Höllensturz: Europa 1914 bis 1949

Buchseite und Rezensionen zu 'Höllensturz: Europa 1914 bis 1949' von Ian Kershaw
5
5 von 5 (1 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Höllensturz: Europa 1914 bis 1949"

Europa am Abgrund


Das europäische zwanzigste Jahrhundert war geprägt von kriegerischen Auseinandersetzungen. Europa erlebte gewaltige Turbulenzen, die Hölle zweier Weltkriege in der ersten Jahrhunderthälfte und tiefgreifende Veränderungen.


Der britische Historiker Ian Kershaw erzählt in einem meisterhaften Panorama die Geschichte dieses Kontinents vom Vorabend des Ersten Weltkriegs bis in die Zeit des beginnenden Kalten Kriegs Ende der vierziger Jahre, nachdem die europäische Zivilisation an den Rand der Selbstzerstörung gelangt war. Ethnische Auseinandersetzungen, aggressiver Nationalismus und Gebietsstreitigkeiten, Klassenkonflikte und die tiefe Krise des Kapitalismus waren die treibenden Kräfte, die Kershaw dabei besonders in den Blick nimmt. Neben den großen Entwicklungslinien in Politik, Wirtschaft, Kultur und Gesellschaft schildert er auch immer wieder Erlebnisse und Erfahrungen einzelner, die einen Eindruck geben vom Leben im Europa der ersten Jahrhunderthälfte.


Diskussionen zu "Höllensturz: Europa 1914 bis 1949"

Autor:
Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:768
EAN:9783421047229
read more

Rezensionen zu "Höllensturz: Europa 1914 bis 1949"

  1. Das beste Sachbuch dieser Richtung

    Klappentext
    Europa am Abgrund

    Das europäische zwanzigste Jahrhundert war geprägt von kriegerischen Auseinandersetzungen. Europa erlebte gewaltige Turbulenzen, die Hölle zweier Weltkriege in der ersten Jahrhunderthälfte und tiefgreifende Veränderungen.

    Der britische Historiker Ian Kershaw erzählt in einem meisterhaften Panorama die Geschichte dieses Kontinents vom Vorabend des Ersten Weltkriegs bis in die Zeit des beginnenden Kalten Kriegs Ende der vierziger Jahre, nachdem die europäische Zivilisation an den Rand der Selbstzerstörung gelangt war. Ethnische Auseinandersetzungen, aggressiver Nationalismus und Gebietsstreitigkeiten, Klassenkonflikte und die tiefe Krise des Kapitalismus waren die treibenden Kräfte, die Kershaw dabei besonders in den Blick nimmt. Neben den großen Entwicklungslinien in Politik, Wirtschaft, Kultur und Gesellschaft schildert er auch immer wieder Erlebnisse und Erfahrungen einzelner, die einen Eindruck geben vom Leben im Europa der ersten Jahrhunderthälfte.

    Der Autor
    Ian Kershaw, geboren 1943, war bis zu seiner Emeritierung Professor für Modern History an der University of Sheffield und zählt zu den bedeutendsten Historikern der Gegenwart. Seine große zweibändige Biographie Adolf Hitlers gilt als Meisterwerk der modernen Geschichtsschreibung.

    Meine Meinung

    Story
    Wie kam es zum Ersten Weltkrieg? Warum waren die Länder Europas so erpicht darauf in den Krieg zu ziehen. War das Attentat auf den österreichischen Thronfolger wirklich der Auslöser. Warum wurde Deutschland bestraft. Und was führte schließlich zum Zweiten Weltkrieg? Wie konnte die NSDAP an die Macht kommen? Und warum haben die anderen Länder nicht schon viel früher interveniert um den Krieg zu verhindern, wo schon bei Hitlers Machtübernahme die Zeichen auf Krieg standen? Der Renommierte englische Historiker, der schon mit seiner Hitler Biografie für Furore gesorgt hat, erklärt in diesem Werk die Ereignisse und gibt antworten auf diese und viele andere Fragen.

    Schreibstil
    Das Buch ist gut verständlich und man kommt trotz einiger Fremdwörter zu einem flüssigen Lesen. Kershaw hat das Buch chronologisch aufgebaut. Im Wechsel erklärt er die Situation in den einzelnen Ländern. Er schildert sehr aufschlussreich, wie die Menschen den Krieg erlebten und was er ihnen brachte, bez abverlangte.

    Ausstattung
    Das Buch enthält zwei Bildteile mit insgesamt 30 Abbildungen, dazu kommen mehrere politische Karten Europas zu den einzelnen Epochen. Ein über 30 Seiten langer Anhang mit ausgewählter Literatur, sowie ein Sach und Namensregister runden das 766 seitige Werk ab.

    Fazit

    Nehmen wir es vorweg, ich denke, dass Ian Kershaw wiedermal ein Buch geschrieben hat, das Maßstäbe setzten, könnte. Kershaw versteht es wie kein Zweiter die Ereignisse von 1914 bis 1949 dazustellen und dem Leser nahezubringen. Sehr ausgewogen erklärt er die jeweilige Situation in den Ländern Europas. Das Werk ist ein Sachbuch, bei dem es eine Freude ist, es zu lesen, ja Ian Kershaw versteht es sogar, eine gewisse Spannung reinzubringen. Im Gegensatz zu nahezu allen anderen Büchern über den ersten oder Zweiten Weltkrieg hört sein Werk nicht mit der Kapitulation Deutschland auf, sondern geht noch weiter und er erklärt, wie es nach den jeweiligen Kriegen weiterging. Sehr anschaulich vermittelt er ein Bild der jeweiligen Klassen. Das Buch ist der erste Teil einer zweibändigen Reihe und man darf gespannt sein, wie es weitergeht. Meine Empfehlung wäre: Das Buch als Schulbuch rauszubringen der interessierte Schüler weiß nach Lektüre des Werks, was man über die Geschichte Europas wissen sollte. Das beste Sachbuch, das ich je gelesen habe.
    Ich vergebe volle fünf von fünf Leseratten/Sternen und eine absolute Leseempfehlung.
    Autor: Ian Kershaw

    Teilen
 

Ostende. 1936, Sommer der Freundschaft

Buchseite und Rezensionen zu 'Ostende. 1936, Sommer der Freundschaft' von Volker Weidermann
5
5 von 5 (1 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Ostende. 1936, Sommer der Freundschaft"

Ostende. 1936, Sommer der Freundschaft

Diskussionen zu "Höllensturz: Europa 1914 bis 1949"

Format:Taschenbuch
Seiten:160
Verlag: btb Verlag
EAN:9783442748914
read more

Rezensionen zu "Ostende. 1936, Sommer der Freundschaft"

  1. Tanz auf dem Vulkan

    Sommer 1936. Während sich Nazideutschland anschickt, wegen der olympischen Spiele ein zivilisiertes Angesicht nach außen zu zeigen, treffen sich im belgischen Ostende versprengte Exilanten, die Deutschland verloren haben, allen voran Stefan Zweig und Joseph Roth. Die beiden befreundeten Autoren sind als Juden vom deutschen Buchmarkt verschwunden und kämpfen, unterschiedlich erfolgreich, um ihr wirtschaftliches Überleben. Zweigs gelegentliche Finanzspritzen helfen Roth dabei.

    Gemeinsam mit anderen Feriengästen wie Ernst Toller, Arthur Koestler, Willi Münzenberg, Hermann Kesten, Egon Erich Kisch und der neu dazustoßenden Irmgard Keun feiern sie und schmieden Pläne, wie man Nazideutschland gegenüberzutreten habe. Phantasmagorien, wie man aus der Rückschau konstatieren muss. Dem Unhold Hitler und seinem System war kein (deutsches) Kraut gewachsen. Zweig zieht sich literarisch in eine Welt von gestern zurück, ähnlich Roth, der beginnt, dass zerfallende österreichische Kaiserreich und den Katholizismus zu glorifizieren, dabei zugleich noch stärker dem Alkohol verfällt, eine Leidenschaft, in die er seine neue Geliebte, Irmgard Keun hineinziehen wird.

