Namen unbekannt: Roman
Inhaltsangabe zu "Namen unbekannt: Roman"
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Rezensionen zu "Treffpunkt im Unendlichen"
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Beeindruckend und zeitlos aktuell
„Und sind Bindungen, auf die Menschen sich einlassen, wirklich lockerer, als sie früher waren oder scheinen sie`s nur, weil die Zwangsvorstellung des Besitzes sich zu verflüchtigen anfängt? Ich glaube, sie scheinen nur lockerer.“ (Zitat Seite 138)
Thema, Genre und Inhalt
Dieser Roman spielt in Künstlerkreisen in Berlin und Paris und besteht aus Parallelszenarien, aus Handlungssträngen, jeder davon eine eigene Geschichte, die gleichzeitig stattfinden, jedoch voneinander getrennt sind. Die Figuren kennen sich teilweise, es sind Freundeskreise, die sich manchmal überschneiden, manche pendeln auch zwischen den beiden Städten und Gruppen. Es sind vor allem die Abende und Nächte, die das Leben in dieser Zeit prägen, Menschen auf der Suche nach Glück, nach Ablenkung, nach Liebe, Freundschaft, nach Beziehungen mit finanzieller Sicherheit und neuen Möglichkeiten. Die Figuren in dieser Geschichte finden einander, verlieren einander wieder, treffen in neuen Konstellationen aufeinander. Während der junge Journalist und angehende Schriftsteller Sebastian Berlin verlässt und nach Paris reist, verlässt die junge Schauspielerin Sonja München und zieht nach Berlin. Auch sie treten in die jeweiligen Freundeskreise ein, ohne einander jedoch persönlich zu kennen, bis beide, völlig unabhängig voneinander, eine Reise nach Marokko planen.Fazit
Klassiker wie dieser sind auf Grund des zeitgeschichtlichen Hintergrundes von zeitloser Aktualität. Gerade jetzt, in Zeiten politischer Veränderungen, stimmt dieser Roman, der in den 1930er Jahren in Deutschland und Frankreich spielt, sehr nachdenklich. Es ist nicht nur die Vielfalt an unterschiedlichen Themen, sondern auch die verschiedenen, realitätsnahen Charaktere, jeder und jede für sich präzise und in ihrem Verhalten nachvollziehbar geschildert, die sich zu einem lebhaften Gesellschaftsbild vereinen und diesen Roman auch heute noch zu einem beeindruckenden Leseerlebnis machen.
Von menschengemachten Katastrophen
Oklahoma, in den 1930er-Jahren: Milt und Julia Dunne leben gemeinsam mit ihren beiden Töchtern und Milts Vater in einer ärmlichen Unterkunft. Zwar bessert sich ihre Situation etwas, als sie sich auf den Anbau von Winterweizen spezialisieren, doch immer wieder macht ihnen die Trockenheit einen Strich durch die Rechnung. Während die Sonne unnachgiebig brennt, leiden die Menschen zudem unter verheerenden Staubstürmen, die nicht nur die Ernte vernichtet, sondern auch Mensch und Tier krank macht. Als Julia und Milt diese Situation nicht mehr aushalten, entschließen sie sich, ihr Glück als Wanderarbeiter:innen in Kalifornien zu versuchen. Großvater Konkie bleibt gemeinsam mit Grund und Boden zurück...
"Namen unbekannt" ist ein Roman der US-Amerikanerin Sanora Babb (1907 - 2005), der Ende der 1930er-Jahre mit dem Originaltitel "Whose Names Are Unknown" entstand und sage und schreibe bis 2004 auf seine Erstveröffentlichung warten musste. Der Grund ist kurios: Ihre Notizen für den Roman teilte ihr damaliger Vorgesetzter mit John Steinbeck, der kurzerhand daraufhin seinen Welterfolg "Früchte des Zorns" schrieb. Babbs Romanprojekt wurde aus diesem Grund 1939 bei Random House beerdigt. Auch wenn ihr der Ruhm dadurch entging, so konnte sie sich im Krankenbett im stolzen Alter von 97 Jahren doch noch über die Veröffentlichung freuen. Nun ist der Roman in der Reihe "Reclams Klassikerinnen" in der deutschen Übersetzung von Sabine Reinhardus bei Reclam erschienen. Es handelt sich dabei um das erste Werk Babbs überhaupt, das auf Deutsch erschienen ist.
