Die Geschichte einer afrikanischen Farm

Buchseite und Rezensionen zu 'Die Geschichte einer afrikanischen Farm' von Olive Schreiner

Inhaltsangabe zu "Die Geschichte einer afrikanischen Farm"

Format:Kindle Ausgabe
Seiten:608
EAN:
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Willa Cather, Meine Antonia. Roman

Buchseite und Rezensionen zu 'Willa Cather, Meine Antonia. Roman' von Willa Cather

Inhaltsangabe zu "Willa Cather, Meine Antonia. Roman"

Autor:
Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:320
EAN:9783730612781
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Radetzkymarsch (Erlesenes Lesen

Buchseite und Rezensionen zu 'Radetzkymarsch (Erlesenes Lesen' von Joseph Roth

Inhaltsangabe zu "Radetzkymarsch (Erlesenes Lesen"

Autor:
Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:420
EAN:9783520872029
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Der letzte Mensch: Roman

Buchseite und Rezensionen zu 'Der letzte Mensch: Roman' von Irina Philippi

Inhaltsangabe zu "Der letzte Mensch: Roman"

Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:587
EAN:9783150113288
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Transit

Buchseite und Rezensionen zu 'Transit' von Anna Seghers

Inhaltsangabe zu "Transit"

Autor:
Format:Taschenbuch
Seiten:309
EAN:9783746635019
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Sapphira und das Sklavenmädchen: Roman -

Buchseite und Rezensionen zu 'Sapphira und das Sklavenmädchen: Roman -' von Willa Cather

Inhaltsangabe zu "Sapphira und das Sklavenmädchen: Roman -"

Autor:
Format:Taschenbuch
Seiten:256
Verlag: btb Verlag
EAN:9783442743049
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Mein ärgster Feind

Buchseite und Rezensionen zu 'Mein ärgster Feind' von  Willa Cather

Inhaltsangabe zu "Mein ärgster Feind"

Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:112
EAN:9783813503111
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Die Frau, die sich verlor: Roman

Buchseite und Rezensionen zu 'Die Frau, die sich verlor: Roman' von Willa Cather

Inhaltsangabe zu "Die Frau, die sich verlor: Roman"

Autor:
Format:Taschenbuch
Seiten:160
Verlag: btb Verlag
EAN:9783442741410
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Lucy Gayheart

Buchseite und Rezensionen zu 'Lucy Gayheart' von Willa Cather
4.9
4.9 von 5 (10 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Lucy Gayheart"

Der Roman «Lucy Gayheart» von 1936 ist das liebevolle Porträt einer jungen Frau, die zu neuen Ufern aufbricht: das erste eigene Zimmer, die erste große Liebe und die ewige Frage, warum man nie den Mann will, den man haben könnte. Jeder im amerikanischen Städtchen Haverford sagt Lucy Gayheart eine glänzende Zukunft voraus: Sie ist jung, hübsch und musisch hochbegabt – eine ausgezeichnete Klavierspielerin. Doch Lucy wünscht sich mehr als das langweilige Kleinstadtleben und den wohlhabenden, doch allzu bodenständigen Harry, der sich im Geheimen schon als ihr Ehemann sieht. Also zieht sie zum Musikstudium nach Chicago, wo sie das Großstadtleben und ihre neugewonnene Unabhängigkeit fern der Heimat genießt. Mit dem berühmten, schon wesentlich älteren Tenor Sebastian erlebt sie schließlich die Aufregungen und das Glück der ersten Liebe. Als Harry jedoch plötzlich in Chicago auftaucht und Lucy einen Heiratsantrag macht, erfindet sie aus der Not heraus eine Lüge, die ihrer beider Leben für immer verändern wird.

Autor:
Format:Kindle Ausgabe
Seiten:201
EAN:
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Rezensionen zu "Lucy Gayheart"

  1. Lucy in the sky

    ...with diamonds. Ja, es wurde mal wieder Zeit ein kleines Musikzitat zu bringen. Und warum sollte man die Rezension zu einem (wiederentdeckten) Klassiker der Weltliteratur (und nichts Anderes ist "Lucy Gayheart" von Willa Cather) nicht mit einem Klassiker der Musikgeschichte beginnen?

    Anyway: die neue Ausgabe der wie immer wunderschön und liebevoll gestalteten Manesse-Klassikerbibliotek in der Übersetzung von Elisabeth Schnack widmet sich der Geschichte von eben jener titelgebenden Lucy Gayheart. Sie ist eine junge Frau in den besten Jahren, spielt und unterrichtet Klavier - und steht zwischen zwei Männern. Also könnte man arg bösartig sein und sagen "Langweilige Dreiecksbeziehungsgeschichte". Leute, ich kann euch beruhigen: diese Geschichte ist alles andere als langweilig. Sie enthält alles, was das "kultivierte" Leser:innenherz zu schätzen weiß: Liebe, Musik, Dramatik und noch so viel mehr, was zu entdecken sich lohnt. Dabei verzichtet die Autorin Willa Cather auf besonders pathos- und kitschtriefende Passagen wie das in anderen ähnlich gelagerten Romanen der Fall ist. Wobei das jetzt bitte nicht als generelle Kritik an dieser Art von Erzählung angesehen bzw. verstanden werden soll.

