Osteraugen: In deinem Licht sehen wir das Licht
Nur wenige Bücher haben meinen Blick auf ein religiöses oder menschliches Problem so verändert wie "Ihr werdet sein wie Gott" von Erich Fromm. Fromm interpretiert darin den Gott seiner Väter, den Gott des Alten Testaments.
Er bemerkt völlig richtig, dass es nicht notwendig ist, Priestern und Theologen die Deutung der Bibel zu überlassen. Er sieht in der Bibel die Botschaft der Freiheit, die auch die Grundlage dafür war, dass so viele Juden vorurteilsfrei forschende Wissenschaftler und Philosophen wurden.
Der Gott der Genesis ist ein väterlicher Gott, der dem Kleinkind Mensch Vorschriften macht und deren Verletzung straft. Der Mensch wird bewusst, isst vom Baum der Erkenntnis und erkennt seine Schwäche, das heißt, er verliert das Paradies der Dummheit. Der Löwe war auch im Paradies kein Vegetarier. Mit dem Neuen Bund, dessen Symbol der Regenbogen ist, zieht sich Gott ein Stück aus der Welt zurück. Er ist noch da, wacht über den Menschen, aber er ist nicht mehr der unnahbar strafende des Kleinkindes. Mit Moses gewinnt der Mensch endgültig die Freiheit über seine Entscheidungen. Gott zieht sich aus der Welt zurück, der Mensch muss für sich selbst die Verantwortung übernehmen. Er ist der Gott des Erwachsenen. Damit müsste die Theologie enden, aber diesen letzten Schritt hat weder das Judentum noch das Christentum vollzogen.
Unbedingt lesenswert. Ich habe damit die Bibel wieder schätzen gelernt, auch ohne dass ich von mir behaupten könnte, Christ zu sein.
Die Ostergeschichte aus besonderen Blickwinkeln
Cover und Gestaltung:
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Der Berg mit den drei Kreuzen mit der hellen, aufgehenden Sonne und der angestrahlte Autor im Vordergrund passen perfekt zum Titel. Vor allem gefällt mir der handschriftlich anmutende Schriftzug von "Osteraugen". Dadurch wirkt das Buch persönlicher, wie vom Autor an den Leser gewidmet. Das Buch ist sehr hochwertig gestaltet als Hardcover mit einem festen, glänzend bedruckten Einband. Es liegt gut in der Hand. Auf der Rückseite des Buches ist eine Zeichnung, die vermutlich Jesus darstellt. Er sieht dem Leser direkt in die Augen, als wolle er sagen: "Ja: du bist gemeint, für Dich habe ich das alles gemacht." Dies verleiht dem Buch das gewisse Etwas, das mich sehr angesprochen hat.
Inhalt
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Die Ostergeschichte, so wie sie in der Bibel steht, kennt wohl jeder. Aber wer hat sich darüber Gedanken gemacht, wie sie sich aus der jeweiligen Sicht von damals anwesenden Gegenstände, Tiere und Personen heraus darstellt? Der Autor Raphael Müller hat hier besondere Protagonisten auserkoren und die einzelnen Stationen der Ostergeschichte aus ihrer Sicht erzählt. Dazu zählen der Esel, der Jesus an Palmsonntag tragen darf, ein Olivenbaum, Steine, die einst bei der Kreuzigung zugegen waren, aber auch Personen wie Judas, der Verräter, der ungläubige Thomas und die Himmelswelt in Form von Engeln und sogar Gott ist vertreten.
Mein Eindruck:
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Die Beschreibung des Buches hat mich neugierig gemacht und vom Autor hatte ich bisher noch nichts gelesen, aber schon viel Gutes gehört. Während ich die Weihnachtsgeschichte schon in vielen Facetten kennenlernen durfte, hatte ich den Eindruck, dass die Ostergeschichte meist ausschließlich in klassischer Sicht präsentiert wird. Daher fand ich auf die unterschiedlichen Perspektiven hierzu sehr gespannt.
Die Geschichten sind chronologisch angeordnet beginnend mit Palmsonntag bis hin zur Auferstehung Jesus' am Ende des Geschehens. Palmsonntag erleben wir aus Sicht des kleinen Esels Hamors, dessen erster Ausritt gleich ein bedeutender sein wird. Da ich Esel sehr gerne mag, hat es mir die Geschichte gleich angetan und ich bin sehr gut in das Buch eingestiegen. Raphael Müller schafft es hier, aber auch bei allen anderen beschriebenen Handelnden, in deren Perspektive einzutauchen. Dabei ist es gleichgültig, ob es sich um Tiere, Bäume, Steine, die Menschen oder die Himmelswesen handelt. Alle Sichtweisen sind einfühlsam und manchmal auch mit einer Prise Humor geschildert. Der Übergang von einer Perspektive zur nächsten ist besonders gegen Ende sehr fließend und man rutscht so automatisch von einem Kapitel zum nächsten. Die Geschichten sind in einfacher und doch aussagekräftiger Sprache geschrieben und bieten im Nachgang Stoff zum Nachdenken. Die Ostergeschichte wird dadurch lebendig und greifbar für die ganze Familie.
Zwischen einzelnen Kapiteln sind dazu passende schwarz-weiß Bilder und Fotografien sowie einige Gedichte eingestreut. So bekommen die einzelnen Etappen noch mehr Anschaulichkeit und Tiefe.
Ich habe Osteraugen fast in einem Rutsch durchgelesen und konnte so Details erkennen, die ich vorher nicht (mehr) präsent hatte. Das Buch eignet sich zur Einstimmung auf Ostern, aber auch, um sich die Bedeutung von Jesus' Sterben und Auferstehung für unser Leben immer wieder vor Augen zu führen.
Fazit:
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Die außergewöhnlichen Blickwinkel der Ostergeschichte machen diese lebendig und greifbar für die ganze Familie