiten den Sohn mit dem Mietwagen in den USA auf den Weg zu seinem Vater und wir erleben dabei, wie er sich selbst reflektiert. Er geht in sein tiefes Inneres und erlebt vor dem geistigen Auge nochmal seine Kindheit, seine Jugend, schöne und weniger schöne Erinnerungen. Er erinnert sich an seinen Vater, seine Familie. Es ist eine sehr intensive Selbstreflexion, die man nur macht, wenn der Tot nah ist. Ich fand Magenaus Worte und Gedanken von seinem Protagonisten unheimlich tiefgründig und feinfühlig. Die Auseinandersetzung mit Leben und Tot ist ein wichtiges Thema, welches niemals untergraben werden sollte oder sogar auf die leichte Schulter genommen werden sollte. Das der Sohn es hoffentlich noch zu seinem Vater schafft, ist der eigentliche Spannungsbogen. Haben sie sich doch lange nicht gesehen, aber wenigstens der Abschied soll sie nochmal zueinander führen - ein letztes Mal die Verbindung halten - hoffentlich...

    Magenau hat mit diesem Buch einen ganz besonderen philosophischen Nerv bei mir getroffen und ich bin sehr tief beeindruckt von diesem zarten Büchlein. Es enthält so viel geballten Nachklang, das einem fast schwindelig wird, wenn man sich darauf einlässt.

    Ich fand dieses Buch großartig und kann es nur empfehlen und vergebe deshalb 5 von 5 Sterne!

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  1. Abschied und Aufbruch

    Der männliche Ich-Erzähler, der durchaus Gemeinsamkeiten mit dem Autor aufweist, wird ans Sterbebett seines 91-jährigen Vaters gerufen. Die beiden haben sich seit mehreren Jahrzehnten nicht gesehen, sich aus den Augen verloren, da der Vater nach Kanada ausgewandert ist und ein dortiger Besuch mehrfach scheiterte. Der Sohn landet in Calgary und muss nun mehrere Stunden mit dem Auto fahren, durch Prärielandschaft westwärts in Richtung der Rocky Mountains. Genug Zeit, um nachzudenken: Über seine Kindheit, seine Eltern und die Vaterferne; über Brüche im Leben, über ein misslungenes Buchprojekt, über sich selbst, über die Liebe und deren Vergänglichkeit, über Herkunft und Abschied. Daneben schildert er die vorbeifließende Landschaft während der Fahrt durch die immer dunkler werdende kanadische Nacht. Der Roman ist ein einziger Gedankenfluss, an dem uns der Autor teilhaben lässt. Er tut dies in unvergleichlich wohl gesetzten Worten. Immer wieder muss man innehalten, um das Gelesene zu reflektieren oder eigene Überlegungen anzustellen.

    „Vergangenheit ist nichts Festes, weil sie immer von einem bestimmten, aber nie gleichen Standpunkt, immer von der flüchtigen Gegenwart aus in den Blick gerät. Schreiben heißt, mit der Vergangenheit aufzuräumen.“ (S. 23) In diesem Sinne ist auch dieser Roman zu verstehen.

    Der Vater schrieb während der letzten Jahre viele Briefe und später Emails, in denen er viel von sich und seiner Herkunftsfamilie preisgab: „So war er mir zu einer Papierperson geworden…“ (S.24) Während der Fahrt resümiert der Sohn darüber. Er entdeckt Parallelen zu sich selbst. Die Eltern des Erzählers haben sich getrennt, als er noch ein Kind war, beide Elternteile fanden neue Partner. Den Vater zog es mit der Stiefmutter in die Ferne Kanadas, als der Sohn die Tradition brach und nicht in Tübingen, sondern in Berlin studierte. „Wir waren Familienflüchtlinge, jeder auf seine Weise, und hätten uns darin doch eigentlich sogar verstehen können.“ (S.30)

    Trotz seines Ewigkeitsbedürfnisses gibt auch der Sohn seine Ehe nach vielen gemeinsamen Jahren auf. Er hat eine neue Frau lieben gelernt, seine Seelenverwandte A.: „Ich litt darunter, dass der Aufbruch den Wortbruch voraussetzt, dass ich meiner Frau wehtun musste, aber es konnte nicht anders sein, ich musste gehen, um – anders – weiterzuleben.“ (S. 49)

    Neben diesen Familienverflechtungen beschäftigt den Ich-Erzähler ein beruflicher Rückschlag: Er wurde von einer Malerin angeheuert, um die Biografie ihres verstorbenen Mannes, der Dichter war, zu schreiben. Das Projekt hielt den Erzähler über die letzten zwei Jahre beschäftigt mit dem Ergebnis, dass die Auftraggeberin nach zahlreichen zeitintensiven Änderungswünschen das Manuskript schließlich verwarf und das endgültige Veto einlegte. Ein Vorgehen, das zunächst völliges Unverständnis bei ihm hervorruft.

    Während der Fahrt ändert sich sukzessive die Sichtweise des Erzählers. Er entdeckt immer mehr Parallelen und Zusammenhänge, die nicht nur sein Verständnis für den sterbenden Vater, sondern auch für die kapriziöse Malerin und sich selbst hervorrufen. Währenddessen drängt die Zeit: Der Vater liegt dem Tode nah im Krankenhaus und es ist fraglich, ob der Sohn noch rechtzeitig ankommen wird.