    Die von Volker Weidemann beschriebenen Treffen der Exilanten muten bisweilen wie ein Tanz auf dem Vulkan an, auch überschätzt man sich maßlos, wenn man glaubt, man könne mit der Betonung humanistischer Werte das Dritte Reich bekämpfen, dafür waren die dreißiger Jahre zu idelogiegläubig. Auch, aber nicht nur deshalb, fiel mir beim Lesen dieses kleinen, aber wertvollen Büchleins mehrfach das Zitat "Der Tod kreuzte schon seine knochigen Hände über den Kelchen, aus denen wir tranken" aus Joseph Roths "Radetzkymarsch" ein.

    Joseph Roth und Stefan Zweig sind zwei meiner Lieblingsautoren, die deutsche Exilliteratur von 1933 - 1945 war ein Schwerpunkt meines Studiums, insofern konnte ich dieses Buch nicht nicht lesen. Und ich habe es auch nicht bereut. Wieder einmal wird deutlich, wie schwer der Verlust der Heimat und auch die Möglichkeit, in der eigenen Sprache die eigenen Landsleute anzusprechen auf die Betroffenen gewirkt hat. Entwurzelte, die selten neuen Fuß fassen konnten.

    Teilen
 

Mir hat Gott keinen Panzer ums Herz gegeben

Buchseite und Rezensionen zu 'Mir hat Gott keinen Panzer ums Herz gegeben' von Hans von Dohnanyi
5
5 von 5 (2 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Mir hat Gott keinen Panzer ums Herz gegeben"

Ein bewegendes Dokument aus dem Widerstand gegen Hitler


Erstmals werden die berührenden Briefe und eindringlichen Kassiber veröffentlicht, die Hans von Dohnanyi, eine der führenden Persönlichkeiten des Widerstandes gegen das NS-Regime, aus der Haft an seine Frau Christine und an seine Kinder schrieb. Sie zeigen sowohl den liebevollen Ehemann und Vater wie den entschlossenen Verschwörer gegen Hitler, der sich auch in der Haft, den Tod vor Augen, nicht beugt.


Der Jurist Dohnanyi schloss sich bereits Ende der dreißiger Jahre Widerstandskreisen an. 1942 verhalf er einer Reihe von Juden, die als Agenten getarnt wurden, zur Flucht in die Schweiz, im März 1943 war er an einem Attentatsversuch gegen Hitler beteiligt, der jedoch fehlschlug. Im April 1943 wurde er wegen angeblicher Devisenvergehen im Zusammenhang mit der Fluchthilfe inhaftiert. Nach dem gescheiterten Umsturzversuch vom 20. Juli 1944 flog seine Mitarbeit an den früheren Putschplänen auf. Am 9. April 1945 wurde er im KZ Sachsenhausen gehängt.


Diskussionen zu "Höllensturz: Europa 1914 bis 1949"

Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:352
EAN:9783421047113
read more

Rezensionen zu "Mir hat Gott keinen Panzer ums Herz gegeben"

  1. 5
    13. Nov 2016 

    Sehr persönliche Briefe, die betroffen stimmen

    Diese vielen Briefe von Hans v. Dohnanyi stimmen recht betroffen. Sie sind sehr emotional an die Familie, aber ganz besonders an seine Frau Christine Bonhoeffer gerichtet. Vieles wiederholte sich immerzu, aber das war dem Schreiber selbst bewusst …

    Zitat:
    Und ich schreibe, schreibe immer dasselbe in tausend Variationen, wie ich es in tausend Variationen immer wiederhole, wenn ich ruhelos auf- und ab wandere. (2016, 62)

    Ich zitiere diese Textstelle, damit man von den vielen Wiederholungen im Buch nicht überrascht wird. Oftmals war es recht schwer, diese als Leserin auszuhalten. Manches Mal stand ich kurz vorm Abbrechen, obwohl mir schon bewusst ist, unter welchem enormen seelischen Druck sich dieser Mensch befand. Ohne die Liebe seiner Familie hätte Dohnanyi diese zwei Jahre Haft nicht überlebt, aber was brachte ihm das, wo er sowieso hingerichtet wurde. Dohnanyi hatte bis zum Schluss gehofft ... Zumindest hatte er in dieser Zeit seinen Verstand nicht verloren, und ihm wurde die Zeit durch diese vielen Briefe erträglich gemacht, trotz multipler, schwerer, körperlicher Erkrankungen, mit denen er zusätzlich zu kämpfen hatte.

    Zur Erinnerung gebe ich erneut den Klappentext rein:

    Der Jurist Dohnanyi schloss sich bereits Ende der dreißiger Jahre Widerstandskreisen an. 1942 verhalf er einer Reihe von Juden, die als Agenten getarnt wurden, zur Flucht in die Schweiz, im März 1943 war er an einem Attentatsversuch gegen Hitler beteiligt, der jedoch fehlschlug. Im April 1943 wurde er wegen angeblicher Devisenvergehen im Zusammenhang mit der Fluchthilfe inhaftiert. Nach dem gescheiterten Umsturzversuch vom 20. Juli 1944 flog seine Mitarbeit an den früheren Putschplänen auf. Am 9. April 1945 wurde er im KZ Sachsenhausen gehängt.

    Die Sprache ist zudem oftmals verniedlicht und jede Menge Liebessülzen …

    Die Briefe wurden alle zensiert, bevor Dohnanyis Familie sie zu lesen bekam. Politische Botschaften wurden von Hans und seiner Frau verschlüsselt kommuniziert.

    Zitat:
    Vor allem Hans von Dohnanyi übermittelte von nun an umfangreiche Botschaften, indem er in Büchern, die ihm seine Frau bringen durfte, auf jeder Seite jeweils einen Buchstaben oder eine kleine Buchstabengruppe durch einen darunter angebrachten feinen Bleistiftpunkt markierte. Die markierten Buchstaben ergaben, wenn zuerst die auf den geraden, dann die auf den ungeraden Seiten von hinten gelesen wurden, den Text der Nachricht. In diesen Nachrichten erwies sich Dohnanyi als der heimliche Regisseur des gegen ihn geführten Ermittlungsverfahrens; denn er informierte nicht nur über den Inhalt seiner Vernehmung und ermöglichte damit den Mitbeschuldigten die Abstimmung ihrer Aussagen, sondern gab auch präzise Anweisungen, welche Aussagen von welchen Zeugen nützlich seien und wie auf den Verlauf des Verfahren Einfluss genommen werden sollte. (124)

    Dohnanyi war ein gläubiger Mensch, der durch die lebensbedrohlichen Umstände in der Gefängniszelle immer wieder zu hadern begann, allerdings ohne seinen Glauben tatsächlich verloren zu haben. Das geht aus einem Brief an seine Tochter Barbara hervor, als er von seinen Kindern einen schönen, bunten Frühlingsblumenstrauß geschickt bekommt. In einem Brief bekundet Dohnanyi seine Freude, wie sehr sich die Familie auf diese Jahreszeit immer wieder gefreut hat:

    Zitat:
    So haben wir uns auf diese Zeit gefreut! Du hast ganz recht. Aber siehst du, so wenig hat der Mensch sein Los in Händen! Und wir dürfen deswegen nicht anfangen, mit dem Schicksal zu hadern, wir müssen hinnehmen, wie es kommt. So schwer es uns auch fällt. (90)

    Selbst seinen Humor hat Dohnanyi nicht verloren. Ich musste so schmunzeln, als er sich bei seiner Familie für das tolle Osterpaket bedankte. Denn schließlich könne man selbst in einem Pappkarton nach Ostereiern suchen ...

