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Der japanische Schriftsteller und Journalist Hideo Yokoyama wurde hierzulande durch seinen Kriminalroman 64 bekannt, der 2019 den deutschen Krimipreis gewann. Das vorliegende Buch 50 ist in Japan bereits 2002 erschienen.
Zum Inhalt:
Der Polizeibeamte Soichiro Kaji stellt sich der Polizei und gibt an, dass er seine an Alzheimer erkrankte Ehefrau auf ihren eigenen Wunsch hin getötet hat. Allerdings geschah diese Tat schon vor zwei Tagen. Was hat Kaji in dieser Zeit gemacht? Ein Versuch der Selbsttötung wurde offensichtlich abgebrochen und außerdem wurde er gesehen, wie er nach Tokio ins berüchtigte Kabuki-Viertel fuhr. Was wollte dieser ehrenhafte Polizist in diesem Rotlichtviertel? In Kajis Wohnung findet sich eine Kalligraphie mit den Worten: "Der Mensch lebt fünfzig Jahre". Kaji ist 49, für wen will er dieses eine Jahr noch leben?
"Für wen lebst Du?", das ist die zentrale Frage dieses Buches. Die Geschichte wird aus sechs verschiedenen Perspektiven, aber fortlaufend erzählt und jeder der Protagonisten stellt sich im Verlauf diese Frage. Vieles mutet für unsere deutschen, bzw. europäischen Maßstäbe seltsam an. So steht die Ehre sehr im Vordergrund. Der Polizist, der seine Frau umbringt, "beschmutzt" die Ehre der gesamten Polizeipräfektur. Dass er danach nicht Selbstmord begeht, sondern auch noch in ein zwielichtiges Viertel fährt, bringt die gesamte Organisation in Verruf und somit auch unter Druck. Die starken und autoritären Hierarchien sind in der westlichen Welt auch eher ungewöhnlich. Der Untergeordnete darf seinen Vorgesetzten keinesfalls widersprechen, ohne seine Karriere zu gefährden.
Der Schreibstil ist ruhig und distanziert und hätte durchaus etwas mehr Tempo vertragen. Durch die Perspektivwechsel gerät das Schicksal Kajis zeitweise in den Hintergrund, das hat mir nicht so gut gefallen. Die Auflösung ist allerdings originell und unerwartet.
Alles in allem war es hochinteressant diese Geschichte aus einer, für mich sehr fremden und stellenweise auch befremdlichen Kultur zu lesen.
Die Ich-Erzählerin Martine hat eine normale Kindheit. Allerdings verliert ihr Vater ein Bein im Algerienkrieg, über den er nie spricht: „Er verglaste sein Schweigen, verschloss es wie eine Verletzung.“ Darunter leidet die lebenslustige, bildschöne Mutter, die bei einem Autounfall tragisch ums Leben kommt:
„Sie hatte gerade erst ihren fünfunddreißigsten Geburtstag gefeiert.
Ich hatte sie für unsterblich gehalten.
Mit dreizehn Jahren bin ich urplötzlich gealtert.“
Der Vater zieht sich nun völlig zurück, sein Herz erstarrt zu Eis, er sucht Flucht im Alkohol. Zum Glück errettet ihn Francoise, eine liebenswerte Verkäuferin, mit der er fortan sein Leben teilt und die auch für Martine eine liebevolle Gefährtin wird:
„Papa liebte sie, aber diese Liebe, das wurde mir nach und nach klar, war anders als das Verzehren, das ihn mit Maman verbunden hatte.“
Martine studiert in Paris und lernt den Zimmermann André kennen, der den Bauernhof seiner Eltern verlassen hat, um mit Holz zu arbeiten:
„Plötzlich war alles funkelnagelneu, unberührter Schnee, ich hatte ein Feuer gefunden, mit dem ich nie wieder frieren würde, und ich fing an zu lachen, das Lachen eines Neugeborenen, eine Offenbarung.“
Martine hat das Lebensgefühl ihrer Zeit, sie tauscht ihren Vornamen in Betty, weil das „richtig stilvoll“ klingt. Mit einundzwanzig Jahren wird sie Grundschullehrerin und heiratet André. Sie bekommen einen Sohn, Sebastién. André ist oft auf Reisen, um andere Holzarten kennenzulernen und sich weiterzubilden. Das tut der Liebe der beiden aber keinen Abbruch.
