Franz Werfel: Die vierzig Tage des Musa Dagh

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Inhaltsangabe zu "Franz Werfel: Die vierzig Tage des Musa Dagh"

Diskussionen zu "Franz Werfel: Die vierzig Tage des Musa Dagh"

Autor:
Format:Kindle Ausgabe
Seiten:674
Verlag: eClassica
EAN:
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Hotel Amerika: Roman | Reclams Klassikerinnen

Buchseite und Rezensionen zu 'Hotel Amerika: Roman | Reclams Klassikerinnen' von Maria Leitner
5
5 von 5 (2 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Hotel Amerika: Roman | Reclams Klassikerinnen"

Diskussionen zu "Franz Werfel: Die vierzig Tage des Musa Dagh"

Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:255
EAN:9783150114766
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Rezensionen zu "Hotel Amerika: Roman | Reclams Klassikerinnen"

  1. Lebenswelten im New Yorker Luxushotel der 1920er Jahre

    Maria Leitner war „eine Pionierin der investigativen Sozialreportage“ (S. 225). Man merkt dem Roman an, dass die Autorin selbst in verschiedenen Hotels gearbeitet hat und sie die dort herrschenden Bedingungen sehr gut kannte. Anders lassen sich Authentizität und Nähe zu den Figuren nicht erklären.

    Leitner wendet ihren Blick den zahllosen einfachen Arbeiter/innen zu, die im Mikrokosmos des Hotels Amerika ihren Dienst tun. Es gibt strenge Hierarchien, getrennte Schlaf- und Speiseräume. Die Scheuerfrauen und Stubenmädchen stehen am Ende der Fahnenstange. „Die Trennung erfolgt aber nicht nur nach der Stellung, sondern auch nach den Geschlechtern und der Rasse.“ (S. 105) Die ungelernten (und damit austauschbaren) Arbeitskräfte sind meistens Einwanderer oder Schwarze. Letztere sind einem latenten Rassismus ausgesetzt, werden aber für ihre positive Lebenseinstellung bewundert. Shirley stammt aus Irland. Sie ist jung, ein bisschen naiv und arbeitet seit sechs Jahren zusammen mit ihrer Mutter Celestine im Hotel. Shirley leidet unter der harten Arbeit, den unwürdigen Bedingungen und dem kargen Lohn. Sie träumt von einem besseren Leben, zu dem ihr ihr neuer Freund verhelfen soll, der offenbar vor einem großem geschäftlichem Erfolg steht. Als Leser hat man gleich Zweifel an der Belastbarkeit der hochfliegenden Träume der hübschen jungen Frau.

    Arbeitslosigkeit und Not auf der Straße sind groß, umso erstrebenswerter ist eine feste Anstellung im Hotel. Fritz bewirbt sich um eine solche, sein Freund Heinrich, der Nachtwächter, setzt sich für ihn ein. „Fritz ist schon ungeduldig, er möchte endlich wissen, ob er heute Glück haben wird. Glück! Wenn man durch schwere, harte Arbeit gerade so viel verdient, dass man nicht verhungert, so hat man schon ‚Glück‘. Eine verrückte Welt ist das!“ (S. 28) Die Perspektiven wechseln. Während Fritz sozialistischen Ideen nahesteht, kuschen andere vor der Obrigkeit oder tun brav ihren Dienst. Die Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes ist omnipräsent, soziale Absicherung gibt es keine. Der einfache Arbeiter ist der Willkür der Vorgesetzten und Besitzenden ausgeliefert.

    Die Gegensätze zwischen Arm und Reich legt Leitner anschaulich offen. Die Gäste dürfen sich allerlei Kuriositäten leisten. Egal ob Tiere im Zimmer, Überreste von Sauforgien oder verdreckte Waschräume – die Zimmermädchen müssen es klaglos richten. Je wohlhabender die Klientel, desto mickriger fällt das Trinkgeld aus. Die Dauergäste haben ihre „ticks“: „Sie haben das höchste Ziel ihres Lebens erreicht, sie sind reich (…). Und nun martern sie ihr Gehirn, um noch mehr vom Leben zu erzwingen; sie wollen Unsterblichkeit, übernatürliche Kräfte oder übermenschliche Macht wie Doktor Faustus im Mittelalter.“ (S. 57) Die Gäste sind fordernd, dekadent und beharren auf die sofortige Befriedigung ihrer Wünsche. Die Sympathien des Lesers werden eindeutig gesteuert. Auch Herr Fish ist Gast im Hotel. Sein Aufzug jedoch eher ungewöhnlich. Was hat er mit dem Kellner, dem „schönen Alex“ vor?