    Obwohl Dohnanyi Grund gehabt hätte, an seiner prekären Lebenssituation zu verzweifeln, wirkten seine Briefe immer recht hoffnungsvoll, aber auch, weil er seine Frau, die selbst gesundheitlich angeschlagen war, zu schonen versuchte.

    Auch die Briefe, die an seine drei Kinder gerichtet wurden, waren erfüllt mit vielen weisen Ratschlägen. Im Folgenden ein kleiner Briefausschnitt, der an Klaus Dohnanyi gerichtet ist:

    Zitat:
    Dass du Deinen Pflichten und Aufgaben in den Dir zumutbaren Rahmen gerecht wirst, bin ich sicher. Du liebst dein Vaterland ohne Frage und ohne viel davon reden zu machen, hast ein unverbundenes Ehrgefühl, stehst für das ein, was du für richtig erkannt hast, bist hilfsbereit und ein guter, zuverlässiger Kamerad. Bleibe dabei, auch wenn das Leben Dir deswegen Enttäuschung bringen sollte; es ist besser, sich den Glauben an das Gute im Menschen um den Preis solcher Enttäuschungen zu bewahren, als ein Menschenfeind zu werden. (142)

    Dohnanyi war ein Vielleser. Kraft schöpfte er z. B. oft auch aus den Charles-Dickens-Büchern.

    Zitat:
    Ich habe einen schlechten Tag heute: Selbst Bleakhouse macht mich nicht besser. Dieser Dickens ist schon ein wunderbarer Seelenarzt. Warum haben wir ihn eigentlich nicht zusammen gelesen? (89)

    Dohnanyi war Jurist von Beruf, ich gehe mal davon aus, dass er keine belletristischen Bücher gelesen hat.
    Aus der seelischen Not heraus hat Dohnanyi gelernt, mehr auf seine innere Stimme zu hören und weniger auf seine Vernunft. Er rät seiner Schwester:

    Zitat:
    (…) vertraue nicht so sehr auf das Wissen, den Verstand und die Erfahrungen Deines Mannes (ich habe jetzt viel Zeit zum Nachdenken, kann dir sagen: Im entscheidenden Augenblick sind sie nichts wert) als auf Deine innere Stimme. (95)

    Ein paar Zeilen sind diesbezüglich auch an den Gatten gerichtet:

    Zitat:
    Und Du lieber Freund, schlage in solchen Augenblicken der Gewissheit, wie Du handeln musst, nicht nur an deine Stirn mit Fragen um Rat - denn was könnte bei uns Männern dabei herauskommen als bestenfalls etwas „Vernünftiges“, sondern hole Dir deinen Rat bei der inneren Stimme Deiner Frau, die hoffentlich Deinen Verstand, Dein Wissen und Deine Erfahrungen nicht allzu hoch einschätzen wird (glaube mir, wenn es darauf ankommt, sind sie wenig wert!) (ebd,)

    Mein Fazit zu dem Buch?

    Wie viel Glück wir doch haben, nicht in einer Zeit wie dem Nationalsozialismus geboren worden zu sein. Sich Fragen zu beantworten, wie hätte ich mich verhalten?, wäre recht müßig. Auf welche Seite würde man sich selbst stellen? In Anbetracht unserer momentanen politischen Lage durch den europaweiten Zuwachs von Rechtspopulismus kommen mir schon Zweifel auf, inwiefern der Mensch tatsächlich in der Lage ist, aus der Geschichte zu lernen. Muss man selbst durch eine Zeit wie diese gehen, um Recht und Unrecht am eigenen Leib erfahrbar zu machen?
    Hans v. Dohnanyi hat eigentlich Deutschland geliebt, hat es als sein Vaterland betrachtet. Dazu die Sichtweise seines Sohnes Klaus:

    Zitat:
    Der Polizeiarzt Dr. Tietze, dem mein Vater in den letzten Tagen seines Lebens so vertrauensvolle Offenheit schenken konnte, hatte den Eindruck, dass es für Dohnanyi nur zwei Dinge gab: Seine Familie und das Vaterland. Das Vaterland hatte ihn eingesperrt und gelähmt; die Familie gab es nur noch über das Wort; aber das, was diesen bislang so aktiven Täter immer noch bewegte, über das durfte weder geschrieben noch gesprochen werden. (307)

    Er wurde ohne gerichtliche Anhörung hingerichtet, und die Familie wurde nicht mal über seinen Tod benachrichtigt. Dohnanyis Frau Christine startete eine Suchaktion, bis sie ihn schließlich nach dem Ende des Krieges für tot erklärte.

    Von einer Buchbewertung in meinem Blog sehe ich aus Respekt gegenüber dem Autor und dessen Familie ab, da ich der Neinung bin, dass man solche Bücher mit diesem Hintergrund nicht bewerten sollte, ganz gleich, wie gut oder wie weniger gut sie geschrieben sind …

    Hier bin ich gezwungen Sterne zu vergeben, sonst wird die Rezension nicht freigeschaltet.

    Teilen
  1. 5
    12. Aug 2016 

    Biografien oder Briefe

    Biografien oder Briefe/Tagebücher von Männern habe ich nicht sooo viele. Zumeist sind es die Frauen, die mich interessieren. Und beim Thema Gegen das Vergessen brauche ich gar nicht direkt nach ihnen suchen. Die meisten Bücher, die ich dazu gefunden habe, handeln von Frauenschicksalen.

    Und nun haben die Briefe aus dem Militärgefängnis und Gestapo-Hanft von Hans von Dohnanyi den Weg zu mir gefunden. Ulla Hahn hat das Vorwort geschrieben. Sie ist mit Klaus von Dohnanyi, zweiter Sohn von Hans, verheiratet, der das Nachwort verfasste.

    Hans von Dohnanyi hat immer alle seine Gedanken mit seiner Frau Christine Bonhoeffer geteilt. Selbst die geheimsten. Doch nun, während der Haft, durften sie, und das legt Ulla Hahn in ihrem Vorwort auch uns Lesern nahe, den Dritten, der mitlas, den Zensor, nie vergessen.

    Dohnanyi arbeitete schon Ende der 30er Jahre für den Widerstand. Er wurde eine der führenden Persönlichkeiten des Widerstandes gegen das NS-Regime. Er verhalf Juden zur Flucht und war an einem missglückten Attentat gegen Hitler beteiligt.

    Nun in Haft, war er zur Untätigkeit verurteilt. Er, der von Kind auf gewohnt war, Verantwortung zu übernehmen, später politisch zu denken und zu handeln, Verfolgten zu helfen, Widerstand zu organisieren. Was für eine Qual musste es für ihn gewesen sein, in seinen Briefen nicht darüber schreiben zu können.

    Die Briefe sind aufgegliedert in die Haftstationen, die Dohnanyi durchlaufen musste:

    Wehrmachtsuntersuchungsgefängnis Berlin (April - Mai 1943)
    Wehrmachtsuntersuchungsgefängnis Berlin (Juni - Juli 1943)
    Wehrmachtsuntersuchungsgefängnis Berlin (August - November 1943)
    Chirurgische Abteilung der Charité (November 1943 bis Januar 1944)
    Krankenanstalt Berlin-Buch und Wehrmachtsuntersuchungsgefängnis Berlin (Januar bis Mai 1944)
    Infektionsabteilung des Reserve Lazaretts Potsdam (Mai bis August 1944)
    Krankenrevier des KZ Sachsenhausen (August 1944 bis Januar 1945)
    Gestapo-Hausgefängnis Prinz-Albrecht-Str. 8 (Februar bis März 1945)
    Staatskrankenhaus der Polizei in Berlin und KZ Sachsenhausen (März bis 9. April 1945)

    Das KZ Sachsenhausen war seine letzte Station. Hier wurde der krank auf einer Trage liegende Dohnanyi in einem Schnellverfahren zum Tode verurteilt; am 9. April wurde er erhängt.