    Aber Tatsache ist, dass Willa Cather es versteht, ihre Leser:innen mit ihrer vermeintlich mit leichten Worten erzählten leichten Geschichte zu bezaubern, mitzureißen und ihrem Publikum zwischen den Zeilen doch einen vor Dramatik und Tiefe nur so strotzenden Text vor die lesenden Augen zu "knallen", dass man das Buch am liebsten sofort wieder von vorne anfangen möchte.

    Abgerundet durch ergänzende Anmerkungen und ein Nachwort von Alexa Hennig von Lange gehört auch dieser Band der Manesse-Klassiker-Reihe in jedes gut sortierte Bücherregal und ich ziehe zum letzten Mal in diesem Jahr fünf Sterne aus meinem Rezensionssternesäckchen und spreche eine absolute Leseempfehlung aus.

    © kingofmusic

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  1. Was bleibt

    Zu ihrem 150. Geburtstag beschenkt der Verlag Manesse die amerikanische Autorin Willa Cather (1873 – 1947) und sein Publikum mit einer wunderschönen Neuausgabe ihres elften Romans "Lucy Gayheart" im bekannt kleinen Format mit bunter Fadenheftung und Lesebändchen. Über 60 Jahre alt und bereits mit dem Pulitzer-Preis dekoriert war die Autorin 1935 beim Erscheinen ihres vorletzten Romans, mehr als dreimal so alt wie ihre Protagonistin.

    Erinnerungen
    Bereits zu Beginn erfahren wir, dass Lucy Gayheart für die Bewohnerinnen und Bewohner ihres fiktiven Heimatstädtchens Haverford, Nebraska, nur noch als schöne Erinnerung weiterlebt. Gerne denken sie an den Wirbelwind zurück, der unbekümmert, heiter, charmant und voller Romantik war. Im Winter liebte sie das Schlittschuhlaufen auf dem zugefrorenen Platte River, eine Vorliebe, die so gut zu ihrem Wesen passte wie das Schaukeln zu Theodor Fontanes Effi Briest. Gelegentlich schloss sich ihr der acht Jahre ältere, vermögende Kleinstadtbankier Harry Gordon an, ein junger Mann, der eine bessere Partie hätte machen können, doch wie alle Haverforder dem Zauber Lucys seit langem erlegen war und allgemein als ihr zukünftiger Ehemann galt.

    Eine Begegnung, die alles verändert
    In den Weihnachtferien 1901 war Lucy, die inzwischen im entfernten Chicago Klavier studierte und Musikunterricht erteilte, zurück in Haverford. Ungezwungen, fast noch kindlich glitt sie mit Harry über den zugefrorenen Fluss, aber etwas hatte sich verändert. Nun freute sie sich mehr als sonst auf die Rückkehr in die Großstadt, nicht nur wegen ihres eigenen Zimmers, dank dem sie „frei wie ein junger Mann kommen und gehen“ (S. 32/33) konnte, sondern auch wegen eines Vorstellungstermins beim bekannten Bariton Clement Sebastian, der eine Klavierbegleitung für seine Übungsstunden suchte. Ein Besuch seines Konzertes im letzten Herbst hatte sie spontan für diesen knapp fünfzigjährigen, verheirateten Künstler entflammt, überwältigt von seiner ausdrucksstarken Vortragsweise des Schubert‘schen Liedguts und seiner schwermütigen Ausstrahlung. Verändert kehrte sie an diesem Abend in ihr Zimmer zurück:

    "Vom ersten Tag an war sie in Chicago glücklich gewesen und hatte sich für vom Schicksal begünstigt gehalten, weil sie aus ihrem kleinen Heimatort in die große Stadt hatte fliehen können […]. Aber jene Zeiten lagen weit zurück. An dem Abend, als sie zum ersten Mal Clement Sebastian gehört hatte, begann für sie ein neues Leben. Zuvor hatte sie nur mit Nichtigkeiten und Träumereien herumgespielt." (S. 113/114)

    Von nun an hing Lucys Glückseligkeit von der Anwesenheit dieses Mannes in der Stadt ab, pendelnd zwischen Hoffen und Bangen. Über ein Jahr – bis zum Winter 1902 – folgt man lesend und bangend ihrem Schicksal in Chicago und Haverford und schließlich, im dritten Teil des Romans, den Gedanken des nachdenklichen, veränderten Harry Gordon von 1927, die das Buch äußerst gekonnt abrunden.

    Fußspuren
    Begeistert und ergriffen habe ich diesen modernen, überhaupt nicht verstaubten Klassiker über drei Menschen mit völlig unterschiedlicher Beziehung zur Zeit gelesen. Während Sebastian der Vergangenheit nachhängt, träumt Lucy von der Zukunft und will Harry die Gegenwart beherrschen. Obwohl von zarter Melancholie durchzogen, ist es dank Willa Cathers überragender Erzählkunst kein trauriges Buch. Mit wunderbaren Bildern aus der Musik und der Natur Nebraskas, in denen sich die Stimmungen und das Gefühlsleben der Haupt- und Nebenfiguren spiegeln, erzählt sie völlig ohne Kitsch eine zu Herzen gehende Geschichte über hochfliegende Träume. Sie wird die Zeit ebenso überdauern wie die sorgsam von Harry gehüteten Fußabdrücke der übermütigen Dreizehnjährigen im noch nicht festen Beton vor ihrem Haus.