    Betrachtet wird nur ein einziger Tag, der mit kleinen Tragödien zweifellos viel Aufregung und Bewegung in den Alltag der Arbeitnehmer bringt. Die Vorbereitungen der feudalen Hochzeitsfeier von Millionärstocher Marjorie Strong (man beachte die sprechenden Namen) erfordern umfangreiche Planungen und beweisen, wie wichtig jeder Einzelne im Getriebe dieser gut geölten Hotel-Maschinerie ist. „Page 16 ist in Gedanken versunken. Er denkt daran, dass man hier nicht denken darf. Sie müssen alle immer in Bewegung sein, wie Flugzeuge, die nie in der Luft halten können, für die Stillstehen Absturz und Tod bedeutet.“ (S. 101) Faule Kartoffeln führen zu einem Aufstand mit Folgen, an dessen Ende die Frage steht, ob sich die übergreifende Solidarität aller Mitarbeiter lohnt oder ob es reicht, wenn sich jeder primär um sich selbst kümmert. Protagonistin Shirley darf in diesem Zuge eine Entwicklung erfahren.

    Der Roman liest sich ungemein flüssig. Er ist unterhaltsam, gibt dabei aber tiefe Einblicke in die unsoziale Arbeitswelt des aufstrebenden New York am Ende der 1920er Jahre, die spiegelbildlich auch für europäische Verhältnisse der damaligen Zeit stehen dürfte. Spannende Perspektivwechsel legen völlig unterschiedliche Denkstrukturen der verschiedenen Klassen offen. Die gesellschaftliche Zugehörigkeit wird durch Herkunft, Familie und Vermögen zementiert. Empathie der Besitzenden den einfachen Leuten gegenüber sucht man vergeblich. Die Autorin beschreibt diese entgegengesetzten Lebenswelten enorm anschaulich. Egal ob Wäscherei, Großküche, Etage oder Service – man bekommt ein dezidiertes Bild von den Verhältnissen, unter denen die Menschen arbeiten und leben. Die einzelnen Handlungsstränge lesen sich spannend, die Dialoge wirken lebendig und realistisch. Im Text finden sich zahlreiche wunderbare, nachdenkenswerte Formulierungen, wie man sie von guten Klassikern gewohnt ist.

    Ich bin begeistert, dass der Reclam Verlag diese beeindruckende Autorin wiederentdeckt hat und auch sehr dankbar für das umfangreiche von Katharina Prager stammende Nachwort, das Leben und Werk Maria Leitners beleuchtet. Der Text von 1930 wurde angabegemäß nur behutsam modernisiert, was ich grundsätzlich sehr befürworte. Allerdings hätte man einen heute als sehr diskriminierend verstandenen Begriff (N-Wort) schlicht durch „Schwarze“ ersetzen können. Das ist aber mein einziger Kritikpunkt an dieser liebevoll gestalteten Hardcover Ausgabe, die eine breite Leserschaft finden und erfreuen sollte.

    Große Leseempfehlung!

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  1. Solidarity forever

    Die irische Wäscherin Shirley ist sich sicher: Heute ist ihr letzter Tag im Hotel Amerika. Ihr heimlicher Freund wird sie herausholen aus diesem 30-stöckigen Luxushotel in New York, in dem die Gäste hofiert werden, die Angestellten aber von der Hand in den Mund leben. Das glitzernde Kleid für ihr neues Leben liegt jedenfalls schon bereit. Der deutsche Küchenjunge Fritz hingegen ist gerade erst angekommen und muss sich erst einmal zurechtfinden in diesem Wirrwarr und Trubel. Er wünscht sich nichts sehnlicher als einen eigenen Schlafplatz. Als die niederen Angestellten in ihrer Pause faule Kartoffeln vorgesetzt bekommen, ist das Maß voll. Nach und nach füllt sich die Kantine. Dem Hotel droht ein veritabler Aufstand...