    Die Briefe von Hans von Dohnanyi sind Zeugnisse seiner Liebe zu den Kindern und zu seiner Frau. Sie treffen ins Herz.

    Und damit lege ich euch dieses Buch ans Herz.

    Teilen
 

Ich verkauf dir einen Hund

Buchseite und Rezensionen zu 'Ich verkauf dir einen Hund' von Juan Pablo Villalobos
5
5 von 5 (1 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Ich verkauf dir einen Hund"

Wieviele Kakerlaken passen in einen Aufzug? Hilft ­Adorno gegen amerikanische Missionare? Lebt die Revolution? Und vor allem: Was steckt »wirklich« in einem Taco? Fragen über Fragen, die Juan Pablo Villalobos in seinem rasanten Senioren­roman aufs vergnüglichste beantwortet. Nabel der Welt ist ein Wohnhaus im Herzen von Mexico City, wo der ganz normale Wahnsinn der Stadt auf ein paar Etagen zusammenschnurrt. Während der hausinterne Literaturkreis auf dem Flur tagt – unter dem strengen Regiment der rüstigen Francesca –, entspinnt sich auf den oberen Stockwerken irgendetwas zwischen Liebes-, Künstler- und Kriminal­geschichte. Ein großer Spaß, und das ganz ohne Rentner, die aus Fenstern steigen!

Diskussionen zu "Höllensturz: Europa 1914 bis 1949"

Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:256
EAN:9783946334071
read more

Rezensionen zu "Ich verkauf dir einen Hund"

  1. 5
    09. Okt 2016 

    ein herrlich skurrile Geschichte

    Wer verkauft wem einen Hund und warum? Tierschützer unter den Lesern wird die Antwort auf diese Frage nicht gefallen. Und Freunden der mexikanischen Küche ebensowenig. Wie gut, dass die Antwort auf diese Frage nur schmückendes Beiwerk für einen Roman ist, der so herrlich skurril ist, dass man aus dem Lachen kaum heraus kommt.

    Klappentext:
    Wieviele Kakerlaken passen in einen Aufzug? Hilft ­Adorno gegen amerikanische Missionare? Lebt die Revolution? Und vor allem: Was steckt wirklich in einem Taco? Fragen über Fragen, die Juan Pablo Villalobos in seinem rasanten Senioren­roman aufs vergnüglichste beantwortet. Nabel der Welt ist ein Wohnhaus im Herzen von Mexico City, wo der ganz normale Wahnsinn der Stadt auf ein paar Etagen zusammenschnurrt. Während der hausinterne Literaturkreis auf dem Flur tagt – unter dem strengen Regiment der rüstigen Francesca –, entspinnt sich auf den oberen Stockwerken irgendetwas zwischen Liebes-, Künstler- und Kriminal­geschichte. Ein großer Spaß, und das ganz ohne Rentner, die aus Fenstern steigen! (Quelle: Berenberg Verlag)

    Erzählt wird die Geschichte von einem 78-jährigen Schwerenöter, der in besagtem Wohnhaus in Mexico City lebt. Nennen wir ihn Juan. Da die Geschichte von einem Ich-Erzähler erzählt wird, liegt der Verdacht nahe, dass der Autor aus dem Nähkästchen plaudert ... wobei das eigentlich nicht sein kann, da Juan Pablo Villalobos erst 43 ist ... aber egal, mangels eines anderen Namens bleiben wir bei Juan. Juan also lebt in diesem Haus, zusammen mit anderen Zeitgenossen seiner Altersklasse auf unterschiedliche Appartements verteilt. Er lebt in den Tag hinein und hat einen Heidenspaß daran, seine Mitmenschen zu trietzen. Insbesondere Francesca und ihr Literaturzirkel, der scheinbar 24 Stunden am Tag im Hausflur tagt, hat es ihm angetan. Francesca würde ihn zu gern für ihren Literaturzirkel rekrutieren. Schließlich ist der Verdacht aufgekommen, dass Juan einen Roman schreibt, was ihn für den Literaturzirkel prädestiniert.

    "Der Literaturzirkel begann mit der Lektüre des Palinurus von Mexiko von Fernando del Paso in der Ausgabe der gesammelten Werke des Fondo de Cultura Económica. Eintausendzweihundertdreißig Seiten, fester Einband, dreieinhalb Kilo (wer Athritis hatte, war entschuldigt)." (S. 37)

    Aber Juan widersetzt sich standhaft, zumal er auch keinen Roman schreibt, wie er immer wieder hartnäckig versichert. Und mehr passiert eigentlich nicht in dieser schrägen Geschichte. Tja, wenn da nicht diese skurrilen und liebenswerten Charaktere wären, die im Laufe dieser Geschichte auftauchen und diesem Buch einen außergewöhnlichen Anstrich verpassen. Da wäre z. B. der Mormone Willem, der die Lehre Gottes verbreiten und Juan bekehren möchte. Doch Juans Bibel ist die Ästhetische Theorie des Philosophen Theodor W. Adorno. Dessen Weisheiten haben ihm schon den einen oder anderen philosophischen Moment beschert. Ein Adorno für jede Lebenslage. Da kann der Mormone mit seinen Ansichten nicht gegenhalten, auch wenn er es ständig versucht.

    Nicht zu vergessen, dass dieses Werk des deutschen Philosophen auch schlagende Argumente beim Kampf gegen die Kakerlaken liefert, die das Haus bevölkern und ständige Alltagsbegleiter sind.

    "Zurück in der Wohnung, flitzen die Kakerlaken fröhlich an der Decke herum. Wieder ein anderes Mal stellte Willem Fallen in den Ecken auf. Schwarze Plastikschächtelchen. Eine Methode, die mir nie ganz einleuchten wollte. Sollten die Kakerlaken die Schachteln anheben und hineinkrabbeln? Es funktionierte auch nicht, aber wenigstens war es spannend, und das Rätsel mit den Schachteln beschäftigte mich eine ganze Woche." (S. 63)

    Juan und der Mormone Willem freunden sich an. Mit der Zeit tauchen weitere Figuren in diesem Roman auf, die man alles andere als "normal" bezeichnen kann. Da wären z. B. eine Gemüsehändlerin, die mit faulen Tomaten handelt (die Qualität ihrer Tomaten ist in der Demonstrantenszene berühmt-berüchtigt) oder ein Herr vom Tierschutzverein, der davon träumt, ein Schriftsteller zu sein. Leider ist er völlig talentfrei.

    So plätschert die Geschichte vor sich hin, unterbrochen von Erinnerungen die Juan an seine Jugendzeit hat. Doch wenn man meint, dass irgendwann Langeweile bei der Lektüre dieses Buches aufkommt, ist man schief gewickelt. Man kommt gar nicht dazu, sich zu langweilen. Dafür sind die Charaktere zu speziell, der Hauptprotagonist zu schlitzohrig, der Literaturzirkel fast schon militaristisch durchorganisiert und der gesamte Roman zu schräg.

    Ein Spannungsbogen? Das braucht dieser Roman nicht. Er lebt von seinem skurrilen Humor, der den Leser von Seite zu Seite weitertreibt, ständig mit der Frage im Hinterkopf, was sich der Autor als Nächstes einfallen lässt.

    Im Klappentext taucht die Bezeichnung "Seniorenroman" auf. Es ist definitiv ein Roman über Senioren, aber mit Sicherheit kein Roman ausschließlich für Senioren. Ich habe mich auf jeden Fall köstlich amüsiert und fand es schade, als ich bei der letzten Seite angelangt bin. Die Geschichte hätte für mich noch ewig weitergehen können.

