Benzin: Roman

Friedl liebt Wölfchen und Wölfchen liebt Friedl.
So einfach könnte es sein, und so einfach ist es dann doch nie.
Das Leitmotiv des Buches ist homosexuelle Liebe, gezeichnet als zutiefst persönliches Drama einerseits und Stück deutscher Zeitgeschichte andererseits. Die Liebe der beiden jungen Männer beginnt in der DDR der 50er Jahre, die Ideologie und die in ihrer Rigidität perfiden Strukturen der DDR bilden jedoch lediglich den Auftakt für eine Narration, die sich bis ins Jahr 1993 zieht – und in der sich Verwirrnis auf vielen Ebenen abspielt: Gesellschaft, Familie, Individuum.
Es geht aber nicht nur um homosexuelle Selbstfindung und deutsche Geschichte.
Auch Gewalt in der Familie ist ein zentrales Thema, in Gestalt des streng katholischen Vaters, der seinen Sohn mit dem Siebenstriemer blutig schlägt und sich dabei nicht einmal bewusst ist, dass die Gewalt, die er selber als Kind erlebt hat und weiterträgt, keine Berechtigung hat.
Friedeward steht im Mittelpunkt dieser persönlichen Tragödie.
Er wurde von klein auf dazu erzogen, sich in vielerlei Hinsicht selbst zu verleugnen, und diese Indoktrination verschärft sich um ein Vielfaches, als sein Vater ihn und Wolfgang im Bett erwischt – bis Schuldgefühle zu einem Teil seines innersten Wesens werden. Auch als Homosexualität längst nicht mehr strafbar ist, kann Friedeward sich nicht befreien aus einem inneren Gefängnis, in dem er längst Gefangener und Wächter in einer Person ist. Jeglicher gesellschaftlicher Aufbruch geht an ihm vorüber, zieht höchstens die Daumenschrauben der Scham noch fester an.
Christoph Hein erzählt diese dramatische Geschichte in knapper, nüchterner Sprache. Für mich schmälert diese Erzählweise die Wirkung der Geschichte – jedenfalls die ihrer persönlichen Aspekte.
Der Autor malt die Emotionen der Charaktere in allzu verwässerten Farben – das entstandene Bild rief in mir kein Echo hervor, das über vage Bestürzung hinausging. Dies ist meines Erachtens eine Geschichte, die sicher nicht nach Kitsch, jedoch durchaus nach einer gewissen Emotionalität verlangt, doch Hein geht als Chronist der Geschehnisse nicht über schlichte, beinahe sachliche Beschreibung hinaus.
Auch die Charaktere selbst bleiben in meinen Augen verhältnismäßig blass.
Ich nahm nur schwachen Anteil an dem, was ihnen geschah, wie ein emotional unbeteiligter Beobachter. Manche Nebencharaktere fallen unversehens ganz unter den Tisch, um erst spät und eher halbherzig wieder in die Geschichte eingebaut zu werden.
FAZIT
DDR in den 50er Jahren: der Pfarrerssohn Friedewald Ringeling verliebt sich zum ersten Mal – in seinen Freund Wolfgang. Für diese Liebe ist kein Raum im katholischen Heiligenstadt, und noch weniger im Weltbild seines Vaters, der versucht, ihm die ‘Sodomie’ aus dem Leib zu prügeln.
Christoph Hein erzählt diese Geschichte, die eigentlich vor Emotionen überlaufen sollte, in eher gefühlsarmer Sprache, und dieser Widerspruch funktionierte für mich einfach nicht – ich fand keinen tieferen Zugang zu den Charakteren und ihrem Schicksal.
