Der Große Garten

Buchseite und Rezensionen zu 'Der Große Garten' von Lola Randl
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4 von 5 (2 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Der Große Garten"

"Ein Trieb wird als unwiderstehlicher Drang empfunden. Pflanzen und Tiere denken gar nicht daran, diesem Trieb etwa entgegenzusetzen, wohingegen der Mensch seine Triebe immer häufiger aufschiebt oder umwandelt."
Ein Roman über die Schwierigkeit, auf dem Land der Fülle des modernen Lebens zu entkommen und in Ruhe sein Gemüse zu ziehen. Und wenn sich dann zum Mann und den Kindern noch die Mutter, ein Liebhaber, ein Analytiker und Wühlmäuse in den Garten gesellen, weiß selbst die Therapeutin aus der Stadt nicht mehr weiter.

Autor:
Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:320
EAN:9783957577092
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Rezensionen zu "Der Große Garten"

  1. Gartenseelen und Lebenssinn-Nomaden

    Viele der kurzen Kapitel sind auf schlichte Art ungemein charmant und sprühen vor feinem Humor, andere entpuppen sich als wahre Schatzkästchen des Gartenwissens. Blumen, Gemüse, Setzlinge, Schädlinge, verschiedene Bodenarten – für jemanden, der (wie ich) keinerlei Ahnung von Gartenbau hat, sind das böhmische Dörfer. Bisweilen beschlich mich der Gedanke, dass dieser Teil des Buches an mich verschwendet war, oder dass diese Kapitel sich womöglich besser als Teil der Gartenkolumne einer Tageszeitung eignen würden.

    Gott sei Dank ranken sie sich verspielt um die Menschen herum, die Lola Randl zu Wort kommen lässt: Da ist die Ich-Erzählerin (Lola Randl selber?), die keine Ahnung hat vom Landleben, aber zurückwill zur Natur. Meistens jedenfalls. Da sind ihr Mann und ihr Liebhaber – und ihr Analytiker, der irgendwie ebenfalls ihr Liebhaber ist, und die alte Künstlerin, deren Liebhaberin sie manchmal gerne wäre. Und ihre Therapeutin, die nicht mehr weiterweiß. Da ist ein altes Ehepaar, das Herzblut in die Bestellung von Saatgut steckt und sich jetzt damit auseinandersetzen muss, dass er zum Pflegefall wird. Dann gibt es noch die jungen Japanerinnen, die wieder alle Erwartung sehr viel Erfolg damit haben, mitten in der Uckermark ein japanisches Café aufzuziehen. Und, nicht zu vergessen, da ist die Kommune, die der Liebhaber aus Versehen beherbergt – inklusive seines selbsterklärten Sklaven, der die Freiheit darin sucht, keine Entscheidungen treffen zu müssen.

    Und natürlich die Mutter der Erzählerin, die sich als Expertin für Gartenwissen schwer damit tut, ihrer Tochter in deren Garten den ersehnten Freiraum zu lassen. Bedeutet das doch, dass die Fehler macht und Gewächse kreuz und quer in den falschen Boden und die falschen Lichtverhältnisse setzt. (Der Hinweis, wie gut sich das als Metapher übertragen lässt auf das Tochterleben, erübrigt sich.)

    Lola Randls Garten entpuppt sich als Kaleidoskop des alltäglichen menschlichen Chaos: da wuchern die Befindlichkeiten; da blüht die Hoffnung; da stellt sich heraus, dass Gefühle sich in etwa so gut herausrupfen lassen wie die Gemeine Quecke. Das Leben ist kompliziert, die Sprache schlicht. Bisweilen wirkte sie auf mich wie das literarische Äquivalent zur naiven Bauernmalerei, sodass Inhalt und Sprache ein schlüssiges Gesamtbild ergaben.

    Fazit

    Eine Frau sucht neuen Sinn in ihrem Garten auf dem Land – auch wenn sie keine Ahnung vom Gartenbau hat und einfach kreuz und quer pflanzt, was sie gerade schön findet. Ihre gartenaffine Mutter, händeringend, tut sich schwer damit, ihre erwachsene Tochter Fehler machen zu lassen. Und überhaupt, eigentlich sollte auf dem Land doch alles ruhig und einfach sein, aber die Erzählerin muss feststellen, dass sie sich das Leben schon selber kompliziert macht. Da ist ihr Mann, da sind ihre Kinder, da sind ihr Liebhaber, ihr Analytiker und ihre Therapeutin. Und die ewigen Quecken, Maulwürfe und Wühlmäuse.

    Lola Randl lässt ein kurzes Kapitel auf das nächste folgen, und die sind randvoll mit Gartenwissen und kurzen prägnanten Einblicken in das Leben der Menschen, die ihr Glück im Garten suchen.

    Zugegeben: Manchmal tat ich mich schwer mit Kapiteln, die mit Gartenwissen allzu sehr an die nicht vorhandene Gärtnerin in mir appellierten. Manchmal fand ich die Erzählerin ermüdend in ihrem ewigen Tanz rund um Mann und Liebhaber und Analytiker. Und dennoch, immer zog das nächste kurze Kapitel mich dann wieder mitten rein in den Garten, und dann konnte ich mich dem Charme der Erzählung nicht mehr entziehen…

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  1. 4
    23. Sep 2019 

    Liebhaberhaus

    Manchmal wird die Fülle des Lebens zu viel und man zieht aufs Land, weil es dort wohl ruhiger zugeht. Die Empfehlung, einen Garten anzulegen, nimmt man gerne an. Natürlich stellt man fest, dass das nicht so einfach ist. Besonders nicht, wenn die Mutter alles besser weiß und einen mit guten Ratschlägen überhäuft. Leider hat sie auch noch meistens recht, sie kennt sich eben aus mit dem Gärtnern. Und wenn da noch ein Liebhaber ist in seinem Liebhaberhaus und der Mann und die Kinder und Irmi und Hermann. Die Ruhe auf dem Land ist auch nicht so das. Vielleicht kann es die Therapeutin richten oder der Analytiker.

    Man könnte sich diesen Roman auch gut als App vorstellen. Kurze Kapitel die gut mit Zeichnungen, Fotos oder kleinen Filmen ausgeschmückt werden. Es ist schon klug, sich mit dem Anlegen eines Gartens zu beschäftigen. In der schnelllebigen Zeit heute gibt ein Garten eine tolle Gelegenheit zur Entschleunigung. Man weiß, wie schön es ist, die Blumen zu betrachten, die man selbst eingepflanzt oder ausgesät hat. An einem sonnigen Tag lässt sich die Blütenpracht genießen und die Pflege nimmt man gerne in Kauf. Die Erzählerin des Gartens hat schon eine spezielle Persönlichkeit. Ihre umherflatternden Ideen lassen sich zum Glück gut in dem entstehenden Garten kanalisieren.

