Dracula - Große kommentierte Ausgabe

Buchseite und Rezensionen zu 'Dracula - Große kommentierte Ausgabe' von Bram Stoker

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Autor:
Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:648
Verlag: FISCHER Tor
EAN:9783596705153
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Dracula. Ein Vampirroman

Buchseite und Rezensionen zu 'Dracula. Ein Vampirroman' von Bram Stoker

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Autor:
Format:Ledereinband
Seiten:512
EAN:9783730611777
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Silas Marner: Der Weber von Raveloe – Roman

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Autor:
Format:Taschenbuch
Seiten:240
EAN:9783423147118
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Die englische Scheidung

Buchseite und Rezensionen zu 'Die englische Scheidung' von Margaret Kennedy

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Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:352
Verlag: Schöffling
EAN:9783895618697
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Gentleman Overboard

Buchseite und Rezensionen zu 'Gentleman Overboard' von Herbert Clyde Lewis

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Format:Taschenbuch
Seiten:168
EAN:9781913861230
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Marcel Proust

Buchseite und Rezensionen zu 'Marcel Proust' von Marcel Proust

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Format:Kindle Ausgabe
Seiten:4592
EAN:9782368410110
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Auf der Suche: Short Stories

Buchseite und Rezensionen zu 'Auf der Suche: Short Stories' von Iwan-Michelangelo D’Aprile
5
5 von 5 (1 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Auf der Suche: Short Stories"

Diskussionen zu "Dracula - Große kommentierte Ausgabe"

Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:144
Verlag: Aufbau
EAN:9783351042110
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Rezensionen zu "Auf der Suche: Short Stories"

  1. Fontane geht immer!

    Klappentext:

    „Fontanes »Short Stories« als Gegengift für den gestressten Menschen von heute

    »Der moderne Mensch, angestrengter wie er wird, bedarf auch größerer Erholung. Findet er sie?« Mit dieser verblüffenden Frage schlägt Fontane 1873 neue erzählerische Wege ein. Entstanden sind kluge, vergnügliche Geschichten, die er selbst als »Short Stories« bezeichnete. Die schönsten sind hier versammelt und laden dazu ein, aus dem alltäglichen Wahnsinn herauszutreten und sich auf die Suche nach dem Glück zu machen.

    Die brillanten Beobachtungen eines wachen Zeitzeugen, der sein bis heute gültiges Plädoyer zum Besten gibt.

    »Man soll den Augenblick ergreifen. Ist es der rechte, so bedeutet es das Glück.« Theodor Fontane“

    Ein wahrlich schönes Buch hier aus dem Hause Aufbau! Der Leser darf sich hier auf eine Reihe von Kurzgeschichten freuen, welche mit der Weitsicht und der Klugheit Fontanes glänzen. Mit dem Untertitel „Short Stories“ wird selbst heute das junge Publikum bestens angezogen und neugierig gemacht auf einen Schriftsteller, der längst zur Legende geworden ist. Fontanes Sicht und eben seine Einschätzungen gaben ihm den Titel „bedeutender Vertreter des Realismus“ und genau das spiegelt sich hier in diesen kurzen Geschichten bestens wieder. Hier und da ist eine Prise Humor dabei, dann mal wieder etwas spitzzüngig, nachdenklich, mal auch emotional oder auch mal sarkastisch - Theodor Fontane wusste die Leserschaft im Mark zu treffen und dabei dennoch aufrichtig zu sein. Seine grandiose Beobachtungsgabe machte es möglich solche Geschichten wie hier niederzuschreiben. Fazit: Absolut lesenswert und kurzweilig. Viel Tiefgang und definitiv nachhallend ist dieses besondere Büchlein! 5 Sterne hierfür!

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Lichtungen: Roman

Buchseite und Rezensionen zu 'Lichtungen: Roman' von Iris Wolff
4.65
4.7 von 5 (21 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Lichtungen: Roman"

Zwischen Lev und Kato besteht seit ihren Kindertagen eine besondere Verbindung. Doch die Öffnung der europäischen Grenzen weitet ihre Lebensentwürfe und verändert ihre Beziehung für immer. Voller Schönheit und Hingabe erzählt Iris Wolff in ihrem großen neuen Roman von zeitloser Freundschaft und davon, was es braucht, um sich von den Prägungen der eigenen Herkunft zu lösen. Als der elfjährige Lev über Wochen ans Bett gefesselt ist, wird ausgerechnet die gescheite, aber von allen gemiedene Kato zu ihm ans Krankenbett geschickt, um ihm die Hausaufgaben zu bringen. Zwischen dem ungleichen Paar entsteht eine unverbrüchliche Verbindung, die Lev aus seiner Versteinerung löst und den beiden Heranwachsenden im kommunistischen Vielvölkerstaat Rumänien einen Halt bietet. Ein halbes Leben später läuft Lev noch immer die Pfade ihrer Kindheit ab, während Kato schon vor Jahren in den Westen aufgebrochen ist. Geblieben sind Lev nur ihre gezeichneten Postkarten aus ganz Europa. Bis ihn eines Tages eine Karte aus Zürich erreicht, darauf nur ein einziger Satz: »Wann kommst du?« Kunstvoll und poetisch verwandelt Iris Wolff jenen Moment in Sprache, wenn ein Leben ans andere rührt, und zeichnet in ihrem großen europäischen Roman das Porträt einer berührenden Freundschaft, die sich als Reise in die Vergangenheit offenbart und deren Leuchten noch lange nachklingt.

Diskussionen zu "Dracula - Große kommentierte Ausgabe"

Autor:
Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:256
Verlag: Klett-Cotta
EAN:9783608987706
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Rezensionen zu "Lichtungen: Roman"

  1. 4
    17. Apr 2024 

    Eine besondere Verbindung hält auch eine jahrelange Trennung aus

    Eine Krankheit fesselt den elfjährige Lev für Wochen ans Bett und ausgerechnet die gescheite Kato wird zu ihm geschickt, um ihm die Hausaufgaben zu bringen. Zwischen den Kindern entsteht in diesen besonderen Wochen eine unverbrüchliche Verbindung, die Lev aus seiner Versteinerung löst und den beiden Heranwachsenden im kommunistischen Vielvölkerstaat Rumänien einen Halt bietet.
    Ein halbes Leben später läuft Lev noch immer die Pfade ihrer Kindheit ab, während Kato schon vor Jahren in den Westen aufgebrochen ist. Geblieben sind Lev nur ihre gezeichneten Postkarten aus ganz Europa. Bis ihn eines Tages eine Karte aus Zürich erreicht, darauf nur ein einziger Satz:
    »Wann kommst du?«

    Meine persönlichen Leseeindrücke
    „Lichtungen“ ist eine Liebesgeschichte, um die sich viele andere Geschichten ranken. Lev und Kato, der eine eher statisch, fast immer nur am gleichen Ort und die andere beweglich, ungebunden, neugierig und immer unterwegs, treffen sich als Kinder, durchleben zusammen die Jugend, bis Kato sich verknallt, mit Tom auf Europatour geht und Lev zurücklässt.

    Bewusst hat die Autorin die Geschichte in den Norden Rumäniens verlegt, etwas näher an die Grenze zur Ukraine. Handlungsorte sind der Banat, Siebenbürgen und die Maramures mit der historischen Bukowina und den Wäldern. Siebenbürgen, für Lev ein Kleineuropa, wo alles da ist, was er braucht. Hier ereignen sich 7 Kapitel lang die Leben der beiden, und zwar rückwärts in der Zeit. Ein Clou, könnte man meinen, der mir aber nicht gefällt, denn das bringt die Geschichte durcheinander. Bis ich erahne, wo und zu welcher Zeit ich mich hier wiederfinde, ist oft der Reiz des vorhin beendeten Kapitels verloren. Es fühlt sich an, als müsste ich die Leseschnur bei jedem Kapitel abschneiden, um irgendwo im Folgenden den Faden wiederzufinden.
    Sie wollte nicht alles sagen, nicht zu sehr das Wesentliche darlegen, so sagt Iris Wolff im Gespräch mit Denis Scheck (Anm. das Gespräch finden Sie in der ARD Mediathek). „Das Wesentliche passiert im Kopf der Leser“ und bei sehr vielen hat das auch funktioniert – nur leider bei mir nicht. Sicherlich, die Behutsamkeit und Zärtlichkeit in ihrer Sprache sind bemerkenswert, doch sind sie von Passagen mit Überflüssigem unterbrochen, die nicht nur meine Geduld fordern, sondern leider gleichzeitig meine Leseenergie schwinden lassen.

    Fazit
    Lichtungen von Iris Wolff ist eine feinfühlige Geschichte zweier junger Menschen, die im Norden von Rumänien ihre Kindheit und Jugend verbringen. Ihre unterschiedlichen Charaktere sorgen für eine jahrelange räumliche Trennung, doch ihre besondere Verbindung scheint sie wieder zusammen zu führen.
    Es ist auch hier wieder, wie bei „Die Unschärfe der Welt“: Der Roman ist einladend, wenn man ihn gefunden hat.

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  1. Das Buch lebt von der Sprache, nicht vom Inhalt

    Dass zwischen Lev und Kato eine besondere Verbindung seit Kindertagen besteht, erfährt der Leser bereits auf dem Einband. Lev ist das einzige Kind aus der zweiten Ehe seines verstorbenen Vaters. Dadurch hat er einen schweren Stand in seiner rumäniendeutschen Familie. Von Kato erfahren wir nicht sehr viel. Sie verlässt ihre Heimat und lässt damit auch Lev zurück. Doch gleich am Beginn des Buches sind die beiden wieder vereint. Die Vorgeschichte dieser Wiedervereinigung wird ganz besonderes erzählt. Nämlich rückwärts. Das Buch beginnt mit Kapitel Neun. Diese Erzählweise ist erst einmal ungewöhnlich, doch mit fortschreitender Lektüre hat man sich daran gewöhnt und lernt Lev weiter kennen.

    "Man ist, einmal gegangen, immer ein Gehender."

    Dieses Buch lebt eindeutig von der Sprache. Sie trägt einen durch das Buch und zeichnet melancholische Landschaften. Sie hat einen ganz eigenen, sehr poetischen Klang.

    "Alles war rückwärtsgelaufen, weniger geworden, und wo sich die Zeit am Anfang dehnte, verkürzte sie sich jetzt unbarmherzig."

    Das trifft das Buch sehr gut, denn zum Ende ließ es sich recht flüssig lesen. Leider sind bei mir viele Fragen nicht beantwortet worden. Trotz der schönen Sprache, ist vieles nur vage angedeutet worden. So hatte ich am Anfang einfach eine ganz andere Erwartungshaltung. Figuren blieben blass. Leider auch Kato. Sie war für mich kaum greifbar, ihr handeln nicht nachvollziehbar.

    Ich blieb mit vielen Fragezeichen zurück und dies hat mein Leseerlebnis leider sehr getrübt. Leider, weil ich den Ton sehr mochte.