    Der Roman hat keinen Spannungsbogen im engeren Sinne. Dennoch sind die Gedanken des Erzählers und die Erkenntnisse, die sich daran anschließen, im Fluss und sehr lesenswert. Im Angesicht des bevorstehenden Todes eines Elternteils treiben wohl jeden Menschen ähnliche Überlegungen um – nur so brillant formulieren wie Jörg Magenau können es wohl die wenigsten.

    „Meine Herkunft werde ich nicht los, weil sie mich ausmacht, egal, wohin ich fahre.“ (S.42)
    „An der Geduld des Gebirges zerschellt jede menschliche Ungeduld.“ (S. 44)
    „Nur wenige Dinge überleben den Tod ihrer Eigner, die ihnen Sinn und Bedeutung verliehen haben. Der Tod verwandelt sie in Gerümpel, das die Hinterbliebenen dann wegschaffen.“ (S.92)

    Ich habe den Ich-Erzähler gerne auf seiner Reise durch die kanadische Nacht begleitet. Seine Reflexionen wirken durchaus nachvollziehbar, der Schreibstil gekonnt. Insgesamt hat mich die Familienhistorie stärker gefesselt als die des Künstler-Ehepaars – auch wenn die Bezüge und Parallelen schlüssig sind.

    Ein literarisches Buch, bei dem man mit Sicherheit auch bei einer Zweitlektüre auf seine Kosten kommt und bei dem man auf jeder Seite wunderschön formulierte Sätze und Weisheiten entdecken kann. Sehr empfehlenswert!

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Vati: Roman

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Rezensionen zu "Vati: Roman"

  1. Die Abwesenheit des Vaters

    Nachdem sich Monika Helfer im letzten Jahr in "Die Bagage" vornehmlich mit ihrer Großmutter Maria befasste, widmet sie den zweiten Teil ihres autobiografischen Projekts vor allem Vater Josef. Der wollte von seinen Kindern "Vati" genannt werden, weil es so modern klinge, erfahren wir gleich zu Beginn des Romans. Alles andere als modern ist das Buch selbst - muss es aber auch nicht, denn erneut trifft Monika Helfer in ihrer unsentimentalen und dennoch sehr berührenden Geschichte die richtigen Töne.

    Der Sprachstil unterscheidet sich erwartungsgemäß dabei nicht von der "Bagage", fast meinte man, die beiden Romane hätten aufgrund ihrer Kürze durchaus auch in ein Buch gepasst. Die Sätze sind meist kurz, manchmal lakonisch, immer wieder angereichert mit Anekdoten aus der Kindheit und der Gegenwart der Autorin. Zusammen fügen sich diese Anekdoten zu einem stimmigen Bild und einem überzeugenden Roman.

    Die größte Überraschung für mich war, dass die Figuren in "Vati" den Leser:innen nicht so nahe kommen wie in der "Bagage", und das obwohl Monika Helfer diesmal eigentlich viel näher dran sein sollte an der Nachkriegs-Generation ihres Vaters und ihrer Mutter. Vielleicht ist es auch eine bewusst gesetzte Grenze, denn den Schmerz über die lange andauernde Abwesenheit des Vaters ist dem Roman trotzdem fast in jeder Zeile anzumerken. Mal fehlt er nach einem missglückten Suizidversuch, mal wegen der Trauer um die verstorbene Ehefrau. Und selbst wenn er anwesend ist, wirkt er nicht immer präsent und spricht nicht besonders viel mit seinen Kindern. Dennoch ist die besondere Verbindung Monika Helfers zu ihrem Vater zu spüren, die sich nicht allein durch die gemeinsame Liebe für die Bücher und Literatur definiert.

    Unweigerlich vergleicht man "Vati" und "Die Bagage" miteinander, weil sich die Bücher so ähneln, auch wenn es vielleicht nicht ganz gerecht ist. Und während ich mich in der "Bagage" vor allem mit Monika Helfers Onkel Lorenz, in dem Buch noch als Kind auftretend, identifizieren konnte und in ihm eine unglaublich schillernde und spannende Figur erkannte, fehlte mir diese Figur in "Vati" ein wenig. Lorenz selbst darf auch nochmal auftreten, trägt aber erstaunlich wenig zur Handlung bei.

    So komme ich zu dem Schluss, dass mich "Die Bagage" insgesamt noch ein Stückchen mehr berührt und mitgerissen hat, obwohl dies sicherlich Klagen auf hohem Niveau sind. Unbestritten ist jedoch, dass auch "Vati" äußerst lesenswert ist und mit seinem recht unerwarteten, fast schon abrupten Ende die Türen für den dritten Teil, der sich wohl um Bruder Richard drehen soll, weit aufstößt.

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    02. Jul 2021 

    Familiengeschichte...

    Ein Mann mit Beinprothese, ein Abwesender, ein Witwer, ein Pensionär, ein Literaturliebhaber. Monika Helfer umkreist das Leben ihres Vaters und erzählt von ihrer eigenen Kindheit und Jugend. Von dem vielen Platz und der Bibliothek im Kriegsopfer-Erholungsheim in den Bergen, von der Armut und den beengten Lebensverhältnissen. Von dem, was sie weiß über ihren Vater, was sie über ihn in Erfahrung bringen kann. Mit großer Wahrhaftigkeit entsteht ein Roman über das Aufwachsen in schwierigen Verhältnissen, eine Suche nach der eigenen Herkunft. Ein Erinnerungsbuch, das sanft von Existenziellem berichtet und schmerzhaft im Erinnern bleibt. „Ja, alles ist gut geworden. Auf eine bösartige Weise ist alles gut geworden.“

    Erster Satz: "Wir sagten Vati - er wollte es so."