    Beim Erzählen über den Garten entfaltet sich eine kluge, ein wenig chaotische Geschichte, die die Augen umschmeichelt. Man bemerkt die Eigenheiten der Erzählerin, doch sie entwickelt eine so erfrischende Art, dass sie immer sympathisch bleibt. Sicher wird man einiges am Dorfleben wieder erkennen, wenn man selbst auf dem Land aufgewachsen ist und manchmal etwas genervt, meist aber schmunzelnd denken, ja, so kann es sein. Zugleich erfährt man, dass man einfach drauf los gärtnern kann oder auch planvoll vorgehen kann. Dieser Roman flattert leicht dahin und ist dabei doch gehaltvoll und lebensnah. Ein Jahr im Garten mit seinen Höhen und Tiefen und einer anheimelnden Wärme.

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Diamonds For Love - Glühende Leidenschaft: Roman

Buchseite und Rezensionen zu 'Diamonds For Love - Glühende Leidenschaft: Roman' von Layla Hagen
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Inhaltsangabe zu "Diamonds For Love - Glühende Leidenschaft: Roman"

Autor:
Format:Taschenbuch
Seiten:320
EAN:9783492314947
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Rezensionen zu "Diamonds For Love - Glühende Leidenschaft: Roman"

  1. 1
    12. Aug 2019 

    Klischeehaft und vorhersehbar

    Inhalt: "Diamonds for Love - Glühende Leidenschaft" ist der neunte und letzte Teil der "Diamonds for Love" von der Autorin Layla Hagen. In diesem Band lernt das Bennett-Nesthäkchen Summer den Hollywoodschauspieler Alexander Westbrook kennen. Er besucht das Waisenhaus indem Summer ehrenamtlich aushilft. Er ist attraktiv, erfolgreich, nett und vorallem seit neuestem auch Single. Zwischen den beiden funkt es regelrecht. Doch hat ihre Beziehung eine Chance? Schließlich ist alex berühmt und Summer arbeitet in einem Museum...

    Meinung: Das Cover sieht gut aus. Es fügt sich nahtlos in die Coverreihe der anderen ein. Die pinke Glitzerschrift und Blumen heben sich gut von dem schwarzen Cover ab. Übersetzt wurde das Buch von Vanessa Lamatsch. Es wird sowohl aus Summers als auch Alexs Sicht erzählt.
    Ich wollte diese Geschichte wirklich lieben. Der Klappentext hat mich von Anfang an neugierig gemacht. Leider konnte mich die Geschichte überhaupt nicht überzeugen. Am Anfang fand ich beide Protagonisten sehr nett. Sie kamen sehr sympathisch rüber. Trotzdem konnte ich die ganze Zeit keinen richtigen Draht zu den beiden aufbauen. Ich fand es gut, dass Alex nicht der stereotypische Hollywoodbadboy ist, der durch eine Frau und die damit einhergehende große Liebe plötzlich weich wird. Trotzdem hatte er mir zu wenig Kanten. Insgesamt haben diese mir bei allen Charakteren gefehlt. Viele Situationen und Dialoge kamen mir klischeehaft und vorhersehbar vor. Bis auf einmal kurz vor dem Ende habe ich eigentlich schon gewusst was passiert. Die meiste Zeit ging mir das mit den beiden viel zu schnell. Ich fand es unrealistisch, dass sie sich so schnell verlieben, zusammenkommen und nach einem knappen Jahr heiraten, nur um dann ein weiteres Jahr später ihr erstes Kind zu bekommen. Es fehlte mir an Tiefe und Spannungsbogen. Die meiste Zeit über hatte ich das Gefühl als würde die Geschichte, unterbrochen von einigen heißen Szenen, einfach nur so dahin plätschern.

    Fazit: Leider konnte mich das Buch nicht überzeugen. Ich habe die vorherigen Bände nicht gelesen und werde es auch nicht mehr tun. Trotzdem denke ich, dass Fans von Layla Hagen und der "Diamonds for Love"-Reihe hier mehr als nur auf ihre Kosten kommen werden. Sie können sich auch auf ein Wiedersehen mit vielen bekannten Gesichtern freuen.

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Nyxa 1: Das Erbe von Avalon

Buchseite und Rezensionen zu 'Nyxa 1: Das Erbe von Avalon' von Dana Müller-Braun
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4 von 5 (1 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Nyxa 1: Das Erbe von Avalon"

**Die Macht der Elemente**
Seit sie denken kann, weiß Nyxa: Sie ist einzigartig. In ihr sind nicht nur alle existierenden Unterarten der Drachen vereint, sie ist auch die Erbin des Königreichs Avalon. Aber was nützt ihr dieses Wissen, wenn sie sich dafür ein Leben lang verstecken muss, schließlich wollen dunkle Mächte jemand ganz anderen auf dem Thron sehen. Als Nyxa dann verheiratet werden soll, um ihre Bestimmung zu erfüllen, trifft sie eine schwerwiegende Entscheidung. In einer Nacht-und-Nebel-Aktion verlässt sie ihre Heimatstadt Acaris und heuert bei dem verschwiegenen Piraten Captain Black Night an. Für die nächsten zwei Monate wird sie Teil seiner Crew. Doch niemand darf herausfinden, wer sie wirklich ist. Weder die Crew noch der furchtlose Captain, der Nyxas Herz in Aufruhr bringt…  




//Alle Bände der überwältigenden Nyxa-Trilogie:
-- Nyxa 1: Das Erbe von Avalon
-- Nyxa 2: Die Macht von Atlantis
-- Nyxa 3 (erscheint im September 2019)//




//Weitere Romane aus der Drachenwelt von Dana Müller-Braun: 
-- Elya 1: Der weiße Drache
-- Elya 2: Das Bündnis der Welten 
-- Elya 3: Das Licht der Finsternis// 
Die »Elya«-Trilogie ist abgeschlossen.