    In der Reihe "Reclams Klassikerinnen" gibt der Reclam Verlag teils komplett in Vergessenheit geratenen Schriftstellerinnen den literarischen Raum, den sie verdienen. Jüngst ist mit "Hotel Amerika" der deutschsprachigen ungarischen Autorin Maria Leitner (1892 - 1942) ein Klassiker aus dem Jahre 1930 erschienen, der seinerzeit im Neuen Deutschen Verlag veröffentlicht wurde. Es ist eine eindrucksvolle Neuveröffentlichung.

    Bemerkenswert ist zunächst, wie es Maria Leitner gelingt, die Leser:innen unmittelbar hineinzuwerfen in diesen einen Tag im Leben verschiedener Hotelangestellter. Sofort ist man mittendrin in diesem Luxushotel, das einem Bienenstock gleicht. Alles ist in Bewegung, der neue Tag beginnt und mit ihm eine weitere höchst anstrengende Arbeitsschicht, an deren Ende man sich vielleicht über ein paar zusätzliche Dollar Trinkgeld freuen darf - wenn man Glück hat. Shirley, eine junge Irin, die seit sechs Jahren in der Hotelwäscherei beschäftigt ist, hat dieses Glück auf ihrer Seite. Voller Zuversicht blickt sie auf ihren offenbar letzten Arbeitstag, die letzten Schindereien, das letzte schlechte Essen. Ihr neuer Freund, der gerade als Gast im Hotel abgestiegen ist, hat ihr versprochen, an so viel Geld zu kommen, um ein gemeinsames neues Leben beginnen zu können.

    "Hotel Amerika" erinnert in gewissen Sequenzen an eine zugänglichere Variante von Virginia Woolfs "Mrs. Dalloway". Eine Gemeinsamkeit ist, dass sich die Handlung an genau einem Tag abspielt. Zudem setzt auch Leitner auf einen erzählerischen Bewusstseinsstrom, der mal bei Shirley, mal bei Fritz oder anderen Figuren ist oder einfach die verschiedenen Etagen und Zimmer des Hotels passiert. Ein Unterschied ist jedoch, dass es bei Maria Leitner viel mehr direkte Rede gibt. Gerade in den zwei zentralen Momenten des Romans, in denen ein Aufstand der Angestellten droht, gibt ein Wort das andere und aus der Vielzahl der Stimmen ist gar nicht mehr herauszuhören, wer da jetzt eigentlich gerade was fordert. Das ist ganz hervorragend umgesetzt und gibt diesen Szenen einerseits eine hohe Intensität, andererseits fühlt man als Leser:in genauso überfordert wie die Angestellten in diesem Raunen und Rufen.

    Ein weiteres Plus ist, dass Leitners Sympathie immer auf Seiten der Armen und Schwachen ist. Es sind Figuren wie das schwedische Zimmermädchen Ingrid oder eben der idealistische Fritz, der die Chancen vor allem in einer organisierten Arbeiterschaft sieht, die lange im Gedächtnis bleiben. Der wichtigste und gelungenste Charakter ist aber Shirley, die den Roman eröffnet und beschließt. Scheinbar furchtlos ob der guten Aussichten, ist es ausgerechnet ein junges Mädchen, das die Fäden in die Hand nimmt. Und auch wenn Shirleys eindringliche Rede bei den Vorgesetzten wegen des fehlenden Rückhalts verpufft, ist sie eine starke Frauenfigur, in der sowohl die feministischen als auch die sozialistischen Ideale Maria Leitners aufblitzen.