    Erneut widmet sich Monika Helfer mit diesem Roman ihrer eigenen Familiengeschichte. Während "Die Bagage" sich mit den Großeltern mütterlicherseits beschäftigte, wendet sie sich hier ihren Eltern zu und dabei, wie schon der Titel verrät, v.a. ihrem Vater.

    Diesmal kann die Autorin auch auf eigene Erinnerungen zurückgreifen, ergänzt diese aber durch Anmerkungen ihrer Schwestern sowie der zahlreichen Geschwister ihrer Mutter und deren Kinder. Ein Puzzle breitet Monika Helfer hier aus, wobei nach und nach ein Bild entsteht, bei dem die verschiedenen Versionen abgeglichen und eingefügt werden. Und man erhält hier ein sprödes, unprätentiöses Bild von einem Leben in Armut, von einer Wortkargheit, aber auch von einer großen Liebe zwischen dem Vater und der Mutter - bis diese stirbt.

    Dieser Roman stellt einen Versuch dar, sich einer Person zu nähern, die zeitlebens unnahbar blieb - trotz kleiner Gesten der Zuneigung und des Wohlwollens. Wohlwollend ist auch die Annäherung der Autorin, die Betrachtung der Eltern, der Versuch des Verstehens - auch wenn eigene Verletzungen dabei offenkundig werden.

    Der Ton der Erzählung gerät oft leicht melancholisch - weniger aufgrund der nicht immer einfachen Lebensumstände, sondern eher deshalb, weil deutlich wird, dass auch innerhalb einer Familie jeder Einzelne in einer Einsamkeit gefangen ist. Wie gut kennt man einen anderen wirklich? Bleibt das Gegenüber nicht immer ein pixeliges Bild aus einzelnen Mosaiksteinen?

    Für Monika Helfer ist das Bild ihres Vaters sicher deutlicher als es das für den Leser / die Leserin sein kann. Bei mir hat sich der Eindruck eines kleine, zarten, dunkelhaarigen, fast asiatisch anmutenden Mannes festgesetzt, der wenig Worte verloren hat, seine eigenen Wurzeln verleugnete, kriegsversehrt durch die Liebe zur Mutter der Autorin neuen Lebensmut gewann und diesen erneut verlor, als die Mutter starb. Eine große Liebe zu den Büchern kennzeichnete ihn, ebenso wie der ungelebte Traum vom Beruf eines Chemikers.

    Ich mag die langsame Erzählweise der Autorin, den eingängigen und einfachen Schreibstil, der vieles zwischen den Zeilen mitschwingen lässt. Der große Wunsch Monika Helfers, eines Tages ihren eigenen Namen auf einem Buchdeckel zu lesen, ist jedenfalls ein weiteres Mal in Erfüllung gegangen. Und berührend der Stolz, den der Vater empfunden hat, als sie ihm ihr erstes eigenes Buch mitbrachte, das sogleich in die Regalreihe bedeutender Autoren einsortiert wurde.

    Eine Annäherung an die eigene Familiengeschichte, die ich erneut gern gelesen habe...

    © Parden

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  1. Tief berührende Familiengeschichte

    Nach dem vielgelobten Roman „Bagage", in dem die österreichische Autorin Monika Helfer die bewegende Familiengeschichte ihrer aus einem ärmlichen Vorarlberger Bergdorf stammenden Mutter und Großeltern zu Zeiten des 1. Weltkriegs erzählt, hat sie mit „Vati“ nun einen weiteren Erinnerungsroman geschrieben, der eine gelungene Fortführung von „Bagage“ darstellt, aber auch ohne Vorkenntnisse problemlos zu lesen ist.
    In ihrer bemerkenswerten autofiktionalen Geschichte widmet sich Monika Helfer der Lebensgeschichte ihres Vaters Josef Helfer und den Erinnerungen an ihre eigenen Familiengeschichte.
    In sehr einfühlsam und eindringlich erzählten Episoden fügt sie die unterschiedlichsten Erinnerungsfragmente zu einem berührenden Portrait ihres Vaters zusammen, das jedoch eine faszinierende und glaubwürdige Annäherung an seine vielschichte Persönlichkeit mit vielen Unschärfen und Leerstellen bleibt. Allmählich lernen wir einen sehr eigenwilligen und doch faszinierenden Menschen kennen, voller Rätsel und Widersprüche, wortkarg und unnahbar. Als Kriegsversehrter ist er aus dem 2. Weltkrieg mit nur einem Bein zurückgekehrt, heiratet die ihn pflegende, resolute Krankenschwester Grete und statt seinen ehrgeizigen Traum von einem naturwissenschaftlichen Studium zu realisieren, lebt er mit seiner kleinen Familie in den Nachkriegsjahren als Verwalter eines Kriegsversehrtenerholungsheims in den Bergen. Ein idyllischer Zufluchtsort wird dies für die Familie und den Vater, der hier ungestört seiner großen Liebe für schöne Bücher nachgehen kann, und doch durch eine fatale Fehlentscheidung alles zerstört.
    Gekonnt greift die Autorin in Rückblenden immer wieder in „Bagage“ erzählte Begebenheiten auf, lässt die vermeintlich unbeschwerte Nachkriegszeit lebendig werden und lässt zudem einige Anekdoten aus der jüngeren Vergangenheit mit einfließen.
    Mit faszinierender Leichtigkeit und voller Herzenswärme trägt die Autorin die verschiedenen Facetten dieses Mannes zusammen, erzählt über seine Herkunft, Verletzlichkeiten, Passionen, kleinen Fluchten und Unzulänglichkeiten.
    „Vati“ lässt er sich von seinen Kindern nennen, da es modern klinge und doch vermittelt uns die Autorin von ihm ein eher traditionelles Vaterbild, das doch recht typisch für jene Zeit ist – traumatisiert von Kriegserlebnissen, geprägt durch seiner Erziehung und Herkunft, gefangen in unüberwindbaren Umständen, die keine Träume zulassen, und hineingepresst in eine Rolle, aus der er sich bisweilen zu befreien versteht. Schonungslos und doch ohne jede Anklage schildert sie schließlich das schmerzvolle Abwenden des Vaters nach dem frühen Krebstod der geliebten Mutter, den unaufhaltsamen Verfall der Familie und konfrontiert uns mit seiner unverständlichen Rücksichtslosigkeit und Gleichgültigkeit gegenüber den Kindern.
    FAZIT
    Ein tief berührender, wundervoll warmherzig erzählter Erinnerungsroman, der tiefe Einblicke in Helfers persönliche Familiengeschichte gewährt. Ein feines, ganz besonderes Leseerlebnis!

