Anmut im märkischen Sand

Zum Autor:
Stephan Malinowski, * 1966, wurde erstmals bekannt mit seiner Dissertation Vom König zum Führer. Sozialer Niedergang und politische Radikalisierung im deutschen Adel zwischen Kaiserreich und NS-Staat. Mit dieser Dissertation betrat er ein bis dato weitgehend unerforschtes Gebiet: die Geschichte des deutschen Adels zwischen Kaiserreich und III. Reich.
Nach Lehraufenthalten an der FU Berlin, an der Harvard Universität u. anderen Hochschulen unterrichtet Malinowski an der Universität Edinburgh.
Zum Hintergrund:
Seit 2014 laufen Verhandlungen zwischen der Bundesrepublik und der Familie Hohenzollern, die sich auf das sog. Ausgleichsleistungsgesetz beruft und Ansprüche auf Schlösser, Liegenschaften, Tausende von Kunstschätzen und andere Vermögenswerte erhebt, die nach dem II. Weltkrieg von der Sowjetischen Militäradministration enteignet wurden. Malinowski wurde mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt zur Frage, ob der Ex-Kronprinz Wilhelm dem Nationalsozialismus „erheblichen Vorschub“ geleistet habe. Wenn ja, wären Leistungen nach diesem Gesetz ausgeschlossen. Diese sog. Hohenzollerndebatte entwickelte sich in den Folgejahren zum „bedeutendsten geschichtspolitischen Konflikt des Landes“ (SPIEGEL). Malinowski und Journalisten wurden von den Hohenzollern mehrfach verklagt.
Das vorliegende Buch basiert auf den Ergebnissen des Gutachtens.
Mein Lese-Eindruck:
Gleich zu Beginn stellt der Autor klar, dass er sein Buch nicht auf die Frage der Vorschubleistung reduziert sehen will. Er betrachtet sein Buch eher als Fallstudie, in der er die Handlungen einer hochadligen Familie mit der historischen Methode untersucht. Der Autor legt seine Darstellung daher breit an und beginnt mit dem Exil des Kaisers Wilhelm II. und des Kronprinzen in den Niederlanden und beobachtet ebenfalls das Agieren der Familie und der Vertrauten.
Ein wesentlicher Untersuchungsgegenstand ist dabei die Kommunikation zwischen den Hohenzollern und der Öffentlichkeit. Der Autor betont die Bedeutung der Selbstdarstellung bzw. Performance für das Bild, das die Hohenzollern der Öffentlichkeit bieten wollten. Die war nicht immer leicht zu meistern; so ließ sich z. B. die Fahnenflucht des Kaisers und des Thronfolgers in den folgenden Jahren nur schwer vermitteln. Ein breit aufgestellter Stab an PR-Beratern, Ghostwritern, Journalisten, Juristen etc. sorgte für das gewünschte Außenbild der Figur.
Malinowski legt akribisch dar, wie die Hohenzollern die Hoffnung auf eine Restitution nicht aufgaben und wie sie sich zum Steigbügelhalter der Nationalsozialisten machten. Dazu nutzen sie ihren charismatischen Namen, der Sehnsüchte im Volk hervorruft und die den Kyffhäuser-Mythos assoziieren lassen, wobei der Namensträger allerdings von Charakter und Leistung her diesen Erwartungen nicht gerecht wird. Zusätzlich nutzen sie die informellen Kommunikationsmöglichkeiten des Adels bzw. Hochadels, wie sich bei Jagdgesellschaften, Bällen, in den Clubs, den Offizierkasinos etc. ergaben. Die Verbindung des nationalen mit dem konservativen Lager glückt, und der Tag von Potsdam, an dessen Inszenierung auch die Hohenzollern beteiligt sind, zeigt eindrucksvoll den Schulterschluss von Alt und Neu.
Die nächsten Jahre sind gekennzeichnet von Anbiederungsversuchen, Anpassungen und Arrangements. Nach wie vor stellen die Hohenzollern dem Regime ihre jahrhundertealte Geschichte, ihr Charisma und den Glanz ihres Namens zur Verfügung. Trotzdem reicht der Einfluss nicht so weit, um im arrivierten NS-System eine bedeutende Rolle zu spielen.
Liest man die Quellen, die Malinowski anführt, fällt es schwer, an die imaginierte Opferrolle der Hohenzollern zu glauben. Da werden die Verhaftungen von Kommunisten, Sozialisten, Juden und anderen „Volksfeinden“ als „Aufräumarbeiten“ abgetan, Mussolini wird wegen seiner „genialen Brutalität“ bewundert, schon in den 20er Jahren sind Hitler, Röhm und Göring Gast im Cecilienhof, Wahlaufrufe für Hitler, Sätze wie „Jetzt heißt es, jedem in die Fresse zu hauen“, der die Regierung Hitler angreife, Geldzuwendungen, Assistenz im SA-Folterkeller, eine Fülle an Bildmaterial etc. – Malinowski stützt seine Darlegungen auf eine breite Quellenlage, die er genau auswertet und zugleich die apologetischen Ausführungen anderer Historiker widerlegt.