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  1. 5
    30. Mär 2024 

    Etwas, das bleibt

    Nach einem Unglück in seiner Kindheit ist der elfjährige Lev wochenlang ans Bett gefesselt. Seine Klassenkameradin Kato wird beauftragt, ihm die Hausaufgaben zu bringen. Das Mädchen hat einen schweren Stand in dem rumänischen Dorf, trotz ihres Intellekts und ihrer künstlerischen Begabung wird sie aufgrund der schwierigen häuslichen Verhältnisse eher gemieden. Kato kommt zu Lev – und bleibt. Es ist die Grundlage für eine Jahrzehnte anhaltende Freundschaft, die sich nach dem Zerfall des Ostblocks verändert. Denn Kato verlässt ihre Heimat, bricht nach Europa auf und lässt Lev zurück. Lev, dem Verlust nicht fremd ist, bleibt zurück, bis Kato ihn schließlich per Postkarte bittet, endlich zu kommen.

    Die Geschichte setzt am Ende ein, im ersten Kapitel reisen Kato und Lev zurück. Wie es dazu gekommen ist erzählt das Buch in umgekehrter Reihenfolge. Schlaglichtartig werden die wichtigen Episoden aus Levs und Katos Leben erzählt. Dabei begleiten wir überwiegend Lev, nehmen Teil an seiner Entwicklung und seinen Gefühlen. Gleichzeitig erfahren wir viel über die Heimat der beiden, die Geschichte des Vielvölkerstaates Rumänien und die entbehrungsreiche Zeit des Sozialismus. Neben den Erfahrungen, dem ständigen Mangel und der unterschwelligen Angst vor der Staatsmacht geht es um das Heimatgefühl, das Gefühl zugehörig zu sein und um Verlust. Und nicht zuletzt geht es um eine große Freundschaft, eine intensive Verbindung, eine besondere Liebe zu einem Menschen.

    Vieles wird in dem Buch nicht direkt angesprochen, bleibt vage und der eigenen Interpretation überlassen. Ich persönlich empfinde das als große Stärke des Buches, es hat mich lange und intensiv über das Gelesene nachdenken lassen, mich immer wieder zurückblättern und in einzelnen Passagen versinken lassen. Es ermöglichte mir, meine Phantasie zu bemühen und meine eigenen Gedanken schweifen zu lassen. Sprachlich halte ich das Buch für ein Juwel voller Bildkraft, Empathie und Atmosphäre.

    Durch die Art des Erzählstils musste ich mich immer wieder intensiv mit dem Buch auseinandersetzen, mich daran erinnern, was ich schon von den Figuren wusste und wie es mit Kato und Lev weitergeht. Das hat zwar mein reguläres Lesetempo verzögert, mich aber umso intensiver am Gelesenen teilhaben lassen.

    „Lichtungen“ ist bisher das einzige Buch, das ich von Iris Wolff gelesen habe und ihr intensiver, poetischer, gleichzeitig aber auch ätherisch-vager Schreibstil hat mich gefangen genommen. Die Zartheit, mit der Szenen oft nur angedeutet werden kombiniert die Autorin mit kraftvollen Metaphern und einen intensiven Blick auf die Szene. Es wird nicht mein letzten Buch der Autorin bleiben!

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  1. Poetische Reise vom Jetzt in die Kindheit

    Iris Wolff bedarf in den einschlägigen Kreisen wohl nicht (mehr) der Vorstellung; zu erfolgreich hat sie sich mit ihren bisherigen Veröffentlichungen profiliert. Völlig zu Recht, wie ich jetzt feststellen durfte, denn obwohl ihre Romane „So tun, als ob es regnet“ und „Die Unschärfe der Welt“ sich schon länger in meinem Regal tummeln, war „Lichtungen“ (erschienen 2024 im Klett-Cotta-Verlag) quasi mein Debüt von ihr. Nun, was soll ich sagen: besser spät als nie, denn mit ihrem aktuellen Roman hat es die Autorin schon Anfang des Jahres geschafft, sich eine der begehrten „King´s Crownjewels 2024“-Auszeichnungen zu ergattern. Da das Lesejahr noch lang ist, kann ich den abschließenden Podestplatz allerdings noch nicht nennen – Reisen in die Zukunft gibt es (zum Glück) nicht, dafür aber (literarische) Reisen in die Vergangenheit, was nun eine gute Überleitung zum Buch selbst ist *g*.

    Zunächst war ich etwas irritiert, dass „Lichtungen“ mit Kapitel 9 beginnt, bis mir klar wurde, dass die Geschichte rückwärts erzählt wird. Ungewöhnlich, aber es hat gut funktioniert. Erzählt wird die Geschichte von Lev und Kato, die sich in frühester Jugend kennen- und schätzen gelernt haben, sich dann aber aus den verschiedenen Lebensentwürfen heraus aus den Augen verloren haben. Obwohl, so ganz brach die Verbindung nie ab, denn Lev hat immer Ansichtskarten von Kato bekommen; die letzte mit den drei Worten „Wann kommst du?“ hat ihn dann „beflügelt“, ihr entgegen zu kommen.

    Danach geht es immer weiter in die Vergangenheit. In poetischen und beeindruckenden Sprachbildern bringt Iris Wolff den Leser:innen Themen wie Identität, das Leben in Rumänien während der Herrschaft des Ceausescu-Regimes, den daraus entstehenden und entstandenen Problemen der Bevölkerung, aber auch die Geschichte von Lev und Kato immer näher.

    Die rückwärts erzählte Geschichte, die nicht stringent chronologisch erzählt ist, sondern auch zeitliche Lücken aufweist, erfordert genaues und konzentriertes Lesen, denn bei dieser Art der Erzählung ist es natürlich nicht vermeidbar, dass die Leser:innen in einem Kapitel Dinge lesen, die sie (rein theoretisch) noch gar nicht wissen können. Aber genau das macht neben der poetischen und ruhigen Erzählweise von Iris Wolff das Besondere an diesem Roman aus und hat Spaß gemacht. Vielleicht lese ich den Roman irgendwann noch einmal in der richtigen Reihenfolge *g*.

    Von mir gibt es eine glasklare und 100%ige Leseempfehlung.

    ©kingofmusic

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  1. Einmal gegangen ist man immer ein Gehender

    So lautet einer der klugen Weisheiten in Iris Wolffs neuem Roman "Lichtungen". Man könnte auch hinzufügen: Einmal gegangen ist man immr ein Suchender oder auch ein Heimatloser. Denn Identität, Heimat und auch erste Liebe sind zentrale Themen des Romans. Dieser spielt in Rumänien zu Zeiten der Diktatur Ceausescu's. Im Mittelpunkt des Geschehens stehen Kato und Lev, die beide im deutschsprachigen Teil Rumäniens aufgewachsen sind. In ihrer Kindheit und Jugend tänzelten sie umeinander herum, wie es vielleicht kennzeichnend ist für erste aufkommende Gefühle von Zuneigung und Liebe. Doch der Lauf der Dinge treibt sie auseinander, bis sie nach 5 Jahren des Getrenntseins als Erwachsene einander wiederbegegnen.

    Das Besondere des Romans ist die Erzählkonstruktuion. Was einmal war und nicht war, wird aus der Rückblende heraus erzählt, d.h. der Roman startet in der Gegenwart, wo das Wiedershene von Kato und Lev unmittelbar bevor steht und geht dann Schritt für Schritt zurück bis in ihre Kindheit. Dies ist ein interessanter erzählerischer Kniff Wolffs, der jedoch beim Lesen die volle Aufmerksamkeit und Konzentration erfordert. Die Vermutung liegt nahe, dass sich manche Zusammenhänge erst gänzlich erschließen, wenn man das Buch nach der Erstlektüre quasi noch mal in umgekehrter Richtung liest.

    Für mich lebt dieser Roman von der Sprach- und Bildgewalt der Autorin, die mich bereits bei ihrem Erzählband "So tun als ob es regnet" sehr begeistert hat. Wieder kreiert Wolff tolle Sprachbilder, in denen sehr kluge Weisheiten stecken. Leider muss ich jedoch sagen, dass mich der Roman inhaltlich weniger begeistert hat. Die Thematik scheint mir in den letzten Jahren in den unterschiedlichsten Gewändern wieder zu begegnen, zudem empfand ich die Geschichte als recht handlungsarm. Dennoch habe ich viele neue Einblicke in politische Zusammenhänge des Regimes gewinnen können.

    Allein aufgrund der außergewöhnlichen Sprache der Autorin und der besonderen Erzählkonstruktion verdient der Roman aber volle 4 Sterne. Ich bin sicher, dass Wolff Fans wieder auf ihre Kosten kommen und freue mich selbst auf weitere Werke der Autorin.

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  1. 5
    12. Feb 2024 

    Lev und Kato...

    Lev und Kato - eine langjährige Freundschaft in immer neuen Facetten. Zu Beginn begleitet der Leser Lev, wie er seiner Freundin hinterher reist, als ihn ihre Karte erreicht mit dem Satz: "Wann kommst du?" Kato war lange auf Reisen, um sich selbst zu finden, sehnt sich nun aber offenbar nach ihrem Jugendfreund, reist ein wenig gemeinsam mit ihm weiter und beschließt schließlich, mit ihm zusammen nach Rumänien zurückzukehren. Dies ist das Ende von dem, was Iris Wolff uns über das so ungleiche Paar berichten möchte. Aber beileibe nicht das Ende des Romans.

    Dieser beginnt nämlich mit dem letzten Kapitel dieser zeitlosen Freundschaft und wird von da an rückwärts erzählt, immer tiefer hinein in die Vergangenheit. Ein ungewöhnlicher Aufbau, an den ich mich zunächst gewöhnen musste - tauchen doch in den aktuellen Abschnitten immer schon Namen und angedeutete Begebenheiten auf, die erst später vorgestellt werden. Aber mit zunehmender Lektüre fand ich diesen Aufbau doch auch immer reizvoller, gerade weil vieles im Nachhinein deutlicher und nachvollziehbarer wird. In jedem Fall weckte nicht zuletzt dieser Aufbau die Lust, diesen Roman unbedingt auch ein zweites Mal lesen zu wollen, das schafft nicht jedes Buch!

    "Diese Stille, dachte Lev, war eine, die aus den Tönen kommt, die noch von ihnen erzählt, die satt ist und voll, die sich erst verflüchtigen muss, wie Rauch." (S. 114)

    Iris Wolff hat hier einen sehr besonderen Roman vorgelegt, melancholisch, leise, poetisch, in einer wundervoll feinen und stilsicheren Sprache. Auch wenn die Figuren, selbst Lev und Kato, für mich lange Zeit eher auf Distanz blieben, wurden die Gefühle, Gedanken, Motive der Charaktere doch deutlich. Dabei geht es nur vordergründig um die sich stets wandelnde Freundschaft zwischen Lev und Kato. Eingebettet und gerahmt wird diese Freundschaft von einer Vielzahl von Themen wie Identität, Herkunft, die wechselnden und oft bedrohlichen politischen Verhältnisse in Rumänien.

