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Falls ich mich nicht schon entschieden hätte, als Autorin zu arbeiten, nach diesem Buch müsste ich es.
Murakami lässt den Leser ein bisschen hinter seinen Schreiballtag blicken und die Energie, die es ihn kostet. Dafür hat er sich einen Ausgleich geschaffen, das Laufen. Hier gibt er sich aber nicht mit kleinen Joggingrunden zufrieden, nein, es müssen Marathons sein und seit einiger Zeit auch Triathlons...
Wer schon einmal so eine Laufveranstaltung mitgemacht hat, kann die Gefühle, die er während des Laufens hat, gut nachvollziehen. Die Zweifel und der Stolz, wenn es dann geschafft ist.
Trotz aller Leistung schafft er es, nicht arrogant daher zu kommen sondern berichtet auch von Momenten des Scheiterns. Auch erzählt er ein bisschen von seiner Lebensgeschichte und wie er sich gewandelt hat. Vom Besitzer eines Clubs zur Studienzeit mit langen Nächten hin zu einem Autor der diszipliniert morgens um 5 Uhr aufsteht.
Abgerundet wird das Buch noch mit einigen Fotos des Autors beim Laufen und beim Radfahren.
Ein sehr persönliches und schönes Buch.
Lesetipp
Einerseits ist es spannend, einen Überblick über die Literatur und die Schriftsteller der Vor- und Nachkriegszeit zu bekommen und zu erfahren, wie leidenschaftlich sein Interesse an der Literatur und seine Liebe zur Musik war.
Andererseits war es für mich, die in literarischen Dingen nicht so bewandert ist und nicht derart viele Autoren und Schriftsteller kennt, manchmal langatmig und langweilig, so detailliert über diese Personen oder deren Werke zu lesen.
Das Kapitel über das Warschauer Getto ist sehr ergreifend und informativ.
Interessant und amüsant finde ich auch seine hie und da eingestreuten Charakterisierungen von Schriftstellern.
MRR schreibt m. E. sehr nüchtern-sachlich. Ich kann den Grund, meine ich, durchaus nachvollziehen. Wer derart Schlimmes erlebt hat (Warschauer Ghetto) und in dieser Zeit aufgewachsen ist (Zitat: „Man hatte mir einst in einem preußischen Gymnasium beigebracht, dass es sich zieme, dem Weibischen und Weichlichen, dem Elegischen mannhaft Widerstand zu leisten. Sollte aber das Weibische, das Sentimentale gar schon im Anzuge sein, dann habe man sich unbedingt und sofort auf die Pflicht zu besinnen“, Seite 507), muss Gefühle unter Verschluss halten. Trotzdem hätte mir ein bisschen mehr Emotionalität an der ein oder anderen Stelle besser gefallen.
Man erfährt sehr wenig bis nichts über sein Privatleben. Ich hätte gerne mehr erfahren über seine Beziehungen zu seiner Frau und zu seinem Sohn. Diese Beziehungen, sein Familienleben, gehören doch zweifellos auch in ein Buch hinein, das sich „Mein Leben“ nennt!
Das allerletzte, sehr kurze Kapitel versöhnt mich dann etwas. Da gestattet MRR dem Leser einen kurzen aber berührenden Blick auf seine Familie - die lesende Tosia und Portraits von von ihm verehrten Schriftstellern, sowie seinem Sohn und seiner Enkelin - und auf seine Beziehung zu Tosia.
Dass er sein Werk mit einem Zitat beendet, das er seiner Beziehung zu Tosia widmet, ist ergreifend.
Obwohl es Kritikpunkte gibt, kann ich das Buch unter’m Strich absolut empfehlen. Es ist informativ, es bereichert und streckenweise ist es auch berührend.
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