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  1. Ein wahrer Klassiker

    Willa Cather verfasste ihr Werk Lucy Gayheart im Jahre 1935, dem Werk merkt man während des Lesens allerdings kaum an, dass es bereits in die Jahre gekommen ist. Sowohl der Schreibstil als auch die Art der Autorin wirkten auf mich, als wäre sie ihrer Zeit einiges voraus. Eine meisterhafte Erzählerin, die mir leider bisher nicht bekannt war, umso erfreuter bin ich nun, dass sich dies durch die zauberhaft gestaltete Ausgabe der Manesse Bibliothek geändert hat.

    Lucy Gayheart ist die Hauptperson im gleichnamigen Buch der Autorin. Sie hat die Musik für sich entdeckt und wendet sich von dem kleinen Städtchen Haverford ab, in dem sie mit ihrem Vater und der älteren Schwester Pauline, die sie nach dem Tod der Mutter quasi großgezogen hat, lebt. Lucy ist sehr beliebt, was wohl an ihrer spritzigen Art liegt. Sie wirbelt vergnügt durch die Gegend und kann sich an allem erfreuen.
    In Chicago lernt sie dann den Sänger Sebastian Clement kennen. Er ist verheiratet, doch seine Art Lucy zu umgarnen lässt es zu, dass sie sich in den älteren Mann verliebt. Ihre Jugendliebe Harry Gordon ist gänzlich vergessen, und als Leser hat man direkt Sorge um Lucy. Die Autorin schafft es nämlich schnell, dass man Sympathie zu der quirligen jungen Frau aufbaut, und daher beäugte ich die anbahnende Romanze natürlich sehr kritisch.
    Die Musik spielt im ganzen Buch eine sehr gewichtige Rolle, doch man muss selbst wenig Kenntnisse besitzen um allem folgen zu können. Die Leidenschaft, die die
    Musik, das Klavier spielen bei Lucy auslöst, ist auch so spürbar. Vielleicht ist es auch diese Gemeinsamkeit, die Lucy den Sänger vorziehen lässt zu Harry Gordon, der als Banker ganz anders veranlagt und sich seiner wohl zu sicher ist.
    Das Ende ist mehr als tragisch und zeigt, dass man erst nach einer Tragödie manchmal erkennt, was das eigentlich wichtige und gute im Leben ist, und wie schnell man es verlieren kann.

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  1. Liebe Lucy,

    wir waren alle mal so jung wie Du und träumten den Traum von der einzigen wahren Liebe. Vielleicht waren wir nicht so begabt, nicht so musikalisch talentiert und vielleicht auch nicht so voller Lebensfreude und Unbeschwertheit wie Du. Aber wir alle kennen dieses Gefühl der Liebe, die ihresgleichen sucht, nach der wir uns verzehren, die aber in unerreichbarer Ferne zu sein scheint. Wir alle urteilen und entscheiden in solchen Dingen nicht rein nach dem, was unser Verstand uns sagt. Während wir denken, wir folgen unserem Herzen, handeln wir in Wahrheit aus dem Bauch heraus. Die Folgen kennen wir nicht.

    Ach, liebe Lucy. Du hättest ein tolles Leben als virtuose Pianistin führen können bei Deinem Talent. Die musikalische Welt hätte Dir offen gestanden. Doch nun wird leider nichts daraus. Keiner trägt die Schuld daran, Nicht Du, nicht Harry, nicht Sebastian. Das Leben entwickelt seine Eigendynamik. Es gibt keine Garantie für ein sicheres, fröhliches und von Erfolg gekröntes Leben. Es ist zerbrechlich. Jetzt muss die Welt ohne Dich auskommen, ohne Dein fröhliches Gemüt. Du hast in den Herzen der Anderen Spuren hinterlassen. Viele lieben Dich gerade wegen Deiner unbekümmerten Lebensweise. Bist Du jetzt bei Sebastian? Hängt der Himmel wirklich voller Geigen? Wie gefallen Dir die himmlichen Engelschöre?

    Willi Cather gibt Dir und Deinem Schicksal eine Stimme, hält die Erinnerung an Dich lebendig. Sie wertet nicht, urteilt nicht. Und doch kommen alle zu Wort. Auch eine Kunst; ihre ist schrifstellerischer Art. Dabei zeichnet sie ein Portrait, das Deiner würdig ist, mit all der Musik, die sie einfließen lässt. Sie weiß, was Dir wichtig wäre. Sie weiß aber auch, dass Dein Schicksal kein Einzelschicksal ist. Gerade wegen der Zeitlosigkeit dessen, wovon sie erzählt, wenn sie von Dir erzählt, schafft sie es, die Leserschaft für Dich einzunehmen. So erhältst Du einen schönen Platz in vieler Leute literarischer Büchersammlung. Ein Kunststück, das längst nicht jedem zuteil wird.

    Ich würde gerne noch mal von Dir hören! Allein schon wegen der Frage, ob Du jetzt mit Sebastian eins bist und wie es um die musikalische Kunst da oben bestellt ist? Ich werde es wohl nie erfahren. Aber ich werde meinen Teil dazu beitragen, dass man sich an DIch erinnert. Man soll über Dich und Deine jugendliche Unbekümmertheit lesen und mit Dir durchs Leben tanzen und fröhlich sein. Danke, liebe Lucy!

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  1. Von Jugend, Liebe und Hoffnung

    Gleich vorweg: Selten hat mich ein Buch so begeistert und mitfühlen lassen. Dass der 1935 erstmals erschienene Roman nun in einem so wundervoll gestalteten Bändchen vorliegt, macht das Lesevergnügen noch größer. Wie schön, dass dieser Roman neu aufgelegt wurde!

