Umlaufbahnen: Roman
„Also sagt Rachel Cusk es noch einmal anders, aber genauso unbequem. Schriftsteller sind dazu da, zu irritieren und zu spalten, und nicht, um Dinge zu sagen, die andere gerne hören wollen.“ (Zitat Seite 62, Rachel Cusk von Verena Auffermann)
Thema und Inhalt
Fünf bekannte Journalistinnen und Literaturkritikerinnen stellen in informativen, spannenden Essays einhundert Schriftstellerinnen aus mehr als zweitausendfünfhundert Jahren vor.
Umsetzung
Die Anordnung der einzelnen Artikel in diesem Buch richtet sich nach dem Geburtsjahr der jeweiligen Schriftstellerin und beginnt im Heute mit Leila Slimani, geboren 1981, um mit Sappho, geboren um 617 v.Chr. zu enden. Schon dieser ungewöhnliche Aufbau macht dieses Buch zu einer besonderen Lektüre, da es die Entwicklung der schreibenden Frauen rückwirkend und nachvollziehbar aufzeigt. Auch die internationale Vielfalt der verfügbaren Literatur wird durch diese ausgewählten Porträts sichtbar, wobei der Schwerpunkt auf dem zwanzigsten Jahrhundert liegt. Jeder Beitrag umfasst mehrere Seiten und ist per se ein Essay, da wir neben den Biografien vor allem die besonderen Eigenheiten, den Werdegang, die Konflikte und Erfolge im künstlerischen Wirken jeder der vorgestellten Frauen erfahren, und vor allem die Themen, die sie antreiben bzw. zu ihrer Zeit besonders beschäftigt haben. Durch die fünf unterschiedlichen Verfasserinnen der einzelnen Porträts entsteht auch hier eine lebhafte, ausdrucksstarke sprachliche Vielfalt.
Fazit
Ein breit gefächerter, interessanter Streifzug durch die weibliche Kultur- und Literaturgeschichte. Doch dieses Sachbuch ist wesentlich mehr, diese Auswahl von bekannten und weniger bekannten Schriftstellerinnen bietet eine Fülle von Wissen, sodass wohl auch jede versierte Leserin und jeder versierte Leser noch Neues über Schriftstellerinnen finden wird, von denen man bereits alles zu wissen glaubte. Ein packendes Lesebuch, das man mit Vergnügen von der ersten bis zur letzten Seite liest und das auch die persönliche Wunsch-Leseliste um einige weitere Titel ergänzt.
Inspektor Kenjiro Takeda fühlt sich fast schon heimisch in Hamburg, was nicht zuletzt an seiner Kollegin Claudia Harms liegt. Wieder bekommen die beiden es mit einem heiklen Fall zu tun, denn der bekannte Rechtsanwalt Klaus-Peter Haffner wurde in seiner Villa getötet. Zuletzt hatte er den populären Schauspieler Jost Weber vertreten, dem Vergewaltigung vorgeworfen wurde und der nun unter Verdacht steht. Aber dann ergeben die Ermittlungen, dass Haffner als Jugendlicher Zeuge im Mordfall an einem jungen Mädchen war und auch der Bürgermeister von Hamburg war in dem alten Fall verwickelt.
Ich verfolge diese Reihe bereits von Anfang an und habe schon sehnsüchtig auf diesen sechsten Band gewartet. Es lässt sich wieder angenehm flüssig lesen.
Claudia Harms war anfangs gar nicht begeistert, dass sie sich mit Takeda, der durch ein Austauschprogramm nach Hamburg gekommen ist, herumschlagen sollte. Aber mit der Zeit haben sich die beiden gut kennengelernt und schätzen einander. Es ist interessant, wie unterschiedlich sie bedingt durch ihre Herkunft und Kultur geprägt sind und daher bei ihren Ermittlungen ganz verschieden vorgehen. Dabei ergänzen sie sich gut. Claudia ist ein Mensch, die ihren Emotionen freien Lauf lässt und Ken spielt Saxofon und genießt Whisky, um runterzukommen.
Dieser Fall ist nicht ganz einfach und es ist Fingerspitzengefühl notwendig, um niemanden der Hamburger Prominenz auf die Füße zu treten. Doch hat die alte Mordgeschichte etwas mit dem jetzigen Mord zu tun? Warum ist der damalige Ermittler, der längst in Pension ist, immer noch an dem Fall interessiert? Es bleibt nicht bei dem einen Toten und auch Claudia begibt sich mal wieder in Gefahr.
Auch dieser Fall ist wendungsreich und spannend bis zum schlüssigen und dramatischen Ende.
Mich hat dieser sehr spannende Krimi wieder gut unterhalten.
Zwei Königskinder des 21. Jahrhunderts
Zwei Königskinder des 21. Jahrhunderts
Kennen Sie die uralte Ballade von den zwei Königskindern („Sie konnten beisammen nicht kommen")? Dann wissen Sie auch schon beinahe, um was es in dem Buch von Hedman geht.