Format:Kindle Ausgabe
Seiten:0
Verlag: Impress
EAN:
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Rezensionen zu "Nyxa 1: Das Erbe von Avalon"

  1. 4
    09. Aug 2019 

    Mysteriös und mit überraschenden Wendungen

    Inhalt: "Nyxa - Das Erbe von Avalon" ist Band eins der Trilogie von Dana Müller Braun. Nyxa ist besonders und das weiß sei auch. Nicht nur, dass sie das Königreich Avalon erben wird, sondern auch, dass alle Drachenunterarten in ihr vereint sind. Das Ganze hat zur Folge, dass sie seitdem sie klein ist vor der Außenwelt versteckt wird. Da draußen gibt es dunkle Mächte, die sie nicht als Erbin anerkennen und jemand anderes auf dem Thron sehen möchten. Kurz bevor Nyxa heiraten soll, um ihr Erbe zu schützen, haut sie ab. Sie möchte nicht von dem einen Gefängnis ins andere gehen, sondern endlich Freiheit spüren und genießen. Sie schließ sich dem geheimnisvollen Piraten Captain Black Night an. Sie leisten ein Blutversprechen. Sie wird für zwei Monate Teil seiner Crew, dafür bringt er sie nach Ablauf der zwei Monate dahin wo sie hin möchte. Ein gefährliches Abenteuer beginnt für Nyxa. Niemand darf herausfinden wer sie wirklich ist und erst recht dürfen keine Gefühle mit ins Spiel kommen...

    Meinung: Auch wenn ich eigentlich keine Personen auf dem Cover mag, passt es hier doch ganz gut. Man sieht Nyxa. Die Schrift finde ich ganz schön. Der Titel passt sehr gut zur Geschichte. Es bringt es auf den Punkt und verrät nicht zu viel. Der Schreibstil ist flüssig und leicht zu lesen. Zwar gibt der Verlag an, dass man die "Elya"-Reihe vorher nicht gelesen haben muss, um diese Geschichte zu verstehen, aber ich hatte das Gefühl, dass mir einige Erklärungen fehlten. Oft wurden auch Andeutungen gemacht oder Dinge nur kurz erklärt. Ich kann mir gut vorstellen, dass in der "Elya"-Reihe viel mehr über die Welten und alles was dazu gehört erklärt wird. Gerade bei den ersten 10% hatte ich Probleme mich in der Welt zurecht zu finden. Man war direkt im geschehen drin. Es tauchten direkt ziemlich viele Namen auf mit denen ich entweder nichts anfangen konnte oder es mir schwer viel mir direkt die Verbindungen zu merken. Auch wusste ich am Anfang nicht wirklich wie genau ich mir die Welt und die Drachen vorzustellen habe. Nach den ersten 10% war das Ganze dann aber kein Problem mehr. Ich habe mich in Nyxas Welt sehr wohlgefühlt. Von Anfang an war Nyxa mir als Hauptprotagonisten sehr sympathisch. Obwohl sie von der Außenwelt abgeschottet aufgewachsen ist, hat sie einen tollen und selbstbewussten Charakter. Sie hat Träume, aber weiß auch was ihre Pflicht ist. Sie weiß sich zu wehren, aber ist in der normalen Welt auch oft unsicher und weiß nicht wirklich mit bestimmten Leuten und Situationen umzugehen. Sie wirkt während der ganzen Geschichte authentisch und realistisch. Man kann sich besonders gut in sie reinfühlen, da die Geschichte bis auf den Prolog und Epilog aus ihrer Perspektive erzählt wird. Die Geschichte ist wirklich toll. Man leidet und fiebert mit Nyxa mit. Immer wieder ist unklar wer denn jetzt gut oder böse ist und man versucht mit ihr gemeinsam hinter all die Geheimnisse zu kommen. Die Wendungen haben mich immer wieder positiv überrascht und miträtseln lassen.

    Fazit: Ich kann diese Geschichte nur empfehlen. Allerdings würde ich dazu raten zuerst die "Elya"-Reihe zu lesen, damit man sich dort ein gewisses Vorwissen für diese Geschichte aneignet. Es geht auch ohne, aber ich hatte anfangs das Gefühl, als würde ich zu sehr in die Welt reingerissen werden und nicht die Grundlagen kennen. Die Geschichte konnte mich begeistern. Alle Charaktere sind toll ausgearbeitet und ich habe mich ein kleines bisschen in den Captain verliebt. Ich bin gespannt auf die letzten beiden Teile und möchte unbedingt wissen wie es mit Nyxa weitergeht und was sie noch alles erleben wird.

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Vor der Flut

Buchseite und Rezensionen zu 'Vor der Flut' von Corinna T. Sievers
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3 von 5 (1 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Vor der Flut"

"Ein mutiger Text, der explizit das Begehren einer Frau in einer so radikalen Perspektive benennt, wie man es eigentlich nur von Männern kennt, ein Text, der von Überschreitung handelt, einem Abweichen von der Norm, und der eine enorme Spannung erzeugt." Hubert Winkels beim Bachmann-Bewerb 2018

Judith ist Zahnärztin und lebt auf einer norddeutschen Insel mit ihrem Ehemann, einem Psychiater. Sie führen eine eher lieblose Ehe, was ihn aber nicht davon abhält, ihre wechselnden außerehelichen Liebschaften zu analysieren. Das Städtchen ist klein, nicht einmal zweitausend Einwohner. Neun Zwölftel des Jahres ist Nebensaison. Doch zweimal im Jahr fallen die Reichen ein, zweimal im Jahr ist Hochsaison, dann kommt Judith auch privat auf ihre Kosten: Sie ist Erotomanin, auf der Suche nach einer freien Sexualität, sie ist frei von den Grenzen des allgemein Konformen, Männer warten bei ihr vergeblich auf Erlösung oder gar Liebe. Jetzt sind die Weihnachtsgäste abgereist, und ein vom Wintersturm angeschwemmter Eisblock treibt auf das kleine, direkt an der Wattseite der Insel gelegene Warfthaus der Eheleute zu. In dem Maße, wie sich die Eismasse Meter für Meter nähert und mit der nächsten Springflut das Haus unter sich zu begraben droht, nimmt die Erzählung eine immer dramatischere Wendung, entwickelt sich ein von Judith so präzis im Voraus geplantes erotisches Rendezvous immer mehr gegen ihre Erwartungen.

Ebenso konkret wie ironisch beschreibt Corinna T. Sievers eine Frau, die sich offen ihrem Begehren hingibt. "Vor der Flut" verhandelt das traditionelle Konzept von Liebe und weiblicher Sexualität auf ungewohnte Weise und treibt ein Spiel mit gesellschaftlichen und geschlechtlichen Machtverhältnissen - originell und spannend bis zum Schluss.

Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:224
EAN:9783627002619
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Rezensionen zu "Vor der Flut"

  1. Eiszeit der Gefühle

    Judith ist Anfang 50, Zahnärztin und lebt auf einer Insel in der Nordsee. Sie ist mit Hovard verheiratet, einem pensionierten Psychoanalytiker. Zweimal im Jahr ist Hauptsaison auf der Insel, dann kommen reiche Touristen. Von deren Zahnpflege lebt sie mehr schlecht als recht.
    „Ich bin einundfünfzig Jahre, Zahnärztin und Nymphomanin.“ Dieser Satz fasst so ziemlich alles zusammen was Judith ausmacht. Mir unzähligen Männern hat sie, muss sie, sexuell verkehren. Ganz egal, ob Zufallsbekanntschaft, Patient, verheiratet oder nicht. Nur nicht mit ihrem Mann Hovard, diese Ehe ist so schlaff wie Hovards Geschlecht. Hovard weiß von ihren Affären, billigt sie, analysiert sogar Judiths Verhalten sowie das des jeweiligen Sexkandidaten. Judiths Name ist Programm, Holofernes hat viele Köpfe.
    Die Autorin Corinna T. Sivers ist nicht nur Schriftstellerin, sondern auch Fachärztin für Kieferorthopädie, die mit der „Prognostizierbarkeit von Schönheit“ promoviert hat. Ob Judith nun das alter ego der Autorin ist sei dahin gestellt. Sie lässt Judith jedenfalls erzählen. Wie sie mit dem Altern hadert und dem Zerfließen von Brüsten und Hintern. Wie sie es mit Hovard aushält, dem platonischen „Ehemann, Arzt und Gefängniswärter“. Finanzielle Gründe lassen Judith bleiben. Dennoch behauptet sie: „Ich bin Feministin, ich bin stolz, aber was nützt das, wenn ich Lust habe, einen Schwanz zu lutschen.“ Da ist sie diese Sprache, explizit, vulgär, pornographisch. Judith lässt nichts aus, die Beschaffenheit ihres Geschlechtsorgans, das ihrer Partner, den Geruch, die Technik beim Akt und der Selbstbefriedigung.
    Ziel dieses Romans ist weniger zu erregen, als aufzuregen. Oft spricht Judith die Leserin direkt an, das macht betroffen, unbehaglich.
    „Sollten Sie die Schilderung für entbehrlich halten oder sich gar abgestoßen fühlen, lesen Sie weiter auf Seite zweiundvierzig.“ Jein! Die endlose Aneinanderreihung Judiths manischer Triebbefriedigung langweilt bisweilen. Aber dieser ungewöhnliche Text beschreibt auch eine Frau, die sich bis zur Erniedrigung entblößt. Nicht die ausführliche Beschreibung des Geschlechtsaktes ist das Wesentliche. Nicht das Treiben, sondern die Getriebenheit ist es, die komplexe, schwierige und zerrissene Persönlichkeit der Protagonistin. Judith ist ein sehr fragiler Charakter. Die Dramatik ihres Lebens spiegelt sich wieder in dem Eisblock, der unaufhörlich vom Meer auf ihr Haus zutreibt und dieses zu vernichten droht. Die Eiszeit der Gefühle endet symbolträchtig.

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Ich bin ein Schicksal

Buchseite und Rezensionen zu 'Ich bin ein Schicksal' von Rachel Kushner

Inhaltsangabe zu "Ich bin ein Schicksal"

Rachel Kushner, deren vielfach preisgekrönter Roman "Flammenwerfer" ein internationaler Bestseller wurde, kehrt zurück mit einem spektakulären Roman über ein scheiterndes Leben im zeitgenössischen Amerika.

Romy Hall tritt eine zweimal lebenslängliche Haft in der Stanville Women's Correctional Facility an, tief in Kaliforniens Central Valley. Draußen die Welt, von der sie nunmehr abgeschnitten ist: San Francisco, wo sie aufwuchs und wo ihr kleiner Sohn Jackson lebt. Drinnen eine ganz neue: Hunderte Frauen, die um das Nötigste zum Überleben kämpfen; ständiges Bluffen und Katzbuckeln und die beiläufige Gewalt durch Aufsichtspersonal wie Gefangene. Aber es gibt auch einen Hoffnungsschimmer am Horizont: einen noch an Ideale glaubenden Sozialarbeiter, der sich der jungen Frau annimmt...

Kushner führt Romy in eine Welt ein, die sich in den USA zu einem mächtigen, auch als politische Waffe genutzten industriellen Komplex entwickelt hat. Aber ihr Blick reicht weit über die Strafanstalt hinaus. "Ich bin ein Schicksal" ist ihr laufender Kommentar zum kulturellen und politischen Zerfall des "Lands der Freien". Er ist unsentimental, kritisch und doch mitfühlend, und er reißt einen mit, weil Kushners Kosmos, wie der New Yorker schreibt, "so erfüllt ist von brillant mit Leben pulsierenden Geschichten".

Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:400
EAN:9783498035808
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Suleika öffnet die Augen: Roman

Buchseite und Rezensionen zu 'Suleika öffnet die Augen: Roman' von Gusel Jachina
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Inhaltsangabe zu "Suleika öffnet die Augen: Roman"

„Dieser Roman trifft mitten ins Herz.“ Ljudmila Ulitzkaja.

Suleika ist eine tatarische Bäuerin. Eingeschüchtert und rechtlos lebt die Mutter von vier im Säuglingsalter gestorbenen Kindern auf dem Hof ihres viel älteren Mannes. Ihr Weg zu sich selbst führt durch die Hölle, das Sibirien der von Stalin Ausgesiedelten. Ein anrührendes und meisterhaftes Debüt, das in 21 Sprachen übersetzt ist.

Vielfach preisgekrönt, u.a. als Großes Buch 2015 und mit dem Jasnaja Poljana-Preis 2015.

„Für mich bleibt es ein Rätsel, wie es einer so jungen Autorin gelungen ist, ein so eindringliches Werk zu schaffen.“ Ljudmila Ulitzkaja.