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  1. Mehr wahr als erfunden

    Der Vater war ein kleiner Mann mit einer großen Liebe zu Büchern. Aus dem Krieg kehrte er verletzt zurück, ein Bein wurde ihm angenommen Fortan lebte er mit einer Beinprothese. Im Lazarett lernte er Grete kenne. Mit ihr gründete er eine Familie, leitete ein Kriegsversehrtenheim. Gretes Tod warf ihn aus der Bahn, die Kinder wurden in der Verwandtschaft verteilt.
    Eines dieser Kinder ist die Vorarlberger Schriftstellerin Monika Helfer. „Vati“ ist ein Erinnerungsbuch, eine Annäherung an den Vater, eine Entfernung von der kindlichen Sicht.

    „Alles kriegt seinen Namen erst hinterher – was Kindheit ist, was Kompliziertheit, Blödsinn, Ruhe, Undurchsichtigkeit…“

    Einige Jahre nach dem Tod des Vaters befragte die Autorin die Stiefmutter, lässt sich von den vielen Geschwistern der früh verstorbenen Mutter erzählen. Monika Helfer hat sich Zeit gelassen, mit ihren Erinnerungen, gewartet mit dem Buch, dass niemand mehr da ist, den sie verärgern könnte.

    „Wenn man einen Menschen ein Leben lang kennt, und erst spät erfährt man, wer er im Grunde ist, dann kann man das vielleicht schwer ertragen.“

    Monika Helfer beschreibt ihre Kindheit, in der es einen mächtigen Einschnitt gibt. Aufgewachsen ist sie auf der Tschengla, einem Hochplateau in Vorarlberg, dem „Paradies“, in dem Kriegsversehrtenheim, das der Vater leitete. Nach dem Tod der Mutter ist auch der Vater fort, unfähig sich um seine Kinder zu kümmern.

    Bei allem was die Autorin erzählt, wertet sie nicht, beschreibt, liefert Bruchstücke eines Lebens in sehr einfachen wirtschaftlichen Verhältnissen. Immer wieder kommt sie auf die große Liebe des Vaters zu Büchern zu sprechen. Bücher waren ein Heiligtum. Um eine Bibliothek zu retten, setzt der Vater einiges aufs Spiel. Die junge Monika verspürte damals den heftigen Wunsch, einmal ihren Namen auf einem Buchrücken zu sehen. Sogar der zukünftige Schwiegersohn musste beim Vater den richtigen Eindruck machen, wie er denn ein Buch zur Hand nimmt.

    Auf wenigen Seiten schafft die Autorin ein feinfühliges Portrait der Nachkriegszeit. Wie es so ist mit dem Erinnern kommt sie auch vom damals ins heute. Auch die eigene Trauer um ihre viel zu früh verstorbene Tochter lässt sie spüren. Sie wiegt behutsam autobiografische Nähe und erzählerische Distanz ab. Ein ständiges Bemühen, nichts verloren gehen zu lassen. Ein Roman, mehr wahr als erfunden.

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  1. Mein Vater, der Leser...

    Auf ein Wiedersehen mit der Bagage hatte ich mich schon sehr gefreut, weshalb ich direkt mit der Lektüre startete und wieder kurzweilig und gut unterhalten wurde.

    In der Geschichte geht es dieses Mal um die Eltern der Autorin, vorzugsweise um ihren Vater, der während des Krieges ein Bein verlor und vernarrt in Bücher ist.

    Monika Helfer ist als Ich- Erzählerin unterwegs und beschreibt wie sie die Zeit in der Familie erlebt hat und lässt auch ihre Schwestern zu Wort kommen.