    Neben der im Vordergrund stehenden Sozialkritik ist "Hotel Amerika" auf einer untergeordneten Ebene fast so etwas wie ein Kriminalroman. Im Hotel übernachtet nämlich gerade ein einflussreicher und berühmter Verleger, dessen Tochter kurz vor der Traumhochzeit an diesem besonderen Ort steht. Gäbe es da nicht jemanden, der ein paar pikante Details über den mächtigen Mann weiß. Leitner verwebt diese kriminalistischen Elemente bemerkenswert stimmig in den Verlauf der Geschichte.

    Bereichert wird die auch optisch gelungene Neuausgabe durch ein ausführliches und informatives Nachwort der Historikerin Katharina Prager. Hier erfährt man nicht nur traurige Details über die letzten Monate im Leben der Maria Leitner, sondern auch, dass diese den Roman sozusagen aus erster Hand erzählte. Denn Leitner selbst arbeitete als Scheuerfrau in diversen New Yorker Hotels.

    Maria Leitners "Hotel Amerika" ist ein spannendes und eindringliches Plädoyer für Solidarität und das Sichtbarmachen eines Prekariats, das in den Schilderungen der Arbeitsbedingungen erstaunlich aktuell wirkt. Das Buch war 1933 eines der ersten, das der Bücherverbrennung durch die Nationalsozialisten zum Opfer fiel. In Bonn erinnert nur noch ein Gedenkstein daran. Es ist Reclam und Maria Leitner zu wünschen, dass sie durch die Neuveröffentlichung künftig in einem Atemzug mit ungleich bekannteren Zeitgenoss:innen wie Anna Seghers oder Bertolt Brecht genannt wird.

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Zerstreutes Hinausschauen und andere Parabeln

Buchseite und Rezensionen zu 'Zerstreutes Hinausschauen und andere Parabeln' von Franz Kafka

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Diskussionen zu "Franz Werfel: Die vierzig Tage des Musa Dagh"

Autor:
Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:160
EAN:9783596709656
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Das Phantom der Oper. Roman

Buchseite und Rezensionen zu 'Das Phantom der Oper. Roman' von Gaston Leroux

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Diskussionen zu "Franz Werfel: Die vierzig Tage des Musa Dagh"

Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:320
EAN:9783730611654
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Hotel Amerika

Buchseite und Rezensionen zu 'Hotel Amerika' von Maria Leitner
5
5 von 5 (1 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Hotel Amerika"

Diskussionen zu "Franz Werfel: Die vierzig Tage des Musa Dagh"

Format:Kindle Ausgabe
Seiten:235
Verlag: neobooks
EAN:
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Rezensionen zu "Hotel Amerika"

  1. Authentisch und lesenswert

    „Du wirst schon sehen, ich werde wirklich gehen, noch heute, alles dalassen, dies ganze hässliche, schwere Leben. Möchtest du das nicht auch? (Zitat Pos. 127)

    Inhalt
    Shirleys Mutter Celestine ist Scheuerfrau im Hotel Amerika, die junge Shirley ist eine der Wäscherinnen. Seit sechs Jahren lebt Shirley mit ihrer Mutter und drei weiteren Frauen in einem erbärmlichen, engen Zimmer in diesem New Yorker Hotel, das die Gäste mit jedem nur denkbaren Luxus verwöhnt. Shirley träumt von einer Veränderung in ihrem Leben, bald wird auch sie das Hotel als Gast betreten, das hat ihr ihr neuer Freund versprochen. Heute soll ihr letzter Tag als schwer arbeitende Wäscherin sein, doch die Ereignisse entwickeln sich anders, als von ihr erwartet.

    Thema und Genre
    In diesem sozialkritischen Roman geht es um den Traum von einem besseren Leben in Amerika, der sich jedoch nur für einen kleinen Teil der New Yorker Bevölkerung erfüllt hat. Die meisten Einwandererfamilien fristen ein Leben unter den härtesten Arbeitsbedingungen, immer in Sorge um den Arbeitsplatz. Es geht um Erpressung, Liebe, Luxus, Armut, Träume, und den Beginn von gewerkschaftliche Zusammenschlüssen.