Dieses Buch ist ein Roman über das Leben eines homosexuellen Mannes. Friedeward Ringeling wurde am 1. September 1933 in Heiligenstadt als Sohn eines frommen Englischlehrers und einer Krankenschwester geboren. Er wuchs mit seinen beiden Geschwistern in einem recht lieblosen Elternhaus auf, dafür werden die Kinder kontrolliert und jede Unerzogenheit der Kinder wird bestraft, die Schwester Magdalena mit einem "Klaps auf den Hintern" oder einer "Kopfnuss", die beiden Brüder Hartwig und Friedeward bekommen schon den Siebenstriemer zu spüren. Die Folge ist, dass die beiden älteren Geschwister ihr Heil außerhalb des Elternhauses suchen. Friedeward ist recht gut in der Schule, sondert sich von den anderen ab, nur ein Junge findet Zugang zu ihm. Wolfgang Zernick, der Sohn des Pastors, ebenso gut in der Schule und ein Sonderling. Beide freunden sich an, werden unzertrennlich, fangen an Gefallen aneinander zu finden. In den Sommerferien fahren Beide mit den Fahrrädern an die Ostsee zum Zelten und da haben sie ihre ersten erotischen Erfahrungen miteinander. Aus Friedeward und Wolfgang werden Friedl und Wölfchen. Doch beide wissen, dass sie sich verstecken müssen, es ist nicht die Zeit für offene homosexuelle Handlungen. Darauf steht noch eine fünfjährige Gefängnisstrafe, eine Gefängnisstrafe für die Liebe ?!?! Sie versuchen es zu verbergen, Friedewards Vater bekommt es trotzdem heraus und sorgt durch Drohungen dafür, dass sich ihre Wege trennen, natürlich nicht ohne seinen siebzehnjährigen Sohn ein weiteres Mal mit dem Siebenstriemer blutig zu schlagen. Friedl und Wölfchen treffen sich später beim Studium in erst Jena/dann Leipzig wieder, hier in Leipzig treffen sie auf das lesbische Paar Jacqueline und Herlinde, und alle vier werden zu einer eingeschworenen Gemeinschaft, verstecken sich und ihre Neigungen weiter gemeinsam und schützen sich gegenseitig. Weiterhin ist dieser Roman ein guter Blick auf die Geschichte Deutschlands, besonders die Geschichte Leipzigs und seiner Universität und einige Größen dieser schönen Stadt, ein Blick auf die Geschichte Leipzigs bis 1993 führend. Und natürlich ein schöner Blick auf ein verstecktes Leben. Wobei ich mir und hier die Frage stelle, warum sollte sich Liebe verstecken müssen?
Dieser Roman ist nicht gefühlsüberbordend geschrieben, fast nüchtern und etwas kühl. Ich hatte erst Angst ob ich Zugang zum Geschehen finden werde. Aber diese Ängste waren unbegründet. Den Zugang fand ich recht schnell und trotz des recht sachlichen Schreibstils berührte mich das Geschilderte tief. Es ist für mich nicht nachvollziehbar, wieso Liebe, das Beste was Menschen anderen Menschen geben können, bestraft wird, weil Bornierte und Kleingeister unter uns das so möchten und gerade diese Liebe verdammen. Das ist einfach nur traurig und leider auch immer noch ein Thema. Die historischen Informationen des Romans fand ich aufschlussreich und interessant. Der Schreibstil entwickelt einen recht hohen Sog, ich hatte es an einem Tag durch und fand das Buch sehr schön.
Nähe oder Distanz ?
"Was zu dir gehört" von Garth Greenwell ist ein Roman über einen namenlosen Ich-Erzähler, der aus den USA nach Bulgarien gereist ist, er arbeitet dort als Lehrer an einer renommierten Schule in Sofia. Schon darüber habe ich mich sehr gewundert. Warum gerade Bulgarien? Warum reist jemand aus den USA nach Bulgarien? Aber gut, ist halt einfach so. Man könnte ja auch sagen warum nicht. Jedenfalls lernt dieser namenlose Ich-Erzähler auf der Suche nach einem sexuellen Kontakt in den Tiefen des bulgarischen Kulturpalastes in Sofia den charismatischen Mitko kennen. Fortan tanzen die beiden jungen Männer umeinander herum. Es beginnt ein Reigen um Liebe und Freundschaft, ein Ringen um Nähe und Distanz. Es geht um das, was die beiden zusammenbringt und auch um das, was die beiden trennt. Dabei stellt sich der Ich-Erzähler dann auch den Fragen aus seiner Vergangenheit, eine gewisse Selbstreflektion beginnt. Was macht jeden von uns zu dem Menschen, der er/sie ist? Elementare Fragen tauchen auf. Und das Ganze ist derartig intensiv geschrieben, dass man öfters einfach mal die Luft anhält/betroffen ist, wegen der Handlung, aber genauso erwischt einen auch diese Wortgewalt. Eine wunderschöne Wortkunst hat dieser Autor hier erschaffen, es ist ein Roman, der innehalten lässt, zum Sinnieren einlädt. Ein Roman mit einer Handlung, die besticht, die nachdenklich macht, die nachhallt. Dieser Roman ist auch ein Blick in die Gefühlswelt von jemandem, der Ausgrenzung erfährt, der am Rand steht. Ich habe mich beim Lesen gefragt, warum dies so ist, warum diese Ausgrenzung existiert, denn es ist ein Mensch, ein Mensch der lebt, ein Mensch der Stärken und Schwächen hat, ein Mensch der sympathisch und unsympathisch ist. Letztendlich ist dies hier ein Mensch wie wir alle. Ein Mensch der lebt, der liebt, der begehrt, der geliebt/begehrt werden möchte und der sich selbst hinterfragt. Und das alles geschieht in einer zutiefst ehrlichen Form, eine ehrliche Form, die manchmal schon etwas weh tut. Ich gebe eine Leseempfehlung, auch wenn ich weiß, dass dieses Buch einigen wegen der Handlung absolut nicht gefallen wird. Aber wer hat gesagt, dass Borniertheit etwas ist, was Betroffenen hilft?
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