    Lucy Gayheart ist, wie ihr Name vermuten lässt, ein Mädchen, dessen Sorglosigkeit und heitere Unbekümmertheit jedem ein Leuchten in die Augen zaubert. Doch der wundervolle Roman von Willa Cather spricht von Anfang an von Erinnerungen an Lucy, denn das Leben müsse schließlich weitergehen. Was also ist geschehen?

    Lucy wächst behütet und von allen geliebt im beschaulichen Haverford auf, doch schon bald zieht es sie in die für sie magische Großstadt Chicago, um dort ihr Talent als Pianistin zu entwickeln. Die Begegnung mit dem Sänger Clement Sebastian ist für sie eine Offenbarung. Denn der melancholische Künstler verkörpert für sie alles, was sie bisher nicht kannte, seine tiefe Melancholie setzt einen Kontrapunkt zu ihrer angeborenen Leichtigkeit. Plötzlich wird ihr ganzes Lebenskonzept in Frage gestellt, und als sie die Möglichkeit erhält, Sebastian künftig am Klavier zu begleiten, ist sie überglücklich - und rettungslos verliebt.

    Beinah unmerklich lenkt die Erzählung die Sympathien des Lesers und zieht ihn immer mehr in ihren Bann. Liebevoll werden auch Nebenfiguren nach und nach vorgestellt, die Perspektive wechselt von Lucy hin zu diesen, sodass man unaufdringlich Einblick in die Psyche und Gedankenwelt der wichtigen Menschen erhält, die alle ihren Anteil am Schicksal Lucys haben. Dabei gelingt es Willa Cather, diese Personen sehr authentisch darzustellen und bei aller Sympathie für Lucy auch Verständnis für ihr Handeln zu wecken.

    Die detaillierten Natur- und Landschaftsschilderungen sind nicht nur wunderschön, sondern korrespondieren jeweils mit dem Handlungsverlauf oder den Gefühlen der Protagonisten, spiegeln diese wider und verleihen dem Geschehen philosophische Tiefe. All dies geschieht in einer hochpoetischen Sprache, einem elegischen Grundton, der aber dennoch nie ins Pathos abgleitet, sondern eigentümlich reduziert, pointiert und zurückhaltend wirkt. Kein Wort ist zu viel, keine Wendung zufällig oder nur um des schönen Klangs willen erfolgt. Die Handlung wie die Worte greifen schicksalhaft, unausweichlich und doch wunderschön ineinander. So sieht der Leser die Katastrophe, die sich durch zahlreiche Vorzeichen ankündigt, herannahen. Aber auf geradezu magische Weise erscheint sie unausweichlich und damit umso tragischer.

    Trotz der zahlreichen Vorausdeutungen, der Querverweise auf Musik und Literatur und der wiederkehrenden Motive wirkt der Roman zudem nicht konstruiert. Alles erscheint wie selbstverständlich miteinander verwoben, kein Verweis ist überflüssig, jedes Motiv hat seine Berechtigung, eines führt unweigerlich zum anderen. So auch in Lucys Leben, das – wie an einer Stelle angemerkt wird – nicht anders hätte verlaufen können.

    Insgesamt durchzieht den Roman ein Gefühl von Melancholie und Wehmut. Ein Bedauern über vertane Chancen, über das oft vergebliche Bemühen des Menschen, über seinen Schatten zu springen. Es scheint fast paradox, dass gerade solche Geschichten erzählenswert sind und eine solche Sogwirkung entfalten.

    All dies verleiht dem Roman eine große Zeitlosigkeit, die Handlung ist einfach eine menschliche.