    Dabei belässt es Iris Wolff oft nur bei Andeutungen, die dennoch allmählich ein Bild von den Lebensbedingungen zu den verschiedenen Zeiten in Rumänien entwickeln. Hier wird häufig gerade genug verraten, damit die Gedanken des Lesers in die richtige Richtung gelenkt werden. Dies erfordert jedoch auch ein unbedingt sorgfältiges und konzentriertes Lesen, um keine Details zu verpassen. Interessant auch die verschiedenen Charaktere, die alle eine unterschiedliche Art haben, mit den unveränderlichen Gegebenheiten umzugehen: derjenige, der flieht, diejenige, die sich arrangiert und immer auf dem Stand der Dinge ist, um andere zu warnen, der Mitläufer, diejenigen, die sich im Schatten ducken und hoffen nicht entdeckt zu werden usw. Alles eine Frage der Identität, wer will ich sein, was bedeutet Heimat für mich, wohin will ich, welchen Preis bin ich dafür bereit zu zahlen.

    Neben der Faszination für den Aufbau und die leise aber präzise und bildhafte Sprache konnte mich die Erzählung gegen Ende dann doch auch noch berühren. Dies gab letztlich den Ausschlag für den letzten halben Stern - und damit für ein Jahreshighlight, das ich unbedingt weiterempfehle!

    © Parden

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  1. Jedes Jetzt enthält das Vergangene

    Kato und Lev, beide Ende 30, treffen sich in Zürich 1994 nach fünf Jahren des Getrenntseins wieder. Kato ist eine begabte Straßenkünstlerin, die sich auch mit Gelegenheitsarbeiten über Wasser hält. Lev arbeitet daheim im Sägewerk, er ist extra auf Katos Wunsch hin angereist. Beide verbindet eine intensive Freundschaft, ob auch Liebe im Spiel ist, bleibt zunächst ungewiss. Kato hat die Maramuresch, eine Region im Norden Rumäniens an der Grenze zur Ukraine, gleich nach Auflösung des Eisernen Vorhangs verlassen. Sie ist die Freiheitsliebende, während Lev das Bodenständige, das Heimatverbundene verkörpert.

    Das Besondere an diesem Roman ist die Erzählweise. Er wird nämlich von hinten nach vorn erzählt. Man weiß also nach dem ersten Kapitel, wie die Geschichte ausgeht. Iris Wolff legt dabei geschickte Hinweise aus, zu denen der Hintergrund noch fehlt. Das weckt Neugier, die Figuren besser kennenzulernen, zu erfahren, wie sie zu denen wurden, die sie jetzt sind. Mit jedem weiteren Kapitel dringt man tiefer in die Vergangenheit der Protagonisten ein, wobei konsequent Levs Perspektive eingenommen wird. Wir folgen ihm auf seinen Wegen zurück in die Jugend, zurück in die Kindheit. Dabei vergleicht er seine Erinnerungsinseln mit Lichtungen, die immer nur bestimmte Stationen beleuchten. Vieles in diesem Roman bleibt bewusst vage, nicht alles wird auserzählt. Iris Wolff traut ihren Lesern etwas zu. Jeder darf seine eigenen Gedanken, seine eigenen Interpretationen zum Text entwickeln.

    Wir lernen Lev und Kato im Kontext ihres persönlichen Umfelds kennen. Beide haben bereits frühe Verluste erlitten. Levs Vater lebt nicht mehr, Levs Verhältnis zu den Halbbrüdern ist gespannt, während er zur großen Schwester Vertrauen hat. Eine große Rolle dabei spielt die Zugehörigkeit. Levs Mutter ist Siebenbürger Sächsin, der Großvater Österreicher, der Vater war Rumäne, ebenso die Großmutter, die immer wieder einen mystischen sechsten Sinn zu haben scheint… Lev ist ein Suchender. Wir erleben ihn und seine Familie hinter dem Eisernen Vorhang. Die Politik ist dort omnipräsent: Die Diktatur Ceausescus, die die Menschen unterdrückt und bespitzelt, tägliche Sorgen, Tschernobyl, Ausgegrenzt Sein als Deutschsprachiger, Hoffen auf mehr Freiheit, auf die Demokratie. Wie positioniert man sich in diesem System, ohne Aufsehen zu erregen, zumal wenn der Großvater als Landesverräter gilt, weil er über die Grenze in den Westen geflüchtet ist? Viele Erlebnisse verbinden Lev mit seiner Jugendfreundin Kato, manches trennt sie. Diese Unterschiede werden fein herausgearbeitet.

    Jedem der neun Kapitel ist jeweils ein Motto in unterschiedlichen Sprachen vorangestellt, die auf den Inhalt einstimmen (Übersetzungen finden sich am Ende des Buches). Wie in allen ihren Romanen erzählt Iris Wolff mit großer Hingabe. Sie ist ganz dicht bei ihren Figuren. Sie hat den Blick für das Zwischenmenschliche, für Stimmungen und Gefühle. Jeder Charakter ist sorgfältig ausgearbeitet, hat zahlreiche Facetten. Schwarz oder weiß sucht man vergeblich.

    Die Sprache ist tiefgründig, bildgewaltig, hochpoetisch und mit starker Aussagekraft. Die Autorin beherrscht die Klaviatur der zur Verfügung stehenden Stilmittel perfekt. Vom ersten Satz an fühlt man sich verzaubert von dieser Formulierungskunst, die den Blick stets auf die feinen Nuancen legt, wobei wunderschöne lebenskluge, wahre und weise Sätze zum Nachdenken entstehen. Man spürt, dass jedes Wort mit Bedacht gesetzt wurde. Dementsprechend werden auch Schauplätze detailliert und liebevoll ausgearbeitet, so dass man ständig ein Bild vor Augen hat.

    „Lichtungen“ führt uns zurück in eine unbekannte, vergangene Welt, die mit Rumänien ein Land zeigt, über dessen Geschichte und Besonderheiten wir wenig wissen. Eingebettet in diese Szenerie geht es um Freundschaft und Liebe, Verlust und Trauer, Aufbruch und Neuanfang, Identität, Familie, Wurzeln und Tradition, Aufstehen und Bleiben – eben um die Vielfalt des Lebens - und das in einer Sprache zum Niederknien.

    Restlos begeistert empfehle ich diesen Roman allen Leserinnen und Lesern, die leise, intensive Literatur schätzen. Wer Spannung im engen Sinne sucht, könnte enttäuscht werden. Riesige Leseempfehlung für mein erstes Highlight des jungen Jahres 2024! Ich wünsche dem Roman viel Aufmerksamkeit sowie jede Menge Auszeichnungen! Iris Wolff ist wieder ein großer Wurf gelungen.

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  1. Verstreute Erinnerungen

    Sie stammen beide aus einem Dorf in der Maramuresch, einem waldreichen Landstrich im Norden Rumäniens, und treffen sich mit Mitte/Ende 30 in Zürich wieder: der Schulabbrecher und Holzarbeiter Lev, der eigentlich Leonhard heißt, und die Straßenkünstlerin Kato. Seit Kindheitstagen verbinden sie ihre Herkunft, gemeinsame Erinnerungen und ihre Freundschaft. Was ist in den vergangenen Jahren geschehen, das sie getrennt hat?

    „Lichtungen“ ist ein Roman von Iris Wolff.

    Meine Meinung:
    Erzählt wird die Geschichte aus der Sicht von Lev in neun Kapiteln, die absteigend nummeriert sind. Das liegt daran, dass der Roman in umgekehrter Chronologie aufgebaut ist. Eine weitere Herausforderung besteht darin, dass es zwischen den einzelnen Kapiteln unterschiedlich große Zeitsprünge gibt. Die Handlung spielt überwiegend im heutigen Rumänien und erstreckt sich über mehrere Jahrzehnte, wobei sich die genauen Jahre teils nur indirekt, teils gar nicht erschließen. Dieser Aufbau ist interessant und erfordert ein aufmerksames Lesen.

    Eine Stärke des Romans ist seine Sprache. Beeindruckend bildstark, atmosphärisch und poetisch, so lässt sich der Stil der Autorin beschreiben, dem sie auch in ihrem neuesten Buch treu bleibt. Eingestreute Wörter und Sätze aus dem Rumänischen werden erklärt und sorgen für Authentizität.

    Das Personal der Geschichte ist überraschend umfassend. Im Mittelpunkt steht Lev, ein durchaus sympathischer, aber recht reizloser Protagonist. Als weitere Personen tauchen Kato, diverse Familienangehörige Levs, andere Zeitgenossen und Nebenfiguren auf. Die Charaktere wirken psychologisch ausgefeilt, glaubhaft und in sich stimmig. Die Menge an Figuren und die vielen Namen sind allerdings verwirrend und verwässern den Fokus.

    Vordergründig geht es um Liebe, Freundschaft und Verbundenheit, im weiteren Sinne aber auch um Identität und Zugehörigkeit. Ein wichtiges Motiv sind Erinnerungen. Darüber hinaus spielen Träume, Ängste und Traumata eine Rolle. Eine Mischung aus anregenden, relevanten Themen, die die Story jedoch ein wenig überfrachtet und sie zu einem Zwischending von Liebesgeschichte und Familienroman macht.

    Aufgrund der Zeitsprünge entstehen immer wieder Leerstellen, die nur ansatzweise mit Andeutungen ausgefüllt werden und daher viel Spielraum für eigene Gedanken und Interpretationen lassen. Auf den 250 Seiten hat mich die eher handlungsarme Geschichte nicht durchweg gefesselt. Am meisten packen und berühren konnte mich das letzte Viertel.

    Das hübsche Cover greift zwar nur einen kleinen Teilaspekt des Inhalts heraus und erklärt sich daher nicht sofort, spricht mich optisch aber sehr an. Den prägnanten, metaphorischen Titel halte ich ebenfalls für eine gute Wahl.

    Mein Fazit:
    Mit „Lichtungen“ hat mich Iris Wolff in sprachlicher Hinsicht erneut überzeugt. Auf inhaltlicher Ebene hat der Roman meine hohen Erwartungen allerdings leider nicht ganz erfüllt.

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  1. Eine Verbindung fürs Leben?

    Iris Wolff hatte mich zuletzt mit "Die Unschärfe der Welt" begeistern können, so dass ich nicht anders konnte als zu ihrem aktuellen Bestsellertitel zu greifen.

    In der Geschichte geht es um Lev und Kato, die gegensätzlicher kaum sein könnten und dennoch verbindet sie ein Ereignis aus ihrer Kindheit. Werden die politischen Veränderungen um sie herum dafür sorgen, dass ihre Verbindung einreißt?

    Das Besondere an dem Roman ist wohl, dass wir mit dem Ende starten und die Handlung quasi rückwärts erzählt wird. Wir beginnen mit Kapitel 9 und enden mit der 1.