    Schön war zu lesen, dass sich das Leben der Nachfolgegeneration der Bagage etwas verbessert hat und dennoch werden schnell große Unterschiede zu heute klar. Da erscheint trotz der Verletzten das Kriegsversehrtenheim wirklich der schönste Ort gewesen zu sein, mitten in der Idylle und viel Platz.

    Sympathisch war mir der Vater in jedem Fall, teile ich doch seine enorme Leidenschaft für Bücher. Das ist kein Gebrauchsgegenstand, sondern das Zuhause von Figuren, die wir lieb gewinnen.

    Die Paarbeziehung der Eltern empfand ich als tragisch und gleichzeitig so echt. Einfach gut, dass hier nichts geschönt wurde seitens der Autorin, denn genauso ist nun mal die Liebe und das Leben.

    Schön fand ich auch das Wiedersehen mit den Kindern aus "Die Bagage", nur das jetzt alle erwachsen sind und ihren eigenen Weg gehen, sofern sie dies denn umgesetzt bekommen.

    Der nüchterne Schreibstil Helfers trägt dazu bei, dass allein die Familie im Fokus steht, fast so als würde man mittels Zielfernrohr drauf schauen, um ja nichts zu verpassen.

    Fazit: Steht seinem Vorgänger in nichts nach. Ich habe mich wieder gut unterhalten gefühlt. Gern spreche ich eine Empfehlung aus.

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  1. Die Familiengeschichte geht weiter

    In hohem Alter erzählte Tante Kathe der Nichte Monika Helfer die Geschichte ihrer Familie mütterlicherseits mit der Auflage, sie erst nach ihrem Tod für einen Roman zu verwenden. Unter dem Titel Die Bagage war er eines meiner Lese-Highlights 2020. Die bitterarmen Lebensverhältnisse, in denen die Familie Moosburger als verachtete „Bagage“ im hintersten Bregenzerwald lebte, und das Schicksal ihrer Mutter Grete als vermeintliches Kuckuckskind erzählte Monika Helfer äußerst knapp, mit Unschärfen, ohne Dramatisierung oder Pathos und ebenso lebendig wie elegant.

    In ihrem neuen Roman, Vati, steht nun ihr Vater Josef im Mittelpunkt. Man muss den Vorgängerband nicht kennen, da alle notwendigen Informationen kurz zusammengefasst werden, trotzdem macht es mit Vorkenntnissen noch mehr Spaß. Ich habe mich jedenfalls sehr gefreut, so viele „alte Bekannte“ wiederzutreffen.

    Anders ist bei diesem neuen Buch das Schöpfen aus eigenen Erinnerungen. Darüber hinaus hat Monika Helfer ihre Stiefmutter befragt – und auf deren Wunsch bis nach ihrem Tod mit dem Schreiben gewartet – und eigene Erinnerungen mit denen ihrer beiden Schwestern verglichen.

    Auf und ab
    Die Lebensumstände ihres Vaters als unehelich geborener Sohn einer Magd im Lungau waren ähnlich prekär wie die der Mutter. Allerdings nahm sich ein Pfarrer des begabten Jungen an und sorgte dafür, dass er in Salzburg Aufnahme ins Gymnasium und Schülerwohnheim fand. Schon damals fiel seine ungewöhnliche Liebe zu Büchern auf, die ihn ein Leben lang begleitete.

    Ein halbes Jahr vor der Matura erhielt er die Einberufung und verlor in Russland ein halbes Bein und viele Hoffnungen. Weder über seine Kindheit noch über den Krieg sprach der Vater, eher schon, wie er im Lazarett die Mutter kennenlernte. Völlig mittellos lebten die beiden zunächst bei der „Bagage“.

    Ab 1955 leitete der Vater das Kriegsversehrtenheim auf der Tschengla, rückblickend ein Paradies für die 1947 geborene zweite Tochter Monika Helfer. Fast wäre ihm seine rücksichtslose Büchersucht dort zum Verhängnis geworden. Als das Unglück abgewendet war, starb die zeitlebens zurückgezogene, den Alltagsanforderungen nicht gewachsene Mutter und Monika Helfer kam mit ihrer älteren Schwester Gretel und der jüngeren Renate zur Tante Kathe:

    "Ohne Mutti ist ohne Würde. Sie konnte nicht kochen, aber sie war unsere Würde. Natürlich wusste ich damals nicht, was dieses Wort bedeutete, aber heute weiß ich es. Alle wissen: Die Gretel und ich sind noch dazu nur untergestellt bei den Armen, wir sind sogar noch ärmer als die Armen, die Ärmsten der Armen sind unsere Wohltäter." (S. 109)

    Immer wieder greift die „Bagage“ ohne viele Worte bei größter Not ein:

    "Tante Kathe sagte: „Es geht niemand verloren.“ Diesen Satz habe ich später sehr oft von ihr gehört." (S. 111)

    Zuletzt vermitteln sie dem Vater sogar eine neue Frau und eine Stelle. Die vier Kinder bekommen wieder ein Zuhause:

    "Das waren trotz allem schöne Abende. Das Paradies waren sie nicht, das war oben, 1220 Meter über dem Meer, für uns nicht mehr erreichbar." (S. 117)

    Große Literatur auf nur 172 Seiten
    Es ist bei weitem nicht nur die anrührende Lebensgeschichte des Vaters, die Monika Helfer „mehr wahr als unwahr“ (S. 9) in puzzleartigen Versatzstücken erzählt. Es ist ihre eigene Geschichte bis zur Gegenwart und eine Reflexion über das Schreiben und Erinnern, letzteres am greifbarsten in der Übergangsphase zwischen Wachsein und Schlaf. Vor allem aber ist es wieder ein großes Stück Literatur.