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  1. 5
    30. Okt 2023 

    Ein moderner Klassiker

    Willa Cather (1873 - 1947) war längst eine anerkannte und erfolgreiche Schriftstellerin, als sie beinahe 70jährig "Lucy Gayheart" schrieb, ihren 11. und zugleich vorletzten Roman. Sie gilt als amerikanische Klassikerin, mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, u.a. mit dem renommierten Pulitzerpreis und wurde von Schriftstellerkollegen geschätzt und bewundert. Truman Capote nannte ihre Romane " vollkommene Kunstwerke" und für Sinclair Lewis war sie eine von denen, die den Literaturnobelpreis mehr verdient hätten als er. Es wäre zu wünschen, dass sie endlich auch in Deutschland die Beachtung bekommt, die ihr zusteht. Vielleicht erreicht das der Manesse-Verlag, der "Lucy Gayheart" in einer bibliophilen Ausgabe anlässlich des 150. Geburtstags der Autorin neu herausgibt.
    "In Haverford am Platte-River sprechen die Leute noch heute von Lucy Gayheart." Mit ihrer fröhlichen und unbeschwerten Art verzaubert die junge Lucy die Bewohner jenes fiktiven Städtchens Haverford in Nebraska. Hier lebt sie zu Beginn des letzten Jahrhunderts mit ihrem Vater und ihrer wesentlich älteren Schwester Pauline. Die hat sich nach dem frühen Tod der Mutter um sie gekümmert. Umschwärmt wird Lucy von dem vermögenden Geschäftsmann Harry Gordon, der in ihr seine zukünftige Frau sieht. Doch Lucy entflieht dem vorgezeichneten Lebensweg und der Enge der beschaulichen Provinz in die pulsierende Großstadt Chicago "wo die Luft vor ungeahnten Möglichkeiten wie eine Stimmgabel erzitterte." Dort beginnt sie ein Musikstudium und lernt dabei den über fünfzigjährigen Sänger Sebastian Clement kennen. Bald darf sie ihn für seine Probestunden am Klavier begleiten. Lucy ist fasziniert von dem erfahrenen und berühmten Mann und verliebt sich mit dem Überschwang ihrer Jugend in ihn. Sebastian genießt die schwärmerischen Gefühle der jungen Frau, hält sie aber auf Distanz. Schließlich ist er verheiratet und für eine Affäre ist ihm Lucy zu schade. Aber er erfreut sich an ihrer erfrischenden Jugendlichkeit, erscheint ihm doch sein eigenes Leben voller Enttäuschungen und Verluste. Sie hat, im Gegensatz zu ihm, die Zukunft noch vor sich.
    Als dann jedoch Harry nach Chicago kommt und Lucy einen Heiratsantrag macht, reagiert diese sehr impulsiv, mit weitreichenden Folgen.
    Willa Cather unterläuft beständig die Erwartungen des Lesers. Was zunächst nach einer Emanzipationsgeschichte klingt - junge Frau wehrt sich gegen die ihr zugedachte Rolle und verfolgt zielstrebig ihren eigenen Weg - wird zur Geschichte einer Frau zwischen zwei Männern. Allerdings nimmt dann der Roman eine äußerst tragische Wendung, aber die Geschichte geht weiter.
    Denn damit sind wir noch nicht mal am Ende des ersten Teils, des in drei Büchern unterteilten Romans. Das Schicksal wird weitere Pläne der Protagonisten durchkreuzen.
    Der melancholische Grundton des Romans ist schon mit dem oben zitierten Eingangssatz spürbar. Seine retrospektive Erinnerung an Lucy Gayheart lässt dabei die ganze Traurigkeit, die über dem Erzählten liegt, anklingen.
    Dabei spielt die klassische Musik eine enorm wichtige Rolle. Willa Cather liebte die Musik und war eine ausgesprochene Kennerin. So ist die Auswahl der angesprochenen Stücke wohl bedacht . Ständig präsent sind Schubert-Lieder, hier v.a. die Zyklen " Die schöne Müllerin" und " Die Winterreise". Sie verweisen auf die gefühlsmäßige Verfassung der Figuren und auf den tragischen Verlauf der Handlung.
    Genau wie die Natur, Wind und Wetter die Gefühlslagen der Protagonisten spiegeln. Hierbei gelingen der Autorin Bilder voll großer Suggestivkraft.
    Erinnerung und die Zeit sind ebenfalls Themen, die sich durch den gesamten Roman ziehen. Wiederkehrende Bilder und Metaphern bieten weiteren Raum für Interpretationen. Bei einer Zweitlektüre würde man sicherlich noch mehr dieser subtilen Hinweise und Vorausdeutungen entdecken können.
    Hervorzuheben ist auch die Charakterzeichnung, die die Autorin meisterhaft beherrscht. Das spricht nicht nur für ihr literarisches Können, sondern zeugt gleichsam von ihrem Wissen um die menschliche Psyche. Es sind alles höchst komplexe Figuren, voller Widersprüche und menschlicher Schwächen. Dabei scheitern sie oft an sich selbst. Nur einem gönnt Willa Cather genügend Zeit für eine Entwicklung zum Positiven.
    Wechselnde Perspektiven ermöglichen dem Leser, eine Nähe zu den wichtigsten Protagonisten herzustellen. Dabei richtet die Autorin ihr Augenmerk auch auf Nebenfiguren. Mit wenigen Pinselstrichen erhalten sie ebenfalls Profil.
    Gleichzeitig ist die Sprache von durchgehend hohem Niveau und machen den Roman zu einem Lesegenuss, was sicherlich auch ein Verdienst der bekannten Übersetzerin Elisabeth Schnack ist. ( "Wenn sie ihm für seine herrlichen Rosen dankte, entblätterte ihr Tonfall die Blüten.")
    Im Nachwort von Alexa Henning von Lange bekommt man einige Informationen zur Autorin und Interpretationshinweise, die ich allerdings nicht alle nachvollziehen kann.
    "Lucy Gayheart" ist ein Roman, der mich zutiefst berührt und gefesselt hat. Ein Roman, der keinerlei Patina angesetzt hat , sondern, im Gegenteil, immer noch äußerst lesenswert ist.

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  1. Melancholische und dennoch versöhnliche Geschichte zerplatzter T

    Zwischen zwei Männern – geplatzte Träume, lebenswichtige Entscheidungen und ungeahnte Folgen unbedachter Äußerungen und Handlungen

    Eigentlich müsste man dieses Buch mit seinen zerplatzten Träumen, den falschen Entscheidungen und den schicksalhaften Wendungen traurig finden, aber es hinterlässt ein wohlig warmes, leicht melancholisches Gefühl und es wirkt nach, in Gedanken. Es ist ein echter Klassiker, ein Buch, das allgemein gültige Fragen des Menschseins aufwirft: Welche Entscheidungen soll man im Leben treffen? Ist man selbst für die Folgen unbedachter Äußerungen und Handlungen verantwortlich? Wie ist es mit Schuld? Soll man dem Herzen oder der Vernunft folgen?