Format:Kindle Ausgabe
Seiten:528
EAN:
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Rezensionen zu "Suleika öffnet die Augen: Roman"

  1. Emanzipation im Arbeitslager?

    Suleika ist 30 Jahre alt, als Stalins Soldaten ihren Mann erschießen und Suleika aus ihrer Heimat deportieren. Ein sehr langer und beschwerlicher Weg führt die junge Tatarin mit anderen „Umgesiedelten“ nach Sibirien. Im Lager bringt sie ihren Sohn Jusuf zur Welt, eine Welt die sich für Suleika unaufhörlich verändert.
    „Suleika öffnet die Augen“, ein Satz, der in diesem Buch immer wieder aufscheint. Zunächst erleben wir Suleika noch in ihrem Zuhause, wo ihr Leben nicht viel mehr wert ist, als das der Tiere im Stall. Es ist eine patriarchalische Welt, die Bäuerin lebt nach dem Willen ihres Mannes und dem Allahs. Die Handlung beginnt im Jahre 1930, der Zeit der stalinistischen Entkulakisierung und endet kurz nach dem Zweiten Weltkrieg. Während dieser Zeit erlebt Suleika einen ungeheuren Wandel ihrer äußeren Lebensumstände, aber auch ihres eigenen Denkens.
    Es ist eine harte entbehrungsreiche Zeit, als eine kleine Gruppe der Ausgesiedelten in der sibirischen Einöde ein Lager aus dem Boden stampft. Suleika, die schon vier Töchter begraben musste, zieht einen Sohn groß, wird Köchin, Krankenschwester, Jägerin, Geliebte. Emanzipiert durch ein erzwungenes Leben im Arbeitslager? Das ist nicht die Botschaft, die ich gerne lesen möchte.
    Irgendwo in dieser Zeit nach dem Aufbau des Lagers hat mich die Autorin verloren. War die Geschichte anfangs noch sehr eindrücklich, voller Bilder und Tiefgang, dümpelt die Handlung zeitweise wie ein großer, träger Fluss vor sich hin. Die Erzählung mäandert zwischen verschiedenen Personen – etwa dem Lagerkommandanten Ignatow, oder dem deutschstämmigen Arztes Wolf Karlowitsch Leibe, dessen Entwicklung für mich nicht nachvollziehbar war – hin und her. Suleika wird immer mehr Randfigur. In der Gemeinschaft hat jeder seinen Platz gefunden. Fast schien es so als ob der kommunistische Ansatz seinem Ideal gerecht wurde, ein kleines utopisches Arbeitslager, das solidarisch funktioniert und sogar dem Kommandanten von der Gemeinschaft das Leben gerettet wurde.
    Nach einem wirklich sehr mitnehmenden Anfang, leider ein Schluss, der mich nicht überzeugen konnte.

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Suleika öffnet die Augen: Roman

Buchseite und Rezensionen zu 'Suleika öffnet die Augen: Roman' von Gusel Jachina
3
3 von 5 (1 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Suleika öffnet die Augen: Roman"

"Dieser Roman trifft mitten ins Herz." Ljudmila Ulitzkaja.
Suleika ist eine tatarische Bäuerin. Eingeschüchtert und rechtlos lebt die Mutter von vier im Säuglingsalter gestorbenen Kindern auf dem Hof ihres viel älteren Mannes. Ihr Weg zu sich selbst führt durch die Hölle, das Sibirien der von Stalin Ausgesiedelten. Ein anrührendes und meisterhaftes Debüt, das in 21 Sprachen übersetzt ist.
Vielfach preisgekrönt, u.a. als Großes Buch 2015 und mit dem Jasnaja Poljana-Preis 2015.
"Für mich bleibt es ein Rätsel, wie es einer so jungen Autorin gelungen ist, ein so eindringliches Werk zu schaffen." Ljudmila Ulitzkaja.

Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:541
Verlag: Aufbau Verlag
EAN:9783351036706
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Rezensionen zu "Suleika öffnet die Augen: Roman"

  1. Emanzipation im Arbeitslager?

    Suleika ist 30 Jahre alt, als Stalins Soldaten ihren Mann erschießen und Suleika aus ihrer Heimat deportieren. Ein sehr langer und beschwerlicher Weg führt die junge Tatarin mit anderen „Umgesiedelten“ nach Sibirien. Im Lager bringt sie ihren Sohn Jusuf zur Welt, eine Welt die sich für Suleika unaufhörlich verändert.
    „Suleika öffnet die Augen“, ein Satz, der in diesem Buch immer wieder aufscheint. Zunächst erleben wir Suleika noch in ihrem Zuhause, wo ihr Leben nicht viel mehr wert ist, als das der Tiere im Stall. Es ist eine patriarchalische Welt, die Bäuerin lebt nach dem Willen ihres Mannes und dem Allahs. Die Handlung beginnt im Jahre 1930, der Zeit der stalinistischen Entkulakisierung und endet kurz nach dem Zweiten Weltkrieg. Während dieser Zeit erlebt Suleika einen ungeheuren Wandel ihrer äußeren Lebensumstände, aber auch ihres eigenen Denkens.
    Es ist eine harte entbehrungsreiche Zeit, als eine kleine Gruppe der Ausgesiedelten in der sibirischen Einöde ein Lager aus dem Boden stampft. Suleika, die schon vier Töchter begraben musste, zieht einen Sohn groß, wird Köchin, Krankenschwester, Jägerin, Geliebte. Emanzipiert durch ein erzwungenes Leben im Arbeitslager? Das ist nicht die Botschaft, die ich gerne lesen möchte.
    Irgendwo in dieser Zeit nach dem Aufbau des Lagers hat mich die Autorin verloren. War die Geschichte anfangs noch sehr eindrücklich, voller Bilder und Tiefgang, dümpelt die Handlung zeitweise wie ein großer, träger Fluss vor sich hin. Die Erzählung mäandert zwischen verschiedenen Personen – etwa dem Lagerkommandanten Ignatow, oder dem deutschstämmigen Arztes Wolf Karlowitsch Leibe, dessen Entwicklung für mich nicht nachvollziehbar war – hin und her. Suleika wird immer mehr Randfigur. In der Gemeinschaft hat jeder seinen Platz gefunden. Fast schien es so als ob der kommunistische Ansatz seinem Ideal gerecht wurde, ein kleines utopisches Arbeitslager, das solidarisch funktioniert und sogar dem Kommandanten von der Gemeinschaft das Leben gerettet wurde.
    Nach einem wirklich sehr mitnehmenden Anfang, leider ein Schluss, der mich nicht überzeugen konnte.