Betty freundet sich mit der Parfümerieverkäuferin Odette an, deren Freund Portraitfotograf ist. Er arbeitet an einem Fotoprojekt über den Alterungsprozess von Frauen. Jedes Jahr schießt er eine identische Aufnahme. Betty fotografiert er erstmalig mit 30 Jahren. Sie hat die Schönheit ihrer Mutter geerbt und ist glücklich:
„Aber das Glück, das weiß jedes Kind, ist ein wunderlicher Gast. Man verlässt den Tisch ohne Vorwarnung, ohne Grund.“
Betty muss in den kommenden Jahren, belegt durch die Fotografien, feststellen, dass sie äußerlich nicht mehr altert. Was am Anfang durchaus reizvoll ist, entwickelt mehr und mehr eine eigene Dynamik, wird zur Pein. Ihr Mann hat Schwierigkeiten, sich mit einer so jungen Frau zu zeigen, die keinerlei Zeichen gelebten Lebens im Gesicht hat, ihr Sohn traut sich nicht, sie als seine Mutter vorzustellen, Arbeitgeber vermuten, gefälschte Papiere vorgelegt zu bekommen und so weiter. Schließlich hält sogar ihr dementer Vater sie auch noch für die verstorbene Mutter und will sie küssen.
Das alles ist sehr belastend für Betty. Während sie an ihrer immerwährenden Jugendlichkeit leidet, will ihre Freundin Odette dem eigenen Altern mithilfe von Kosmetika und Chirurgie ein Schnippchen schlagen:
„Die Schönheitschirurgie ist eine Droge, weckt endlose Hoffnungen, nach dem Gesicht die Lippen, nach den Lippen die Lider, nach den Lidern die Brüste, nach den Brüsten der Bauch, nach dem Bauch die Knie, und die Zeit verstreicht, und zum Zeitvertreib beginnt man wieder von vorn, man hält sich für immer jünger und schöner, immer perfekter, während die anderen einen für das Bild des Jammers halten.“
Der Autor verflechtet diese beiden Frauengeschichten sehr geschickt in seinem Roman, Streben nach ewiger Jugend ist ein Trend unserer Zeit. Beauty- und Wellness-Angebote prägen das Bild, die Suche nach der Unsterblichkeit hat schon die alten Alchimisten beschäftigt. Anhand von Bettys Leben wird nun das „Was wäre wenn…“, durchgespielt - mit all seinen Nachteilen und Verlusten, die es bringt. Zum Glück ist sie eine starke Frau, die in der Lage ist, auch Brüche zu verkraften und sich neu aufzustellen.
Mir hat der Roman sehr gut gefallen. Delacourt hat eine einzigartige, poetische Sprache, die es vermag, auch Schweres leicht auszudrücken, ohne ihm die Tiefe zu nehmen. Ich hoffe, mit den zitierten Sätzen wird deutlich, was ich meine.
Ich verstehe den Roman als Plädoyer, nicht mit dem Lebensalter und den damit einhergehenden Fältchen, Besenreißern etc. zu hadern. Unser Gesicht und unser Körper tragen Zeichen des gelebten Lebens, das auf andere Weise attraktiv macht. Für Betty führt die weit verbreitete Wunschvorstellung vom „Forever Young“ wahrlich nicht zum erfüllten, glücklichen Leben.
Dieser Roman ist wunderbar geschrieben und strahlt viel Lebensweisheit aus. Er hat in der Print-Version nur 176 Seiten. Damit eignet er sich gut für zwischendurch, ohne ein Leichtgewicht zu sein. Ich gebe gerne meine Lese-Empfehlung.
"And then there was the day when Addie Moore made a call on Louis Waters." (Originalzitat, Seite 3 - zugleich erster Satz dieses Romans).
Inhalt:
Seit über vierzig Jahren leben Addie Moore und Louis Waters mit ihren Familien in der Cedar Street in der kleinen Stadt Holt. Nun sind beide verwitwet und eines Tages macht Addie Louis einen ungewöhnlichen Vorschlag.
Thema und Genre:
Ein leiser, poetischer Roman über das Älterwerden, Einsamkeit, über Freundschaft und Liebe. Es geht auch um die Engstirnigkeit des Kleinstadtlebens und um Konventionen. Auch problematische Vater-Sohn-Beziehugen sind ein Thema. Dazu kommt die Frage, ob und wie längst erwachsene Kinder mit dem Eigenleben ihrer Eltern umgehen.
Charaktere:
Dieser Autor liebt die Menschen seiner Geschichten, das spürt man als Leser und das macht seine Charaktere so besonders und liebenswert.