    Wir begeben uns in des kleine Städtchen Haverford in Nebraska, einer Prärielandschaft, die hier idyllisch beschrieben wird, wo es sich gut lebt und wo man sich kennt - 'wir in Haverford...' (7) – und wo man sich später hin und wieder noch an Lucy Gayheart erinnert, dieses fröhliche unbeschwerte Mädchen, die lebhafte junge Frau.

    Lucy aber fühlte sich in Haverford beengt, eingeschränkt und ging alleine nach Chicago, wo sie ein Musikstudium aufnahm, erstaunlich für die damalige Zeit. Sie ließ nicht nur den verwitweten Vater und die ältere Schwester Pauline zurück, die sie aufgezogen hatte, sondern auch den Jugendfreund Harry, einen vielversprechenden jungen Mann aus wohlhabendem Bankhaus, der allerdings keine künstlerische Ader hatte und mit beiden Beinen fest im Leben stand. Bei allen Gemeinsamkeiten sieht Lucy das negativ:

    'Eine Art geistiger Kurzsichtigkeit verhinderte, dass er Dinge sah, die ihn nicht unmittelbar betrafen.' (119)

    In Chicago verliebt sich Lucy in den viel älteren Bariton Clement Sebastian, den sie auf dem Klavier begleitet und der von ihrer Jugend sehr angetan ist. Als Harry nach Chicago kommt und Lucy einen Heiratsantrag macht, nimmt das Unheil seinen Lauf...

    Wie wird Lucy sich entscheiden? Welches Leben will und wird sie führen? Trotz der Schwere der Fragen und der Ereignisse ist dieser Roman elegant und leichtfüßig geschrieben, voller musikalischer Anspielungen und Symbolik. So spiegeln die bildhaften Wetterbeschreibungen die jeweiligen Stimmungen und Seelenzustände der Personen wider. Die Hauptcharaktere sind in all ihrer Widersprüchlichkeit beschrieben, die echte Menschen ausmachen.

    Es ist nicht nur ein Büchlein, das man gern erneut zur Hand nehmen wird, sondern auch ein vom Manesse-Verlag liebevoll gestaltetes kleines Schmuckstück mit passendem Lesebändchen. Eine ganz große Leseempfehlung.

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  1. Über das Scheitern hochfliegender Hoffnungen

    Lucy Gayheart ist in einer Kleinstadt am Platte River in Nebrasca aufgewachsen. Ihr Vater, ein Uhrmacher, hat ihr offenbar seine leidenschaftliche Musikalität vererbt. Ihre Mutter starb früh, so dass sich die 12 Jahre ältere Schwester Pauline um den Haushalt und das Kind kümmern musste. Lucy wächst zu einem beeindruckenden Mädchen heran, das die Menschen in ihrem Umfeld bezaubert: „Es war ihre Heiterkeit und Anmut, die sie liebten. Das Leben schien bei ihr ganz dicht unter der Oberfläche zu liegen. Sie hatte dieses eigentümliche Strahlen jugendlicher Schönheit: wie ein Blumengarten in den ersten Stunden nach Sonnenaufgang.“ (S. 7)

    Lucy wird vom wohlhabenden Geschäftsmann Harry Gordon verehrt, doch sie strebt nach Unabhängigkeit, möchte mehr von der Welt sehen, nicht in Haverford mit seinen begrenzten Möglichkeiten bleiben. So geht sie zum Musikstudium nach Chicago, wo sie den Sänger Clement Sebastian kennenlernt, dessen musikalische Begleiterin sie am Klavier wird. Sebastian ist ein verheirateter Mittfünfziger, in den sich Lucy mit all den romantischen Gefühlen ihrer jungen Jahre verliebt. Der Ältere nutzt das zwar in sexueller Weise nicht aus, nimmt aber wenig Rücksicht auf seine unerfahrene Gefährtin, was ihr immer wieder Kummer bereitet. Die melancholischen Liederzyklen Franz Schuberts, die die beiden fortwährend interpretieren, geben manche Vorschau auf die tragische Entwicklung dieses Romans, der manch dramatische Wende nimmt, die man als Leser nur schwer vorhersehen kann und die ich an dieser Stelle auf keinen Fall vorwegnehmen möchte.

    Inhaltlich geht „Lucy Gayheart“ weit über eine konventionelle Liebesgeschichte hinaus. Es werden existentielle Fragen rund um das Scheitern auf mehreren Zeitebenen bearbeitet: Was macht ein zufriedenes Leben aus? Was ist der Preis der Freiheit? Spatz in der Hand oder Taube auf dem Dach? Wie verändern sich Blickwinkel und Erinnerungen im Zeitablauf? Wie geht man mit individueller Schuld um? Und vieles, vieles mehr. Hat man erst einmal zu lesen begonnen, möchte man nicht mehr aufhören. Eine Begebenheit führt zur nächsten, alles scheint eine tiefere Bedeutung in sich zu tragen. Der kann man nachgehen, muss man aber nicht. Der Text verfängt auch ohne Interpretation.