    Erzählform und Sprache
    Dieser Klassiker, erschienen 1930, spielt an einem einzigen Tag und ist eine interessante Mischung aus Kriminalgeschichte und gesellschaftskritischem Zeitbild. Eine bunte Vielfalt von unterschiedlichen Menschen mit Träumen, Hoffnungen und Schicksalen erlebt die ebenso vielfältigen Ereignisse an diesem besonderen Tag. Durch Erinnerungen und Gespräche ergeben sich viele Einzelgeschichten, deren Fäden sich bereits um die Mittagszeit in diesem Hotel verknüpfen, während die Vorbereitungen für eine Luxushochzeit laufen und das Personal erstmals bei einem völlig ungenießbaren Mittagessen offen gegen die Missstände aufbegehrt. Maria Leitner war bekannt für ihre intensiven Recherchen, für ihre Sozialreportagen nahm sie auch selbst inkognito Arbeit in den unterschiedlichen Bereichen an und diese Erfahrungen finden sich in auch in diesem Roman wieder, was die Geschichte zu einem authentischen Zeitbild macht. Ich selbst habe die Kindle-Version gelesen, doch am 16. Februar 2024 erscheint im Reclam Verlag unter der ISBN-13: 978-3150114766 eine neue, gebundene Ausgabe.

    Fazit
    Ein Klassiker, der bei seinem Erscheinen 1930 sehr erfolgreich war, bis die Bücherverbrennung im Jahr 1933 den Roman für viele Jahre in Vergessenheit geraten ließ. Dicht, interessant, authentisch, lesenswert.

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Kibogos Himmelfahrt

Buchseite und Rezensionen zu 'Kibogos Himmelfahrt' von Scholastique Mukasonga
5
5 von 5 (1 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Kibogos Himmelfahrt"

Ein moderner Mythos, die literarische Karambolage all der konkurrierenden Geschichten in einem kolonisierten Land! Von Kibogo erzählt man sich in der Nacht am Feuer hinter vorgehaltener Hand. Leise lauscht man dem Geschichtenerzähler, der die Legenden der alten Hügel webt und der die verbotenen Geschichten noch zu erzählen weiß. Die, die Kirchenmissionare mit allen Mitteln auslöschen wollten. Dann aber verliert ein forscher Priester sein Amt, weil er die Evangelien mit dem Märtyrertod des Ruanders Kibogo aufmischt. Und in der kleinen ruandischen Gemeinschaft am Fuß eines himmelshohen Felsen kommt es zu einem Kampf um die Deutungshoheit über Kult, Mythos und Legende. In vier kunstvoll verwobenen Teilen erzählt die ruandisch-französische Autorin Scholastique Mukasonga feinsinnig, üppig und zugleich faszinierend bodenständig von den Wechselbeziehungen des alten ruandischen Glaubens mit dem Christentum sowie seinen Sendboten, den europäischen Missionaren. Scholastique Mukasonga erweckt die alten Mythologien mit dem berauschenden Duft von feuchter Erde und einem Hauch subtilen Humors zum Leben. Dabei liefert sie uns eine Geschichte von entwaffnender Einfachheit und tiefgreifender universeller Wahrheit.

Diskussionen zu "Franz Werfel: Die vierzig Tage des Musa Dagh"

Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:144
Verlag: Claassen
EAN:9783546100885
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Rezensionen zu "Kibogos Himmelfahrt"

  1. African Storytelling!

    Zur Autorin (Quelle: Peter Hammer Verlag):

    Scholastique Mukasonga, 1956 in Ruanda in eine Tutsifamilie geboren, erlebte schon als Kind den ethnischen Konflikt zwischen Hutu und Tutsi. Sie besuchte das Gymnasium in Kigali, schloss ihre Ausbildung zur Sozialarbeiterin im Exil in Burundi ab und arbeitete für UNICEF und die Weltbank. Mit ihrem französischen Ehemann ging sie 1992 nach Frankreich, wo sie heute mit ihrer Familie in der Normandie lebt. Der größte Teil ihrer Familie fiel dem Völkermord in Ruanda zum Opfer. Für ihre Romane, die die Ereignisse in Ruanda verarbeiten, wurde die Autorin mehrfach ausgezeichnet, zuletzt mit dem „Prix Simone de Beauvoir pour la liberté des femmes 2021".