Schon das Cover, das auf einer berühmten Fotografie von Arthur Rothstein basiert, wirkt ungemein berührend. Es zeigt einen Farmer mit seinen beiden Kindern im Staubsturm vor einer ärmlichen Behausung und passt ganz hervorragend zum Ton des Romans. Denn "Namen unbekannt" ist ein im Grundton trauriges Buch, das sich vor allem mit den Themen Armut und Hunger beschäftigt, aber auch mit menschengemachten Katastrophen. Die erwähnten Sandstürme sind nämlich kein Zufall oder Schicksal. Sie entstanden, weil die Farmer:innen vor allem auf Monokulturen - in diesem Fall den Anbau von Weizen - setzten und das von der indigenen Bevölkerung geraubte Land nicht mit dem nötigen Respekt ihrer Vorgänger:innen behandelt. Im informativen und ungewöhnlich emotionalen Nachwort von Mareike Fallwickl bezeichnet diese Babbs Schreiben nicht nur als "nature writing", sondern "eco-critism", bevor dieser überhaupt existierte.
Und tatsächlich sind die Stellen, an denen Sanora Babb das Land und die Natur beschreibt, auch die stärksten. Fast scheint man, den Staub zu schmecken, die Hitze zu spüren. Ebenfalls spürbar ist die große Empathie, die Babb ihren Figuren entgegenbringt. Und es ist kein Wunder, dass sie sich so in Julia und das umfangreiche Ensemble hineinfühlen kann. Schließlich ist Babb selbst in Armut und als Farmerstochter aufgewachsen und kümmerte sich später während der Großen Depression als Sozialarbeiterin um in Not geratene Farmer:innen.
Nicht ganz so stark sind hingegen die Figurenkonzeption und der Handlungsaufbau. Die Handlung verläuft nämlich recht monothematisch. Zwar gibt es immer mal wieder wechselnde Schauplätze und Figuren, doch im Grunde dreht sich alles um Armut und Arbeit. Das ist einerseits verständlich, andererseits bewies gerade vor einem Monat mit Maria Leitners "Hotel Amerika" ein anderer Roman aus der Reihe "Reclams Klassikerinnen", dass man eine ähnliche Thematik auch viel dynamischer aufbereiten kann. Und trotz des von Fallwickl angesprochenen feministischen Grundtons bleibt mit Julia Dunne ausgerechnet die wichtigste Frauenfigur überraschend blass. In den ersten zwei Dritteln des Buches zeigt sie sich zwar grundsympathisch, doch man hat das Gefühl, sie sei ständig am Kochen, Stricken und Waschen. Da gibt es insbesondere im Teil, der in Kalifornien spielt, viel stärkere weibliche Charaktere. Etwas unglücklich wirkt auch, dass bei Julia eine erlittene Fehlgeburt psychologisch kaum eine Rolle spielt, sondern sie eher dem verkauften Klavier hinterher trauert. So ist es ihr Mann Milt, der um den Verlust des Kindes weint.
Insgesamt ist "Namen unbekannt" rein sprachlich, aber auch wegen der Aktualität der menschengemachten Klimakatastrophen ein würdiger Vertreter der Reclam-Reihe. Ein kleines Ärgernis ist, dass im ersten Drittel des Romans das Korrektorat ein wenig geschlampt und doch einige "das/dass"-Fehler übersehen hat. Es ist zu hoffen, dass weitere Werke Sanora Babbs ihren Weg ins Deutsche finden werden.
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