    Willa Cather (1873 – 1947) hat mich mit diesem, ihrem vorletzten Roman immens begeistert und emotional tief berührt. Sie schreibt in einer poetisch fließenden Prosa, in der sie ihre Schauplätze hingebungsvoll auszuleuchten weiß und von Beginn an zu fesseln versteht. Der Text wartet mit zahlreichen sprachlichen Schönheiten und Bildern auf. Immer wieder trifft man auf wiederkehrende, stimmige Symbole und Motive, die den Literaturfreund erfreuen und zu Spekulationen über den weiteren Fortgang der Handlung einladen. Herausheben muss man an dieser Stelle die grandiose Übersetzungsleistung von Elisabeth Schnack (gest. 1992), die von Susanne Ostwald aktuell neu durchgesehen wurde.

    Die Autorin gestaltet nicht nur die Charaktere der Protagonisten vielschichtig aus, sondern auch sämtliche Nebenfiguren. Das gelingt ihr mitunter durch interessante Perspektivenwechsel, die sich sehr organisch einfügen und ein völlig neues Licht auf einzelne Figuren werfen. Keine Figur ist einseitig gezeichnet, jede darf die Ambivalenz des zutiefst Menschlichen in sich tragen – egal ob Butler, Professor, Vater, Schwester... Auch den verschmähten Harry wird man am Ende noch einmal gereift von einer ganz neuen Seite aus betrachten dürfen. Selten hat mich eine Charaktergestaltung dermaßen begeistert. Sie ist absolut glaubwürdig und passt in die Zeit Anfang des 20. Jahrhunderts.

    Ich freue mich, dass dieser wunderbare Roman aus Anlass des 150. Geburtstages von Willa Cather in der handlichen Manesse Bibliothek als kleines Buchkunstwerk 2023 neu aufgelegt wurde. Dem Text nachgestellt sind wertvolle Anmerkungen sowie ein Nachwort, das den Roman in Leben und Werk der Autorin einordnet.
    Man muss noch lange über den kleinen, intensiven Roman mit seinen individuellen Schicksalen nachdenken, dem eine Zweitlektüre gewiss nicht schaden würde.

    Ein vielschichtiger Klassiker, der ein breites Publikum ansprechen sollte. Riesige Lese-Empfehlung!

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  1. "...wie ein heimwärts fliegender Vogel"


    Am 7. Dezember würde Willa Cather 150 Jahre alt, und der Manesse-Verlag kann seinen Lesern dazu kein schöneres Geschenk machen, als diesen wunderbaren Roman einer grandiosen Erzählerin neu aufzulegen.

    Vom ersten Satz an lässt Willa Cather ihren Leser nicht mehr los. Wie kleine Tupfer und mit „leisester Rhetorik“, wie George Saunders das Verfahren nennen würde, setzt sie Spannungsmomente ein, die den Leser unmerklich und unaufhörlich in den Bann dieser Geschichte ziehen.

    Lucy Gayheart ist, wie der Name schon sagt, eine fröhliche, liebenswerte und temperamentvolle junge Frau, die der Enge einer kleinen und provinziellen Präriestadt entfliehen will und in die Großstadt zieht, um ihr musikalisches Talent auszubilden. Auf bittere Weise verliert sie jedoch ihre Illusionen, ihr werden die Flügel gestutzt, und auch die Hoffnungen und Pläne anderer Figuren scheitern.

    Wir begegnen klar konturierten Figuren, die psychologisch differenziert gezeichnet werden. Immer wieder hätte die Autorin die Möglichkeit gehabt, in eine triviale Schwarz-Weiß-Zeichnung abzugleiten; dieser Versuchung widersteht sie souverän und bleibt dem gemischten Charakter treu. Keine der Figuren ist eindeutig gut oder böse, und der Leser beobachtet daher ihr Handeln kritisch. Das Handeln dieser Charaktere erklärt sich stets aus ihrer Psyche und ihren Werten. Dadurch gerät der Leser in eine Gratwanderung zwischen Sympathie und Kritik, was jedoch die Figuren lebensecht und überzeugend macht. Und so verfolgt er gebannt, wie zwangsläufig sich ungeahnte Folgen aus unbedachten Handlungen ergeben können, und wie in einem antiken Drama empfindet er „Jammer und Schauder“ wegen der inneren Notwendigkeit der Handlung.

    Schon im ersten Satz entwickelt die Autorin den elegischen Grundton, der den ganzen Roman durchzieht. Hier schaut ein Erzähler zurück auf Lucys vergangenes Glück, und damit legt sich ein besonderer wehmütiger Glanz auf diese Geschichte, der in den letzten Absätzen – auch hier wieder ein Blick zurück – aufs Neue beschworen wird. Und es wird deutlich: eines der Themen ist die Zeit und die Vergänglichkeit. Nicht nur, dass Lucys Vater Uhrmacher ist und von daher mit dem Verstreichen der Zeit beschäftigt ist; auch im Erzählerischen wird das Vergehen der Zeit durch verschiedene Zeitsprünge deutlich. Und es geht um das Aufhalten der Zeit durch die Spuren der Erinnerung.

    Sprachlich kommt der Roman mühelos, leichtfüßig und elegant daher, aber niemals tappt die Autorin in die Falle der Geschwätzigkeit. Jedes Bild, jede Szene ist sprachlich reduziert und daher ungemein wirkungsvoll.
    Am Einsatz der Motive sieht man zudem die kunstvolle Komposition des Romans. Motive wie Sterne, Vogel, Eis, Wasser, Wetterphänomene u. a. verdeutlichen nicht nur die Schönheit der Prärie, sondern sie spiegeln auch die Gestimmtheiten der Figuren wider. Je nach Kontext bieten sie auch Vorausdeutungen an. Hier sind besonders die wehmütigen Liederzyklen Schuberts zu nennen, die Lucys Glück in der Großstadt eine wehmütige und unheilvolle Note beimengen. Gleichzeitig bilden die Motive durch ihren Einsatz einen unaufdringlichen Rahmen um das Geschehen, der zugleich die Illusion der inneren Notwendigkeit verstärkt.