    Was direkt wieder auffiel beim Lesen der ersten Sätze war die besondere Sprache und das Gespür für eine einfühlsame Erzählweise. Irgendwie trifft sie da bei mir einen Nerv, dass ich mich enorm wohl und umschmeichelt fühle, auch wenn das Geschilderte vielleicht mitunter harter Tobak ist.

    Des Weiteren lässt die Autorin genug Raum für eigene Überlegungen und Spekulationen, denn es verwundert durchaus, dass Lev einst ewig ans Bett gefesselt war nach einem Unfall und als Erwachsener davon nichts mehr zu spüren ist. Und auch die Freundschaft zwischen den Beiden und was vielleicht hätte intensiver sein können, schwebt immer so ein bisschen mit im Raum.

    Gut gefallen hat mir zudem, dass man Einblicke in das Leben der Menschen in Rumänien bekommt, wo nicht im Überfluss gelebt wird wie in Großteilen Europas. Das stimmt nachdenklich.

    Frau Wolff hat hiermit wieder einmal bewiesen, dass es nicht vieler Worte bedarf, um zu berühren und zu fesseln. Ich konnte sehr gut in die Geschichte eintauchen und den Alltagsstress mal für ein paar Stunden vergessen.

    Fazit: Eine gefühlvolle Geschichte, die mir enorm gefallen hat. Klare Leseempfehlung.

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  1. Einfühlsame Geschichte

    Kato und Lev stammen beide aus Rumänien und im Grunde ist es ihre Geschichte, vor allem die des sensiblen Lev, die uns die Autorin Iris Wolff da sehr einfühlsam und wortgewaltig näher bringt.
    Frau Wolff schafft es mit ihren Worten den Leser gefangen zu nehmen, sie ist in der Lage auch sensible Themen behutsam anzugehen.
    Und so erzählt sie hier wie Lev und Kato sich nach einiger Zeit Wiedersehen, Kato hatte Rumänien verlassen, jeder muss sich dem anderen erst wieder annähern, doch man merkt schnell, dass die junge Künstlerin und Lev viel verbindet. Lev scheint verliebt in Kato zu sein, doch diese will die innige Freundschaft, die die beiden verbindet, wohl nicht aufs Spiel setzen.
    In den weiteren Kapiteln geht die Autorin immer weiter zurück in die Vergangenheit, und lässt den Leser so erkennen warum und wie Lev zu dem Menschen geworden ist, welche Ereignisse und Erlebnisse dazu geführt haben.

    Da die Handlung um die Zeit des Ceaușescu-Regimes spielt wird man mit vielen Dingen aus dieser Zeit konfrontiert. Ein geschichtlicher Exkurs, der mir persönlich gut gefallen hat, da ich relativ wenig darüber wusste. Am Beispiel der Menschen hier im Buch wird gut deutlich was es für Bürden in der Bevölkerung mit sich brachte.
    Ein Teil entschied sich zu bleiben, der andere Teil verließ das Land so schnell wie möglich, als sich die Chance endlich bot. Genau dies trifft auch auf Lev und Kato zu. Der eine geht, weil er sich trotzdem mit dem Land und der Familie verbunden fühlt, den anderen hält nichts davon und sieht eine neue Chance. Verstehen kann ich beide Seiten, denn jeder Mensch hat seine eigenen Beweggründe. Da die Autorin selbst ihre Wurzeln dort hat und ausgewandert ist, wird hier sicher ein wenig von ihren eigenen Erfahrungen mit hineinspielen. Sicher ein Grund dafür, dass sie es schafft die Worte und Eindrücke so treffend zu platzieren.

    Mittlerweile bin ich ein großer Fan der Autorin, da mich bisher alles was ich von ihr gelesen habe begeistern konnte. Auch "Lichtungen" hat es wieder geschafft mich zu verzaubern, mich im Sessel zurücksinken zu lassen und mich auf die Handlung einzulassen

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  1. 5
    01. Feb 2024 

    Eine leise, aber intensive Geschichte

    Iris Wolff „ Lichtungen“ ( 2024 )

    Mit ihrem fünften Roman ist der 1977 in Hermannstadt in Siebenbürgen geborenen Autorin wieder ein großer Wurf gelungen. Obwohl sie schon seit 1985 in Deutschland lebt, siedelt sie ihre Geschichten im Land ihrer Kindheit an , im Banat und in Siebenbürgen.
    Erzählt wird hier die Geschichte von Lev und Kato. Eine innige Freundschaft besteht seit Kindheitstagen zwischen ihnen. Mit elf Jahren war Lev wegen einer rätselhaften Lähmung seiner Beine wochenlang ans Bett gefesselt und Kato brachte ihm täglich die Hausaufgaben.
    Aufgewachsen sind sie im Maramuresch, einer ländlichen, waldreichen Gegend im Norden Rumäniens, Kato ohne Mutter und mit einem trinkenden Vater und Lev ohne Vater. Der kam bei einem Bergrutsch ums Leben, als Lev gerade mal fünf Jahre alt war .
    Es ist eine Kindheit und Jugend im Rumänien unter Ceausescu. Viele träumen vom Weggehen, von einem Leben in Freiheit. Und als 1989 endlich der Eiserne Vorhang fällt, ergreift Kato die nächstbeste Möglichkeit zum Aufbruch in den Westen. Doch der Kontakt zwischen den beiden reißt nicht ab. Aus jedem Land, in dem sie einige Zeit wohnt und sich ihren Lebensunterhalt durch Straßenmalerei verdient, schickt sie Lev eine selbstgemalte Postkarte. Und als sie ihn nach fünf Jahren fragt „ Wann kommst du?“ , da macht sich Lev auf nach Zürich. Nach einigen Wochen quer durch Europa, kehren sie gemeinsam nach Rumänien zurück.
    Für ihre Geschichte hat Iris Wolff eine ungewöhnliche Erzählweise gewählt: Sie erzählt sie rückwärts, d.h. sie beginnt mit Kapitel „ Neun“ und endet mit Kapitel „ Eins“. Dabei wählt sie entscheidende Episoden aus, Geschehnisse, zwischen denen jeweils einige Jahre liegen. Das sorgt für Spannung beim Leser und erfordert einiges Mitdenken. Dabei wird erfreulicherweise längst nicht alles auserzählt, sondern Iris Wolff lässt Leerstellen und vertraut dem Leser.
    Nach und nach gewinnen so die einzelnen Figuren Konturen, Verbindungen und Beziehungen zwischen ihnen werden hergestellt und es wird verständlich, was sie zu denen werden ließ, die sie sind. So sind nicht nur die Unterschiede im Charakter - da die unerschrockene und freiheitsliebende Kato, hier der sensible und zögerliche Lev - maßgeblich für ihr Verhalten. Im Verlaufe der Lektüre wird deutlich, was Lev geprägt hat, warum er nach Liebe und Beständigkeit sucht, musste er doch schon früh traumatische Verluste erleben.
    Themen wie Freundschaft und Liebe und die fließenden Grenzen davon werden in Variationen durchgespielt, ebenso wie Fragen nach Herkunft, Wurzeln und Identität.
    Im Vielvölkerstaat Rumänien finden sich verschiedene Volksgruppen, Sprachen und Kulturen, die im Verlaufe der Geschichte neben- und miteinander existiert haben. So hat sich Levs Großvater Ferry irgendwann dafür entschieden , Österreicher zu sein. „ Er sei als Österreicher in dieses Jahrhundert gestartet und, obwohl er sich geographisch nicht vom Fleck bewegt hatte, Rumäne geworden, dann Ungar“ und nun weist ihn sein Pass wieder als Rumäne aus. Doch jahrelanges vergebliches Warten auf die Ausreisepapiere lassen ihn die Flucht über die grüne Grenze nach Wien antreten. Aber ist er nun dort angekommen, wo er hingehört? Diese Frage muss Ferry verneinen. „ Man ist, einmal gegangen, immer ein Gehender.“
    Lev dagegen, mit einer siebenbürgischen Mutter, einem rumänischen Vater und einem Großvater mit österreichischen Vorfahren, verweigert sich einer Einordnung und Vereinnahmung.
    Die große Geschichte wird an vielen kleinen Details aufgezeigt und spiegelt sich im Schicksal der Protagonisten.
    So beschreibt die Autorin anschaulich das Klima von Lähmung und Misstrauen während der Diktatur und welche Auswirkungen auf Menschen und Landschaften die Öffnung des Eisernen Vorhangs hatten. Während die einen nichts mit der so sehnlichst erhofften Freiheit anfangen konnten, beginnt der Exodus der anderen. Verwaiste Dörfer, verfallene Kirchen, heruntergekommene Wohnblocks und stillgelegte Fabriken zeugen davon.
    Nicht nur mit ihrer Sprachmacht überzeugt Iris Wolff. Sie beschwört Landschaften und Stimmungen, schafft Atmosphäre und Bilder, die in Erinnerung bleiben, ist gleichzeitig präzise und poetisch. Sprache selbst wird auch von ihr thematisiert. In der Schweiz begreift Lev „ Seine Herkunft war in seinem Akzent, war ihm eingenäht in Kleidung und Schuhe.“ Und das vertraute Rumänisch zwischen Lev und Kato weckt Erinnerungen an früher.
    Die Reflexionen über Erinnerungen führen zu den titelgebenden „ Lichtungen“. „ Etwas blieb, und etwas ging verloren, manches schon im Augenblick des Geschehens,…Erinnerungen waren über die Zeit verstreut wie Lichtungen. Man begegnete ihnen nur zufällig und wusste nie, was man darin fand.“
    „ Lichtungen“ ist eine leise, aber intensive Geschichte, mit seiner ungewöhnlichen Struktur und seiner besonderen Sprache von hohem literarischen Niveau. Ein wunderbares Buch, das unbedingt einer Zweitlektüre bedarf. Ob man dann von hinten beginnen möchte und die Geschichte chronologisch aufrollen will oder ob man die gewählte Erzählform beibehält und sie nun mit dem gewonnenen Wissen intensiver liest, steht jedem frei. Auf jeden Fall ist „ Lichtungen“ ein Roman, der viel Stoff zur Reflexion bietet und sich somit bestens für Lesekreise eignet.

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  1. Gehen oder bleiben?

    "Lichtungen" der 1977 in Siebenbürgen geborenen, im Banat aufgewachsenen und 1985 nach Süddeutschland übersiedelten Autorin Iris Wolff beginnt mit einer Überraschung: Nicht das erste Kapitel eröffnet das Buch, sondern das letzte, neunte. Ausgangspunkt ist das Jahr 1994, als der Protagonist Leonhard, genannt Lev, seine Freundin Kato nach fünf Jahren der Trennung in Zürich wiedertrifft. Beide sind Ende 30, befreundet seit Kindertagen und haben, wie die meisten Landsleute, die Öffnung der Grenze und das Ende der Ceaușescu-Diktatur in ihrer Heimat Rumänien herbeigesehnt. Während der bodenständige, zögerliche Lev jedoch nach der Revolution von 1989 in der Maramuresch, der waldreichen Region im Norden Rumäniens an der Grenze zur Ukraine geblieben ist, hat die mutige, freiheitsliebende Kato die erste Gelegenheit ergriffen und ist mit dem deutschen Fahrradtouristen Tom Richtung Westen geradelt. Als Straßenkünstlerin und mit Gelegenheitsjobs hat sie Europa bereist, Lev regelmäßig Postkarten geschickt, zuletzt mit nur einem Satz:

    "Wann kommst du?" (S. 19)

    Noch einmal möchte Lev Kato keinesfalls verlieren.