    Mein Lese-Eindruck:

    Scholastique Mukasonga flüchtete aus Ruanda nach Burundi, um dem Genozid an den Tutsis zu entgehen. Diesen Roman, in dem sie alte Erzählungen ihres Volkes aufgreift, kann man daher durchaus als ein Memoir begreifen, in dem sie ihrer verlorenen Heimat ein literarisches Denkmal setzt.

    Die Menschen in Ruanda erwarten dringend Regen. Das Land ist ausgedörrt, der Wind trocknet das Land zusätzlich aus, die Kartoffelfäule führt zu Missernten, die Menschen hungern. In dieser Situation erinnern sie sich an den legendären Königssohn Kibogo, der übernatürliche Kräfte besaß und mit seinem Opfertod sein Volk schon einmal vor dem Verhungern gerettet hatte. Die Alten erzählen nun diese Geschichten, die tief in die ruandische Geschichte zurückreichen, und als Leser hat man den Eindruck, selber im Kreis der Zuhörer zu sitzen und den Geschichten zu lauschen. Zu diesem Eindruck trägt auch die Einteilung des Buches in viele kleinere Unterkapitel bei und der eher einfache, fast märchenhafte Erzählton.

    Die rein mündliche Erzähltradition führt zu vielen Ausschmückungen, und in sehr humorvollen Szenen machen sich die alten Erzähler gegenseitig Konkurrenz, was den Wahrheitsgehalt ihrer Geschichten angeht. Die jüngere Geschichte der Kolonialisierung wird aber nicht ausgeblendet, sondern mit verwoben. Sehr schön ist das Bild des westlichen Missionars, der mit einem laut knatternden Motorrad den Frieden der dörflichen Siedlung stört und das Eindringen der westlichen Lebensweise in die Traditionen Ruandas zeigt.

    Die Menschen vermischen ihre Traditionen mit den neuen des Kolonialismus, speziell der belgischen Missionare, und so entsteht die Vorstellung, dass Jesus und Kibogo identisch sind: beide haben ihr Volk gerettet, beide sind in den Himmel aufgefahren und werden wiederkommen und ein neues Reich errichten. Diese Konkurrenz von alten Mythen und Geisterglauben und dem Christentum auf der anderen Seite führt zu merkwürdigen Situationen, die die Autorin humorvoll ausmalt. Sinnfällig wird sie in der Kleidung eines Regenpriesters, der sich nicht nur mit dem Rosenkranz und Kruzifixen schmückt, sondern zur Sicherheit auch noch tierische (?) Knochen und Zähne trägt.

    Insgesamt ein humorvolles Buch, ein überaus poetisches Buch, mit wunderbaren Geschichten, die die Traditionen der ruandischen Tutsi wieder lebendig werden lassen. Ich bin begeistert!

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Franz Werfel - Die vierzig Tage des Musa Dagh

Buchseite und Rezensionen zu 'Franz Werfel - Die vierzig Tage des Musa Dagh' von Franz Werfel

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Autor:
Format:Kindle Ausgabe
Seiten:1110
Verlag: epubli
EAN:
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A Lost Lady

Buchseite und Rezensionen zu 'A Lost Lady' von Willa Cather

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Autor:
Format:Kindle Ausgabe
Seiten:135
Verlag:
EAN:
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Der Kleine Prinz

Buchseite und Rezensionen zu 'Der Kleine Prinz' von Antoine de Saint-Exupéry
5
5 von 5 (1 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Der Kleine Prinz"

Mit vierfarbigen Originalillustrationen des Autors, ins Deutsche übertragen von Grete und Josef Leitgeb. Das Buch ist erstmals in den USA im Jahr 1943 erschienen, in Frankreich erst nach dem zweiten Weltkrieg, im Jahr 1946. In deutscher Sprache ist das Werk seit 1950 erhältlich. Ein Klassiker der Weltliteratur und dazu ein richtiger Best- und Longseller. Das Werk wurde darüber hinaus häufig als Bühnenwerk und Audio angeboten und verfilmt. Der ersten deutschen Übersetzung von Josef und Grete Leitgeb wurde im Jahr 2010 eine neue von Elisabeth Edl zur Seite gestellt.