Sein Urteil: Es dürfte "auch im Adel aller Sparten nur wenige Familien gegeben haben, die so geschlossen, so stetig, so radikal und so wirkungsvoll gegen die Republik und ihre Prinzipien aufgetreten sind wie die politisch relevanten Mitglieder der Familie Hohenzollern" (S. 620). Kronprinz Wilhelm und seine Familie gehörten überwiegend nicht zum harten Kern der Nationalsozialisten, aber sie entfalteten ihre Wirkung für das Regime als „Opportunisten und Kollaborateure“ (S. 613).
Das Buch ist lesefreundlich gegliedert in Kapitel und kleinere Unterkapitel. Die Überschriften der Unterkapitel sind gelegentlich ironisch wie „Dem Widerstand widerstanden“ (S. 505) oder „Royale Resterampe“ (S. 535). 117 Seiten Anhang (Fußnoten, Quellen und Literatur) belegen den historischen Anspruch.
Trotzdem: Ein Buch, das trotz seiner methodischen Dichte gut zu lesen ist – eine packende Darstellung auch für den Laien.
Nach Niederlagen und erzwungener Abdankung und Exil auf Elba kommt Napoleon zurück, was ihm durch die Unbeliebtheit des erneut auf den französichen Thron installierten Boubonenregimes einfach gemacht wird. In einem wahren Siegeslauf durchquert er Frankreich gen Norden, wobei sich ihm immer mehr seiner ehemaligen Generäle samt ihrer Truppen anschließen. Die aufgeschreckten Siegermächte, die ja bekanntlich auf dem Wiener Kongress bereits an einer Nachkriegsordnung basteln, befürchten, dass Napoleon mit der Eroberung Brüssels ein Achtungserfolg gelingen könnte, der seine Position innerhalb Frankreichs und Europas stärken könne, weshalb sie diese um jeden Preis verhindern möchten. So kommt es zur Schlacht von Waterloo, einem geographisch wie auch inhaltlich eigentlich falschem Begriff. Denn tatsächlich handelte es sich um mehrere Schlachten, wobei keine davon im namensgebenden Ort stattfand. Dennoch ist dieses weltgeschichtliche Ringen, an dem insgeasmt 180000 Soldaten aus Preußen, England, den Niederlanden und Frankreich teilnahmen, unter diesem Namen in die Historie eingegangen.
Bremm schildert die Auseinandersetzungen an den verschiedenen einzelschauplätzen minutiös in all ihren Einzelheiten. Er spart nicht an Kritik an Fehlentscheidungen der einzelnen beteiligten Feldherren, weist ihnen aber letztendlich keine entscheidende Auswirkung zu. Am Ende der Schlacht ist Napoleon allerdings endgültig Geschichte, dens seine Truppen, insbesondere die Garde imperialé, sindt aufgerieben, so dass ein erneuter Einmarsch der Allianztruppen in Paris nur eine Frage der Zeit gewesen wäre. Andererseits stellt sich die bei Bremm gar nicht aufgekommene Frage, was passiert wäre, wenn Napoleon als Sieger aus der Schlacht hervorgegangen wäre. Aber sein Nimbus als unbesiegbarer Feldherr war ja bereits schon zuvor gebrochen, und der Verlust, den seine Truppen in der Schlacht erlitten hatten, wäre ja ebenso enorm gewesen. Also vermutlich hätte ein Sieg bei Waterloo lediglich das unvermeidbare Ende Napoleons hinausgezögert, ohne es verhindern zu können. Opfer dieses gescheiterten Versuchs der Rückkehr zur Macht sind vor allem die zahlreichen Toten und Verwundeten, deren Leid Bremm eindringlich beschreibt.
Ein lehrreiches Buch für alle, die sich für das Zeitalter der Napoleonischen Kriege interessieren, aber auch für die, die sich all zu schnell in naiver Heldenverklärung verirren.
Deutschland im Jahr 1923. Dieses Jahr wird ein sehr prägendes Jahr für die Geschichte werden. Die Franzosen und die Belgier haben das Ruhrgebiet besetzt. Hitler begeht seinen Putschversuch in München. Im Oktober kostet ein Brot 1.743.000.000 Mark. Die Arbeitslosenquote steigt stetig. Es gibt blutige Aufstände. Aber neben all diesen schrecklichen Sachen blüht das Kulturleben regelrecht auf.
Christian Bommarius versteht es, die Geschichte dieses Jahres wirklich spannend zu erzählen. Jedem Monat ist ein Kapitel gewidmet. Man weiß auch sofort, was einen erwartet, da jedem Kapitel eine kurze Zusammenfassung vorausgeht.
Man erfährt Interessantes aus dem Alltagsleben der Menschen, aus dem Kultur- und Nachtleben, Politik und Wirtschaft. Alles sehr verständlich erzählt. Ganz am Ende gibt es noch ein Personenregister. Hier erfährt man, wie es mit den im Buch genannten Personen weitergegangen ist. Das fand ich besonders gut, weil man nicht selber nachforschen muss. Sehr durchdacht.
Überhaupt ist das ganze Buch schön durchdacht und wird für jeden Geschichtsinteressierten eine Freude sein.
Autor
Christian Bommarius
Inhalt
Die junge Weimarer Republik im Krisenjahr 1923.