    Und was jetzt mit dem Hund ist, das verrate ich nicht. Freunde skurriler Geschichten sollten sich besser selbst den Spaß gönnen und dieses Buch lesen.

    © Renie

    Teilen
 

Das Geheimnis der Mittsommernacht

Buchseite und Rezensionen zu 'Das Geheimnis der Mittsommernacht' von Christine Kabus
4
4 von 5 (2 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Das Geheimnis der Mittsommernacht"

Norwegen, 1895. Im Bergbaustädtchen Røros begegnen sich zwei junge Frauen, deren Schicksal kaum unterschiedlicher sein könnte. Die Deutsche Clara ist ihrem Ehemann in dessen Heimatstadt gefolgt, wo sich dieser endlich mit seinen Eltern aussöhnen will. Doch die Ordals begegnen Clara und ihrem kleinen Sohn Paul mit unverhohlener Ablehnung. Als wenig später ein furchtbares Unglück geschieht, ist Clara plötzlich auf sich allein gestellt. Unerwartete Hilfe erfährt sie ausgerechnet durch Sofie, die Tochter des mächtigen Bergwerksbesitzers, dem die Ordals schon lange ein Dorn im Auge sind. Sofie empfindet ihr behütetes Dasein als goldenen Käfig und bewundert es, wie Clara ihr Leben meistert. Während Clara und Sofie zu Freundinnen werden, kommen sie einem Geheimnis auf die Spur, das ihre Familien seit Jahrzehnten überschattet -

Diskussionen zu "Höllensturz: Europa 1914 bis 1949"

Format:Taschenbuch
Seiten:656
EAN:9783404174034
read more

Rezensionen zu "Das Geheimnis der Mittsommernacht"

  1. Zwei Frauen in Norwegen

    Mit ihrem Roman bleibt Christine Kabus ihrer Linie treu und führt den Leser erneut nach Norwegen. Im Mittelpunkt des Geschehens, das im Jahr 1895 beginnt, stehen zwei unterschiedliche junge Frauen, die bei näherer Betrachtung doch einige Gemeinsamkeiten aufweisen.

    Da ist einerseits die fünfundzwanzigjährige Clara. Die Deutsche ist ein Findelkind und eine Waise und scheint ihr Glück trotz aller Widrigkeiten gefunden zu haben. Schließlich hat sie es vom mittellosen Dienstmädchen zur Ehefrau eines aufstrebenden Juristen gebracht. Ihr Mann Olaf Ordal ist grundsolide und einer von der stillen Sorte, der seiner Frau mit Achtung und Respekt begegnet und für sie und Sohn Paul sorgt. Vor zehn Jahren hat Olaf seine Heimat verlassen, und als er mit seiner Familie zu einem Leben in die Südsee aufbrechen will, ruft ihn eine Nachricht zurück nach Norwegen. Mit offenen Armen werden die jungen Ordals dort nicht empfangen. Und als ein Unglück geschieht und Olaf stirbt, verschlechtert sich für Clara und Paul die Situation zusätzlich. Denn sie befinden sich nicht nur in einem unbekanntes Land, sondern sehen sich zudem Menschen gegenüber, die sie nicht willkommen heißen und akzeptieren wollen, ja sogar vehement ablehnen. Doch bei aller Verzweiflung gibt es auch Lichtblicke...

    Im Gegensatz zu Clara ist Sofie als Tochter des Bergwerkdirektors Ivar Svartstein in ein privilegiertes, sorgenfreies Leben hineingeboren. Sie möchte sich nicht mit ihrem vorbestimmten Schicksal als Frau abfinden und nutzt jede Gelegenheit, ihrer Welt zu entfliehen, auch um ihren Wissensdurst und ihre Neugier zu stillen. Sie glaubt daran, dass in einer Ehe Zuneigung zärtliche Gefühle herrschen können und dass eine Liebesheirat keine romantische Utopie sein muss, sondern wahr sein kann. Jedoch das Schicksal macht keinesfalls vor Sofies Familie nicht halt, und Sofie verliert ihre geliebte Mutter bei der Geburt des erhofften Sohnes. Bei deren Eltern findet sie liebevolle Aufnahme, Verständnis und Zuspruch. Gestärkt beschreitet sie neue Wege, findet Erfüllung in ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit als Bibliothekarin, engagiert sich für ein Theaterstück und scheint die Liebe zu entdecken...
    Christine Kabus verfügt über eine einprägsame Art des Schreibens, die es dem Leser möglich macht, eine Geschichte so zu erleben, als wäre er unmittelbar vor Ort, obwohl einem das Land und die Menschen eigentlich völlig fremd erscheinen. Ihre ausführliche Recherche des historischen, politischen und gesellschaftlichen Hintergrundes fügt sich gekonnt in die Geschichte ein, ohne ausufernd zu sein. Sie schafft es, mit bildhaften und intensiven Beschreibungen, detaillierte Vorstellungen beim Leser zu erzeugen.

    Eine weitere Stärke der Autorin sind die differenziert ausgearbeiteten Figuren. Sie wirken natürlich, lebensnah und glaubwürdig und haben viel Raum, sich zu entfalten und zu entwickeln.

    Im Mittelpunkt stehen natürlich Clara und Sofie.

    Anfänglich ist der sanftmütige Clara ihr neues Leben an der Seite von Olaf immer noch ein wenig unheimlich, und es fällt ihr nach wie vor schwer, unbefangen damit umzugehen, dass sie durch ihre Heirat zur "besseren"Gesellschaft aufgestiegen ist. Sie sieht dieses Leben nicht als selbstverständlich an. Deshalb ist ihre Verzweiflung nach dem Tod von Olaf deutlich spürbar. Sie sorgt sich um die nunmehr fehlende Geborgenheit und Sicherheit. Aber mit der Zeit wächst sie über sich hinaus und kann sich davon lösen, ohne Olaf den Anforderungen des Lebens nicht gewachsen zu sein. Etwas, was in ihrem bisherigen Leben bisher nicht hatte, verfestigt sich, die Gewissheit, dass sie mehr zustande bringen und aushalten kann, als sie sich je zutraute.

    Sofie ist 19 und gilt in den Augen einiger Mitmenschen als verschlossen, grüblerisch und widerborstig. Dabei verfügt sie über einen scharfsinnigen Verstand, der sie erkennen lässt, dass die bigotten Ansichten, scharfzüngigen Verurteilungen und engstirnigen Normvorstellungen mancher braver Bürger nicht nur amüsant, sondern unangenehm sind, weil sie durchaus den guten Ruf eines unbescholtenen Mitmenschen vernichten und dem Betroffenen das Leben zur Hölle machen können. Zwar ist auch Sofie nicht frei von Vorurteilen, andererseits es ist ihr möglich, dies selbst zu erkennen und aus ihren eigenen Fehlern zu lernen.

    Neben den beiden Frauen vermögen auch die anderen Charaktere zu überzeugen. Während einige wie Paul, Bodil, Per, Mathis und Frau Olsson sofort begeistert aufgenommen werden, rufen andere - beispielsweise Sofies Schwester Silje - durchaus Unbehagen hervor. Daneben gibt es Figuren wie Ivar Svartstein, der nicht unbedingt ins positive Licht gerückt wird, bei dem keinesfalls nur negative Eigenschaften vorherrschen. Hier ist der Autorin eine anschauliche Mischung gelungen.

    Christine Kabus überzeugt mit einer Geschichte voller Möglichkeiten und Entwicklungen, mischt diese mit dem Gegebenheiten Norwegens und füllt sie mit beeindruckenden Menschen, die in Erinnerung bleiben.

    Teilen
  1. Familiendrama in Norwegen

    Das Cover dieses Buch macht schon viel Appetit auf den Roman, das sanfte Licht des Nordens, ein typisch rot-weißes Schärenhäuschen, geradezu idyllisch.