    Von neun nach eins
    Im Rückwärtsgang und somit in umgekehrter Reihenfolge der Kapitel, die wie Lichtungen den Blick auf Stationen im Leben von Kato und vor allem Lev freigeben, erzählt Iris Wolff von den prägenden Erfahrungen ihrer Figuren. Oftmals wird nur angedeutet oder bleiben Leerstellen, denn Iris Wolff traut ihren Leserinnen und Lesern erfreulich viel zu. Je mehr die Vergangenheit Schicht um Schicht freigelegt wird, umso mehr versteht man, was Lev und Kato zu dem hat werden lassen, was sie sind:

    "Jeder Augenblick enthält alles Gewesene, und war doch immer wieder ein Neubeginn." (S. 34)

    Beide haben schwerwiegende Verluste erlitten, die erst allmählich sichtbar werden. Lev wurde durch ein traumatisches Ereignis im Alter von 11 Jahren ans Bett gefesselt, Fluch und Segen gleichermaßen, da die Zeit der Krankheit zum Ausgangspunkt der Freundschaft mit Kato wurde. Anders als seine Freundin, die den Blick in die Welt richtet, sucht er, der eine siebenbürgisch-sächsische Mutter, einen früh verstorbenen rumänischen Vater und einen als Österreicher geborenen Großvater hat, nach seiner Identität, verweigert jedoch eine eindeutige Zuordnung.

    Ein erstes Highlight 2024
    Völlig zurecht hat Iris Wolffs fünftes Buch "Lichtungen" nur kurz nach seinem Erscheinen Platz eins der SWR-Bestenliste Februar 2024 erklommen. Mit seinen Themen und Charakteren hat mich der Roman begeistert: Die spürbare Zuneigung der Autorin zu ihren zahlreichen, durchweg interessanten Figuren überträgt sich fließend, die Ortsbeschreibungen sind detailliert und ebenso atmosphärisch wie das Spiel mit Licht, Geräuschen und Gerüchen, die rumänische Zeitgeschichte prägt das Leben aller spürbar und der bunte Themenstrauß wie Heimat und Zugehörigkeit, Umgang mit Verlust und Trauer, Sehnsucht nach Freiheit und der Wunsch zu bleiben, Freundschaft und Liebe hat mich durchgehend gefesselt. Herausragend ist wie immer Iris Wolffs Sprache, jedes Wort mit Bedacht gesetzt, einerseits messerscharf und klar, andererseits poetisch, bildreich, melodisch und nie kitschig. Absolut genial aber ist die Form des Rückwärtserzählens, weil sie kein aufgesetztes Stilmittel ist, sondern organisch die Aussage des Textes unterstreicht. Sie funktioniert durchgängig perfekt und macht Lust darauf, den Roman ein zweites Mal zu lesen, vielleicht sogar rückwärts.

    "Lichtungen" wäre zweifellos ein würdiger Kandidat für den Deutschen Buchpreises 2024. Ich jedenfalls drücke die Daumen!

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  1. Zu einander finden

    Das Buch von Iris Wolff erzählt uns von Lev und Kato, die erst ein Paar werden können, nachdem sie beide lange Wege und große Veränderungen durchgemacht haben. Während Lev, der in demselben rumänischen Dorf aufwächst wie Kato, relativ früh zu spüren scheint, dass Kato ihn fasziniert, gibt Kato sich zurückhaltend. „Sie wolle ihrer beider Freundschaft nicht gefährden“ - so der offizielle Grund, dem Lev nich recht traut. Er fühlt sich verletzt, unverstanden - sucht sein Glück anderswo, muss zum Militär ( was im
    Rumänien des Diktators Ceausescu einer Strafe gleichkommt), arbeitet in einem Sägewerk. Die Wege, die er geht, in seinem Dorf und anderswo, verfolgt man als Leser/in intensiv mit. Man entwickelt ein intensives Gefühl für die Umgebung, bekommt einen lebhaften Eindruck von dem Alltag unter der Diktatur und erfährt hautnah den Wandel nach dem Sturz des Regimes. Das zumindest angedeutete Happy End der Geschichte habe ich als zusätzliches Glück empfunden. Die enge Beziehung, die bei mir zu diesem Text entstand, ist mit Sicherheit der der Sprache der Autorin zu verdanken. Ab und an hätte die Geschichte in meinen Augen etwas mehr Handlung vertragen können - doch die unerhört schöne, fast an Lyrik grenzende Sprache macht diesen Mangel wieder wett. Ein Buch, das nachhallt.

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  1. Ein wundervoller Roman

    Es ist eine ganz besondere Verbindung zwischen Lev und Kato, eine Verbindung, die Lev nicht gewollt hatte und der er doch nicht entkommen konnte. Nach einem Unfall kann Lev nicht laufen und ist in seinem Zimmer, in seinem Bett gefangen. Kato soll ihm die Hausaufgaben bringen. Sie ist eine Außenseiterin – in der Schule und im Dorf. Doch sie kommt jeden Tag zu Lev und es entsteht eine Freundschaft. Später suchen beide ihren eigenen weg und während es Kato in die Ferne zieht, bleibt Lev dort, wo er schon immer war. Aber die Verbindung bleibt über die Postkarten, die Kato von ihrer Reise schickt. Und dann kommt eine Karte aus Zürich: „Wann kommst du?“ Sie treffen sich wieder und die Freundschaft ist immer noch da.
    Es ist eine ungewöhnliche Erzählweise, welche die Autorin Iris Wolff hier nutzt. Die Geschichte beginnt mit Kapitel Neun und geht immer weiter zurück in die Vergangenheit, zurück in die Kindheit von Lev. Aber es ist nicht nur Levs Geschichte, es ist auch Katos Geschichte. Iris Wolff erzählt meisterhaft, poetisch und einfühlsam. Sie verwebt die Erinnerungen von Lev mit den politischen Verhältnissen im Rumänien unter Ceaușescu, der Öffnung der Grenzen und den Traditionen der Menschen.
    Lev und Kato sind sehr unterschiedliche Persönlichkeiten. Sie nutzt die erste Gelegenheit, um aufzubrechen, frei zu sein und Neues zu erleben. Lev ist eher zögerlich, gibt vor, dass ihn doch einiges zurückhält. Als er nach Katos Abreise eine Fahrradtour macht, mit seinen Brüdern im Wald oder des Militärdienstes im Tunnel arbeitet, immer wieder zieht es ihn zurück nach Hause. Ob Lev und Kato wohl auch Freunde geworden wären, wenn es Levs Unfall nicht gegeben hätte?
    Aber auch die anderen Personen sind gut beschrieben und prägend für die Entwicklungen von Lev. Die Menschen um Lev herum wundern sich, dass Lev bleibt. Es braucht erst die Karte mit Katos Frage, die ihn dazu bringt, sein Umfeld zu verlassen.
    Mir hat dieser ruhig erzählte Roman um eine besondere Freundschaft sehr gut gefallen.

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  1. Vom Bleiben und vom Gehen

    ‚Manchmal kommt der Appetit beim Essen‘, lautet ein Spruch, der mir zu diesem Buch einfiel und für mich voll zutraf! War ich bei den ersten Seiten noch recht skeptisch, brauchte erst ein wenig (auch wegen der ungewohnten Art, die Handlung rückwärts erzählt zu bekommen), so kam ich von Seite zu Seite mehr auf den Geschmack, kam der ‚Appetit‘, und konnte es zuletzt gar nicht mehr aus der Hand legen.

    Erzählt wird die Geschichte von Lev und Kato in Siebenbürgen: ihren Familien, ihren Entwicklungen, von Konstanz und Aufbruch, aber auch die Geschichte von Siebenbürgen und die Auswirkungen der kommunistischen Diktatur auf ihre Bewohner. (Aussage: ‚Diebstahl war eine Form des Widerstandes‘!)

    Begeistert hat mich auch die Sprache: wunderschöne Sätze sind zu lesen wie z.B. ‚Lev kannte jenen Hochmut, der allein darauf resultierte, dass man jung war‘ (Kapitel 8) ‚Sie lebten in einer preisgegebenen Welt. Einer Welt an der Schwelle. Kato hatte es wahrgenommen, er nicht‘ (Kapitel 7) oder Lebensweisheiten wie ‚Wenn man die Schwiegereltern besucht, sollte man die Jacke anziehen müssen‘ (Kapitel 6).

    Wunderschöne Szenen, wie Camil und seine Begeisterung für Amseln, die Erlebnisse mit Khalil, dem Kater, usw. (Bei dieser Vielseitigkeit habe ich Probleme, in einer Rezension diesem Buch gerecht zu werden.) + interessante und starke Charaktere, wie z.B. Oma Bunica und Imre, der Chef von Lev, zeichnen dieses Werk aus!

    Alles in allem: das neueste Buch von Iris Wolff kann ich (nach ‚Die Unschärfe der Welt‘ und ‚So tun, als ob es regnet‘) wieder wärmstens empfehlen und vergebe die Höchstzahl an Sternen!

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  1. Lev und Kato

    Die Geschichte einer Freundschaft, die während der kommunistischen Ära Rumäniens entsteht, und nach der Öffnung der Grenzen eine Zerreissprobe erfährt.

    In den ersten beiden Kapiteln musste ich mich noch ein bisschen an den sprachlichen Stil gewöhnen, muss ich zugeben, aber später bin ich dann gut in den Fluss gekommen. Iris Wolff erzählt sehr präzise und bildhaft. Die Hauptfigur Lev ist mir sehr sympathisch gewesen, aber auch die Nebenfiguren waren interessant.

    Das rückwärts Erzählen als Stilmittel war mir nicht neu. Neu war mir allerdings, dass damit kein großer Spannungsbogen verbunden war. Es handelt sich bei Lichtungen eher um einen leisen Roman, der von den Figuren und der feinfühligen Sprache lebt. Durch das rückwärts Erzählen ist es weniger so, dass ein Geschehnis vom Romananfang erklärt wird, sondern vielmehr so, dass man die Hauptfigur Lev immer besser kennenlernt und immer mehr in ihre innersten Erinnerungen vordringt. Erinnerungen sind ein Leitmotiv dieses Romans ebenso wie die Themen Verlust, nationale Identität, Gehen und Bleiben.