Eckdaten, die das Chaos aufzeigen:
Der Erste Weltkrieg ist beendet und die Weimarer Republik muss den Versailler Vertrag akzeptieren.
Deutschland wird kleiner, wird verpflichtet, die Reparationen zahlen und die "Kriegsschuld" anzuerkennen.
Deutschland kann die regelmäßig vereinbarten Zahlungen nicht einhalten. Frankreich und Belgien besetzen daraufhin das Ruhrgebiet gestützt auf das Londoner Ultimatum.
Es folgen Streiks, die zu einer Hyperinflation führen. Die deutsche Wirtschaft ist durch Produktionsausfälle und Generalstreiks lahmgelegt. Deutschlands Wirtschaft liegt in Scherben.
In Bayern wird am 26. September 1923 der Notstand ausgerufen, nach Gerüchten über einen kommunistischen Umsturz.
„Ende Oktober marschierte die Reichswehr in Thüringen und Sachsen ein und schlug den kommunistischen Aufstand nieder, bevor er überhaupt angefangen hatte.“
Quelle: https://www.spiegel.de/geschichte/notstand-in-bayern-1923-a-951270.html, 09.03.2022
Am 9. November 1923 versucht Adolf Hitler in München zum ersten Mal, politische Macht zu erlangen. Hitler, unterstützt von Ludendorff, setzt den „Marsch nach Berlin“ in Gang. Doch sein „Marsch nach Berlin“ wird an der Feldherrnhalle auf dem Odeonsplatz von der Polizei blutig niedergeschlagen.
Erst 1924 beginnt in Deutschland eine Phase relativer Stabilität. Für die Republik ist es bis 1929 eine Zeit innenpolitischer Ruhe mit wirtschaftlichem Aufschwung und kultureller Blüte. Die "Goldenen Zwanziger" enden mit der im Oktober 1929 beginnenden Weltwirtschaftskrise, in der Armut und Verzweiflung schnell um sich greifen. Mit Erfolg entfesseln die Gegner der Weimarer Republik von rechts und links eine beispiellose Agitation gegen den Staat, der keine Mittel gegen die wirtschaftliche und politische Krise findet.
Neben den politischen Ereignissen pulsierte das Leben.
Berlin im Jahr 1923 eine Weltstadt im Rausch und voller sozialer und politischer Spannungen.
„Im Rausch des Aufruhrs“ werden die verschiedenen politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Facetten des Jahres 1923 erzählt.
Sprache und Stil
Kurze Texte ergeben über einen Zeitraum von zwölf Monaten ein bunt gemischtes Bild der Weimarer Republik und Politik, Wirtschaft und Kultur der Zeit.
Fragmentarisch werden über viele Schriftsteller aus der Zeit kurz berichtet, Stefan Zweig, Hans Fallada, Thomas Mann oder auch Bertolt Brecht.
„Joseph Roth traut seinen Augen nicht. Er sitzt im »Romanischen Café« an der Gedächtniskirche, dem angesagtesten Boheme-Kaffeehaus Berlins, also Deutschlands, seit das »Café des Westens« am Kurfürstendamm, auch bekannt als »Café Größenwahn« umgezogen ist und nun von der Boheme verschmäht wird.“ (S. 17)
Politische „Größen“ der Nazizeit sind noch nicht bekannt und leben ganz normal, wie zum Beispiel Goebbels noch bei seinen Eltern in Rheydt lebt.
„Am 2. Januar nimmt der 25 Jahre alte Dr. Joseph Goebbels in einer Filiale der Dresdner Bank in Köln seine Arbeit auf. Allerdings unter Protest. […] Der junge Mann aus Rheydt, der noch immer bei seinen Eltern lebt, fordert vom Schicksal eine Karriere als Schriftsteller oder Journalist.“ (S. 16)
Alltägliche Gegebenheiten werden erwähnt, insbesondere die Inflation in allen Bereichen. Die extreme Steigerung für den Fahrschein der Berliner Straßenbahn führt zur Empörung der Berliner über die „»unersättliche Straßenbahn«.“
„Der Fahrschein für die Berliner Straßenbahn hat am, 16. Juli 3000 Mark gekostet, am 30. Juli 6000 Mark und am 6.. August 10 000 Mark, am 14. August 50 000 Mark und am 2o.August 100 000 Mark.“ (S. 197)
Die extreme Steigerung der Inflation wird an diesem Beispiel überdeutlich.
Christian Bommarius lässt die Leser wie durch ein farbiges Kaleidoskop auf die damalige Gesellschaft blicken, episodenhaft und bunt gemischt.
Die einzelnen Monate werden durch Bilder getrennt, die die Atmosphäre und den Zeitgeist des Jahres widerspiegeln. Jede zweite Seite enthält eine kurze, aussagekräftige Überschrift, die einen Aspekt herausstellt.
Im letzten Kapitel „Was geschah“ gibt der Autor Informationen zu den Personen, die im Verlauf des Romans dargestellt werden.
Das Cover zeigt ein tanzendes Paar in der damaligen typischen extravaganten Kleidung.