    Allerdings beginnt der Roman dann nicht ganz so idyllisch:
    Bevor Olaf Ordal mit seiner deutschen Frau Clara und dem Sohn Paul eine berufliche Herausforderung in Samoa annimmt, führen dringende Familienangelegenheiten die Familie nach Norwegen. Doch kaum bei den Eltern angekommen, erleidet Olaf eine tödliche Herzattacke und Clara bleibt mit dem Sohn völlig mittellos und von den Schwiegereltern verachtet in Norwegen zurück.

    Da Paul das Grab des Vaters nicht verlassen möchte, beschließen sie erstmal in Norwegen zu bleiben und mit Hilfe einer netten Pensionswirtin und eines deutschstämmigen Mitarbeiters im Bergwerk, kann Clara eine Stelle annehmen und ein bescheidenes Auskommen erwirtschaften. Trotz der Ablehnung der „besseren Gesellschaft“ des Ortes findet sie mit ihrer bescheidenen und hilfsbereiten Art schnell auch Freunde.
    Gleichzeitig spielt Ivar Svartstein, dem das Bergwerk gehört, eine große Rolle in der Stadt und damit auch in Claras Leben. Mit Sofie, der jüngeren Tochter, verbindet Clara allmählich Freundschaft. Es liegt ein Geheimnis über der Familie Svartstein und das betrifft auch die Familie Ordal. Clara findet bald eine Spur zu den schicksalshaften Ereignissen der Vergangenheit.

    Der Roman ist ein breit angelegter Familien- und Schicksalsroman, der ins Norwegen des 19. Jahrhunderts führt. Die Beschreibungen des Ortes, der Lebensumstände usw sind sehr ausführlich erzählt und gleiten manchmal arg ins Nebensächliche ab. Dafür wird das Gesellschaftsleben des Ortes interessant erzählt und die Autorin bringt sogar leise Ironie an den "feinen" Damen unter.

    Clara und Sofie sind die Hauptpersonen dieses Familiendramas und beide sind sehr starke, sympathische und aufgeschlossene Frauen, die für den Wandel der Gesellschaft stehen und deshalb auch etwas klischeehaft charakterisiert sind.

    Aber auch die Dramatik kommt nicht zu kurz, aber mir waren es zu viele Wendungen und Nebenhandlungen, die den Roman breiter, aber nicht tiefer machten.
    Manchen Handlungsstrang fand ich unglaubwürdig und auch nicht immer logisch.

    Ich habe mich im Großen und Ganzen gut unterhalten, aber so richtig gepackt hat mich das „Geheimnis der Mittsommernacht“ nicht.

    Teilen
 

Das Sommerbuch

Buchseite und Rezensionen zu 'Das Sommerbuch' von Tove Jansson
3.5
3.5 von 5 (2 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Das Sommerbuch"

Diskussionen zu "Höllensturz: Europa 1914 bis 1949"

Autor:
Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:208
EAN:9783785724989
read more

Rezensionen zu "Das Sommerbuch"

  1. Ein Sommerbuch

    „Es war ein früher, sehr warmer Morgen im Juli, in der Nacht hatte es geregnet. Von dem nackten Fels stieg Dampf auf, das Moos und die Felsspalten waren getränkt von Nässe, und alle Farben leuchteten tiefer.“ (Zitat Seite 23)

    Inhalt
    Mit den oben zitierten Worten beginnt die Geschichte eines Sommers im einfachen Ferienhaus der Familie auf einer finnischen Insel. Sophia ist sechs Jahre alt und verbringt viel Zeit mit ihrer Großmutter, da ihr Vater meistens beschäftigt ist. Sie erkunden die Natur, beobachten, und erzählen einander Geschichten. Nicht alle Fragen Sophias kann oder will die Großmutter beantworten und nicht immer sind die Antworten so, wie Sophia es sich vorstellt oder wünscht. Wenn die Nächte langsam dunkler und kälter werden, ist es Zeit, das Ferienhaus auf den Winter vorzubereiten und die Insel zu verlassen, bis zum nächsten Frühjahr.

    Thema und Genre
    In diesem Buch geht es um die Geschichten und Erlebnisse eines Sommers. Themen sind Familie, Kindheit, Jugend und Alter, die Beziehung zwischen Großmutter und Enkelin, das einfache Leben auf einer kleinen Ferieninsel.

    Charaktere
    Sophia ist eine typische Sechsjährige, wissensdurstig, neugierig, voller Fragen. Gleichzeitig ist sie manchmal ängstlich und trotzig. Wir erfahren zwar, in welchem Jahr die Großmutter geboren wurde, kennen aber ihr genaues Alter nicht. Berechnet man das mögliche Alter einer Frau mit einer sechsjährigen Enkelin, so ist für mich diese Figur nicht authentisch, ihre Beschwerden schildern eine sehr alte Frau.

    Handlung und Schreibstil
    Die einzelnen Kapitel sind in sich abgeschlossene Episoden eines Tages oder einer Nacht, daher spielt es keine Rolle, dass sie nicht immer chronologisch verlaufen. So atmet auch die Form der Erzählung die spontane Freiheit von Sommertagen. Die Sprache ist poetisch und schildert neben den alltäglichen Geschichten der beiden Hauptfiguren, Sophia und ihre Großmutter, auch das einfache Inselleben der damaligen Zeit. Die Beschreibung „… darüber flogen Schwalben mit schrillen Schreien, wie Messer fuhren sie durch die Luft.“ (Seite 180) bezieht sich eindeutig auf Mauersegler, doch das liegt wohl nicht an Tove Jansson, sondern sicher an der Übersetzerin.

    Fazit
    Auf Grund von sehr positiven Besprechungen und Empfehlungen in Literaturzeitschriften wurde ich auf dieses Buch aufmerksam. Obwohl ich die aus den Kindheitserinnerungen der Schriftstellerin entstandenen Geschichten über finnische Inselferien mit Interesse gelesen habe, blieb es für mich Lektüre, die mich nicht tiefer beeindruckt hat.

    Teilen
  1. 4
    27. Jul 2016 

    Sommerleben...

    Tove Jansson ist wohl vor allem durch ihre MUMIN-Geschichten international bekannt. Doch sie schrieb auch zehn Romane für Erwachsene - einer davon ist 'Das Sommerbuch'.

    Eine über achtzigjährige Großmutter und ihre sechsjährige Enkelin Sophia verbringen den Sommer auf einer winzigen Schäreninsel im finnischen Meerbusen. Viereinhalb Minuten dauert ein Rundgang um die Insel: Felsbrocken, Gestrüpp, Blumenwiese, Trockengraswiese, Kiefernhain, Moortümpel - das ist in den langen, langsamen Monaten zwischen Frühling und Herbst auf der kleinen Insel ihr eigenes karges und doch so lebendiges Paradies. Sophia und ihre Großmutter stellen Tierskulpturen her, schnitzen Boote aus Rinde, sie sammeln Beeren, Treibholz und Knochen. Sie zeichnen, schreiben, erzählen Geschichten, bauen eine Stadt auf Pfählen im Morast, rudern zu den anderen Inseln hinüber, schlafen und schwimmen und reden.

    "Wann stirbst du?", fragte das Kind. Und die Großmutter antwortete: "Bald. Das geht dich aber überhaupt nichts an."