Das Motiv einer tragisch scheiternden oder zwar nicht scheiternden, aber dennoch tragisch endenden Beziehung zwischen Mann und Frau dürfte literaturgeschichtlich eine der in einem Buch (oder eben auch einer Ballade) meist beschriebenen Konstellationen zwischenmenschlicher Beziehungen darstellen. Die Häufigkeit dieses Motivs beinhaltet für den Leser/die Leserin die Gefahr, dass sich die Geschichte, die dem Buch zugrunde liegt, vorhersehbar entwickelt, also nicht mehr die Originalität besitzt, die man beim Lesen eigentlich erwartet. Über viele Jahrzehnte hinweg lässt sich deswegen beobachten, dass Geschichten, die sich mit diesem Motiv erfolgreich beschäftigen, ein zumindest gleichwertiges Zweitthema, das mit der Beziehungsgeschichte zwischen Mann und Frau geschickt verknüpft wird, enthalten. Ohne Anspruch auf eine repräsentative Aufzählung sei in diesem Zusammenhang auf Dostojewskis „Spieler" (die Beziehung zwischen Polina und Aleksej wird mit einer beeindruckenden Schilderung der Spielsucht verbunden), auf Remarques „Die drei Kameraden" (die Verbindung zwischen Robby und Pat entwickelt sich vor dem politischen Hintergrund der Weimarer Republik), auf Capotes „Frühstück bei Tiffany" (nein, im Gegensatz zu dem Hollywood-Film scheitert in dem Buch die Beziehung zwischen Holly und dem von ihr so genannten „Fred" , aber verbunden mit dem gleichwertigen Thema des Versuchs einer jungen Frau innerhalb eines unbarmherzigen Sozialklimas aufzusteigen), aber auch auf Kirchhoffs „Widerfahrnis" (die Beziehungsgeschichte zwischen Reither und Leonie wird mit einem literarischen Roadmovie, nämlich mit der Beschreibung einer Fahrt nach Süditalien verbunden) hingewiesen.
Hedman geht anders vor. Sie bleibt bei der reinen Beziehungsgeschichte, variiert diese aber durch die Einführung einer dritten Person zu einer Dreiecksgeschichte. Im Fokus des Buchs stehen aber dennoch lediglich zwei Personen, nämlich Thora und Hugo und die sich zwischen ihnen über mehrere Monate hinweg aufbauende Verbindung. Und genau diese, trotz Einführung einer dritten Person zu beobachtende Fokussierung auf die Verbindung zwischen Thora und Hugo stellt die Schwäche des Buchs dar, denn dadurch wird der Verlauf der Geschichte vorhersehbar und besitzt mangels eines zweiten Themas keinen Überraschungseffekt, der zu Originalität führen würde, mehr.
Worum geht es? Thora und Hugo studieren in Stockholm. Sie stammen aus völlig unterschiedlichen sozialen Verhältnissen. Während Thora die Tochter einer begüterten Industriellenfamilie ist, handelt es sich bei Hugo um einen Studenten, der sich sein Studium weitgehend selbst verdienen muss. Sie lernen sich kennen, als Hugo in der sehr großzügigen und großbürgerlichen Wohnung der Eltern von Thora Untermieter wird. Thora ist zu diesem Zeitpunkt bereits mit August (der dritten Person in der Dreiecksgeschichte) verbunden. Während Thora das Eindringen von Hugo in diese Verbindung zunächst negativ empfindet, wird Hugo von August sehr freundlich aufgenommen. Hieraus folgt eine zunächst rein freundschaftliche Beziehung zwischen Hugo und Thora, aus der später Liebe entsteht. Das Buch beschreibt die Entstehung dieser Liebe, die dazu führt, dass August zwar nicht zur Randfigur wird, erzähltechnisch von Hedman aber etwas zurückgenommen wird. Im letzten Drittel des Buchs beschreibt Hedman das Scheitern der Liebe, das letztendlich auf die zu starken Egos und schwierigen Persönlichkeitsstrukturen der beiden Protagonisten zurückzuführen ist. Dabei gelingen ihr großartige Psychogramme, die allein durch die Dialoge zwischen den beiden Protagonisten entstehen, also außerhalb dieser Dialoge ohne jegliche weitere Erklärung auskommen.
Gleichwohl dominiert bei mir nach dem Ende der Lektüre der Aspekt der Vorhersehbarkeit hinsichtlich des Verlaufs der Geschichte. Dabei übersehe ich nicht, dass Hedman eine originelle Erzählstruktur gewählt hat, indem sie die Geschichte von Thora und Hugo wechselweise jeweils von den Protagonisten selbst erzählen lässt. Ich übersehe auch nicht, dass das Buch nicht nur großartige Psychogramme, sondern auch sehr schöne Sprachbilder enthält. So wird zum Beispiel auf Seite 323 die skandinavische Mitsommernacht wie folgt beschrieben: „Die Nächte waren so hell, dass das spröde Blau, das sich auf uns herabsenkte, wenn es Abend wurde, fast schon unnatürlich wirkte, als strömte es durch den Spalt zu einer anderen Welt." Schöner kann man eigentlich das Farbspiel einer schwedischen Mitsommernacht nicht mehr beschreiben.
Es mag sein, dass andere Leser bzw. Leserinnen diese positiven Details des Buchs von Hedman im Verhältnis zu der nach meiner Auffassung gegebenen Vorhersehbarkeit der Geschichte anders gewichten. Für mich dominiert der Eindruck, dass man aus diesem Buch etwas mehr hätte machen können. Deswegen auch meine Wertung: vier von fünf Sternen.