Fazit
„Im Rausch des Aufruhrs“ gibt einen lebendigen Überblick über das Leben im Jahr 1923. Christian Bommarius hat mit seinem Buch ein Beispiel gebracht, wie Geschichte anschaulich und fesselnd geschrieben werden kann. Er zeigt das Jahr 1923 in seiner Ambivalenz zwischen Ende der Nachkriegszeit und als Auftakt der Zwanzigerjahre der Weimarer Republik in all seinen Facetten.
„Marcellus Schiffer zweifelt nicht länger: Die Zeit ist verrückt geworden.“ (S. 210)
Klappentext:
„Otto von Bismarck war grundsätzlich davon überzeugt, dass der Konflikt zwischen Hohenzollern und Habsburgern nur militärisch, durch „Blut und Eisen“, aufgelöst werden könne. Doch wie kam es zu dem Krieg, der die Entwicklung Europas so entscheidend beeinflusste?
Klaus-Jürgen Bremm, Historiker und ausgewiesener Experte für Militärgeschichte, schildert in seinem Buch den sechswöchigen deutschen Bruderkrieg zwischen Preußen und Österreich. Dabei geht er insbesondere auf seine Bedeutung als zweitem der sogenannten Einigungskriege ein. Der Sieg in der Schlacht von Königgrätz hatte zur Folge, dass Preußen sowohl seinen Status als mitteleuropäische Großmacht als auch seine Vormachtstellung in Norddeutschland nachhaltig festigen konnte - ein entscheidender Schritt auf dem Weg zum Deutschen Reich!“
Die Bücher von Klaus-Jürgen Bremm haben eines ganz gewiss: jede Menge Fachwissen und genau dies will uns der Historiker nochmal mit seinen Worten verdeutlichen. Das Thema hier wird tiefgreifend betrachtet, ohne dabei den eigentlichen Faden zu verlieren. Bremm erklärt plausibel und ohne zu viel Fachtermini aber dennoch wissenschaftlich. Einerseits erläutert er die geschichtlichen Gegebenheiten aber eben auch gewisse Theorien und eben auch seine Gedanken dazu.
Da dies nicht mein erstes Buch von diesem Autor ist, kenne ich seine Art und schätze dies sehr. Nach einem Werk von Bremm ist man immer schlauer, aber man macht sich auch danach noch weitreichend Gedanken zum gelesenen.
Wenn ein Geschichtsbuch nachhallt, hat der Autor alles richtig gemacht! 4 von 5 Sterne!
Als ich im April 2018 im Buchladen dieses Buch entdeckte, war ich aufgrund der Thematik begeistert ud geneigt, es sofort zu kaufen. Doch es war in Folie eingeschweißt und ich kaufe ungern blind. Also habe ich verzichtet und mich über das Buch informiert. Das, was ich darüber las, die Mischung aus Fakten und Schilderung möglicher Gedankengänge der Akteure, ließ mich verzichten. Nun, zwei Jahre später, war das Buch im Katalog der Zentralen für politische Bildung, also beinahe kostenfrei zu erwerben. Getreu dem Motto vom geschenkten Gaul habe ich dieses Mal zugeschlagen, und was soll ich sagen? Ich habe sehr ambivalente Gefühle hinsichtlich dieses Buches. Meine schlimmsten Befürchtungen sind einerseits bestätigt worden, andererseits geht tatsächlich eine gewisse Faszination von der Darstellung aus. Höchst spannend wird die Geschichte der Kanzlersschaft des Generals Kurt von Schleicher erzählt, ein Zeitraum von ca. zweieinhalb Monaten, die durch Intrigen gegen ihn und seine vergeblichen Versuche, eine tragfähige Regierungsmehrheit zu schmieden, gekennzeichnet waren. Letztere gingen von eigentlich utopischen Überlegungen aus, in der geplanten sogenannten "Querfront" sollten Gewerkschaftler, Unternehmer, Teile der Sozialdemokratie und der "linke" Flügel der NSDAP unter Gregor Strasser zusammenarbeiten, um das Deutsche Reich aus der innen- und wirtschaftspolitischen Krise der Jahre 1929 bis 1932 herauszuführen. Ob die damit intendierte Spaltung der NSDAP von Erfolg gekrönt sein konnte, kann man getrost bezweifeln. Außerdem war die Spanne der ideologischen Ansichten so groß, dass eine solche Koalition kaum dauerhaft gewesen wäre. Das wäre in etwa so, als ob man zur Lösung der Mehrheitsprobleme in Thüringen eine Koalition aus Linken und AfD vorschlagen würde, rein rechnerisch eine solide Mehrheit, aber eben auch nicht mehr. Boykottiert wurde das Ganze allerdings durch den Druck der Straße, sowohl von rechts (NSDAP) als auch links (KPD, eine Partei, die im Angesicht des erstarkten Faschismus weiterhin daran festhielt, die SPD als eigentlichen Gegner zu betrachten). Zudem intigierten maßgebliche Kreise aus den Reihen der DNVP und dem teilidentischen Bund der Landwirte heftig gegen alle Versuche Schleichers, Lösungen für dringende Problem zu finden. Am schlimmsten aber war Schleichers Amtsvorgänger Franz von Papen, der beim Versuch, ins Amt zurückzukehren, zum Steigbügelhalter Hitlers wurde (Mein "Lieblingszitat" von ihm: "In zwei Monaten haben wir Hitler in die Ecke gedrängt, dass er quietscht", das meiner Ansicht nach Platz 1 in der Liste der historischen Irrtümer beanspruchen darf, findet sich ebenfalls im Buch. Wenn es so etwas wie eine historische Gerechtigkeit gibt, so hoffe ich, dass dieser Mensch, der das Dritte Reich überlebt hatte, bis an sein Lebensende mit den Folgen seiner Taten zu kämpfen hatte), All dieses schildern die beiden Autoren Rüdiger Barth und Hauke Friederichs in der o.g. Mischung aus Originalzitaten (so wird beispielsweise jeder Tag in diesem Zeitraum mit Zeitungsschlagzeilen eröffnet) und dem Versuch, sich in die Handelnden hineinzuversetzen. Doch genau da liegt dir Crux an der Sache. Die beiden Autoren verzichten auf jegliche Anmerkung zu verwendeten Zitaten, ein Verfahren, dass ich keinem meiner Schüler/-innen/Studierenden durchgehen lassen würde. Seit "1913° von Florian Illies scheint die Guido-Knoopisierung der Geschichtsschreibung unaufhaltsam voranzugehen.