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Mrs Fletcher: Roman

Buchseite und Rezensionen zu 'Mrs Fletcher: Roman' von Tom Perrotta
3.5
3.5 von 5 (2 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Mrs Fletcher: Roman"

Das Leben ist zu kurz, um sexuell frustriert zu sein

Mit zarten 46 Jahren kann's das doch noch nicht gewesen sein! Gerade war Eve Fletcher noch alleinerziehende Mutter. Jetzt probiert ihr Sohn Brendan am College aus, was es heißt, ein Mann zu sein, und auch, was es nicht heißt. Aber sind Mütter nicht auch nur Frauen? Also umsortieren, neu aufstellen, was wagen - aber wie? Während Eve und Brendan jeder für sich mal mehr, mal weniger glorreiche Abenteuer bestehen, steuern sie unbeirrbar auf eine schicksalhafte Novembernacht zu, die ihr ehemals so geordnetes Vorstadtleben aus den Angeln zu heben droht.

Autor:
Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:416
EAN:9783423281751
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Rezensionen zu "Mrs Fletcher: Roman"

  1. Voller Klischee

    Ich habe das Buch „Mrs Fletcher“ von Tom Perrotta im Rahmen einer Leserunde gelesen, was der Grund dafür war, bis zum Ende durchzuhalten. Den vielen lobenden Kritiken in der Presse kann ich mich in keiner Weise anschließen, denn für mich war der Roman über eine reichlich vierzigjährige Frau zwar anfangs von Zynismus und bösem kritischen Witz über die amerikanische Vorort-Mittelschicht geprägt, aber bei längerem Lesen entpuppte sich das Buch als Abfolge scheinbar provokanter Themen voller Klischees, bei denen ich den Verdacht hatte, dass der Autor seiner weiblichen Protagonistin unter dem Deckmantel des Frauenverstehers seine männlichen und oft machohaften Ansichten und Fantasien überstülpt.

    Die Geschichte um die Entwicklung der geschiedenen Eve, die nach dem Weggang ihres Sohnes Brendan ans College um ihre Identität zu kämpfen scheint, hatte mich recht schnell verloren. Gelangweilt und einsam probiert sie sich aus, um ins Leben zurückzufinden, arbeitet sich durch eine to-do-Liste gegen ihre Verlassenheit, bleibt auf Pornokanälen und Dating-Sites hängen und besucht wöchentlich ein Seminar zur Genderthematik. Ihr Sohn Brendan feiert, säuft und vögelt sich derweil durch sein neues College-Leben und scheitert an seiner machohaften Art, kehrt geknickt nach Hause zurück. Die Idee klingt gut, aber Tom Perrotta verliert sich leider zum einen in Klischees, zum anderen vermag er sich mit seiner sehr männlichen Sichtweise den weiblichen Figuren nicht annähern. Ich habe mich zwar nicht gerade durchgequält - denn sprachlich und stilistisch ist das Buch völlig in Ordnung und gut zu lesen - aber oft fand ich es einfach ärgerlich.
    Nein, ich mag es nicht, wie der Autor eine Frau am Wendepunkt ihres Lebens seine männlichen Fantasien aufzwingt. Und dass er seine Eve am Ende in die große glückliche Rettung einer Ehe rutschen lässt birgt für mich noch mehr an bürgerlichem Klischee, das zudem überhaupt nicht zum Buch zu passen scheint.
    Ich weiß auch überhaupt nicht, welcher Zielgruppe ich den Roman ans Herz legen könnte. Männlichen weißen Amerikanern, die gerade beginnen ein wenig über ihren Macho-Tellerrand zu schauen, mit verklemmter Erziehung und Collegeabbruch? Frauen jedenfalls nicht.

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  1. 5
    28. Aug 2019 

    Mitten aus dem Leben

    Milf, Transe, Cougar …., man lernt nie aus. Da habe ich mit „Mrs. Fletcher“ einen Roman gelesen, der mir die Definition zu Begriffen lieferte, die irgendwo in der hintersten Ecke meines Wortschatzes schlummerten – keine Ahnung, wie sie dahin gekommen sind -, von denen ich jedoch nur eine vage Vorstellung hatte, was sie bedeuten. In diesem Roman geht es um Sex, aber nicht in der Form, dass man dieses Buch in die Schublade der Erotik-Literatur stecken möchte.

    Denn dieser Roman ist viel viel mehr. Natürlich spielt er mit Fantasien, die sich die wenigsten eingestehen wollen. Doch in erster Linie beschreibt er das Miteinander in der modernen Gesellschaft, bestimmt von Sex, Partnerschaft, Geschlechterrollen und Familienleben. Also ein Buch, mitten aus dem Leben.

    „Mädchen tragen Rosa, Jungen tragen Blau. Jungs sind zäh. Mädchen sind süß. Frauen sind Betreuungspersonen mit weichen Körpern. Männer Anführer mit harten Muskeln. Mädchen werden angeguckt. Jungs sind die, die gucken. Beharrte Achseln. Hübsche Fingernägel. Das geht, jenes nicht.“

    Gleich zu Beginn des Romans lernen wir die geschiedene Mrs. Eve Fletcher kennen. Es ist der Tag, an dem Sohn Brendan, das heimische Nest verlässt. Denn er geht aufs College. Also ein besonderer Tag für Eve, die sich zukünftig einer wesentlichen Aufgabe ihres Lebens beraubt sieht, nämlich dem Bemuttern. Zeit für einen Neuanfang, mit interessanten Freizeitgestaltungen, neuen Freunden, anregenden Gesprächen, und was mutter sich sonst noch so vorgaukelt, was frau machen kann, wenn das Nest plötzlich leer ist.

    Bis hierhin bin ich davon ausgegangen, dass der Roman sich auf die Erweckung von Mrs. Fletcher zu einer neuen Persönlichkeit konzentriert: von der Mutter, die fast 20 Jahre ihres Lebens für ihren Sohn gelebt hat und nun zu neuen Ufern aufbricht.

    „Im Laufe ihres Lebens hatten sich die Dinge derart verändert, dass Frauen ihres Alters all diese unterschiedlichen Rollenmuster im Kopf hatten – man konnte ein Fünfzigerjahre-Heimchen sein und eine selbstständige berufstätige Frau, eine überzeugte Feministin wie eine errötende Braut, eine leidenschaftliche Sportlerin wie eine unterwürfige, bedürftige Geliebte. Meistens konnte man ohne allzu große Schwierigkeiten von einer in die andere Rolle wechseln, ohne zu merken, dass man sich dabei womöglich selbst widersprach.“

    Spätestens mit Wechsel der Erzählperspektive auf Brendan, der von seiner ersten Zeit am College berichtet, wird man als Leser eines Besseren belehrt. Brendans Fokus liegt auf Sex, Alkoholexzessen, Drogen und mit Kumpels abhängen. Und darüber wird ausführlich berichtet. Dieser Perspektivwechsel auf Brendan hat sogar nichts mit dem Thema „Selbstfindung von Mrs. Fletcher“, zu tun, zumal Mutter Eve in der Handlung auch gar nicht mehr stattfindet – bestenfalls noch als besorgte Mutter, die sich bei ihrem Sprössling mit der einen oder anderen SMS in Erinnerung ruft.