Fazit:
In seiner großartigen, aber immer leisen Sprache erzählt uns der Autor eine Geschichte zum Lachen, vielleicht auch zum Weinen, auf jeden Fall aber zum Nachdenken.
Pubertät ist schlimm. Klar. Aber nicht so schlimm wie: Alterspubertät! Alterspubertierende sind angegraute, bequeme, oft kurzsichtige Wesen, die die Ruhe lieben, das Wandern, das Wort »früher« und bestuhlte Pop-Konzerte. Männliche Alterspubertierende zwängen ihren runden Ü45-Körper in Neoprenanzüge und beginnen einen Kitesurf-Lehrgang. Andere laufen Marathon. Weibliche Alterspubertierende flüchten sich gern in die Spiritualität und »wollen sich neu entdecken«. Oder Marmelade einkochen. Klingt scheußlich? Ist es auch. Aber eben auch sehr, sehr lustig ... Ein kleiner Trost: Alterspubertierende sind die größte Bevölkerungsgruppe in Europa. Du bist nicht allein.
In diesem humorvollen Buch dreht es sich unter anderem um die Wechseljahre des Mannes mit all seinen Auswirkungen. Es wird dabei aus der Sichtweise vom Autor berichtet. Dabei ist der Schreibstil sehr locker, bildhaft und zügig zu lesen. Der Humor kommt dabei viel zum Einsatz so dass ich beim lesen viel lachen und schmunzeln musste. Meiner Meinung nach findet sich der Leser oder auch die Leserin sofort in dieser Geschichte wieder. Die Themen gehen von "Outdoorbekleidung" über "Hitzewallungen" bis hin zu "neuen altersgerechten Hobbys" und vieles mehr. So wurde das Buch für mich persönlich kurzweilig zu lesen. Es gibt immer wieder mal nachdenkliche, mal melancholische, mal witzige Alltagssituationen die wir alle kennen. Mit viel Wärme und Gefühl zwischen den Zeilen wird das Gefühlschaos des Alterpubertierenden aufgezeigt.Diese Geschichte(n) sind amüsant, vergnüglich und basieren auf vielen wahren Begebenheiten. Dann gibt es noch Kapitel die sich direkt mit den Körpern der Frau und des Mannes während der Wechseljahre befassen. Ich muss dazu sagen dass dieses Buch kein Sachbuch oder Ratgeber ist. Als Geschenk allerdings ist es prima geeignet und verbreitet gute Laune und Spaß. Dieses 26 Kapitel umfassende Buch hat mich auf wunderbare und humorvolle Art und Weise unterhalten. Ich vergebe daher gerne fünf Sterne.
Genial konstruiert
"50" ist nun das dritte Buch, das ich von dem japanischen Autoren Yokoyama lese und es gefiel mir sogar noch besser als die Vorgänger.
Zunächst einmal ist die Aufmachung des Hardcovers großartig. Tolle Haptik, tolles Cover, tolle Farbgebung der Seitenansicht. Ein Genuss, dieses Buch in die Hand zu nehmen.
Die Story ist - wie von Yokoyama erwartet - detaillreich konstruiert und insgesamt eher ruhig. Man darf hier keine Krimi erwarten in dem Schlag auf Schlag große Dramen passieren. Die leisen Töne sind jedoch nicht weniger spannend und in all ihren Details wichtig für die Handlung.
Im Verlauf des Buches wechseln wir von einer Perspektive in eine andere: mal lesen wir aus Sicht eines Ermittlers der Polizei, mal aus Sicht eines Staatsanwaltes, mal aus Sicht eines Verteidigers usw.
Jeder hat andere Kenntnisse von dem Fall und auch der/die Leser/in ist nie voll im Bilde. Immer mehr Bruchstücke bieten sich zum Miträtseln.
Die eigentliche Kriminaltat wird schon zu Beginn beschrieben: ein Polizist hat seine Frau auf deren Wunsch wegen fortschreitender Alzheimererkrankung erwürgt. Zwei Tage später zeigt er sich selbst an. Doch was geschah in der Zwischenzeit.
Darum aber auch um die Verpflechtungen und Abläufe von Polizei und Justiz drehen sich hier die verschiedenen Handlungsstränge. Yokohama gibt uns Einblick in japanische Abläufe, Konfentionen und Gesellschaftsnormen.
Ingesamt hochinteressant und intelligent aufgebaut. Solch einen Krimi vergisst man nicht schon wenige Tage nach dem Ende.
Ich hoffe sehr, dass der Atrium-Verlag noch mehr Werke des Autors ins Deutsche übersetzt.
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