    Eine Welt voller kleiner Wunder ist es, die der Leser da mit Sophia und ihrer Großmutter entdeckt. Viele eigene Erfahrungen ließ die Autorin in dieses Sommerbuch einfließen, und die Liebe zu diesen Erinnerungen und zu der kleinen Insel ist in jeder Zeile spürbar. Aber auch die Liebe zwischen Sophia und ihrer Großmutter, die sich nur noch mühsam mit Hilfe eines Stockes über die Insel bewegen kann. Oftmals herrscht zwischen den beiden eher ein ruppiger und rauer Ton, aber es ist zu spüren, wie ernst die alte Frau ihre Enkelin nimmt, wie sie sich zu keinem Moment über sie lustig macht oder über sie hinwegsetzt, sondern immer zur rechten Zeit das Richtige zu sagen vermag, sei es auch noch so merkwürdig.

    "...und nur noch das Schweigen war da. Schließlich sagte Sophias Großmutter: 'Ich kann ein Lied, das kannst du nicht.' Sie wartete eine Weile, dann sang sie, sehr falsch, weil ihre Stimmbänder verrostet waren: 'Trallali, schmeiß nie mit Kuhscheiß, trallalabumm. Trallalala, weil ich dann zurückschmeiß. Trallalawumm.' 'Was hast du da gesagt?', flüsterte Sophia, weil sie gar nicht glauben konnte, was sie gehört hatte..."

    Die beiden Figuren haben mir sehr gut gefallen. Sophia und ihre Großmutter sind zwei unanbhängige, starke Charaktere, die zahllose Diskussionen miteinander führen und sich durchaus auch einmal streiten, doch wenn es darauf ankommt, sind sie füreinander da. Jede der beiden macht sich seine Gedanken, oft über Kleinigkeiten, und als Leser nimmt man so noch einmal wahr, wie sehr Kinder in Staunen verfallen können - und dass das im Alter nicht enden muss. Philosophisches vermischt sich hier mit viel subtilem Humor, der Ton ist meist heiter, die Sprache klar und poetisch.

    "Mitten in den Kieswall hatte der Direktor ein großes Schild mit schwarzen Buchstaben gestellt: ~Privat. Betreten verboten.~ 'Wir gehen an Land', sagte die Großmutter, sie war sehr verärgert. Sophia sah sie ängstlich an. 'Das hier ist was ganz anderes', erklärte ihre Großmutter. 'Kein einigermaßen wohlerzogener Mensch geht auf einer Insel an Land, die einem anderen gehört, auch nicht, wenn niemand dort ist. Aber wenn sie ein Schild aufstellen, tut man das, denn das ist eine Herausforderung.' 'Natürlich', sagte Sophia und erweiterte ihre Lebenserfahrung."

    Ein Roman, der entschleunigt, der einen tief eintauchen lässt in den langen finnischen Sommer, und der vor Augen führt, dass man auf angenehme Weise auch gemeinsam einsam sein kann. Für mich war das Buch eine wundervolle Entdeckung.

    © Parden

    Teilen
 

Die Tagebücher der Anne Frank

Buchseite und Rezensionen zu 'Die Tagebücher der Anne Frank' von Anne Frank

Inhaltsangabe zu "Die Tagebücher der Anne Frank"

Geschichte/Geschichte Allgemein - Quart. Gebunden. 64 Seiten mit Abbildungen.

Diskussionen zu "Höllensturz: Europa 1914 bis 1949"

Autor:
Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:892
Verlag: S. FISCHER
EAN:9783100767103
read more
 

Tagebuch

Buchseite und Rezensionen zu 'Tagebuch' von Anne Frank
4
4 von 5 (1 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Tagebuch"

.

Diskussionen zu "Höllensturz: Europa 1914 bis 1949"

Autor:
Format:Taschenbuch
Seiten:368
Verlag: Fischer
EAN:9783596152773
read more

Rezensionen zu "Tagebuch"

  1. Schreiben als Überlebensnotwendigkeit

    Das Tagebuch der Anne Frank zählt zur Weltliteratur und wird als eines der eindringlichsten Dokumente über die Judenverfolgung während des 2. Weltkrieges beschrieben. Alleine durch diese Beschreibung wollte ich zu dem Buch greifen und mir selbst ein Bild von den Gedanken eines jungen jüdischen Mädchens über ihr Leben im Amsterdamer Hinterhaus-Versteck machen. Gelesen habe ich das Buch schlussendlich mit zwei Bloggerinnen in einer gemeinsamen Leserunde, denn dass es zu der Thematik viel zu besprechen gibt, davon war auszugehen ...

    ~ Es ist für jemanden wie mich ein eigenartiges Gefühl, Tagebuch zu schreiben. Nicht nur, dass ich noch nie geschrieben habe, sondern ich denke auch, dass sich später keiner, weder ich noch ein anderer, für die Herzensergüsse eines dreizehnjährigen Schulmädchens interessieren wird. ~
    (S. 18)

    Als ich dieses Zitat gelesen habe, habe ich mir gedacht: Anne, wenn du damals nur gewusst hättest, dass dein Tagebuch eines Tages millionenfach verkauft und gelesen wird ...
    Das Schicksal der Anne Frank dürfte vielen wahrscheinlich schon bekannt sein: Sie starb im Frühjahr 1945 im KZ Bergen-Belsen, nachdem das Versteck, in dem sie und die anderen sieben Untergetauchten lebten, im Jahr davor von einem Lagerarbeiter an die Nazis verraten wurde. Diese Tatsache, die mir während dem Lesen natürlich ständig bewusst war, macht es schwer zu lesen, dass sich Anne Gedanken über die Zeit nach dem Krieg macht, Hoffnung hat und versucht, das beste aus der Situation im Hinterhaus zu machen. Wenn man weiß, dass sie nicht überleben wird, hinterlässt das einen trüben und traurigen Beigeschmack ...

    ~ Der Krieg stört sich nicht an unseren Streitereien, an unserer Sehnsucht nach Freiheit und Luft, und darum müssen wir versuchen, das Beste aus unserem Aufenthalt hier zu machen. ~
    (S. 169)

    Jedoch muss man sagen, dass derartige Gedanken nicht vorherrschend sind. Anne schreibt zwar hin und wieder in ihr Tagebuch, dass sie alle Angst haben und besorgt sind wegen dem, was draußen vor sich geht, aber die grundsätzlichen Themen sind eher die alltäglichen Probleme eines 13 bis 15-jährigen Mädchens mit ihrer Mutter, ihrer Schwester Margot oder den anderen im Hinterhaus lebenden Menschen. Anne verwendet auch viel Raum, um den ewig ähnlichen Tagesablauf zu beschreiben, über ihre Helfer zu sprechen, oder dass sie oft still sein mussten, wenig abwechslungsreiches Essen zur Verfügung hatten und dergleichen. Das habe ich so nicht ganz erwartet und fand ich manchmal etwas trocken zu lesen. Generell hätte es mich mehr interessiert, wenn Anne mehr über die derzeitige politische Lage, die derzeitige Kriegssituation bzw. das, was das in ihr ausgelöst hat, geschrieben hätte.

    ~ Aber das Lachen haben wir fast verlernt. Manchmal habe ich Angst, dass ich vor lauter Ernst ein starres Gesicht und Falten um den Mund bekommen werde. ~
    (S. 137)

    Anne ist ein charakterstarkes, lebensmutiges Mädchen mit ausgedehnter Energie. Sie kann ihren Willen durchsetzen und ist unbeeinflussbar, weswegen sie im Hinterhaus auch immer wieder angeeckt hat. Und da genau das das war, was sie am meisten beschäftigt hat, wurde es auch lang und breit thematisiert.
    In meiner Taschenbuchausgabe kam durch die vielen Fotos, die immer wieder zwischendrin abgebildet waren, aber glücklicherweise etwas Abwechslung zustande. Und dann gab es von Zeit zu Zeit auch mal Situationen, in denen es für Anne und ihre Familie brenzlig wurde, weil sie beispielsweise unvorsichtig im Hinblick auf die Lautstärke waren - also, es war auch Spannung und Aufregung beim Lesen vorhanden, keine Frage!