Antoine de Saint-Exupéry, 1900 in Lyon geboren, erwirbt 1921 nach Abitur und Militärdienst die Fluglizenz für zivile und 1922 für Militärflugzeuge. 1923 verzichtet er auf eine Karriere als Jagdflieger und arbeitet als Büroangestellter. Doch bereits 1926 wird das Fliegen wieder sein Beruf - und gleichermaßen das Schreiben: 1927 Postflieger auf der Strecke Toulouse-Casablanca-Dakar (Südkurier), 1929 Direktor der Aeroposta Argentina (Nachtflug), 1938 in den USA (1939 Wind, Sand und Sterne), 1939 wird er mobilisiert als Fernaufklärer (1940 Flug nach Arras), 1939 geht er ins Exil in die USA, wo er u.a. Der Kleine Prinz und Die Stadt in der Wüste schreibt. 1944 bei einem Aufklärungsflug über Südfrankreich wird er am 31. Juli abgeschossen. Als Antoine drei Jahre alt war, gelang den Brüdern Wright der erste Flug. Wenig später gründeten sie eine Werkstatt in Le Mans, wo Saint-Exupéry mittlerweile lebte. Diese Nähe und seine Flugerfahrung prägten sein Leben.

Diskussionen zu "Franz Werfel: Die vierzig Tage des Musa Dagh"

Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:96
EAN:9783730602287
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Rezensionen zu "Der Kleine Prinz"

  1. Ein Buch voller Lebensweisheiten

    “Adieu”, sagte der Fuchs. “Hier ist mein Geheimnis. Es ist ganz einfach: Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.” (S. 71)

    Handlung: ♥♥♥♥/♥♥♥♥♥

    Die Geschichte fängt mit einem Jungen an. Er zeichnet eine Schlange, die einen Elefanten gefressen hat. Doch die Erwachsenen erkennen nur einen Hut in diesem Bild. Daraufhin gibt der Junge das Zeichnen auf. Bis er eines Tages über Wüste abstürzt und dort dem kleinen Prinzen begegnet. Dieser erzählt ihm von seiner Reise.

    Erzählung: ♥♥♥♥♥/♥♥♥♥♥

    Die Rahmenhandlung an sich ist vielleicht nicht so weltbewegend, aber die Art und Weise, wie dieses Buch geschrieben wurde, ist einfach fantastisch. Jedes noch so kleine Kapitel steckt voller Lebensweisheit. Ich mag solche Bücher wirklich gerne. Man denkt über sein eigenes Leben nach und wird angeregt, die Dinge mit anderen Augen zu sehen.

    Meine Lieblingszitate:

    Die großen Leute haben eine Vorliebe für Zahlen. Wenn ihr ihnen von einem neuen Freund erzählt, befragen sie euch nie über das Wesentliche. Sie fragen euch nie: Wie ist der Klang seiner Stimme? Welche Spiele liebt er am meisten? Sammelt er Schmetterlinge? Sie fragen euch: Wie alt ist er? Wie viele Brüder hat er? Wie viel wiegt er? Wie viel verdient sein Vater? Dann erst glauben sie, ihn zu kennen. (S. 17-18)

    Den nächsten Planeten bewohnte ein Säufer. Dieser Besuch war sehr kurz, aber er tauchte den kleinen Prinzen in eine tiefe Schwermut.
    “Was machst du da?”, fragte er den Säufer, den er stumm vor einer Reihe leerer und einer Reihe voller Flaschen sitzend antraf.
    “Ich trinke”, antwortete der Säufer mit düsterer Miene.
    “Warum trinkst du?”, fragte ihn der kleine Prinz.
    “Um zu vergessen”, antwortete der Säufer.
    “Um was zu vergessen?”, erkundigte sich der kleine Prinz, der ihn schon bedauerte.
    “Um zu vergessen, dass ich mich schäme”, gestand der Säufer und senkte den Kopf.
    “Weshalb schämst du dich?”, fragte der kleine Prinz, der den Wunsch hatte, ihm zu helfen.
    “Weil ich saufe!”, endete der Säufer und verschloss sich endgültig in seinem Schweigen.
    Und der kleine Prinz verschwand bestürzt.
    Die großen Leute sind entschieden sehr, sehr wunderlich, sagte er zu sich auf seiner Reise. (S. 42-43)