    Ein irritierender Wechsel. Und wer als Leser nicht darauf erpicht ist, sich mit dem Collegealltag eines spätpubertierenden Jugendlichen auseinander zu setzen, wird Zweifel daran haben, ob er dieses Buch überhaupt weiterlesen soll.

    Aber der Sprachstil von Tom Perrotta ist einfach zu quirlig und spritzig, als dass man den Roman so ohne weiteres abbrechen wird. Und Durchhalten, was dank des Sprachstils nicht schwierig ist, wird belohnt. Mrs. Fletcher wird wieder am Geschehen teilnehmen. Und nicht nur sie. Tom Perrotta zieht seine Kreise durch die Umgebung von Eve und Brendan. Randfiguren, die irgendwann aufgetaucht sind, werden auf einmal zu Protagonisten, die aus ihren eigenen Erzählperspektiven über ihre Sorgen und Nöte im Zusammenleben miteinander berichten.
    - Da haben wir natürlich Mrs. Fletcher, die ihre Leidenschaft für Pornos und ihre sexuelle Experimentierfreudigkeit entdeckt.
    „Im Idealfall vergaß man, dass man einen Porno schaute, und begriff das Ganze, wenn auch nicht als der Wahrheit letzten Schluss, so doch als flüchtigen Blick in eine Welt, die besser war als die eigene, eine Welt, in der alle insgeheim dasselbe wollten und jeder es tatsächlich bekam.“
    - Oder Amber, ein Mädchen, in das sich Brendan am College verguckt, die aber herzlich wenig seinem Beuteschema einer sexwilligen Cheerleaderin entspricht. Sie ist eher der Typ, der die Welt retten möchte und deren Persönlichkeit durch die Kindheit mit ihrem autistischen Bruders geprägt ist.
    - Oder Dr. Margo Fairchild, ehemals Mark Fairchild, die nicht damit hinterm Berg hält, früher ein Mann gewesen zu sein. Sie will die Welt sensibler machen. Eine kaum zu lösende Aufgabe.

    Dies sind nur einige wenige der verschiedenen Charaktere dieses erfrischenden Romans. Mit ihnen bietet sich dem Leser ein Querschnitt der Gesellschaft – nicht nur der amerikanischen. Und vermutlich wird sich jeder Leser oder Leserin in der einen oder anderen Rolle wiederfinden. Bei mir hat Tom Perrotta auf jeden Fall einen Nerv getroffen.

    Leseempfehlung!

    © Renie

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Der Schmerz: Roman

Buchseite und Rezensionen zu 'Der Schmerz: Roman' von André de Richaud

Inhaltsangabe zu "Der Schmerz: Roman"

Thérèse Delombre lebt mit ihrem Sohn Georges in einem Dorf in der Provence. Die junge Offizierswitwe leidet un- ter Einsamkeit und einem sexuellen Begehren, das sie nicht einmal beim Namen nennen kann. Und so konzentriert sie all ihre Aufmerksamkeit auf den kleinen Georges.
Als deutsche Kriegsgefangene ins Dorf kommen, wird alles anders. Heimlich beginnt Thérèse ein Verhältnis mit dem schönen Otto Rülf. Ihr Sohn begegnet dem Fremden, der Thérèse nach einigen Monaten wieder verlässt, mit Miss- trauen und Abneigung. Eine böswillige Nachbarin verrät Thérèse, sie wird von allen geächtet. Und sie ist schwanger.

Format:Kindle Ausgabe
Seiten:220
EAN:
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Der Schmerz

Buchseite und Rezensionen zu 'Der Schmerz' von André de Richaud
5
5 von 5 (1 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Der Schmerz"

Ich kenne André de Richaud nicht. Sein schönes Buch werde ich jedoch nie vergessen." So äußerte sich Albert Camus 1951 zu La douleur, den Roman, der ihn nach eigener Aussage inspirierte, Schriftsteller zu werden. Thérèse Delombre lebt mit ihrem Sohn Georges in einem Dorf in der Provence. Die junge Offizierswitwe leidet unter Einsamkeit und einem sexuellen Begehren, das sie nicht einmal beim Namen nennen kann. Und so konzentriert sie all ihre Aufmerksamkeit auf den kleinen Georges. Als deutsche Kriegsgefangene ins Dorf kommen, wird alles anders. Heimlich beginnt Thérèse ein Verhältnis mit dem schönen Otto Rülf. Ihr Sohn begegnet dem Fremden, der Thérèse nach einigen Monaten wieder verlässt, mit Misstrauen und Abneigung. Eine böswillige Nachbarin verrät Thérèse, sie wird von allen geächtet. Und sie ist schwanger.

Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:220
Verlag: Dörlemann
EAN:9783038200642
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Rezensionen zu "Der Schmerz"

  1. 5
    25. Nov 2019 

    Camus' Inspiration

    Bei der Suche nach Hintergrundinformationen zu dem Buch "Der Schmerz" des Franzosen André de Richaud bin ich über eine gewagte Aussage gestolpert: Scheinbar war dieses Werk der Grund dafür, dass Albert Camus Schriftsteller wurde. Man mag es glauben oder nicht. Aber meine Neugier auf diesen besonderen Roman war geweckt.
    Die Zeitgenossen Camus und de Richaud waren etwa gleich alt. Beide kamen aus der Provence. Und beide waren Schriftsteller. Wurde Camus zu Lebzeiten als Schriftsteller gefeiert - 1957 erhielt er den Nobelpreis für Literatur -, musste de Richaud zeitlebens mit der Missachtung seines schriftstellerischen Könnens zurechtkommen. Erst heute, etwa 50 Jahre nach seinem Tod, findet de Richauds Werk nach und nach Beachtung. Besser spät als nie. Denn wer "Der Schmerz" gelesen hat, wundert sich nicht, warum Camus hier seine Inspiration gefunden hat.