Als ich im April 2018 im Buchladen dieses Buch entdeckte, war ich aufgrund der Thematik begeistert ud geneigt, es sofort zu kaufen. Doch es war in Folie eingeschweißt und ich kaufe ungern blind. Also habe ich verzichtet und mich über das Buch informiert. Das, was ich darüber las, die Mischung aus Fakten und Schilderung möglicher Gedankengänge der Akteure, ließ mich verzichten. Nun, zwei Jahre später, war das Buch im Katalog der Zentralen für politische Bildung, also beinahe kostenfrei zu erwerben. Getreu dem Motto vom geschenkten Gaul habe ich dieses Mal zugeschlagen, und was soll ich sagen? Ich habe sehr ambivalente Gefühle hinsichtlich dieses Buches. Meine schlimmsten Befürchtungen sind einerseits bestätigt worden, andererseits geht tatsächlich eine gewisse Faszination von der Darstellung aus. Höchst spannend wird die Geschichte der Kanzlersschaft des Generals Kurt von Schleicher erzählt, ein Zeitraum von ca. zweieinhalb Monaten, die durch Intrigen gegen ihn und seine vergeblichen Versuche, eine tragfähige Regierungsmehrheit zu schmieden, gekennzeichnet waren. Letztere gingen von eigentlich utopischen Überlegungen aus, in der geplanten sogenannten "Querfront" sollten Gewerkschaftler, Unternehmer, Teile der Sozialdemokratie und der "linke" Flügel der NSDAP unter Gregor Strasser zusammenarbeiten, um das Deutsche Reich aus der innen- und wirtschaftspolitischen Krise der Jahre 1929 bis 1932 herauszuführen. Ob die damit intendierte Spaltung der NSDAP von Erfolg gekrönt sein konnte, kann man getrost bezweifeln. Außerdem war die Spanne der ideologischen Ansichten so groß, dass eine solche Koalition kaum dauerhaft gewesen wäre. Das wäre in etwa so, als ob man zur Lösung der Mehrheitsprobleme in Thüringen eine Koalition aus Linken und AfD vorschlagen würde, rein rechnerisch eine solide Mehrheit, aber eben auch nicht mehr. Boykottiert wurde das Ganze allerdings durch den Druck der Straße, sowohl von rechts (NSDAP) als auch links (KPD, eine Partei, die im Angesicht des erstarkten Faschismus weiterhin daran festhielt, die SPD als eigentlichen Gegner zu betrachten). Zudem intigierten maßgebliche Kreise aus den Reihen der DNVP und dem teilidentischen Bund der Landwirte heftig gegen alle Versuche Schleichers, Lösungen für dringende Problem zu finden. Am schlimmsten aber war Schleichers Amtsvorgänger Franz von Papen, der beim Versuch, ins Amt zurückzukehren, zum Steigbügelhalter Hitlers wurde (Mein "Lieblingszitat" von ihm: "In zwei Monaten haben wir Hitler in die Ecke gedrängt, dass er quietscht", das meiner Ansicht nach Platz 1 in der Liste der historischen Irrtümer beanspruchen darf, findet sich ebenfalls im Buch. Wenn es so etwas wie eine historische Gerechtigkeit gibt, so hoffe ich, dass dieser Mensch, der das Dritte Reich überlebt hatte, bis an sein Lebensende mit den Folgen seiner Taten zu kämpfen hatte), All dieses schildern die beiden Autoren Rüdiger Barth und Hauke Friederichs in der o.g. Mischung aus Originalzitaten (so wird beispielsweise jeder Tag in diesem Zeitraum mit Zeitungsschlagzeilen eröffnet) und dem Versuch, sich in die Handelnden hineinzuversetzen. Doch genau da liegt dir Crux an der Sache. Die beiden Autoren verzichten auf jegliche Anmerkung zu verwendeten Zitaten, ein Verfahren, dass ich keinem meiner Schüler/-innen/Studierenden durchgehen lassen würde. Seit "1913° von Florian Illies scheint die Guido-Knoopisierung der Geschichtsschreibung unaufhaltsam voranzugehen.