    Fazit: ♥♥♥♥♥/♥♥♥♥♥

    Dieses Buch ist ein Buch zum immer wieder lesen. Man kann es, auch als langsamer Leser, wie ich es einer bin, in einem Rutsch durchlesen, denn es hat nur 93 Seiten. Doch jede einzelne Seite kann einem so viel geben, wenn man sich darauf einlässt.

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Jahrmarkt der Eitelkeit

Buchseite und Rezensionen zu 'Jahrmarkt der Eitelkeit' von William Makepeace Thackeray
4
4 von 5 (1 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Jahrmarkt der Eitelkeit"

Diskussionen zu "Franz Werfel: Die vierzig Tage des Musa Dagh"

Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:909
EAN:9783150114339
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Rezensionen zu "Jahrmarkt der Eitelkeit"

  1. Jahrmarkt der Eitelkeiten - Ein unterhaltsames Sittengemälde

    Thackeray nimmt in seinem Roman die Marotten der sog. bessere Gesellschaft zu Anfang des 19. Jahrhunderts in England auf‘s Korn. Im Mittelpunkt stehen Rebecca Sharp und Amelia Sedley. Rebecca ist die Tochter einer Balletttänzerin und eines Malers, mit der Ambition, es im Leben zu etwas zu bringen. Amelia stammt dagegen aus wohlhabenden Verhältnissen und träumt lediglich davon, ihr Leben mit George, ihrer Jugendliebe, zu verbringen.

    Das Leben hält indes für beide eine Reihe von (teils unangenehmen) Überrschungen bereit. Für beide geht es auf und ab. Rebecca schafft es von der Gouvernante zur Ehefrau eines Lords. Allerdings wird ihr Gatte daraufhin enterbt und beide werden gemeinsam Meister darin, auf Kredit bzw. von fast Nichts zu leben. Sie steigen in der Gesellschaft auf und Rebecca scheint dem erträumten Erfolg ganz nah zu sein.

    Für Amelia ziehen dagegen erste Schatten auf. Ihr Vater macht Bankrott. Georges Vater verbietet ihm daraufhin die Heirat mit Amelia. Die beiden heiraten trotzdem, woraufhin Georg enterbt wird. Amelia arrangiert sich indes mit den neuen Bedingungen. Sie bekommen einen Sohn. Als der Krieg ausbricht, muss George in die Schlacht ziehen. Er fällt in der Schlacht. Für Amelia beginnt eine Jahre lange Trauerzeit. Ihr einziger Lichtblick ist ihr heiß geliebter Sohn Georgy. Hilfe und Unterstützung bekommt sie von Dobbin, einem engen Freund ihres verstorbenen Gatten, der heimlich in sie verliebt ist.

    Das Rad der Fortuna dreht sich und bringt für Amelia und Rebecca sowohl Hochzeiten als auch Tiefpunkte. Am Ende bekommt jede von ihnen, was sie verdient.

    Der Roman zeichnet sich durch eine besondere Erzähltechnik aus. Thackeray lässt die Geschichte aus der Sicht des allwissenden Erzählers erzählen. Der Erzähler nimmt die Rolle eines Theaterdirektors ein, der den Leser häufig direkt anspricht. Die Geschichte wird dadurch präsentiert wie ein Theaterstück, das auf dem Jahrmarkt aufgeführt wird. In dieses Setting passt auch der Tonfall, den Thackeray dem Erzähler/Theaterdirektor in den Mund legt. Die Darstellung strotzt vor Ironie und Bissigkeit; aber auch kluge Lebensweisheiten werden eingestreut.

    Insgesamt erweist sich dieser Klassiker als überraschend leicht lesbar und unterhaltsam. Leider hat der Roman aber auch einige Längen, daher insgesamt vier Sterne.

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