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  1. 5
    26. Jan 2021 

    Leise Annäherung an den Vater

    Monika Helfers Roman „ Die Bagage“ war im vergangenen Jahr sehr erfolgreich, hochgelobt von der Kritik, geliebt von den Lesern. Darin erzählt sie die Geschichte der Großeltern mütterlicherseits. Nun hat sie mit „ Vati“ ihre Familiengeschichte weitergeschrieben.
    Zehn Jahre nach dem Tod des Vaters nähert sie sich ihm auf literarische Weise an. Dabei soll „ mehr wahr als erfunden sein“. Sie greift hier auf die eigenen Erinnerungen zurück und befragt noch lebende Verwandte, so z.B. ihre Schwester und ihre Stiefmutter.
    „ Wir sagten Vati. Er wollte es so. Er meinte, es klinge modern.“ Wohl wollte er damit auch seine eigene Vergangenheit hinter sich lassen.
    Wie die „ Bagage“ stammt er ebenfalls aus sehr ärmlichen Verhältnissen. Er war das ledige Kind einer Magd, von dem jeder wusste - aber darüber schwieg- dass der Bauer sein Vater war. Josef war ein sehr kluges, wissbegieriges Kind; er konnte bei Schuleintritt schon lesen und schreiben. Die Honoratioren im Ort ermöglichten ihm den Besuch des Gymnasiums. Doch kurz vor der Matura kam der Einberufungsbefehl. Josef kam nach Russland und holte sich dort solche Erfrierungen, dass ein Bein amputiert werden musste.
    Im Lazarett lernte er eine resolute, junge Frau kennen, die ihm , dem Schüchternen, einen Heiratsantrag machte. Die beiden heiraten und bekamen vier Kinder; Monika ist die zweitälteste Tochter.
    Bald begannen glückliche Jahre für die junge Familie. Zwar kann Josef seinen Traum, Chemiker zu werden, nicht verwirklichen, doch er bekam eine Stelle als Verwalter eines Kriegsopfer- Erholungsheims auf der Tschengla, in Vorarlberg. Das Leben hier oben, auf 1225 Metern Höhe , inmitten der wunderbaren Berglandschaft, war für Monika und ihre Geschwister das Paradies.
    Doch sollten sie bald wieder daraus vertrieben werden. Einige Schicksalsschläge trafen die Familie, der schlimmste davon war der frühe Krebstod der Mutter.
    Den Vater warf das völlig aus der Bahn, „ er verliert den Tritt“.
    Die Kinder wurden auseinandergerissen und bei verschiedenen Verwandten untergebracht. Die hatten zwar wenig Platz und Geld, aber „ die Bagage lässt die Ihren nicht im Stich“.
    Doch es war keine leichte Zeit für die Kinder, ohne Mutter, ohne Vater, nirgends zugehörig. Und niemand sprach mit ihnen über das Geschehene.
    Trotzdem heißt es am Ende : „ Wir alle haben uns sehr bemüht.“
    Monika Helfer nähert sich behutsam ihrem Vater. Alle seine Geheimnisse kennt sie nicht, will sie auch nicht kennen. „ Wenn man einen Menschen ein Leben lang kennt, und erst spät erfährt man, wer er im Grunde ist, dann kann man das vielleicht schwer ertragen.“
    Über seine Kriegstraumata hat der Vater nie gesprochen, doch was er mit seiner Tochter geteilt hat, was sie sicher auch geprägt hat, war die große Liebe ihres Vaters zu Büchern. „ Er wollte alle Bücher lesen.“ „Aber lesen war ihm nicht genug. Lesen war ihm sein Leben lang nicht genug.“ „ Heilig war ihm das Buch.“ „ Er wollte ein Buch nicht nur lesen, er wollte es besitzen.“
    In schöner Erinnerung sind der Autorin die „ berühmten Vorlesestunden“ des Vaters, der Inbegriff von Gemütlichkeit.
    Als Monika Helfer 18 Jahre alt war, antwortet sie auf seine Frage, was sie sich vom Leben wünsche: „ Ich wünsche mir, dass irgendwann auf einem Buchrücken mein Name steht.“
    Und heute noch sitzt ihr der Vater beim Schreiben als Korrektor im Nacken; seine Stimme zwingt sie, die Dinge präzise und klar auszudrücken.
    Monika Helfer schreibt auch hier wieder in ihrem ganz besonderen Stil: reduziert, verdichtet, manches kommt ganz einfach daher. So läuft sie nie Gefahr, sentimental oder pathetisch zu werden. Gerade dadurch berührt und fesselt sie den Leser. Sie versteht es, mit ganz wenigen Worten Wesentliches auszudrücken.
    Monika Helfer erzählt nicht chronologisch, sondern fügt Ereignisse und Episoden kunstvoll zusammen, schlägt den Bogen in die Gegenwart und reflektiert immer wieder über das Schreiben und das Erinnern.
    Neben der zentralen Vaterfigur wird auch die große Verwandtschaft lebendig, die vielen Onkels und Tanten mit ihren Besonderheiten.
    Einzig die Mutter, eine stille Frau, die mehr mit den Tieren spricht als mit den Menschen, bleibt etwas blass. „ Sie ist wie ein flüchtiger Vogel. Kaum ist sie da, schon ist sie wieder weg.“
    Monika Helfers „ Vati“ hat die gleiche literarische Qualität wie das Vorgängerbuch. Und man muss „ Die Bagage“ nicht kennen, um „ Vati“ zu lesen und zu verstehen. Aber man wird sie kennenlernen wollen nach der Lektüre von „ Vati“.