Matzbach
vor ein paar Sekunden
In seiner im Theiss-Verlag erschienenen Studie "70/71 Preußens Triumpf über frankreich und die Folgen" stellt Klaus-Jürgen Bremm die Vorgeschichte, den Verlauf und die Folgen des Deutsch-Französischen Krieges von 1870/71 dar, dem letzten der drei sogenannten Einigungskriege, die zur Gründung des Deutschen Kaiserreichs führten, das bekanntermaßen im Spiegelsaal von Versailles ausgerufen wurde. Diese Tatsache war jedoch keineswegs als Demütigung der Franzosen gedacht, sondern einzig und allein der Tatsache geschuldet, dass dieser Raum genügend Platz bot, alle Anwesenden aufzunehmen. Doch das ist nur ein Bonmot am Rande.
Erstaunlich ist vielmehr die Tatsache, dass es den Preußen und ihren Verbündeten innerhalb relativ kurzer Zeit gelang, eine Armee zu schlagen, die als eine der besten der Welt galt und zumindest, was die Ausstattung mit modernen Gewehren betraf, den deutschen Truppen überlegen waren. Doch dieser Nachteil wurde zum Teil durch die eindeutig überlegene Artillerie der Preußen wettgemacht, die schlicht und einfach eine größer Reichweite hatte, so dass der o.g. Vorteil der Franzosen nur selten ausgepielt werden konnte. Ein übriges taten mangelnde Koordination der franzöischen Generale, die oft notwendige Unterstüutzung benachbarter Verbände verweigerten und ein logistischesChaos, wohingegen die Preußen hervorragend verstanden, das damals moderne Transportmittel Eisenbahn für ihren Aufmarsch einzusetzen. So konnten rasch entscheidende Schlachten u.a. die bei Sedan, die zur Gefangennahme Kaiser Napoleons III und dem Sturz des Kaiserreiches führte, gewonnen werden und die mehrmonatige Belagerung von Paris aufgenommen werden. Die aus den Trümmern des Kaiserreichs entstanden 3. Republik konnte sich von diesen Schlägen nicht mehr erholen und musste letztendlich einem Friedensvertrag zustimmen, der unter anderem den Verlust Elsass-Lothringens mit sich brachte.
All diese Entwicklungen schildert Bremm minutiös und für den Leser gut nachvollziehbar, darin liegt dann auch die Stärke des Buches. In einigen Urteilen muss man dem Verfasser allerdings widersprechen. Warum beschreibt er in seinem Vorwort die Einführung des Euro (tatsächlich ein Zugeständnis Kohls an die Europäer, um Widerstände gegen die deutsche Wiedervereinigung zu entkräften) als "fatale Initiative zur Abschaffung der Deutschen Mark"? Ist das ein Zugeständnis an eurokritische DM-Nostalgiker?
Und sein letztes Kapitel trägt den Titel "Bismarcks Reichsgründung - Ein europäischer Glücksfall". Das ist für meine Geschmack dann doch etwas zu nationalbewusst. Angesichts der Tatsache, dass die Reichsgründug (zwar nicht notwendigerweise, aber faktisch) zu zwei Weltkriegen maßgeblich beitrug, erscheint mir das Wort Glücksfall doch ein wenig arg euphemistisch. Überhaut der Nationalismus: Es ist schon erstaunlich, dass sich in Frankreich ausgerchnet die Kreise, die kein Problem damit hatten, in ihren Plänen die französiche Ostgrenze bis an den Rhein zu verlegen, am meisten über den Verlust Elsass-Lothringen echauffierten (im Krieg hatten später für die französiche Innenpolitik wichtige Figuren wie Boulanger und Deroulede ihre ersten Auftritte). Im Grunde wiederholte sich das nach dem Versailler Vertrag spiegelbildlich. Die Allteutschen Kreise, denen die Expansionsforderungen im Krieg gar nicht weit genug gehen konnten, bekämpften am lautstärksten das Vertragswerk. Daran sieht man letztendlich, wie gefährlich das Gift eines übersteigerten Nationalismus ist.
Da ich Heinrich Heines Klassiker "Deutschland. Ein Wintermärchen" noch gar nicht kannte, aber bereits in Erfahrung gebracht hatte, dass es zum Verständnis des Werkes gut wäre, über bestimmte historische, politische, religiöse, mythologische und literarische Kenntnisse der damaligen Zeit zu verfügen, beschloss ich, mir nicht nur den Text als solchen zu besorgen, sondern gleich ein Buch, in dem auch Erläuterungen und Kommentare dazu abgedruckt sind.
Ich entschied mich letztlich für das Werk aus der Reihe "Suhrkamp BasisBibliothek".
Nach der Lektüre des Buches nun die Frage: wie kann man es bewerten? Wonach sich dabei richten?
Bei den Kommentaren war mir wichtig, dass sie leicht verständlich, strukturiert und informativ gleichzeitig waren. Dabei nicht zu lang, also nicht ermüdend. Mir hat das in diesem Buch wirklich gut gefallen. Kurz und prägnant waren die Erläuterungen sowie äußerst hilfreich, um das Werk Heines in einen angemessenen Gesamtrahmen einordnen zu können.