    ~ Dieses Gerede höre ich den ganzen Tag. Invasion vorne, Invasion hinten. Dispute über Hungern, Sterben, Bomben, Feuerspritzen, Schlafsäcke, Judenausweise, Giftgase und so weiter. Alles nicht erheiternd. ~
    (S. 179)

    Es ist am Ende des Buches erschreckend, dass die Tagebucheinträge so plötzlich aufhören, ohne Vorwarnung. Man weiß zwar, dass die acht Hinterhäusler nun gefasst wurden, aber es lässt einen doch irgendwie fassungslos zurück, weil es von Anne ja nun keine Einträge mehr gibt und von ihr nicht mehr erfährt, wie es ihr weiterhin ergangen ist, was sie persönlich noch alles bis zu ihrem Tod durchstehen musste ... Ich war aber trotzdem sehr dankbar für das Nachwort in dieser Ausgabe, das zwei Seiten umfasst und die Schicksale von den acht Untergetauchten thematisiert - die wirklich alles andere als rosig sind! Besonders lesenswert empfand ich im Anschluss darauf dann noch Mirjam Presslers Text über Anne Franks Leben und die Geschichte der Familie von Anne Frank, der insgesamt etwa 24 Seiten lang war. Ein äußerst interessanter Abschluss, wie ich finde!

    Teilen
 

Tagebuch

Buchseite und Rezensionen zu 'Tagebuch' von Anne Frank
4
4 von 5 (1 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Tagebuch"

.

Diskussionen zu "Höllensturz: Europa 1914 bis 1949"

Autor:
Format:Taschenbuch
Seiten:368
Verlag: Fischer
EAN:9783596152773
read more

Rezensionen zu "Tagebuch"

  1. Schreiben als Überlebensnotwendigkeit

    Das Tagebuch der Anne Frank zählt zur Weltliteratur und wird als eines der eindringlichsten Dokumente über die Judenverfolgung während des 2. Weltkrieges beschrieben. Alleine durch diese Beschreibung wollte ich zu dem Buch greifen und mir selbst ein Bild von den Gedanken eines jungen jüdischen Mädchens über ihr Leben im Amsterdamer Hinterhaus-Versteck machen. Gelesen habe ich das Buch schlussendlich mit zwei Bloggerinnen in einer gemeinsamen Leserunde, denn dass es zu der Thematik viel zu besprechen gibt, davon war auszugehen ...

    ~ Es ist für jemanden wie mich ein eigenartiges Gefühl, Tagebuch zu schreiben. Nicht nur, dass ich noch nie geschrieben habe, sondern ich denke auch, dass sich später keiner, weder ich noch ein anderer, für die Herzensergüsse eines dreizehnjährigen Schulmädchens interessieren wird. ~
    (S. 18)

    Als ich dieses Zitat gelesen habe, habe ich mir gedacht: Anne, wenn du damals nur gewusst hättest, dass dein Tagebuch eines Tages millionenfach verkauft und gelesen wird ...
    Das Schicksal der Anne Frank dürfte vielen wahrscheinlich schon bekannt sein: Sie starb im Frühjahr 1945 im KZ Bergen-Belsen, nachdem das Versteck, in dem sie und die anderen sieben Untergetauchten lebten, im Jahr davor von einem Lagerarbeiter an die Nazis verraten wurde. Diese Tatsache, die mir während dem Lesen natürlich ständig bewusst war, macht es schwer zu lesen, dass sich Anne Gedanken über die Zeit nach dem Krieg macht, Hoffnung hat und versucht, das beste aus der Situation im Hinterhaus zu machen. Wenn man weiß, dass sie nicht überleben wird, hinterlässt das einen trüben und traurigen Beigeschmack ...

    ~ Der Krieg stört sich nicht an unseren Streitereien, an unserer Sehnsucht nach Freiheit und Luft, und darum müssen wir versuchen, das Beste aus unserem Aufenthalt hier zu machen. ~
    (S. 169)

    Jedoch muss man sagen, dass derartige Gedanken nicht vorherrschend sind. Anne schreibt zwar hin und wieder in ihr Tagebuch, dass sie alle Angst haben und besorgt sind wegen dem, was draußen vor sich geht, aber die grundsätzlichen Themen sind eher die alltäglichen Probleme eines 13 bis 15-jährigen Mädchens mit ihrer Mutter, ihrer Schwester Margot oder den anderen im Hinterhaus lebenden Menschen. Anne verwendet auch viel Raum, um den ewig ähnlichen Tagesablauf zu beschreiben, über ihre Helfer zu sprechen, oder dass sie oft still sein mussten, wenig abwechslungsreiches Essen zur Verfügung hatten und dergleichen. Das habe ich so nicht ganz erwartet und fand ich manchmal etwas trocken zu lesen. Generell hätte es mich mehr interessiert, wenn Anne mehr über die derzeitige politische Lage, die derzeitige Kriegssituation bzw. das, was das in ihr ausgelöst hat, geschrieben hätte.

    ~ Aber das Lachen haben wir fast verlernt. Manchmal habe ich Angst, dass ich vor lauter Ernst ein starres Gesicht und Falten um den Mund bekommen werde. ~
    (S. 137)

    Anne ist ein charakterstarkes, lebensmutiges Mädchen mit ausgedehnter Energie. Sie kann ihren Willen durchsetzen und ist unbeeinflussbar, weswegen sie im Hinterhaus auch immer wieder angeeckt hat. Und da genau das das war, was sie am meisten beschäftigt hat, wurde es auch lang und breit thematisiert.
    In meiner Taschenbuchausgabe kam durch die vielen Fotos, die immer wieder zwischendrin abgebildet waren, aber glücklicherweise etwas Abwechslung zustande. Und dann gab es von Zeit zu Zeit auch mal Situationen, in denen es für Anne und ihre Familie brenzlig wurde, weil sie beispielsweise unvorsichtig im Hinblick auf die Lautstärke waren - also, es war auch Spannung und Aufregung beim Lesen vorhanden, keine Frage!

    ~ Dieses Gerede höre ich den ganzen Tag. Invasion vorne, Invasion hinten. Dispute über Hungern, Sterben, Bomben, Feuerspritzen, Schlafsäcke, Judenausweise, Giftgase und so weiter. Alles nicht erheiternd. ~
    (S. 179)

    Es ist am Ende des Buches erschreckend, dass die Tagebucheinträge so plötzlich aufhören, ohne Vorwarnung. Man weiß zwar, dass die acht Hinterhäusler nun gefasst wurden, aber es lässt einen doch irgendwie fassungslos zurück, weil es von Anne ja nun keine Einträge mehr gibt und von ihr nicht mehr erfährt, wie es ihr weiterhin ergangen ist, was sie persönlich noch alles bis zu ihrem Tod durchstehen musste ... Ich war aber trotzdem sehr dankbar für das Nachwort in dieser Ausgabe, das zwei Seiten umfasst und die Schicksale von den acht Untergetauchten thematisiert - die wirklich alles andere als rosig sind! Besonders lesenswert empfand ich im Anschluss darauf dann noch Mirjam Presslers Text über Anne Franks Leben und die Geschichte der Familie von Anne Frank, der insgesamt etwa 24 Seiten lang war. Ein äußerst interessanter Abschluss, wie ich finde!

    Teilen
 

Schwarze Oliven: Korfu: Insel der Phäaken

Buchseite und Rezensionen zu 'Schwarze Oliven: Korfu: Insel der Phäaken' von Lawrence Durrell

Inhaltsangabe zu "Schwarze Oliven: Korfu: Insel der Phäaken"

Diskussionen zu "Höllensturz: Europa 1914 bis 1949"

Format:Taschenbuch
Seiten:144
Verlag: Rowohlt
EAN:9783499111020
read more
 

Seiten