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  1. Beeindruckende Familiengeschichte aus der Nachkriegszeit

    Monika Helfer legt mit „Vati“ ihren zweiten biografischen Roman vor. Während im Zentrum des ersten Romans „Die Bagage“ die Herkunftsfamilie ihrer Mutter steht, nähert sie sich in „Vati“ ihrem Vater an. Sie greift dabei nicht nur auf eigene (Kindheits-)Erinnerungen zurück, sondern ergänzt sie um die Perspektiven der Schwestern, der Stiefmutter oder anderer Verwandter, wodurch sich am Ende ein stimmige Annäherung an das Leben des Vater ergibt, das naturgemäß eng mit dem Leben der Tochter verbunden ist.

    Die Autorin erzählt nicht chronologisch. Die Haupthandlung wird immer wieder von kleinen Erinnerungssplittern, Episoden, Gesprächen und Reflexionen unterbrochen. Trotzdem verliert Helfer nie den roten Faden, sondern kehrt zu ihrer Kerngeschichte zurück. Wunderbar, dass sie den Anschluss an die Figuren aus der Bagage findet, so dass der Leser beider Romane schnell die Verwandtschaftsverhältnisse wieder im Blick hat. „Vati“ ist aber auch ohne Kenntnis des Vorgängerromans gut lesbar und verständlich.

    Der Vater war das ledige Kind einer Bauernmagd. „Die Familie des Ärmsten war besser dran als mein Vater und seine Mutter“ (S. 11) Der Junge wurde mit einem überdurchschnittlichen Verstand gesegnet, konnte schon vor Schulbeginn lesen und schreiben. Mit ein bisschen Glück und Protektion gelingt der Schritt aufs Gymnasium, doch kurz vor der Matura muss Josef in den Krieg, wo er ein Bein verliert. Im Spital lernt er Krankenschwester Gretel kennen. Beide gründen eine Familie, Monika wird eines von insgesamt vier Kindern und deren zweite Tochter sein.

    Was sich nun anschließt, ist die Nachkriegsgeschichte einer Familie, die einiges an Schicksalsschlägen zu verwinden hat. Monika Helfer beschreibt ihre eigene Kindheit. Es gab glückliche Zeiten, als ihr Vater Leiter eines Kriegsopfererholungsheims in den Bergen auf der Tschengla war. Der Vater liebte den Wald, verehrte Bücher: „Ihm war sein ganzes Leben hindurch der Gegenstand ebenso wichtig wie der Inhalt. Das ist untertrieben. Heilig war ihm das Buch.“ (S. 21) Eine Liebe, die er an die Tochter weitergibt und deren Ziel es sein wird, ihren eigenen Namen einst auf einem Buchrücken lesen zu können. Es geht im Roman aber auch um Monikas Mutter, die wenig mit Menschen spricht, sondern häufiger mit den Tieren. Eine Mutter, die sich nicht um das Notwendige kümmert (das macht Tante Irma), die zwar präsent und doch irgendwie flüchtig erscheint.

    Die Familie wird von Krankheit und Tod heimgesucht, die unbeschwerte Zeit auf der Tschengla findet ein jähes Ende und die Verhältnisse ändern sich vollkommen. Die vier Geschwister werden vor große Herausforderungen gestellt… Es ist große schriftstellerische Kunst, wie sich Monika Helfer als Erwachsene dem selbst Erlebten annähert, wie sie versucht, für die Eltern und besonders für den Vater Verständnis aufzubringen, warum er so gehandelt hat, wie er es tat.

    Monika Helfer schreibt in kurzen, verdichteten Sätzen, die relativ nüchtern wirken, oftmals aber gerade durch ihre vermeintliche Schlichtheit große Resonanz beim Leser erzeugen: „Ich kann mich an die Vorlesestunden erinnern, nicht deutlich, aber hätte ich Worte gehabt, auch ich hätte gesagt: Das ist Glück. Dieses Wort, so will mir scheinen, kommt erst vor, wenn bereits das Gegenteil eingetreten ist. Dann erinnert man sich daran, wie es vorher gewesen war.“ (S. 55)

    Die Autorin erzeugt Gefühl und Empathie, ohne große Emotionalität oder Sentimentalität zuzulassen. Das gelingt ihr auch durch eine Position aus der Distanz heraus: Sie schildert, aber sie (be)wertet nicht. Manch einen Satz muss man erst einmal wirken lassen, vieles bleibt ungesagt und steht zwischen den Zeilen: „Schon fast am Ende des Krieges war er (Ferdinand) eingezogen worden. Und wurde gleich zusammengeschossen und lag im Dreck, und ein Kriegsfahrzeug fuhr ihm über das Bein und ein nächstes über den Arm. Als er zurückkam, konnte er mit nichts mehr etwas anfangen…“ (S. 50) So wenige Worte für ein ganzes Schicksal!