Wie aber kann man nun einen "Klassiker" bewerten? Die Form - es handelt sich bei dem Werk um ein Versepos - ist sicher nicht mehr zeitgemäß, genauso wenig die Sprache. Erstmals erschien "Deutschland. Ein Wintermärchen" im Jahr 1844.
Doch obwohl das Versepos für mich teilweise anstrengend zu lesen war, gerade auch durch die unterbrechenden Texterläuterungen, ohne die ein Verständnis jedoch erschwert oder sogar unmöglich wäre, fand ich es sehr beeindruckend. Mit dem nun vorhandenen Hintergrundwissen um die damaligen politischen und gesellschaftlichen Umsände ist das Werk m.E. nicht hoch genug einzuschätzen...
Nach 12 Jahren Emigrantentums in Paris erfasst Heine das Heimweh, und er tritt eine Reise quer durch Deutschland an bis in seine Heimatstadt Hamburg. Beim Wintermärchen handelt es sich jedoch nicht nur um in Verse gebrachte Reisebilder.
Das Werk ist vielmehr in erster Linie eine Satire auf die Missstände der damaligen deutschen Gegenwart, eine kritische Dichtung, die den vorherrschenden politischen Zuständen sozusagen den Spiegel vorhielt. Dabei war es nicht einfach, das Werk an der scharfen Zensur vorbei so zu erhalten, dass es seinen Charakter nicht verlor...
Auch wenn Heine in einem anderen Jahrhundert (-tausend) lebte als wir heute, war es für mich tatsächlich ein Vergnügen, die Verse zu lesen. An manchen Stellen musste ich richtig schmunzeln, weil ich mir die Reaktionen der politischen wie kirchlichen Obrigkeit auf derartige "Frechheiten" gut vorstellen konnte.
Insgesamt komme ich trotz anstrengender Lektüre also zu einer sehr guten Bewertung - sowie zu der dämmernden Erkenntnis, dass Klassiker wohl nicht umsonst Klassiker geworden sind...
© Parden
Das kulturelle Erbe Preußens
Zur Autorin (Quelle: HP Christine Brühl)
Christine von Brühl wurde 1962 in Accra geboren. Von dort ging es – ihr Vater war Diplomat – weiter nach London, Bonn, Brüssel, Singapur und Polen. Nach dem Studium der Slawistik, Geschichte und Philosophie und ihrer Promotion über Anton Tschechovs Dramenwerk zog sie 1991 nach Dresden. Sie schrieb unter anderem für die Sächsische Zeitung, Die Zeit und Das Magazin und veröffentlichte Reiseführer und Bildbände. 1995 zog sie nach Berlin, wurde 2000 Fellow im Reuters Foundation Programme Oxford und arbeitete anschließend als Auslandskorrespondentin für facts und die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung in London. Als Stipendiatin der Volkswagen AG kehrte sie 2002 zurück und partizipierte am Programme for Advanced Journalism der Freien Universität. Seitdem lebt sie wieder als freie Autorin mit ihrer Familie in Berlin. Heute publiziert sie Sachbücher und Romane, arbeitet als Ghostwriterin und engagiert sich bisweilen journalistisch mit Beiträgen in Der Spiegel, Das Magazin u.a.
Mein Leseeindruck:
Was an Preußen bis heute beeindruckt, sind die kulturellen Hinterlassenschaften: Schlösser, Parks, Museen, Universitäten etc. Christine von Brühl widmet sich in ihrem Buch dem kulturellen Erbe Preußens, und das sieht sie überwiegend als Leistung der Ehefrauen der preußischen Kurfürsten und Könige.
Von daher ergibt sich die strenge Gliederung ihres Buches. In 16 Kapiteln werden die einzelnen Herrscherinnen vorgestellt, und jeder Ehefrau wird ein Bauwerk zugeordnet – sei es ein Schloss, eine Gartenanlage oder auch eine Kirche. Die Kapitel kann man chronologisch lesen, und hier erweist sich der vorangestellte reduzierte Stammbaum als Orientierungshilfe. Es spricht aber nichts dagegen, die Kapitel nach Lust und Laune zu lesen.
Alle Kapitel sind identisch aufgebaut. Der Leser wird mit einem Bild der jeweiligen Herrscherin konfrontiert, anschließend erfolgt eine aktuelle Zustandsbeschreibung des ausgewählten Bauwerks, dann eine kurze Biografie, in der auch die Herkunftsfamilie vorgestellt wird, dann wird das Bauwerk in seiner Historizität vorgestellt, ebenfalls mit einem kleinen Bild. Das Titelbild (Quelle?) besticht durch seine schöne Farbigkeit und seine Anspielung auf die Farbe Preußisch-Blau – leider sind die Bilder im Inneren des Buches alle schwarz-weiß bzw. grau und zudem sehr klein. Wieso nicht mehr Bilder? Hier hätte die strenge Gliederung zugunsten einer größeren Anschaulichkeit durchbrochen werden können.