    De Richauds Roman führt uns in ein französisches Dorf in der Provence, zur Zeit des 1. Weltkrieges. Die Männer mussten in den Krieg ziehen. Der Alltag zuhause wurde von Frauen, Kindern und Alten bestimmt. In diesem Dorf lebt die Kriegswitwe Thérèse Delombre zusammen mit ihrem kleinen Sohn Georget. Sie hat eine Sonderstellung in dem Dorf, war sie doch mit dem Dorfadeligen verheiratet. Als Frau einfacher Verhältnisse hat sie mit ihm eine gute Partie gemacht. Nun ist er tot. Der Krieg war für ihn schnell vorbei, sein Leben somit leider auch.

    "Selbst in den Furchen der vernachlässigten Felder schienen sich mehr Steine anzusammeln. Waren auch sie aus Angst vor dem Kanonenfeuer in dieses milde, sonnige Land gekommen? Wer weiß. Jedenfalls bemächtigten sich hier nach und nach Pflanzen, Vögel und Steine des männerverlassenen Dorfes, während sich an der Front alle der neuesten Mittel bedienten, die der menschliche Erfindergeist hervorgebracht hatte."

    Die verwitwete Thérèse widmet nun all ihre Aufmerksamkeit und Zuneigung ihrem kleinen Sohn. Als Witwe eines Adeligen genießt sie den Respekt der Dorfbewohner - noch, muss man leider sagen.
    Thérèse fühlt sich einsam. Sie ist eine Frau, die mitten im Leben steht, und ihr fehlen Liebe und Romantik. So überschüttet sie Georget mit Zärtlichkeiten, die sie an anderer Stelle nicht loswerden kann. Bis zu dem Moment, wo sie sich auf einen deutschen Kriegsgefangenen einlässt. Die beiden haben eine Liebesaffäre. Die Verbindung ähnelt einer Zweckgemeinschaft. Das Körperliche steht im Vordergrund, Gefühle werden vorgegaukelt. Zumindest Thérèse glaubt eine Zeitlang an die Aufrichtigkeit dieser Gefühle.
    Georget ist auf einmal das dritte Rad am Wagen. Er vermisst seine Monopolstellung im Gefühlsleben seiner Mutter, was ihm allerdings nicht wirklich bewusst ist.

    Und eines Tages passiert das, was passieren muss: Das Geheimnis um die Liebesaffäre zwischen Thérèse und dem Deutschen wird aufgedeckt. Vergessen ist der Sonderstatus, den Thérèse als angeheiratete Adelige im Dorf hat. Denn sie hat sich mit dem Feind eingelassen. Eine Todsünde. Und das Verhängnis nimmt seinen Lauf.

    "Er kannte kein anderes Gesicht als das seiner Mutter, das oft vor Tränen glänzte, er liebte die Einsamkeit und stille Spiele. An der Gesellschaft gleichaltriger Jungen fand er keinen Gefallen, vergnügte sich stundenlang mit Bändern und Spitze und fuhr sich genüsslich mit der Zunge über die Lippen, wenn seine kleinen, stets sauberen Hände über Samt und Seide glitten. Gewiss hätte der Hauptmann, wenn er ihn so gesehen hätte mit gesenktem Blick, die Augen bereits dunkel vor Besorgnis, gegen die Mütter gewettert, die ihre Söhne zu mädchenhafter Schüchternheit erziehen. Aber der Hauptmann war im Krieg gefallen, und seine Frau machte in diesem Moment zu ihrer eigenen Freude und ihrer eigenen Qual, den Buben, den er ihr geschenkt hatte, zum Ebenbild ihres eigenen ruhelosen und verstörten Wesens."

    Die Besonderheit an diesem Roman ist das Zusammenspiel zwischen den beiden Protagonisten Thérèse und Söhnchen Georget.
    Thérèse ist eine Mutter, die ihrer Mutterrolle entweder zu sehr oder gar nicht gerecht wird. Anfangs überhäuft sie Georget mit ihrer Liebe. Sie trifft bewusst die Entscheidung, die Liebe, die sie einem Mann nicht geben kann, auf Georget zu übertragen. Das ist pervers. Sie verzärtelt ihren Sohn, sie bindet ihn an sich, sie vereinnahmt ihn komplett. Sie wird sogar eifersüchtig, wenn sie seine Zuneigung plötzlich mit anderen Menschen teilen muss. Natürlich kann Georget ihr nicht das geben, was ihr ein erwachsener Mann geben kann. Und als der deutsche Kriegsgefangene auftaucht, ist Georget abgeschrieben. Thérèses Muttersein reduziert sich plötzlich auf ein notwendiges Mindestmaß. Sie ist auf einmal nicht mehr Georgets Vertraute. Und auch er muss lernen, Zuneigung zu teilen. Aber als Sohn seiner Mutter kommt er mit dieser Situation nicht zurecht. Als Kind versteht er auch noch nicht genau, was gerade passiert. Er ahnt jedoch, dass das Verhalten seiner Mutter nicht angemessen ist und gegen den dörflichen Kodex von Sitte und Moral verstößt.

    "Thérèse Delombre ahnte, dass er ihr bei der ersten Verfehlung ein erbarmungsloser und grausamer Richter sein würde und spürte zugleich, dass sie am Rande eines Abgrunds stand."

    Die Dorfgemeinschaft ist die Hüterin von Sitte und Anstand. Bemerkenswert ist die feindselige Stimmung, die in diesem Dorf vorherrscht. Fast scheint es, dass die Dorfbewohner darauf lauern, dass ein Skandal eintritt, der sie berechtigt, sich als moralische Instanzen hervorzutun. Als alleinstehende Frau hat Thérèse keine Chance. Da ist jeder Fehltritt ein gefundenes Fressen. Und wenn dann noch Neid ins Spiel kommt, ob der gesellschaftlichen Stellung von Thérèse ist die Schadenfreude nicht weit, natürlich unter dem Deckmantel der Moral.

    De Richaud lässt kein gutes Haar an seinen Charakteren. Die Menschen im Dorf sind scheinheilig. Thérèse strotzt nur so vor Egoismus und Einfältigkeit. Sie versagt völlig in ihrer Verantwortung ihrem Kind gegenüber. Georget entwickelt einen ähnlichen Egoismus wie seine Mutter. Einzig ihm kann man noch ein wenig Mitleid entgegenbringen, ist er doch das Opfer seiner Erziehung.

    Bleibt noch der unglaubliche Sprachstil von De Richaud zu erwähnen, dessen Poetik, insbesondere, was die Beschreibung der Natur, Umgebung und Stimmungen angeht, verzaubert. Er lässt Bilder im Kopf entstehen, die die menschlichen Abgründe, die man beim Lesen entdeckt, dann doch nicht gar so tief erscheinen lassen. Faszinierend!

    Leseempfehlung!

    © Renie

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