    Der Schluss des Romans hat mir zuerst weniger gefallen, weil ich ihn als etwas lückenhaft und kitschig empfunden habe, konnte mich aber durch die Relativierung, dass frühe Kindheitserinnerungen nun mal lückenhaft sind, am Ende doch damit anfreunden.

    Ich wusste vorher so gut wie nichts über Rumänien und habe durch die Lektüre viel Interessantes über Geschichte und Kultur des Landes gelernt; zum Beispiel, dass es die Minderheit der Siebenbürger Sachsen gibt und dass die Region Siebenbürgen am Anfang des 20. Jahrhunderts zu Österreich-Ungarn gehörte, dann ab 1919 zum Königreich Rumänien, zwanzig Jahre später wieder Ungarn, vier Jahre später wieder Rumänien.

    Insgesamt hat mir die Lektüre sehr gefallen, sodass ich 5 Sterne gebe und in Zukunft bestimmt noch mehr von Iris Wolff lesen werde.

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  1. Von Freundschaft und der Suche nach der eigenen Identität

    Maramuresch, im Norden Rumäniens: Lev und Kato sind seit Kindheitstagen eng miteinander befreundet. Doch nach dem Ende des Ceauşescu-Regimes trennen sich ihre Wege. Während Kato gemeinsam mit ihrem Freund Tom als Straßenkünstlerin durch Europa zieht, sieht sich Lev noch nicht bereit, die Heimat zu verlassen. Als ihn eines Tages eine Nachricht von Kato erreicht, gerät er ins Grübeln. Der Inhalt: die drei folgenschweren Worte "Wann kommst du?"

    Was hält eine Freundschaft aus, wenn einer den anderen verlässt? Wie viele Verluste kann man ertragen? Und wie definiert man eigentlich Heimat? Von diesen und anderen bedeutsamen Fragen schreibt Iris Wolff in ihrem neuen Roman "Lichtungen", der kürzlich bei Klett-Cotta erschienen ist.

    Kennt man mehrere Werke der siebenbürgischen Autorin, sticht einem das Herzensthema Iris Wolffs unmittelbar ins Auge. Es ist der Umgang mit der Heimat, das Finden der Identität, die Auseinandersetzung mit der Sprache. So war es beispielsweise in "So tun, als ob es regnet" und so ist es auch in "Lichtungen". Protagonist Lev ist dabei eine Art Prototyp dieser Zerrissenheit, er ist die Minderheit innerhalb einer Minderheit. Da gibt es die siebenbürgisch-sächsische Mutter, den rumänischen Vater und den österreichischen Großvater. Und während Großvater Ferry, die wohl schillerndste Figur des Romans, glaubt, Zugehörigkeit sei vielleicht nichts anderes als eine Entscheidung, kann oder will Lev genau diese nicht treffen. "Er verweigerte sich der Zuteilung in Deutsch oder Rumänisch", schreibt Wolff fast ein wenig lapidar relativ früh im Roman und setzt im Hinblick auf ihre Hauptfigur damit gleich einmal ein Ausrufezeichen.

    Eine Überraschung im Hinblick auf die Erzählstruktur erfährt man sogar noch früher, denn "Lichtungen" beginnt mit Kapitel neun - und wird rückwärts erzählt. Wer sich nun etwas erschrocken an Inger-Maria Mahlkes Buchpreis-Gewinner "Archipel" erinnert, dem sei zur Beruhigung gesagt: Bei Iris Wolff funktioniert dieses rückwärtsgewandte Erzählen gut und gibt "Lichtungen" einen Originalitätsbonus, denn diese Art des Erzählens ist noch immer selten. Wobei der Roman gleichzeitig auch die Grenzen dieser Erzählart offenlegt. Denn tatsächlich gehen einige Nebenfiguren zu Beginn des Buches ein wenig unter, weil man sie als Leser:in schlicht noch nicht auf dem Schirm hat und sie erst viel später besser kennenlernt. Zudem nährt sich die Spannung nicht wie sonst üblich aus dem fortschreitenden Verlauf der Handlung, sondern aus dem Wissen, was bereits geschehen ist und wie es dazu kommen konnte.

    Sprachlich glänzt "Lichtungen" durch die Mischung aus Poesie und feinsinniger Empathie der Autorin. Diese ist einerseits im liebevollen Umgang mit ihren Figuren zu erkennen, vor allem aber auch in den Szenen, in denen sich Lev als eine Art Anti-Kato auf den Weg in das Land Rumänien hineinbegibt, während Kato durch Europa reist. Die Menschen, Farben und Stimmungen, die Wolff hier beschreibt, sind nichts anderes als eine literarische Liebeserklärung an dieses vielfältige Land. Es sind ohnehin vor allem die leisen und melancholischen Momente, die sprachlich überzeugen und darüber hinwegsehen lassen, dass einige Szenen und poetischen Vergleiche vielleicht etwas zu bedeutungsschwer geraten sind.

    Die titelgebenden "Lichtungen" sind die jeweiligen Erinnerungen, die dem Roman die inhaltliche Struktur vorgeben. So reisen wir gemeinsam mit dem anfangs erwachsenen Lev und dessen Wiedersehen mit Kato in Zürich zurück bis zum fünfjährigen Lev und einem ganz besonderen Moment mit seinem Vater, der dem Buch einen sprachlich und inhaltlich krönenden Abschluss bietet. Ohnehin sind es die einzelnen Szenen, die inhaltlich überzeugender sind als der Roman in seiner Gesamtheit. Die eigentliche Geschichte ist nämlich nicht sonderlich überraschend, muss sie aber vielleicht auch gar nicht sein, wenn sie insgesamt so warmherzig erzählt wird, wie es Iris Wolff gelingt.

    "Lichtungen" ist insgesamt ein vor allem sprachlich gelungener Roman über Freundschaft, Liebe, Verlust und Identität, der zwar nicht ganz die Intensität von "So tun, als ob es regnet" erreicht, derselben Zielgruppe aber ohne Wenn und Aber ebenfalls gefallen sollte.

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  1. Vom Leben mit Verlusten und Erinnerungen

    Poetischer und bildhafter Roman über Freundschaft und Liebe, Weggehen und Ankommen, Zugehörigkeit und Lebensziele

    Abgesehen davon, dass das wunderschöne zarte Cover mit dem Vogel den Blick auf sich zieht, fällt gleich die Struktur des Romans auf: es wird ungewöhnlicherweise rückwärts erzählt, von Kapitel 9 bis 1. Aber vielleicht ist es doch nicht so ungewöhnlich, denn wenn man jemanden kennenlernt, geht man auch vom Gegenwärtigen aus und dann in der Zeit zurück. Allerdings erfordert das vom Leser ein sehr aufmerksames Hingucken und – ich kann es gleich schreiben – am besten liest man den Roman gleich danach ein zweites Mal.

    Es geht um zwei ganz unterschiedliche Menschen aus dem rumänischen Maramuresch, einer Waldgegend im Norden, Kato und Lev. Aus Levs Gedankenwelt wird die Geschichte erzählt und sie ist so vielschichtig und gibt dem Leser so viele Gedankenanregungen, dass man gar nicht alles in einer Rezension erfassen kann. Es geht um Freundschaft und Liebe, ums Ankommen und Weggehen, um Identität und Zugehörigkeit, um Lebensträume, um die Verarbeitung von Verlusten und vieles mehr.

    Lev ist tief in seiner Heimat und der Familie verwurzelt, auch wenn er sich nicht eindeutig zuordnen will, ist doch der Vater rumänisch, die Mutter siebenbürgisch-deutsch, der Großvater bezeichnet sich als österreichisch. Kato dagegen zieht es in die Ferne; sie ist in ihrem kleinen Heimatdorf unglücklich. Das führt sie durch ganz Europa, wo sie als Straßenmalerin und mit Gelegenheitsarbeiten ihren Lebensunterhalt bestreitet. Sie ist – wie man so schön sagt – auf der Suche nach sich selbst und scheint am Ende gefunden zu haben, wonach sie suchte. Sie lädt Lev zu sich nach Zürich ein und reist mit ihm zusammen zurück.

    Obwohl ich jetzt mehr über Kato geschrieben habe, geht es primär gar nicht um sie, sondern um Lev, um seine traumatischen Erinnerungen, die mit 'Lichtungen' verglichen werden – so der Titel – um seine Verluste und deren Überwindung.

    'Erinnerungen waren über die Zeit verstreut wie Lichtungen' (S. 76 )

    Er ist ein überaus sensibler Mensch, der sich tiefschürfende Gedanken macht, solche, die immer aktuell sind, die allgemein menschlich sind und deshalb auch den Leser ansprechen und zum Nachdenken bringen. Es sind auch die alltäglichen Beobachtungen, die wir alle machen, die Iris Wolff aber in eine poetische Sprache packt, die Bilder im Leser hervorrufen. Außerdem kann man davon ausgehen, dass einiges im übertragenen Sinne gedeutet werden kann, also symbolisch gemeint ist, z.B. eine schwarze Krähe, die für Trauer und Depression steht.

    Natürlich wird eine Geschichte nicht im luftleeren Raum erzählt. Hier ist es die Zeit der Diktatur unter Ceaușescu mit dem allgegenwärtigen Geheimdienst Securitate und die Zeit nach der Revolution. Ganz nebenbei erfahren wir, was das alles mit den Menschen macht, welche Auswirkungen es auf ihr Leben hat.

    Fazit

    Für mich ist das Hauptthema – ganz aus Levs Sicht erzählt – wie er seine Verluste verarbeitet, wie er und Kato wieder zueinander finden, wie er sich selber findet, obwohl doch Kato auf der Suche war.

    Ein großartiger Roman, der mich so schnell nicht loslassen wird: so melancholisch, so feinfühlig, aber auch fordernd und anregend, sich zu diesem und jenem Gedanken zu machen. Ein Buch, das gar nicht dick aussieht, aber unglaublich reichhaltig ist und für das ich gerne ein Empfehlung ausspreche.

    Iris Wolff sagt: "Buchstaben auf Papier werden womöglich erst Literatur, wenn sich jemand zu dem Text in Beziehung setzt. Erst dann verwandelt er sich und wird lebendig."

    'Zwischen Gestern und Morgen gab es nur eine hauchdünne Schicht' (10)

    'Man ist, einmal gegangen, immer ein Gehender.' (27)

    'Jeder Augenblick enthält alles Gewesene, und war doch immer wieder ein Neubeginn.' (34)

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  1. 4
    21. Jan 2024 

    Gesang der Amsel

    Wann kommst du?, lautet der Satz, der Lev nach Zürich holt. Er wird seine Jugendfreundin Kato wiedertreffen. Schon als Kinder haben sie sich kennengelernt. Damals war Lev krank und Kato wurde an sein Krankenbett geschickt, um ihm die Aufgaben zu bringen. Gerade Kato, die von den anderen etwas schräg angesehen wurde. Doch Lev merkt schnell, Kato hat einen wachen Geist und für diese Außenseiterposition kann Lev keinen Grund finden. Aber das ist lange her. Inzwischen ist die Mauer gefallen und viele Rumänen haben sich die neue Freiheit genommen, den Westen zu erkunden, während Lev in heimatlichen Gefilden geblieben ist.