16 unterschiedliche Frauen rücken über die Jahrhunderte hinweg nahe an den Leser heran. Die Frauen, die uns hier begegnen, sind sehr unterschiedlich. Darunter finden sich solche kraftvollen und intelligenten Naturen wie die Oranierin Luise Henriette, die Frau des Großen Kurfürsten, die mit Tatkraft und wirtschaftlichem Verstand die Folgen des 30jährigen Krieges abmilderte. Interessant ist auch die Geschichte der Auguste Gräfin Harrach, die die Nachfolgerin der legendären Königin Luise wurde. Oder aber die dicke Sophie Dorothea, die Frau Friedrich Wilhelms I., des Soldatenkönigs, die nicht nur spielsüchtig war, sondern auch ungeheure Summen für ihre Porzellansammlung ausgab.
Gerade in diesem Kapitel zeigt sich aber der große Nachteil des Buches: eine Art von Schönfärberei oder eingeengtem Blick, wie man es auch immer nennen will. Sophie Dorotheas Sammlungsleidenschaft wird „als hochgradig visionär“ (S. 162) bezeichnet, als „Revolte“ (ebda) gegen ihren „zornigen und hässlichen“ Mann, und ihre Sammlung ist ein „Schlaglicht auf das kulturelle Vermögen jener Zeit“ (S. 162), während ihr Ehemann, Friedrich Wilhelm I., angeblich ohne jedes Kunstverständnis, alle Künstler (bis auf Pesne) entließ und die Ausgaben des Hofes radikal auf fast ein Fünftel senkte, weil er „sparsam bis an den Rand des Geizes“ (S. 166) war.
So einfach darf man es sich nicht machen! Keine Rede von der hohen Verschuldung des Staates und dem Zwang zur Entschuldung und auch der persönlichen Sparsamkeit des Königs, und auch keine Rede von den wirtschaftlichen Förderprogrammen im Rahmen des Merkantilismus, um Preußen zu bescheidenem Wohlstand zu verhelfen. Dorothea gibt mit vollen Händen das Geld (das immerhin von ihren Untertanen aufgebracht wurde…!) am Spieltisch und für ihre Sammlungswut aus, und es hätte der Autorin gut angestanden, diese Zusammenhänge wenigstens zu vermerken.
Allen Frauen ist eines gemeinsam: ihre wichtigste Aufgabe ist die Produktion von männlichen Nachkommen zur Sicherung der Dynastie. Ansonsten hatten sie wenig zu tun und suchten sich daher Betätigungsfelder, die ihrer Erziehung und ihren Interessen entsprachen. Diese Betätigungsfelder lagen überwiegend im Bereich der höfischen Repräsentation, und so entstand eine Fülle an prächtigen Bauten, die bis heute die preußische Identität verkörpern und deren Geschichte daher von der Autorin bis heute verfolgt wird. Den Beschreibungen räumt die Autorin sehr viel Platz ein, oft mehr als der Biografie. Zudem sind sie zu oft reine Beschreibungen des vorhandenen Bildes – und wenn andere, nicht abgebildete Bauwerke u. ä. auch noch beschrieben werden, beschleicht einen eine gewisse Ermüdung, und man fragt sich wieder, wieso nicht kurzerhand ein Bild eingefügt wird. Manchmal fragt man sich allerdings auch grundsätzlich nach Sinn und Zweck des Ganzen.
Dennoch: die Beschreibungen bieten Anreize für eigene Erkundungen, auch wenn einige der Bauten den Kriegsereignissen und der anschließenden Besatzungspolitik zum Opfer gefallen sind. Hier dient das Buch als Reiseführer, und eine Landkarte im Anhang wäre hilfreich gewesen.
Zu oft bleibt die Autorin unverbindlich. Ein Beispiel nur: da heißt es im Zusammenhang mit einer Mätresse des Königs: „Friedrich profitierte von der Liaison“ (S. 133). Inwiefern?
Auf anderen Seiten finden wir verwirrend lange Datenreihen: „Der Graf wurde 1690 Hauptmann…, 1691 Schlosshauptmann von Berlin, 1694 Oberstallmeister sowie Oberkammerherr“ (S. 132). Solche Zahlenreihen finden sich wiederholt und sollen wohl die genaue Recherche der Autorin belegen.
Aber genau daran hapert es jedoch immer wieder; ob es pikante Ereignisse im vor- und ehelichen Leben der Elisabeth von Braunschweig-Wolfenbüttel (die dann auch verbannt wurde) sind, oder die Märzereignisse in Berlin, die Gründung der Berliner Akademie der Wissenschaften, das Auftauchen des Halley’schen Kometen, oder auch dass die „Zeichnungen“ des Soldatenkönigs in Königs Wusterhausen eigentlich Ölgemälde sind und dass das Hohenzollernschloss Hechingen nicht im Allgäu liegt – das sind nur einige Ungenauigkeiten, die beim ersten Lesen auffallen.
Mit der Sprache der Autorin hatte ich auch gelegentlich Probleme, und zwar gleich zu Beginn. „Wenn die Herrscherin starb, weinte das ganze Land. Manch kostbares Grabmal wurde gestiftet.“ und später: „Von all diesen guten und großen Taten soll in diesem Buch … die Rede sein“ (S. 16 und 17).
Bei diesem Pathos schwante mir Übles, aber der Text las sich trotz dieser Missgriffe sehr leicht und flüssig.
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