    Bildhaft werden Umgebungen, Gegenstände und Menschen beschrieben, wie sie sie als Kind wahrgenommen hat. Dabei werden alle Sinne angesprochen. Auch die verschiedenen Mitglieder der Großfamilie haben ihre Schwächen und sind völlig heterogene Typen. Wenn es aber hart auf hart kommt, wird Rat gehalten und man hält felsenfest zusammen. Das hat schon etwas sehr Imponierendes. Die Bagage hilft einander in der Not, ist füreinander da. Bei aller Tragik, die der kleine Roman verströmt, hat diese Erkenntnis etwas ungemein Tröstliches: Familie muss zusammenhalten, in guten wie in schlechten Zeiten.

    „Vati“ ist ein überaus lesenswerter Roman, der mich von den ersten Seiten gefesselt hat. Der Sprachstil Helfers ist wunderbar. Das Buch lädt gewiss zu einer zweiten Lektüre ein und eignet sich bestens für Diskussionsrunden und Lesekreise. Große Empfehlung!

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  1. Wo ist Vati?

    Nachdem sie in "Die Bagage" bereits die Geschichte ihrer Familie mütterlicherseits aufgearbeitet hat, widmet sich Monika Helfer nun ihrem Vater. Dieser, vom Krieg versehrt, leitet ein Kriegserholungsheim in den Bergen, in welchem er auch mit seiner Familie lebt. Nach und nach erzählt Helfer vom Zusammenleben mit ihrem "Vati", wie er stets genannt werden will, und seinen Eigenheiten. Er ist ein stiller Mann, sehr in sich zurückgezogen, seine Bücher und die kleine Bibliothek des Erholungsheimes bedeuten ihm viel.

    Darüber hinaus fällt es mir schwer, etwas über ihn zu sagen, denn während der ganzen Kindheit Helfers bleibt "Vati" vor allem eines - merkwürdig abwesend, stets irgendwie woanders. Die nüchterne Erzählweise und die betonte Neutralität darin, die anfangs noch mein Interesse weckten, bewirkten auf Dauer, dass mir alle Figuren seltsam fremd blieben, ich habe mich beim Lesen wie ein unbeteiligter Aussenstehender gefühlt, der zufällig kurze Episoden aus dem Leben Helfers und ihres Vaters beobachtet hat.

    Keine der Figuren hat wirklich meine Sympathie geweckt, zu groß war die Distanz, die hier über die sprachliche Ebene aufgebaut wurde. Auch die junge Monika erscheint eher als stumme Beobachterin anstatt als Tochter dessen, von dem das Buch handeln soll. Sie enthält sich nahezu jeglicher Wertung über das Verhalten ihrer Eltern und deren Geschwister, bis auf einige Ausnahmen erfährt man als Leser kaum etwas darüber, wie sie empfindet; ein wenig fühlt es sich an, als würde man einen Stummfilm schauen. Besonders aber "Vati" selbst ist eher passiv, obwohl im Mittelpunkt stehend, irgendwie abwesend - gerade die zweite Hälfte des Buches handelt weniger von ihm als vielmehr von seiner Abwesenheit. Und wie schreibt man ein Buch über jemanden, der nicht da ist?

    Die Geschichte tröpfelt von Seite zu Seite, ohne einen wirklichen Sog zu entwickeln, obwohl das Potential dahinter spürbar ist. Es gibt einige schöne Beschreibungen, einige Figuren wurden in groben Zügen durchaus interessant skizziert - mich störten die stets aufrechterhaltene Distanz und Sachlichkeit aber zu sehr.

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  1. Annäherung an den Vater

    Monika Helfer hat in ihrem autobiografischen Roman ihren Vater zum Mittelpunkt gemacht. Josef ist ein stiller Mann, der Krieg hat ihm viele Pläne zunichte gemacht und ein Bein genommen. Aber sein Streben „etwas zu werden“ glimmt immer weiter. Schließlich war er der erste seiner Familie der aufs Gymnasium konnte, doch kurz vor dem Abitur wurde er noch eingezogen. Geheiratet hat er die Krankenschwester, die ihn nach der Kriegsverletzung pflegte, eine stille, aber wohl glückliche Ehe aus der sechs Kinder hervorgingen.

    Vati und Mutti sollten die Kinder sagen, denn das klingt modern und die neue, moderne Zeit gilt etwas für Josef. Bücher liebte er, den Geruch, das Haptische, das Sinnliche daran. Das brachte ihn sogar einmal fast an den Rand der Legalität.

    Monika Helfer teilt ihre Erinnerungen mit uns, in kleinen Episoden und Anekdoten, in Rückblenden und Deutungsversuchen lässt sie die Nachkriegszeit, den beginnenden Wohlstand lebendig werden. Wo ihre Erinnerungen nicht reichen, teilen die Geschwister, die Stiefmutter ihre Gedanken mit.
    Daraus wurde ein schönes Buch, das mir richtig nahe ging, weil ganz unvermutet immer das Bild meines eigenen Vaters aufblitzte.

    Eine Hommage an den Vater und eine gelungene Fortsetzung zu Monika Helfers erstem autobiografischen Roman „Bagage“.

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