    Ihre Wege führen in unterschiedliche Richtungen und möglicherweise doch irgendwann zusammen. Zumindest über die Postkarten sind sie in Verbindung geblieben. Und nun fährt Lev nach Zurüch. Wie Lichtungen ragen die Erinnerungen auf. Wie war es mit Kato? Wo war sei vor Zurüch? Und davor? Und wo war er? Wie hat sich ihre Freundschaft entwickelt? Hätte da mehr sein können? Kann da mehr sein? Hätten sie sich überhaupt kennengelernt, wenn seine Erkrankung nicht gewesen wäre? Und ihre schönen Bilder, viele davon vergänglich, weil auf die Straße gezaubert.

    Erwachsenwerden im damals noch kommunistischen Rumänien. Ein Land mit einer wechselvollen Geschichte, welche sich auch in den Familienerzählungen niederschlägt. Veränderungen bringt die Wende auch in diesem etwas entlegenen Land. Lev und Kato werden als Kinder eher vom Zufall zusammengebracht. Und doch wächst eine zarte, aber unverbrüchliche Freundschaft. Aus ihren Erinnerungen und Gedanken speist sich dieser berührende Roman, der langsam zum Anfang führt. In teilweise poetischen Bildern beschreibt die Autorin die Erinnerungsinseln. Die Beschreibung als Lichtung erscheint sehr treffend. Der Gesang der Amseln, Katos ausdrucksvolle Bilder, ihre Neugier an der Welt. Dagegen Levs Heimatverbundenheit. Iris Wolf weiß wie sie ihre Leser und Leserinnen fesselt und Bilder vor ihren Augen erstehen lässt. Stimmig und schön anzuschauen ist auch das Titelbild.

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  1. Facettenreich, poetisch und beeindruckend

    „Erinnerungen waren über die Zeit verstreut wie Lichtungen. Man begegnete ihnen nur zufällig und wusste nie, was man darin fand.“ (Zitat Seite 76)

    Inhalt
    „Wann kommst du?“ Mehr steht nicht auf dieser Karte, die Lev eines Tages von Kato aus Zürich erhält. Kato, in der Schule die eigenwillige Außenseiterin, auch in seinen Gedanken zunächst nur „das Mädchen“, hat vor vielen Jahren dem elfjährigen Lev, der über viele Wochen krank im Bett lag, die Hausaufgaben gebracht. Rasch wurde sie zu seiner besten Freundin. Dennoch trennen sich ihre Wege, als Kato, sobald es endlich möglich ist, Rumänien zu verlassen und frei zu reisen, sich auf eine Reise durch Europa begibt, während Lev in Rumänien bleibt. Auch er beschließt zu reisen, doch seine Reise führt ihn nur auf den Spuren seiner Familie und Kindheit durch Rumänien. Nach dem Erhalt dieser Karte reist Lev nach Zürich und sie sehen einander nach vielen Jahren wieder. Es ist Sommer und die nächsten sechs Wochen lang reisen sie gemeinsam. „Für ihn war diese Reise ein Aufbruch, für sie in Übergang, vielleicht sogar Abschluss. Und doch hatten sie sich in diesen gegensätzlichen Bewegungen wiedergefunden.“ (Zitat Seite 10)

    Thema und Genre
    In diesem Roman geht es um eine tiefe Freundschaft zweier Menschen, die trotz der völlig gegenseitigen Entwicklung bestehen bleibt. Gleichzeitig ist es eine Geschichte über das Leben der Menschen im kommunistischen Rumänien, über die unterschiedlichen Identitäten, Herkunft, Sprache und Familiengefüge. „Seine Herkunft war in seinem Akzent, war ihm eingenäht in Kleidung und Schuhe.“ (Zitat Seite 22, 23) Damit verbunden ist die Frage, was Heimat bedeuten kann und wie das Aufwachsen in Unfreiheit unter einer Diktatur das spätere Leben prägt, ein wichtiges Thema.

    Charaktere
    Die Künstlerin Kato ist gerne unterwegs, aber sie weiß nicht, was sie nach diesem Sommer tun wird, sie sehnt sich nach einer neuen Aufgabe. Levs Lebensmittelpunkt ist statisch und in Rumänien geblieben, in der dörflichen Umgebung seiner Heimat. Noch während des Ceaușescu-Regimes hätte er mit seinem Großvater Ferry nach Wien fliehen können, doch Lev bleibt in Rumänien. Ferry ist neben den beiden Hauptcharakteren eine der vielen weiteren Figuren, die jeweils für ihre unterschiedliche Herkunft, Wurzeln und persönliches Verhalten während und nach der Zeit der kommunistischen Diktatur stehen und so ein facettenreiches, intensives Bild Rumäniens bieten.

    Erzählform und Sprache
    Iris Wolff hat eine besondere Erzählform für ihren Roman gewählt, sie erzählt die Geschichte zeitlich chronologisch, jedoch rückwärtsgewandt, beginnend mit der Gegenwart und endend in Levs Kindheit. Damit ergeben sich beim Lesen nicht die Fragen, was wird als nächstes passieren, sondern, was ist damals passiert, wie erklären sich die unterschiedlichen Lebenswege und Entscheidungen von Lev und Kato. Neue Figuren tauchen auf und sind uns zunächst fremd, erst mit den nachfolgenden Kapiteln lernen wir sie kennen, ihre Geschichte und damit auch die Zusammenhänge. Eindrückliche Beschreibungen Rumäniens, seiner Dörfer und Städte, der Natur und vor allem auch der vielen unterschiedlichen Volksgruppen und der politischen Verhältnisse ergänzen die Handlung. Die Sprache ist leise, eindrücklich, poetisch und ist wunderbar zu lesen.

    Fazit
    Ein beeindruckender, lange nachhallender Roman, der durch die Erzählform und die Vielfalt wichtiger Themen überzeugt und dessen wunderbare Sprache das Lesevergnügen vollkommen macht.

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  1. "Erinnerungen waren über die Zeit verstreut wie Lichtungen.“

    Der Protagonist Lev ist zu Beginn der Handlung ca. Mitte-Ende 30 und arbeitet in einem privatisierten Sägewerk in Rumänien. Geboren im kommunistischen Vielvölkerstaat während der Diktatur Ceaușescus, stellt er sich als Kind die Frage "was er sei. (...) Bei einer siebenbürgisch-sächsischen Mutter, einem rumänischen Vater und einem österreichischen Großvater sei die Sache nicht so einfach." (S.232)
    Für Iris Wolff, die selbst mit ihrer Familie 1986 Siebenbürgen Richtung Deutschland verlassen hat, ist die Frage der Zugehörigkeit ein zentrales Thema des Romans.
    Die Unsicherheit, welche Identität er hat, bestimmt Levs Leben und weckt in ihm den Wunsch nach Konstanz und Sicherheit. Auch ein tragische Unfall in seiner Kindheit sowie der frühe Verlust seines Vaters führen zu diesem Wunsch und prägen entscheidend sein Leben.

    "Lev hatte kaum Erinnerungen an seinen Vater, der bei einem Bergrutsch verunglückte, als er fünf Jahre alt gewesen war." (S.240)

    Diese wenigen Erinnerungen sind wie "Lichtungen", immer wieder taucht dieses Motiv des Titels in den einzelnen Kapiteln auf, die die prägenden Situationen aus Levs Leben, an die er sich erinnert, erzählen.

    "Jeder Augenblick (...) enthielt alles Gewesene, und war doch immer wieder ein Neubeginn." (S.34)

    Als Leserinnen und Leser steigen wir mit einem Neubeginn ein.

    „Dieselgeruch, Lautsprecherdurchsagen, vom Wind zerhackt; er war so stark, dass sie sich schräg gegen ihn lehnen konnten, mit aufgeblähten Shirts, flatternden Hosen, Brausen in den Ohren, im Kopf, im Körper. Noch Minuten später, im Inneren der Fähre, war dieses Brausen zu spüren, ein Nachbeben, Nachklang, und Lev dachte unwillkürlich daran, wie Sägeblätter in eigenwillig-summendem Takt nachschwangen, wie der Boden mit einem Mal ruhig wurde, und das Sägemehl, das über der Maschine schwebte, herabfiel – leicht verzögert, verwundert, von der Schwerkraft überrascht.“ (S.9)

    Wir erfahren, dass Kato, Levs Freundin seit Kindertagen, die Rumänien nach der Öffnung der Grenzen verlassen hat und als Straßenkünstlerin ihr Geld verdient, ihn zurück nach Rumänien begleiten wird.

    „Wir reisen gemeinsam zurück?“ (…) „Ja“, sagte Kato. Einfach nur: Ja. Das reichte ihm für den Moment.“ (S.11)

    Auch wir reisen zurück, denn Iris Wolff erzählt Levs Leben bis zu jenem Moment rückwärts in neun Kapiteln. Dabei ist jedem Kapitel ein passendes Zitat vorangestellt, das im Zusammenhang mit der Handlung steht und diese sozusagen beleuchtet.

    Aufgrund der Erzählweise liegt der Fokus in Bezug auf Kato und Lev, wie es zu dem Moment kommt, da sie mit ihm zurückkehren möchte. Warum ist sie ohne ihn in den Westen? Wie ist es dazu gekommen, dass sie ihm geschrieben hat, er solle kommen. Warum hat er sie nicht vorher besucht?
    Sukzessive tauchen wir in Levs Vergangenheit ein, aus seiner personalen Perspektive wird seine Geschichte erzählt, die mit Katos eng verknüpft ist.
    Schritt für Schritt entblättert sich sein Leben vor uns, bis wir in seiner seiner frühen Kindheit angelangen. Obwohl man weiß, dass es zwischen Lev und Kato eine Art "Happy End" gibt, liest man doch mit Spannung, entdeckt die verschiedenen Figuren in Levs Leben, welche Bedeutung sie für ihn haben und welchen Einfluss sie auf ihn ausüben. Manches bleibt vage und wird nicht erklärt.

    „In allem gab es diese Dunkelstellen, wo die Erfahrung aufhörte und die Erinnerung anfing. Etwas blieb, und etwas ging verloren, manches schon im Augenblick des Geschehens, und wie sehr man sich auch bemühte, es tauchte nie wieder auf."

    Insgesamt ein wunderbarer Roman, der von einer besonderen Freundschaft erzählt, von der Frage nach der eigenen Identität und danach, was uns im Leben prägt - und das in einer außergewöhnlichen metaphorischen Sprache. Iris Wolff verfügt über eine besondere Beobachtungsgabe, lässt mit ihren Worten sofort Bilder im Kopf entstehen, die es mir leicht machen in diese Geschichte einzutauchen.
    Auch das liebevoll gestaltete Cover sorgt dafür, dass man dieses Buch nicht mehr aus der Hand legen möchte.