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  1. 5
    23. Okt 2023 

    Über das Leben, die Liebe und den ganzen Rest

    Lucy hat ein fröhliches Naturell, sie tanzt durch den Tag – so jedenfalls haben die Bewohner ihres ländlichen Heimatortes sie in Erinnerung. Aber als sie während ihres Musikstudiums in Chicago den vom Leben enttäuschten Schubert-Interpreten Sebastian trifft, bringt gerade seine Traurigkeit etwas in ihr zum Klingen. Sie lässt sich auf eine romantische Beziehung zu ihm ein. Ihr Jugendfreund Harry ist darüber so erzürnt, dass er übereilt eine andere heiratet – was er lebenslang bereut.

    Nur auf den ersten Blick ist „Lucy Gayheart“ eine bittersüße Romanze. Vielmehr verhandelt Cather in ihrem vorletzten Roman existenzielle Fragen. Die Prämisse des Romans lautet: Das Leben ist unbeherrschbar – während wir glauben, die Kontrolle zu haben. Es beginnt damit, dass es gerade für junge Menschen so unglaublich schwierig ist zu wissen, was man wirklich will – und auch, einzuschätzen, was die Menschen um einen herum tatsächlich denken und fühlen. Lucy sagt, ich werde für die Musik leben! Harry sagt, ich werde Lucy heiraten! Sebastian sagt, ich werde Konzerte in Europa geben! Aber dann verhalten sich die Menschen um sie herum nicht so wie erwartet – und es kommt anders. Hinzu kommt die unselige Eigenschaft der Menschen, wider besseres Wissen nicht das zu tun, was richtig wäre – aus Stolz, Eitelkeit, Scham, Groll. „Es ist nie zu spät!“ lautet eine beliebte Lebensweisheit. Cather beweist uns: Stimmt nicht.

    Ein weiteres Thema ist die Erinnerung und das Verhältnis von Zukunft, Gegenwart und Vergangenheit. Cathers Protagonisten stehen jeweils für eine dieser Zeiten. Die stets vorwärts gewandte Lucy eilt einer vermeintlich leuchtenden Zukunft entgegen. Das Lebensgefühl ihres Mentors und späteren Geliebten Sebastian ist nostalgisches Bedauern. Harry wiederum ist in der Gegenwart verankert; er glaubt, dass „Fakten der Grund für alles“ sind. Im letzten Teil des Romans, nach einem Zeitsprung von 25 Jahren, zieht er für sich Bilanz. Durch seine Wahrnehmung fließen Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft höchst poetisch zusammen.

    Drittes Thema ist die Kunst - Sebastian verkörpert den Künstler, dessen Ästhetik ihn vom Alltag abkoppelt; Lucy ist die Romantikerin, die entschlossen das Künstlertum idealisiert und buchstäblich den Boden unter den Füßen verliert; Harry ist der Materialist, der auf die harte Tour lernt, sich dem Ungreifbaren zu öffnen.
    Schließlich ist es das Thema der Musik, das den ganzen Roman symbolhaft durchdringt. Zitate aus Schuberts „Winterreise“ begleiten und prophezeien Sebastians und Lucys Geschichte. Cather ist eine Meisterin der Symbolik – im Grunde müsste man den Roman zweimal lesen, um alles gebührend würdigen zu können.

    Die Erzählpositionen im Roman wechseln, ohne verwirrend zu sein. Er beginnt aus der kollektiven Sicht der Dorfbevölkerung, geht über in einen allwissenden Erzähler aus unterschiedlichen Perspektiven und wird im letzten Fünftel zur personalen Perspektive Harrys. Der auktoriale Erzähler lässt keinen Zweifel daran, wie die handelnden Personen wahrgenommen werden sollen. Für eine moderne Leserin dürfte das Ausmaß an Lenkung, vor allem am Anfang, ein wenig gewöhnungsbedürftig sein. Was mich damit versöhnt hat, war die subtile, facettenreiche Figurenzeichnung und die reiche Sprache, die niemals Selbstzweck ist: Cathers poetische Naturbeschreibungen spiegeln die innere Verfassung der Protagonisten. Die Autorin macht es einem leicht, mit ihren Charakteren in Resonanz zu gehen.

    Das alles erreicht eine große emotionale Tiefe; beendet habe ich den Roman in einem Gefühl melancholischer Erhebung. Selten hat mich eine Geschichte so gefesselt, selten habe ich so mit einer Romanheldin, aber auch mit den Nebenfiguren gefühlt. „Lucy Gayheart“ ist, 80 Jahre nach dem ersten Erscheinen, immer noch unbedingt eine Lektüre wert.

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Jahrmarkt der Eitelkeit: Ein Roman ohne Helden

Buchseite und Rezensionen zu 'Jahrmarkt der Eitelkeit: Ein Roman ohne Helden' von  William Makepeace Thackeray

Inhaltsangabe zu "Jahrmarkt der Eitelkeit: Ein Roman ohne Helden"

Format:Audible Hörbuch
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