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We Are Water

Buchseite und Rezensionen zu 'We Are Water' von Wally Lamb
5
5 von 5 (1 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "We Are Water"

Diskussionen zu "Dracula - Große kommentierte Ausgabe"

Autor:
Format:Taschenbuch
Seiten:576
Verlag: HarperCollins
EAN:9780007532865
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Rezensionen zu "We Are Water"

  1. Familienroman out of the box.

    Ich weiß noch, wie begeistert ich war ...

    Während Annie Oh in New York sitzt und sich auf die Hochzeit mit Viveca vorbereitet und Orion Oh auf dem Weg nach North Truro ist, lassen beide, unabhängig voneinander ihre 27jährige Ehe Revue passieren.

    Familienromane sind nicht so leicht zu schreiben, obwohl ich sie immer für das Leichteste hielt, was ein Autor aufs Papier bringen kann, denn Familie hat schließlich jeder und von daher kann ein Autor aus dem Vollen schöpfen. Aber so ist es dann doch nicht. Denn von den sogenannten Familienromanen, die mir in der letzten Zeit untergekommen sind, war einer schrecklicher als der andere, ein furchtbarer Murks und Sybil Volks „Wintergäste“ war ein besonderer Lesetiefpunkt, ein Knock-out sozusagen.

    Da geriet Wally Lamb auf meinen Tisch. Glücklicherweise. Wally Lamb hat mich darin bestätigt, dass ich von einem guten Schriftsteller mit Fug und Recht eine gut durchdachte Geschichte mit komplexen, individuellen, vielschichtigen, originellen Protagonisten verlangen kann, die gerade deshalb stimmig sind, weil mit einigen Widerhaken und Widersprüchen oder Brüchen versetzt. Denn genau so sind Menschen, weit entfernt davon, nur schablonenhafte Informationsträger zu sein wie zum Beispiel in A. Gesthuysens letztem Roman "Sei mir ein Vater", aber auch wie in vielen anderen, meiner Meinung nach hingeschluderten Romanen. Ein guter Autor entwirft überdies einen Handlungsaufbau, der über Hunderte von Seiten hinweg, Logik, Spannung und Überraschung hoch hält, einschließlich eines Endes, an dem jedes Puzzleteil schließlich da ist, wo es hingehört. Und dies alles in passabler Sprache.

    Was heißt, Wally Lamb ist ein sehr guter Schriftsteller, der mit „We are water“ einen phantasievollen und komplexen Familienroman geschrieben hat, sozusagen einen Familienroman out of the box.

    Annie ist eine Künstlerin, die ihren Weg macht. Ihre Anfänge in der Malerei und Bildenden Kunst sind aggressiv und doch zaghaft, ihre Collagen von verstörender Kraft. Orion Oh ist Psychologe, erfolgsgewöhnt, doch bekommt er zunehmend Probleme in seiner Welt, seine Karriere stockt, bröckelt. Gibt es irgendetwas zu retten oder ist tatsächlich alles verloren, einschließlich seiner Ehe?

    Wir begegnen in „We are water“ faszinierenden Persönlichkeiten. Nicht nur die Eheleute, auch deren erwachsene Kinder haben eine Stimme. Bis in die zahlreichen Nebenfiguren hinein, hat Lamb ungewöhnliche Details investiert und ein Gesamtbild von gewaltiger Suggestion geschaffen. Sex wird nicht ausgespart, da er zum Leben gehört, doch verhält es sich damit grundsätzlich so: Es gibt Schriftsteller, die darüber schreiben können und es gibt solche, die können es nicht. Die letzteren sind in der Mehrzahl und sollten es lassen. Lamb schreibt über Sex, reichlich sogar, nicht um besser zu verkaufen, obwohl er den Effekt sicherlich erfreut zur Kenntnis nimmt, sondern, er benutzt Intimität, um etwas zu illustrieren, u.a. Leid und tiefe Verletzungen, aber auch Vertrautheit und Zärtlichkeit.

    Für meinen Geschmack gab es insgesamt einen Hauch Drama zu viel, doch alles in allem ragt der Roman weit über alles hinaus, was ich in letzter Zeit im Genre gute Unterhaltung oder Familenromane las. (Das ist jetzt allerdings schon wieder ein paar Jahre her). Fest steht, dass Wally Lamb einer der wenigen, wirklich begnadeten Erzähler unserer Zeit ist. Es könnte aber natürlich auch sein, dass die amerikanischen Schriftsteller einfach besser sind als unsere.

    Fazit: Empfehlenswert.

    Kategorie: Gute Unterhaltung
    Verlag: Harper Collins, 2013

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Vertrauen

Buchseite und Rezensionen zu 'Vertrauen' von Henry James
4
4 von 5 (2 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Vertrauen"

Diskussionen zu "Dracula - Große kommentierte Ausgabe"

Autor:
Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:416
EAN:9783910228214
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Rezensionen zu "Vertrauen"

  1. Die letzten beiden Seiten geben mir die Antwort.

    Cover und Umschlaggestaltung

    Man muss erst einmal reinkommen in diesen israelischen Krimi. Die Vielzahl von fremdländischen Namen haben mich verwirrst, zumal für den gleichen Protagonisten oft der Vorname und im nächsten Absatz der Nachname genannt werden. Und dann fast der gleiche Text auf dem zweiten und vierten Buchumschlag, wobei vorne der ersten Satz mit "Beide" beginnt und man erst die nächsten Sätze lesen muss, um die rückbezügliche Bedeutung zu begreifen.

    All dies nicht dem Israeli Deror Mishʿani anzulasten, der seinen Krimi auf Hebräisch schrieb. Auswahl von Übersetzer und Umschlaggestaltung ist Sache des schweizerischen Diogenes-Verlags.

    Erste Seiten

    Der Kampf des Lesers durch die ersten Seiten und eine zugegebenermaßen verzwickte Handlung lohnt sich. Charaktere und Hintergrundgeschichte werden liebevoll und elegant eingeführt. Der Autor verzichtet auf schablonenhafte Schwarz-Weiß-Zeichnung, was bei Krimis heutzutage fast schon Standard ist. Man kann sich so fast jeden der Protagonisten, ob sie nun zu den scheinbar guten oder den scheinbar bösen gehören, wunderbar einfühlen.

    Souveräner Umgang mit multipersonalen Erzählperspektiven und fließenden Übergänge zwischen innerem und erzählten Dialog, das ist wirklich große Literatur!

    Handlung und Figuren

    Wer zu den Guten und zu den Bösen gehört, wird erst nach 350 Seiten klar. Im Laufe der Erzählung entwickelt sich ein Rededuell zwischen der Kriminalkommissarin, die an einer fürchterlichen Augenkrankheit leidet, und einer zickigen Frau aus der Unterschicht. Jene jedoch einen Plan hat, tischt mit raffinierter Strategie eine Lügengeschichte nach der anderen auf. Die Hintergründigen Hintergründe der Hintergründe enthüllen sich gleich einer Zwiebel, die man schält, Schale um Schale – wobei dem Leser die Tränen in die Augen steigen können.

    Ähnlich verhält es sich bei den Untersuchungen der Kollegen der Erblindenden bei der israelischen Polizei, der nach Paris reisen muss, um einen vagen Verdacht bestätigt zu bekommen, dass es sich bei einem ermordeten jüdischen Geschäftsmann um einen Agenten handelt und warum der Geheimdienst Mossad keinerlei Interesse an der Aufklärung des Falls hat.

    Beide Erzählstränge sind genial miteinander verknüpft. Feinstes Lesevergnügen. Man muss als Leser halt erst einmal reinkommen in die Geschichte, dem Buch eine Chance geben.

    Lieblingsstelle

    Ziemlich am Ende des Buches zitiert Dror Mishani aus "Don Quijote" von Cervantes. Die Geschichte vom Ritter mit der traurigen Gestalt, der gegen Windmühlenflügel ankämpft., ist bekannt - jedoch:

    Auf Seite 323 lässt der Autor das Zitat aus dem Munde seiner Figur Ben-Chayat jedoch folgendermaßen kommentieren:

    "Bei uns auf jeden Fall ist es umgekehrt, Avi. Denken Sie daran. Bei uns sind Leute, die wie Windmühlenflügel erscheinen mögen, in Wahrheit gewaltige Riesen mit todbringenden Armen, die sehr, sehr weit reichen."

    Spoilerwarnung

    Allen meinen üblichen Leser-Gewohnheiten zum Trotz habe ich in diesem Krimi auf das Ende geschielt, weil es mir momentan ähnlich geht und ich wie Kriminalkommissar Avraham angesichts der Übermacht von Bürokraten in die Knie gehe. Soll ich meinen Kampf gegen Windmühlenflügel aufgeben, weil sie in Wahrheit gewaltige Riesen sind? Die letzten beiden Seiten geben mir die Antwort.

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  1. 3 Sterne

    Klappentext:

    „In einem Vorort von Tel Aviv wird vor einem Krankenhaus ein Neugeborenes gefunden. Am selben Tag verschwindet ein Tourist und lässt sein Gepäck im Hotelzimmer zurück. Inspektor Avi Avraham hat genug von Bagatellfällen und häuslichen Dramen. Deshalb stürzt er sich gleich in den rätselhaften Vermisstenfall. Doch bald merkt er, dass auch das Private Sprengstoff birgt – und gerät in ein Labyrinth aus Gewalt und Täuschung, das ihn bis nach Paris führt und nicht nur mit dem Mossad in Konflikt bringt.“

    Autor Dror Mishani hat sich mit seinem Roman „Drei“ fest bei mir ins Lesergedächtnis eingebrannt. Mit seinem aktuellen Roman „Vertrauen“ gehen wir Leser wieder in die Kategorie Krimi. Ich muss gestehen, man sollte hierbei die ersten Bände der Reihe rund um Ermittler Avi Avraham doch gelesen haben um ein besseres Verständnis für die Person zu erhalten. Ich stand dabei etwas im Regen da ich die andere Bücher der Reihe nicht kannte. Der Plot der Story rund um den Vermisstenfall und alle anderen „Bagatellen“ geben gewisses Futter für eigene Gedanken aber dennoch hält uns der Autor an der Stange. Es gab dennoch langwierige Parts mit für mich mit unverständlichen Aspekten und langweiligen Gesprächen. Der Leser ist bei zwei Fällen gleichzeitig präsent und verfolgt die Arbeit Avrahams mit. Ich konnte trotz allem keine richtige Bindung zu ihm aufbauen und verstand so manches Mal nicht wirklich was Mishani mir damit sagen wollte. Der Krimi war für mich weder Fisch noch Fleisch. Ich bin nicht richtig warm geworden aber schlecht war er wiederum eben auch nicht. Ich reihe mich hier in die Leserschaft ein, die den Roman als „verwirrend“ beschrieben hat, denn genau so habe ich ihn beendet. 3 von 5 Sterne für diesen „Krimi“ der anderen Art.

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